Zum Inhalt springen

Das Olympische Bildungsmagazin

live aus Rio (10): Q & A aus dem Propagandazentrum der Bewegung

BARRA DA TIJUCA. Der Nachtrag zuerst: So geht Propaganda © IOC. Und die Bach-Fanboys mischen munter mit, vor allem die bei den Öffentlich-Rechtlichen, aber auch anderswo unter dem Deckmäntelchen des total unparteiischen Journalismus:

Einige liebe Kollegen wie Martyn Ziegler (The Times/Sunday Times) haben das natürlich sofort erkannt, deshalb taucht ein Tweet von Martyn in den Screenshots auf.

Hier auf an meinem Platz Ph – K – 02 kam er nicht vorbei, der edle FDP-Thommy.

Ein paar Stunden später ist der Propaganda-Schwachsinn, der sich aus diesen Medien-„Gesprächen“ und bestellten „Interviews“ ergab, in der Welt. Das AP-„Interview“ zum Beispiel wird von der Deutschen Presse-Agentur aufgegriffen. Googeln Sie mal bitte den Satz:

Kaum ein deutsches Onlinemedium, dass diese Nichtmeldung, die fast alles konterkariert, was er in den vergangenen Monaten getan hat, nicht melden würde.

Sagte ich das schon? So funktioniert Propaganda. Ich habe (auch) das in bestimmt hunderten Texten im Laufe der Jahre hier belegt – kürzlich habe ich dazu auch mal eine IOC-Erklärung seziert.

(Den Einstieg zu diesem Beitrag habe ich aktuell nachgetragen, denn das war ziemlich unangenehm herausragend heute. Ab jetzt weiter im Originaltext.)

Any questions?

Jetzt oder nie.

Fragen würden sofort beantwortet und eingeblockt. Ein paar Stunden bleibe ich in diesem kleinen Büro, Kopfhörer auf, Musik, abschotten inmitten eines vielleicht 5.000 Quadratmeter großen Büros unter einigen Hundert Reportern.

Foto: IOC Media

Foto: IOC Media

Roland fragt:

Hältst Du es für möglich, daß der Paralympics-Ausschluß ein Teil des Deals war (wie der Ausschluß der Vorbestraften), um die Haupt-Mannschaft zuzulassen und der breiten Öffentlichkeit trotzdem den Anschein zu geben, man habe hart durchgegriffen?

Nö. Würde nichts ausschließen, glaube das aber nicht. Dazu scheinen mir die Risse zu deutlich. Auch der Gegenschlag des Imperiums passt in mein Bild, dass sich gestern Nacht in einigen Hintergrundgesprächen gefestigt hat. Insofern habe ich meiner ersten Analyse nicht viel hinzuzufügen, alles andere ist Recherche, und die hat erst begonnen.

Dirk fragt:

Wie werden die teilweisen sehr leeren Veranstaltungen vor Ort wahrgenommen? Das können ja nicht alles Sponsorentickets sein. Was war im Vorfeld ausgegeben worden (ausverkauft? Noch Restkarten verfügbar?)? Ich gehe davon aus, dass es für den gewöhnlichen Brasilianer schlicht und ergreifend zu teuer (zumindest im Verhältnis zu teilweise uninteressanten Sportarten) ist. Bis jetzt habe ich in den Streams und im TV keine Veranstaltung wahrnehmen können bei der ich auch nur halbwegs von „ausverkauft“ sprechen würde.

War gerade eine gute Stunde in der täglichen Pressekonferenz des IOC und des Organisationskomitees ROCOG. Da war das eines der Hauptthemen. Ich versuche mal, die vielen vielen Erläuterungen und Fragen zusammenzufassen. Keine Gewähr, oder nur 90 Prozent Gewähr, falls ein Detail nicht korrekt ist oder ein Zahlendreher auftaucht:

