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Das Olympische Bildungsmagazin

Olympic Game of Thrones: Bachs IOC suspendiert Scheich Ahmad bis nach der Präsidentschaftswahl

Eine der größten Kriminalgeschichten des olympischen Weltsports nimmt eine weitere überraschende Wendung. Das Exekutivkomitee des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hat den kuwaitischen Multifunktionär Scheich Ahmad Al-Fahad Al-Ahmed Al-Sabah für drei Jahre als IOC-Mitglied suspendiert. Die Folgen sind kaum abzusehen.

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Einst ziemlich beste Freunde: Scheich Ahmad, Thomas Bach. (Foto: ANOC)

Scheich Ahmad, Mitglied der kuwaitischen Herrscherfamilie und derzeit Verteidigungsminister sowie Vize-Premier des Golfstaates, hatte Anfang Juli die Wahl seines Bruders Talal Al-Fahad Al-Sabah zum Präsidenten des Olympic Council of Asia (OCA) gedeichselt – angeblich mit im OCA seit Jahrzehnten dominierenden  korrupten Mitteln. Das IOC hatte sich in bislang kaum bekannter Weise in den Wahlkampf eingemischt und versucht, Ahmad und Talal zu stoppen. In Kuwait ist das alles längst Staatsaffäre.

Thomas Bach und der Scheich – die Allianz aus Moskau

Dabei hatte das IOC die Machenschaften von Scheich Ahmad, dessen Vater schon IOC-Mitglied und OCA-Präsident war, drei Jahrzehnte lang gedeckt. Scheich Ahmad und IOC-Präsident Thomas Bach haben sich viele Jahre lang unterstützt. Gemäß Ahmad hat das Duo am Rande der IOC-Vollversammlung 2001 in Moskau einen Pakt geschlossen, der im Kern besagt, dass erst Bach IOC-Präsident werde und dabei von Ahmad unterstützt werde, dann der Scheich.

Teil 1 der Abmachung wurde 2013 in Buenos Aires erfüllt, als Bach mit tatkräftiger Hilfe von Ahmad zum IOC-Boss gekrönt wurde.

Teil 2 der Abmachung wird sich nicht mehr umsetzen lassen, denn die nächste Präsidentschaftswahl ist für 2025 angesetzt – und Scheich Ahmad ist nun vom Bach-hörigen IOC-Exekutivkomitee bis 2026 suspendiert.

Dazu drei Dokumente aus Lausanne:

Scheich Ahmad wird das nicht auf sich sitzen lassen. Zumal die IOC-Führung gleichzeitig erklärte, das Ergebnis der jüngsten OCA-Wahl nicht zu akzeptieren. Damit dürfte über kurz oder lang auch der jüngere Bruder des Scheichs, Talal, die OCA-Präsidentschaft verlieren. OCA ist seit seiner Gründung 1982 fest in der Hand der Al-Sabah-Sippe: Zunächst präsidierte der Vater der beiden Scheichs, dann dreißig Jahre Scheich Ahmad, seit wenigen Tagen Scheich Talal. 

OCA hat sein Hauptquartier in Kuwait und wurde bislang von einem kuwaitischen Generaldirektor geführt, der im olympischen Kosmos noch eine andere Hauptrolle einnimmt, als Chef des Verbandes mit den meisten olympischen Entscheidungen: Husain Al-Musallam ist seit 2021 Präsident des Schwimm-Weltverbandes (World Aquatics, formerly known as FINA). Er wurde in dieser Woche beim Kongress in Fukuoka für absurde acht Jahre im Amt bestätigt. Al-Musallam war eine halbe Ewigkeit der Handlanger von Scheich Ahmad und als solcher in zahlreiche dubiose Vorgänge verstrickt. Weltweit machte das Duo zum Beispiel 2017 Schlagzeilen, als es in einem der FIFA-Kriminalprozesse in den USA als Schmiergeldzahler enttarnt wurde – als Co-Conspirator #2 und #3.

