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Das Olympische Bildungsmagazin

live aus Rio (21): Videokonferenz mit den Stepanows

Bildschirmfoto 2016-08-15 um 13.19.35

BARRA DA TIJUCA. Ich hoffe, dass die Technik funktioniert. Gleich beginnt eine Videokonferenz mit Julia Stepanowa und Witali Stepanow. Ich werde so gut es geht live bloggen.

Kaj Beuter, der die Petition für Julia Stepanowa eingereicht hat (hier zeichnen!) ist auch dabei.

Die Stepanows sind nun sauber verbunden, das ist das wichtigste. Wenn ich mich recht erinnere, sind 45 oder 60 Journalisten aus aller Welt zugeschaltet.

(Meine Kamera und mein Mikro werden vom System nicht so recht akzeptiert. Egal, dann keine Frage, wichtig sind nur die, die heute antworten.)

Witali noch bei einer kurzen Einleitung. Bedankt sich bei Kaj Beuter und allen Unterstützern der Crowdfunding-Initiative, vor allem auch bei den Sportlern um Beckie Scott und Robert Harting.

Auch andere haben noch technische Probleme. Jetzt gerade Elmar Theveßen vom ZDF (hier geht es zu meiner großen ARD/ZDF-Geschichte von heute morgen). Fragt nach dem gehackten Account von Julia.

Witali spricht perfekt Englisch. Julia spricht Russisch, wird simultan ins Englische übersetzt, und berichtet nun, wie sie bemerkt hat, dass ihr ADAMS Account bei der WADA geblockt und ihr Email-Account gehackt worden sind.

Es gibt nur einen Grund, dass jemand einen ADAMS Account hackt – derjenige will herausfinden, wo man sich aufhält.

Also sind sie aus Sicherheitsgründen wieder mal umgezogen.

Sie äußern keine Vermutungen, wer dahinter stecken könne. Das dürfte allen klar sein.

Die Autoritäten in Russland wissen bestimmt, wo wir sind, meint Witali. Ich übersetze das englische Wort „authorities“ bewusst mit Autoritäten, weil das in der russischen Welt doch eine besondere Bedeutung hat.

Wenn uns irgend etwas passiert, dann dürft Ihr wissen, dass das kein Zufall war!

Sie sind sich seit langem klar, dass es für sie keinen Schutz gibt.

Ihr sei auch klar gewesen, dass sie vom IOC und den Verbündeten nicht für die Olympischen Spiele zugelassen werde.

Meine Angst ist so groß wie nie.

Sie wurde schon zweimal gefragt, ob sie ihren Sohn in sichere Obhut geben könne/wolle.

Wir wollen als Familie zusammen bleiben.

Witali sagt, jeder russische Sportler wisse Bescheid. Wer einige Jahre dabei sei und es bis Olympia schaffe, wisse alles. Er wünsche sich, das mehr Sportler den Mut aufbringen und nicht länger die Privilegien entgegen nehmen, betrügen und schweigen.

Owen Gibson fragt danach, ob es also weiter russische Doper in Rio gebe – und ob das IOC Kontakt aufgenommen habe zu den Stepanows.

Witali sagt: Es gibt das Statement der Verbannung vom 24. Juli 2016. Sie haben geantwortet, dass diese Entscheidung auf Unwahrheiten beruhe. Am 29. Juli hat man letztmals vom IOC gehört.

Die haben jetzt die Spiele und bestimmt viel zu tun.

Gab es Kontakte zu anderen Russen. Melden sich vielleicht andere?

Sobald du sprichst, wirst du von allen Positionen verbannt: aus dem Sport, aus den Klubs, aus der Armee, von Gazprom. Wer spricht, verliert alles und muss völlig neu beginnen.

Fühlen sie sich sicherer, wo sie jetzt sind (an der Westküste der USA) oder würden sie sich in Rio bei den Spielen sicherer fühlen?

Wenn ich Julia richtig verstanden habe, dann sagt sie, in Rio wäre die Gefahr größer gewesen. (Kann das missverstanden haben.)

Witali sagt, hätte Julia weiter gelogen und betrogen, wäre sie jetzt höchstwahrscheinlich in Rio dabei. Da hätte das IOC nichts dagegen gehabt.

Hajo Seppelt zitiert aus einem der Propaganda-Interviews des IOC-Präsidenten, verbreitet über die Deutsche Presse-Agentur, in dem Bach behauptet hat, Stepanowa hätte aktiv am russischen Dopingsystem mitgewirkt.

Sie fragen nach. Es geht Seppelt darum, dass Bach eben nicht nur gesagt habe, Julia war gedopt, sondern sie habe aktiv am System mitgewirkt.

Thomas Bach und das IOC haben sich nie für uns interessiert, sie haben sich nie für die Hintergründe interessiert.

Das wiederholt Julia mehrfach.

Sie haben nur das getan, was ihnen am meisten einbringt.

Es gab überhaupt nur einen IOC-Kontakt. Eine Stunde Telefonat mit Ethikkommission. 30 Minuten mit Richard Budgett.

Wäre ich nicht im System involviert gewesen, als Sportlerin, hätte ich doch auch nie darüber berichten können.

Ich habe meine Konsequenzen gezogen, ich habe alles gesagt und getan, was ich zur Aufklärung beitragen kann. Ich habe mein Leben und die Art, wie ich meinen Sport betreibe, komplett geändert. Mehr kann ich nicht tun.