  • Die Sponsorentickets sind angeblich nicht das Problem.
  • 40 Touts sind festgenommen worden. Zeitgleich hat die Polizei eine PK gegeben und über die Gangs auf dem Schwarzmarkt informiert.
  • Zu den Großdealern zählen auch einige der üblichen Verdächtigen wie THG Sports aus UK, deren CEO James Sinton schon bei der WM 2014 festgenommen worden war.
  • Das ROCOG hat auf ausdrückliche Nachfrage von Jamil Chade erklärt, es habe nie Verträge mit THG unterhalten. Auf der PK war auch Ticketchef Donovan Ferreti. So wie Jamil, Schweiz-Korrespondent der Folha de S.Paulo, die Frage stellte, kann ich mir vorstellen, dass er und seine Kollegen längst andere Information haben. Stay tuned.
  • Bei 55 Sessions gestern am Sonntag 495.000 Zuschauer.
  • Heute bei 50 Sessions bisher 287.000 verkaufte Tickets. Bisher 78 Prozent der Plätze.
  • Am Sonntag im Tagesverkauf, last minute sales, 95.000 Tickets.
  • Angeblich insgesamt 85 Prozent aller Tickets verkauft, finanziell sei man damit im Plan und habe bereits mehr eingenommen als budgetiert.
  • Wie kommt es zu angeblich 85 Prozent, wo ein Großteil der Arenen doch total leer gewesen sei? Ach, Leute schauen halt nicht alles, gehen auch mal raus. Außerdem täuscht das auch sonst manchmal :) Das übliche Gewäsch, dass man von anderen Großereignissen kennt.
  • Die Schwarzmarktnummer und die Mitwirkung von ROCOG-Angestellten wird sich noch groß entwickeln. Das brummt gerade mit stündlich neuen Infos.

Mehr kann ich gerade nicht sagen. Zufrieden?

Jens Best fragt:

Ist Dir bekannt, wie die Idee für das Refugee Olympic Team zustande kam? Wer hat die Idee an das IOC herangetragen oder kamen die alten Herren von selbst auf die Idee, um sich einen Hauch von moderner Humanität zu geben?

Das ist ein Thema einer großes Recherche, denke ich. Es ist einiges darüber geschrieben worden, wenn ich mich erinnere, war auch von einem deutschen Trainer die Rede, der Bachs Auftritt vor der UN-Vollversammlung verfolgt hatte und dann Kontakt aufnahm. Ist alles schön und wichtig, Fakt aber ist auch, und das finde ich unanständig, dass das Thema für die olympische Propaganda benutzt wird, ich sage mal noch nicht: missbraucht. Darauf habe ich vergangene Woche in den Notizen von der IOC-Vollversammlung und wohl auch am Freitag bei der Eröffnungsfeier hingewiesen. Die Vokabeln „propagieren“ und „Propaganda“ wurden von IOC-Managern benutzt, die zum Beispiel den Olympic Channel planen. Auch dazu während dieser Spiele viel mehr von mir. Kann mir vorstellen, dass es schon einen guten Text irgendwo zum Refugee Team gibt, der nicht nur auf die Tränendrüse drückt.

Johannes fragt:

Wie nimmst Du bisher die Stimmung wahr, auch unter den Journalisten-Kollegen? Vor dem Hintergrund des Doping-Themas, Sicherheits-Themas, Infrastruktur, allgemeine Stimmung in der Stadt? Alles halb so wild wie vorher gemacht wurde? Oder ist es doch anders als bei anderen Spielen?

Oder ist es schlicht und einfach noch zu früh für solche Fragen? (Eigentlich beantwortet sich diese Frage am 3. Wettkampftag von selbst, und ich ziehe deswegen, weil falsch getimt, alle anderen Fragen zurück und belasse es einfach bei der ersten Frage.)

Nö, es ist nicht zu früh. Es ist nie zu früh. Das sollte eigentlich Thema meines Besinnungsaufsatzes sein. Das ist ja auf dem Raumschiff Olympia, in diesem gigantischen Mix, alles nicht voneinander zu trennen. Nur IOC-Präsidenten aus Deutschland schaffen das, diese Trennung, und haben dafür den Begriff der „vielfältigen Lebenssachverhalte“ erfunden.