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Auszug aus der DOJ-Anklageschrift gegen den vollumfänglich geständigen Richard Lai, 2017

Ich hatte kurz darauf gemeinsam mit Craig Lord im SPIEGEL und in der Londoner Times weitere korruptive Umtriebe von Al-Musallam und Scheich Ahmad im OCA-Reich enthüllt:

FINA-Vizepräsident unter Korruptionsverdacht
Korruptionsaffäre um Al-Musallam: Einfache Überweisung genügt

Hier mal eine Audiodatei, die ich damals exklusiv veröffentlicht habe: Husain als OCA-Generaldirektor in Verhandlungen über einen Sponsorenvertrag … da erklärt er, wer wieviel Prozent abzweigen darf.

Das Tischtuch zwischen Ahmad Al-Sabah und seinem einst engsten Diener Al-Musallam ist längst zerschnitten. Beim OCA-Kongress in Bangkok Anfang Juli kam es zur absurden Zuspitzung, dass Al-Musallam gegen Ahmads Bruder Talal für die Präsidentschaft kandidierte. Das IOC favorisierte Al-Musallam. Doch der unterlag mit 20:24 Stimmen.

Gefahr für viele olympische Weltverbände

Keine drei Wochen später hat die IOC-Führung in historisch unvergleichlicher Geschwindigkeit den älteren der beiden Sportscheichs suspendiert. Die Sache ist in Kuwait eine Staatsaffäre und löst Schockwellen aus in der olympischen Welt. Die Folgen sind unabsehbar. Sowohl Ahmad Al-Sabah als auch Husain Al-Musallam verfügen über Interna, um das IOC-Kartenhaus einstürzen zu lassen – und zahlreiche olympische Weltverbände in den Abgrund zu reißen. Schwimmen, Handball, Fußball, überall hat Ahmad Al-Sabah Strippen gezogen, Wahlen manipuliert, Sportwettbewerbe beeinflusst und nach Aktenlage Stimmen gekauft. Auch bei der Installation von IJF-Präsident Marius Vizer als SportAccord-Präsident spielte er 2013 eine entscheidende Rolle.

Stets war Al-Musallam war sein Master Mind und Vollstrecker. Dazu gibt es in diesem Theater zahlreich Beiträge, oftmals schräg exklusiv.

Andere Mitarbeiter aus der OCA-Zentrale stehen ebenfalls im Fokus von Justizorganen in aller Welt. Der Vorgänger von Al-Musallam als OCA-Generaldirektor war schon 2004 wegen Korruption vom IOC zur unerwünschten Person erklärt worden.

Das war übrigens auch ganz lustig – meine Beobachtung beim ANOC-Kongress 2019 in Doha. Da war Scheich Ahmad offiziell schon self-suspended, aber noch sehr aktiv:

Scheich Ahmad zählt noch immer zu den einflussreichsten Figuren im globalen olympischen Business. Er hatte bisher direkten Zugang zu Politikern und Despoten, die den Weltsport dominieren, wie etwa Wladimir Putin (Russland), Kronprinz Mohammed Bin Salman (Saudi-Arabien), Emir Tamim Bin Hamad Al-Thani (Katar) und auch in höchste chinesische Führungskreise. Das IOC verbietet nun allen olympischen Amtsträgern Kontakte zu Scheich Al-Sabah. Dieses Kontaktverbot gilt auch für Katars Emir Tamim, der seit 2002 IOC-Mitglied ist und seinem Freund Al-Sabah in den vergangenen Jahren quasi Asyl in Doha gewährt hatte, als der Kuwaiti in seiner Heimat politisch stark unter Druck und geraten und zwischenzeitlich im Al-Sabah-Clan in Ungnade gefallen war.

Nicht zu vergessen, es war mal anders – Pack schlägt sich, Pack verträgt sich: Einige Jahre zuvor hatte das dubiose ICSS aus Katar quasi im staatlichen Auftrag eine geheimdienstliche Operation gegen Al-Sabah und Al-Musallam durchgeführt, im Rahmen des Project Hawk, und beispielsweise in der Capitale Olympique, in Lausanne, im vom Scheich bevorzugten Hotel Beau Rivage Palace die Festplatten der Computer des Duos abgesaugt – alles bestens dokumentiert. Diesen Vorgang und viele andere anrüchige, fast durchweg ungeklärte und ungesühnte Geschichten habe ich u.a. im Magazin SPORT & POLITICS aufgearbeitet. Einen Auszug aus dem Magazin, stelle ich Abonnenten am Ende dieses Beitrages als pdf-Datei zur Verfügung.