Es interessiert sie nicht, weder Bach noch das IOC.

Julia wurde für Doping zweimal gesperrt. Das IOC hat nun entschieden, dass sie auch für Whistleblowing gesperrt wird. Damit müssen wir leben.

Jemand erinnert daran, dass Bach auf einer PK gesagt habe, das IOC unternehme viel, um ihnen zu helfen.

War er besoffen, als er das gesagt hat?

Fragt Witali Stepanow.

Und erinnert daran, dass es außer dem Bann durch das IOC-Exekutivkomitee am 24. Juli und der darin enthaltenen VIP-Einladung nichts gab von Bach.

Null. Nada. Niente. Nichts.

Es ist mal wieder ernüchternd. Man weiß es. Man ist doch immer wieder geschockt über die Brutalität, die totale Gewissenlosigkeit, mit der Leute wie Bach (und Putin, natürlich) vorgehen.

Was hat Bach nicht für ein olympisches Propagandafeuerwerk abgebrannt zur Eröffnungsfeier. Nichts davon ist unterlegt. Oder: nur sehr sehr wenig.

Können Sie sich jemals wieder sicher fühlen, Julia?

(Habe die Antwort wegen technischer Probleme nicht verstanden.)

Wir bereuen nichts. Wir machen so weiter.

Julia Stepanowa

Ohne investigativen Journalismus wäre die Wahrheit nie ans Licht gekommen, sagt Witali.

Wir bereuen nichts. Die Geschichte ist viel größer, als sie sich das alle vorstellen können.

Witali Stepanow

Und er sagt:

Wie das IOC damit umgeht, ist frustrierend. Wir hätten nie damit gerechnet, dass sich das IOC an die Seite der korrupten russischen Offiziellen stellt.

WADA und IAAF haben wenigstens ihre Einstellung geändert und unternehmen etwas.

Ich bin sicher, dass es in Rio etliche gedopte Sportler gibt. Natürlich ist Doping nicht auf Russland beschränkt, sagt Julia.

Das IOC hat gezeigt, dass es eine hohe Toleranzschwelle hat, wenn es um Staatsdoping geht. Von Zero Tolerance kann keine Rede sein. Wir stehen den Leistungen hier extrem misstrauisch gegenüber.

Ist Thomas Bach ethisch geeignet für die Führung der olympischen Bewegung, fragt Michael Reinsch (FAZ). Und will noch wissen, ob es stimme, dass Julia nur unter der Bedingung mit der IOC-Ethikkommission reden wollte, wenn sie für Rio zugelassen werde.

Witali sagt, was da diskutiert wurde, ist in Russisch und Französisch veröffentlicht. Es gibt da gerade Missverständnisse. Reinsch wiederholt, dass Julia oder er während des Gesprächs eine Garantie der Olympiateilnahme gefordert hätten.

Das glaube ich nicht. Wir hätten das doch nie verlangen können.

Sagt Witali Stepanow. In der Mitte des Gesprächs habe ich vielleicht einen Satz in der Richtung gesagt, da war ich emotional, weil mir einer der Gesprächsteilnehmer zu juristisch argumentiert hatte.

Und, ist Bach ethisch für die Führung des IOC geeignet.

Das betrifft nicht nur Thomas Bach, sondern jeden Politiker. Sie wollen alle ihre Jobs behalten. Ich weiß nicht, ob so ein Verhalten ethisch ist. Aber diese Leute sollten ihre Fehler eingestehen und sich entschuldigen. Ich weiß nicht, wie ethisch geeignet Thomas Bach ist, ich wünsche mir nur, dass er zu seinen Fehlern steht.

Schlusswort Witali Stepanow:

Wer Jahre im System verfangen ist, hat drei Optionen: Er kann lügen, er kann schweigen oder er kann die Wahrheit sagen. Darja Klischina wollte an den Spielen teilnehmen. Das bedeutete, dass sie lügen musste. Also ist sie in Rio dabei.

Schlusswort Julia Stepanowa:

Sie bedankt sich für die Unterstützung der Medien, die für sie und ihre Familie extrem wichtig sei.

Medaillen sind nur Medaillen. Viel wichtiger ist, auf welchen Wegen man Medaillen gewinnt.

19 Gedanken zu „live aus Rio (21): Videokonferenz mit den Stepanows“

  1. Herzlichen Dank für diese Live-Eindrücke! Gibt es denn keine Nation auf dieser Welt, welche die beiden in sein Zeugenschutz-Programm aufnehmen kann und will? Es ist zum Verzweifeln!

  2. Beeindruckend, aus erster Hand zu hören, und auch zu spüren, was da ablief und abläuft. Aber auf verdammt bedrückend.

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  6. Jörg Mebus für den sid: IOC-Kehrtwende, die Fragen aufwirft

    Es werde sich zeigen, ob der Präsident es „ernst meint oder die Stepanows, eine verzweifelte Familie, die von irgendetwas leben muss, nur mit einem vergifteten Geschenk gekauft hat“. Ohnehin, ergänzte Sörgel, wäre „eine Entschuldigung des IOC der notwendige erste Schritt und ein enorm wichtiges Zeichen für alle Whistleblower und für den Anti-Doping-Kampf gewesen“.

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