Was ich schon ziemlich eindeutig beantworten kann: Die vergangenen Tage und Wochen haben sogar einige Bach-Jünger unter den Journalisten zum Nachdenken angeregt. Sie gestehen, geschockt zu sein und vom Glauben abzufallen. Weil Du ausdrücklich nach Journalisten fragst: Diejenigen, die mir wichtig sind und von deren Arbeit bzw vom Austausch ich profitiere, sind ebenfalls relativ geschockt. Obwohl einige erfahrene, harte Brocken darunter sind, die schon viele große Kämpfe ausgefochten haben. (FIFA, UCI, IAAF etc pp.) Dazu auch mehr in den kommenden Tagen. Auch Größeres. Wird jetzt Dauerthema sein.

Henning Hohman fragt:

In einem Bericht über die Causa Efimova im ZDF gestern hieß es, die Starterlaubnis von Efimova sei ein Schlag ins Gesicht des IOC-Präsidenten Thomas Bach. Ich halte das für eine völlige Fehlinterpretation – und Du?

Ist das wahr? Wer so etwas sagt, muss die vergangenen Monate verschlafen haben oder leidet an akuten Wahrnehmungsproblemen. So werden ein paar Millionen ZDF-Zuschauer fehlinformiert. Die IPC-Entscheidung gestern war in the face des FDP-Jüngers an der IOC-Spitze. Die Teilnahme von Jefimowa und anderen (ehemaligen?) Staatsdopern ist es nicht. Daran hat er die größten Aktien. Heißa, sein Propagandamann, der stets mitliest, wird das ganz anders sehen.

Thomas Bach mit ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz beim Broadcasters Meeting im Olympic Club (Foto: IOC Media/Ian Jones)

Thomas Bach mit ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz beim Broadcasters Meeting im Olympic Club (Foto: IOC Media/Ian Jones)

Dirk ergänzt:

Bzgl. Henning Hohmann: Ergänzend auch hier noch mal die Frage der Wahrnehmung unter den Journalisten. Die Frau tanzt ja allen auf der Nase herum und so richtig scheint es außerhalb Russlands niemanden zu geben, der versteht, wieso sie heute Nacht Gold gewinnen wird/darf. (Wobei die Situation letzte Nacht schon was hatte, als Kristin Otto Efimova ansagte)

Das wird heute Abend natürlich das große Thema sein/bleiben. IOC-Propagandachef Mark Adams sagte vorhin auf die Frage nach den Pfiffen gegen Jefimowa, das sei halt brasilianischer Stil, viele Konkurrenten würden ausgepfiffen, die Brasilianer arbeiten dran, den Sport besser zu verstehen. So etwa. Wieder mal ein Problem umschifft. Ich erinnere an die feige, unwürdige Aktion am Donnerstag. (Tausend andere Beispiele spare ich mir an dieser Stelle. Eins vielleicht.)

Sebastian fragt:

  1. Wieso boykottieren die sieben Mitfinalistinnen nicht einfach die Schwimm-Endläufe, solange diese durch die Teilnahme von Frau Jefimowa eine unsportliche Farce darstellen? Hat denn wirklich niemand von denen eine Meinung?
  2. Ist es zutreffend, dass es innerhalb der letzten vier Wochen vor den Spielen keine einzige Dopingprobe bei brasilianischen Athleten gab?

Die Konkurrentinnen haben hart für diese Finalteilnahme trainiert. Im besten Fall sind sie sogar sauber. Die haben eine Meinung, einige werden sich nach dem Finale gewiss auch äußern. Jefimowa wäre genau die Siegerin, die Bach und das IOC verdienen. Die IOC-Kameraden, eben gerade Mark Adams, verstecken sich natürlich hinter der höchsten Sport-Gerichtsbarkeit etc pp. Adams sagte auch, Sportler sollten die Kontrahenten respektieren und die in Ruhe lassen. Gestern hatte sich wohl ein der australische Schwimmer Mack Horton kritisch zum einst gedopten Chinesen Sun Yang geäußert.