Das IOC und seine absurden Ethik-Regularien

Die Vorgänge hinterlassen eigentlich nur Fragen.

Warum wird Scheich Ahmad nur drei Jahre suspendiert? Warum wurde Ahmad wegen dauerhafter Vergehen nicht längst aus dem IOC ausgeschlossen? Warum verlangt das IOC vom OCA, das traditionell zu den korruptesten Sportorganisationen weltweit gehört, einerseits Aufklärung zu den Vorgängen rund um die Präsidentenwahl, nimmt aber andererseits das Ergebnis dieser Aufklärungsarbeit bereits vorweg, in dem es Scheich Ahmad suspendiert?

Antworten auf diese Fragen belegen allesamt, dass Ethikregeln im IOC stets so ausgelegt werden, wie es den IOC-Führern sportpolitisch genehm ist. Die sogenannte Ethikkommission agiert nicht unabhängig, sondern ist in die IOC-Administration und Befehlsketten integriert. Präsident Bach hat seinen alten Kumpel Al-Sabah stets gestützt und mit ihm paktiert. Traditionell wurde Al-Sabahs Treiben mindestens geduldet. Seine Verwicklung in mehrere strafrechtliche Vorgänge hatte keine Konsequenzen.

Vor fünf Jahren, nach Aufnahme eines Strafverfahrens in der Schweiz, hatte sich Al-Sabah in guter alter IOC-Tradition als IOC-Mitglied selbst suspendiert.

Vor zwei Jahren wurde er in der Schweiz wegen Betruges und Urkundenfälschung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, doch das IOC handelte nicht. Nun musste alles plötzlich sehr schnell gehen. 

In dem jüngsten Papier der Ethikkommission, das überraschend vom IOC veröffentlicht wurde (ein ebenfalls seltener Vorgang), sind brandaktuelle Vorgänge erwähnt, die erst wenige Tage oder sogar Stunden zurückliegen. Die Formulierungen im Verdikt gegen Al-Sabah lesen sich wie eilig zusammengeschustert und dürften einer juristischen Überprüfung kaum standhalten, würde es sich um ein rechtsstaatliches Verfahren handeln – aber das ist es ja nicht. Es ging ganz offensichtlich darum, Scheich Ahmed sofort aus dem Rennen zu nehmen. Es kann sein, dass relativ zeitnah eine Entscheidung im Berufungsverfahren in der Schweiz fällt; auch kann es sein, dass in anderen Ländern Anklage gegen ihn erhoben wird, dafür liegen nach meinen Recherchen Indizien vor.

Scheich Ahmad wird für die IOC-Präsidentschaftswahl 2025 suspendiert

Die IOC-Führung wollte diesmal kein Risiko eingehen, denn Scheich Ahmad war vor allem eine Gefahr für die IOC-Präsidentschaftswahlen 2025. Er hätte als einziger in der olympischen Welt die Pläne von Thomas Bach durchkreuzen können – ob als Strippenzieher oder selbst als Kandidat. Genau deshalb wurde er vorerst bis 2026 suspendiert.

2025 läuft die zwölfjährige Amtszeit von Präsident Bach aus. Es gibt zwei Szenarien, wie es weitergehen könnte an der IOC-Spitze.

Variante 1: Das IOC ändert die Olympische Charta und ermöglicht Bach weitere Jahre im Amt.

Variante 2: Die Regeln bleiben unangetastet, Bach tritt ab und will natürlich darüber bestimmen, wer ihm nachfolgt.

Dies könnte erstmals eine Frau an der IOC-Spitze sein. Gut möglich, dass Bach Kirsty Coventry aus Simbabwe auserwählt hat, die er im IOC seit Jahren positioniert. Coventry, Schwimm-Olympiasiegerin und Sportministerin in Simbabwe, wird von Bach seit Jahren in Stellung gebracht – und bedankt sich mit Unterwürfigkeit. Nach meinen Informationen hat Bach in den vergangenen Wochen hochrangigen Funktionären erzählt, er werde zwar von vielen Offiziellen gebeten, seine Amtszeit zu verlängern, tendiere aber dazu, 2025 abzutreten. 