Wenn ich die Antworten zu den brasilianischen Dopingtests vorhin korrekt verstanden habe, dann gab es im Juli nur 93 zum gesamten Team gemäß WADA-Angaben. In den Monaten davor seien es im Schnitt 370 gewesen. Mark Adams weist natürlich auch dafür jede Zuständigkeit von sich bzw dem IOC. Das sei alles WADA-Aufgabe. Das IOC hätte hier natürlich, da es seit zweieinhalb Wochen für das Kontrollprogramm die olympische Oberhoheit hat, sämtliche brasilianische Sportler verschärft überprüfen können. Hätte sicher interessante Ergebnisse gegeben – mal davon abgesehen, dass das Doping aus der Trainingsphase Monate vor den Spielen natürlich jetzt noch seine Wirkung entfaltet, auch wenn die Substanzen nicht mehr nachweisbar sind.

Tim fragt:

Mal eine Frage jenseits von Doping und Politik: Wurde heute bei der PK von IOC und ROCOG die viel zu schwere und gefährliche Radstrecke angesprochen?

Ja. Mark Adams hat auch das in unangenehmer Professionalität umschifft. Nach dem Befinden der Holländerin müsse man sich bei deren NOK und bei der UCI erkunden, soweit das IOC informiert sei, könne sie reden und sei ansprechbar. Tragisch halt. Es ist ein Wettkampf der Weltbesten und die UCI habe die Strecke abgenommen und sei zufrieden damit. Blöd, dass es derlei Stürze gab. Shit happens. Ziemlich genau so.

Andreas V fragt:

Hast du schon tiefergehende Diskussionen bzgl. der Straßenradstrecke mitbekommen? Werden die übermäßig vielen schweren Stürze der Nervosität (once in a lifetime event) zugeschrieben oder wird es eventuell Folgen nach sich ziehen? Ich selber kann nicht einschätzen, woran es lag.

Siehe Frage/Antwort zuvor. Die Besten der Welt auf einer Strecke, die schwer ist und von der UCI für gut erklärt wurde. Den Regen vergaß ich zu erwähnen. Es sei sehr glatt gewesen, sagte Adams. Ansonsten kann ich mit keinerlei Details zum Radsport dienen, sorry. Wird von mir seit mindestens 2007 nicht mehr goutiert.

Johannes fragt:

Wenn es nie zu früh ist: Gibt es aktuell Entwicklungen betreffs Vergabe der Sommerspiele 2024? Oder wird auch das vom Doping-Thema überlagert? Oder könnte die aktuelle Dynamik die Vergabe-Dynamik für 2024 beeinflussen?

Da gibt es einiges, was mich interessiert und woran ich folglich arbeite. Paris, Los Angeles, Rom (noch) und Budapest sind im Rennen. Wie immer wird am ganz großen Rad gedreht. Gewiss schreibe ich von hier mal darüber. Die 2024-Leute sind ja sehr aktiv. Gedulde Dich ein wenig.

Einige haben passender Weise Zahnschmerzen. Andere nicht. Die unermüdlichen Sportausschussler aus dem Bundestag, die hier mal ganz intensiv Thema waren, bis sie die Öffentlichkeit von ihren Sitzungen aussperrten, sind schon fast auf dem Wege:

Pressemitteilung vom 08.08.2016

Delegationsreise des Sportausschusses zu den Olympischen Spielen 2016 nach Rio de Janeiro

Der Sportausschuss des Deutschen Bundestages wird vom 15. bis 22. August 2012 eine Delegationsreise zu den Olympischen Spielen nach Rio de Janeiro unternehmen.

Der Sportausschuss trägt die parlamentarische Verantwortung für die Förderung des Spitzensports durch den Bund. Insbesondere vor dem Hintergrund der aktuell diskutierten Reform des Spitzensportfördersystems in Deutschland werden die zahlreichen Gespräche in Rio aufschlussreich sein. Die aktuelle und perspektivische Konkurrenzfähigkeit im internationalen Vergleich ist ebenso von sportpolitischer Bedeutung wie die Einschätzungen von Athletinnen und Athleten, Trainerinnen und Trainern und Verbandsfunktionären, die gemeinsam ein breites Bild des momentanen Diskussionsstandes ergeben werden.

Die Reise dient auch der kritischen Beobachtung der Entwicklungen im Internationalen Olympischen Komitee und in anderen internationalen Spitzenverbänden. Gespräche mit nationalen und internationalen Sportfunktionären eröffnen hier ebenfalls die Möglichkeit der Diskussion aktueller Entwicklungen. Ferner wird die Delegation u.a. mit Wissenschaftlern und Nicht-Regierungsorganisationen zusammenkommen, die sowohl die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 als auch die Vorbereitung und Durchführung der Olympischen und Paralympischen Spiele hinsichtlich deren gesamtgesellschaftlicher Einbindung kritisch begleiten. Politische Stiftungen werden ihr Bild der aktuellen Situation im Land schildern.

Ebenfalls im Fokus der Reise stehen Besuche von Projekten zur Entwicklung im und durch Sport. Unter anderem werden hier lokale Projekte besucht; ein Gespräch mit der GIZ soll die Einbindung in den größeren Rahmen der entwicklungspolitischen Strategie des Bundes beleuchten.

Daneben stehen ein Besuch des Deutschen Olympischen Jugendlagers und Gespräche mit den rund 50 jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, sowie ein Besuch des Olympischen Dorfes und ein Gespräch mit Vertretern der Deutschen Olympiamannschaft an.

Schließlich wird die Delegation auch ausgewählte Wettkämpfe – insbesondere jene mit Beteiligung deutscher Athletinnen und Athleten – besuchen.

Die Delegation wird von Dr. Frank Steffel (CDU/CSU) geleitet. Weitere Teilnehmer sind Stephan Mayer (CDU/CSU), Gudrun Zollner (CDU/CSU), Michaela Engelmeier (SPD), Jeannine Pflugradt (SPD), Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Dr. André Hahn (DIE LINKE.).

Ich denke, ich werde sie dann auch mal besuchen. Die Transparenz- und Öffentlichkeitsallergiker Steffel und Mayer will ich mir doch nicht entgehen lassen.

Dirk fragt:

Die IOC-Versammlungen im Vorfeld der Olympischen Spiele waren sich in ihren Entscheidungen – wie gewohnt – sehr einig. Die Mitgliedsverbände bzw. ihre Vertreter stehen hinter Bach. Sehen Sie die Chance, dass sich das auch nur minimal (bspw. durch die Entscheidung von gestern) ändern könnte?

Ich meine, es gibt viele große, mächtige Verbände, die selbst schwer angeschlagen sind: Fina, Iaaf, Fifa, … Aber wie steht es um die kleineren?! Ist auch da Hopfen und Malz verloren?

Bisschen zu global, dieser Fragenkomplex. Thema für ein Buch. Gestern war es der IPC-Verwaltungsrat, im großem olympischen Umfeld eine kleine Nummer, wenngleich in Sachen Außenwirkung nicht zu unterschätzen, gerade nachdem der Beschluss in nahezu jedem Punkt von Bachs Haltung/Entscheidungen abweicht. Ja, auch bei vielen kleinen Verbänden ist Hopfen und Malz verloren – gerade bei denen, weil da noch weniger hinschauen, die von Berufs wegen hinschauen müssten: Staatsanwälte, Journalisten.

Caipirinha, Churrascaria. Aspirin. Dolo Dobendan. Der Yachthafen bei Nacht. Vodka Red Bull. Grippostad. Viel Lust und Spaß am Job, auch wenn die Türen zu sind und es anstrengend ist. Genau so muss das sein.

Ralf fragt:

Wie zugänglich sind die IOC-Mitglieder? Muß man denen im Hotel auflauern? Wie viele lassen überhaupt mit sich sprechen bzw. wieviel Prozent der Mitglieder sprechen noch mit Dir?