Sollte das tatsächlich so sein, will er seine Nachfolge selbst regeln. Scheich Al-Sabah wäre mit seinen alten olympischen Allianzen und seinen Verbindungen nach China, Russland, Katar und Saudi-Arabien wahrscheinlich die einzige Person gewesen, die Bachs Pläne durchkreuzen könnte. Auch hätte Al-Sabah den IOC-Präsidenten an den Pakt von Moskau erinnert.

Thomas Bach, die Weinig AG und die Verbindungen nach Kuwait

Zwischen Bach und Kuwait gibt es noch mindestens eine weitere Verbindung, die Spekulationen ermöglicht und den Anschein eines Interessenkonflikts erweckt, den Bach stets von sich weist: Die Michael Weinig AG aus Bachs Heimatstadt Tauberbischofsheim, nach eigenen Angaben Weltmarktführer im Holzmaschinenbau, ist seit vielen Jahrzehnten fest in der Hand kuwaitischer Investoren – und Bach fungiert dort als Aufsichtsratsvorsitzender, diesen Posten gab er auch nach seiner Wahl zum IOC-Präsidenten nicht ab.

Die Kernfrage lautet derzeit: Warum hat das IOC nun ausnahmsweise gehandelt, warum so plötzlich?

Offenbar will die IOC-Führung auch einen von Scheich Talal für Mitte August geplanten OCA-Sonderkongress verhindern. Auf diesem Kongress, so geht das Gerücht, könnte Talal, unterstützt von seinem Bruder Ahmad, belastendes Material gegen Husain Al-Musallam veröffentlichen.

Al-Musallam genießt seit einiger Zeit aber eine gewisse Protektion durch Bach und dessen Führungscrew – und verkauft sich absurder Weise als Reformer und Erneuerer von World Aquatic. Das IOC setzt die im Olympic Council of Asia vereinten 45 Nationalen Olympischen Komitees (NOK) nun unter Druck. Das IOC hat angekündigt, die Olympia-Tantiemen und Fördermittel für die NOK ab sofort nicht mehr über das OCA verteilen zu lassen, sondern komplett in Eigenregie. Finanzielle Druckmittel haben noch immer dabei geholfen, Mehrheiten zu organisieren oder mindestens einen Stimmungsumschwung auszulösen.

Was machen MBS und Emir Tamim?

Ganz entscheidend wird sein, wie die neuen Big Player im Olympiabusiness reagieren: Werden Saudi-Arabien und Katar ihren Verbündeten Ahmad Al-Sabah fallen lassen? Wird das IOC den Bann von Al-Sabah damit verbinden, die Gespräche mit Saudi-Arabien und Katar über die Olympischen Sommerspiele 2036 zu intensivieren? Alles ist möglich. Auf dieser höchsten Ebene wird dieses Machtspiel ausgetragen.

Doch sollte sich niemand täuschen: Ahmad Al Fahad Al-Sabah beherrscht derlei Manöver wie kein Zweiter. Er ist ein Stehaufmännchen. Er ist ein Kämpfer. Es geht um alles. Er hat allerlei Druckmittel und Herrschaftswissen, um die Pläne der IOC-Führung zu durchkreuzen und einen Tsunami in der olympischen Welt auszulösen. Das letzte Kapitel in dieser unendlichen Saga ist noch lange nicht geschrieben.

Exklusiv für Abonnenten, zum weiteren Studium der Al-Sabah-Saga und deren Bedeutung für den olympischen Weltsport: ein komplettes Heft von SPORT & POLITICS mit 15 Seiten über den Scheich und das Reich des Olympic Council of Asia, über Ahmad und Gafour, den Gangster – alles Fortsetzungsgeschichten, ewig aktuell im Theater der Olympia-Kriminalität. Eine weitere große Summary zum Scheich habe ich vor zwei Jahren unmittelbar nach Verkündung seiner Gefängnisstrafe vor dem Strafgericht in Genf geschrieben: Olympic powerbroker Sheikh Ahmad Al-Sabah sentenced to prison. Die besten Kapitel dieses Jahrzehnte umspannenden Olympic Game of Thrones stehen garantiert noch bevor.

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