Viele sind so schwer zugänglich für mich wie die CDU-MdB Steffel oder Mayer (s.o.). Mit dem Unterschied, dass ich keinen Wert drauf lege, mit Steffel und/oder Mayer zu reden. Bringt nüscht. Wogegen ich prinzipiell mit jedem IOC-Mitglied und jedem Verbandspräsidenten (u.a.) reden möchte. Was natürlich nie und in diesem Leben sowieso nicht mehr möglich ist. Viele blocken seit vielen Jahren, manche seit fast einem Vierteljahrhundert. Manche sagen, dass sie auf meine Meinung/meine Arbeit scheißen bzw lassen das sagen. Mit mindestens einem Dutzend lässt sich auch während der Sessionen chatten auf verschiedenen Kanälen. Das ist interessant, lustig und spannend. Ja, denen muss man auflauern. Verabredungen bei Olympia sind schon ziemlich kompliziert, die können sich zwar flink bewegen, viele sind aber in verschiedenen Funktionen sehr eingebunden, manche fast 24 Stunden, und zwar in Bereichen, in denen Journalisten mit ihren Akkreditierungen nicht kommen. Verkürzt gesagt: in den Hotels trifft man eigentlich nur die Faulpelze. Strichlisten oder Excel-Tabellen über Kontakte und Blockaden führe ich nicht. Manche sprechen sogar ausgesprochen gern mit mir, so wie der Sepp einst, der immer sagte: Bei Ihnen erfahre ich wenigstens was. Manche beantworten Emails zuverlässig binnen weniger Minuten, auch von entfernten Kontinenten. Viele sind gewarnt von der IOC-Administration und den Bach-Jüngern und vom Chef selbst. Das volle Programm. Idioten und liebenswerte Menschen, Trottel und Mitglieder, denen ich respektvoll begegne, Großganoven und ganz normale Zeitgenossen.

Wichtig noch dies: Ein normale Olympia-Akkreditierung reicht zum Betreten der Olympic Family Hotels nicht aus. Dafür erhalten langjährige verdiente :) Berichterstatter und Mitglieder der Olympic Journalists Association einen zweiten, stets handgeschriebenen Pass aus Papier, wo das Halsband (bei allen Olympischen Spielen) immer schon am zweiten Tag abgerissen ist. Das kriegen die im IOC einfach nicht hin. Anyway, das gehört auch zur olympischen Folklore:

Und weiter geht es.

Mindestens noch 1.000 Buchungen. Ein paar gute Gespräche. Feine Dokumente, die den Besitzer wechseln, damit sie hier veröffentlicht werden können. (Ein paar Skandale mehr.) Und hoffentlich doch ein paar Gänsehaut-Momente bei den ganz wenigen Events, die ich mir anschauen möchte.

Herr Holle fragt:

Sind viele WADA-Funktionäre vor Ort und betreiben diese auch Lobbyarbeit in eigener Sache? z.B. für eine Kronzeugenregelung/ Whistleblower-Fonds für die Absicherung von deren sportlichen Interessen (damit so etwas wie der Stepanova-Ausschluss nie mehr vorkommen kann) und zum Ausgleich finanzieller Nachteile?

Natürlich sind viele WADA-Offizielle hier. Zumal die WADA-Gremien größtenteils ja von Sportfunktionären besetzt sind, die viele Funktionen haben. Unabhängig ist da gar nichts, wie wir wissen. Es gibt auch täglich Gremiensitzungen der WADA, klar. Da läuft im Hintergrund eine Menge an Verhandlungen, Gesprächen und kleinen Verschwörungen. Du erwähnst das Geld und weißt: Die WADA ist arm. Den IOC-Leuten, auch den größten Lügnern, wird die Argumentation immer einfach gemacht, denn es ist so: Das IOC zahlt seinen Anteil stets pünktlich und stockt manchmal auf. Dagegen zahlen die Regierungen unpünktlich und stocken auch jetzt, wo zum Beispiel gerade 19 Nationen/europäische Sportminister einen Brief geschrieben haben, gar nichts auf. Ein anderes Beispiel für Aktionen, wenngleich eher am Rande, aber immerhin ein klares Wort: Die NADAs aus Deutschland und Österreich haben den Ausschluss Russlands von den nächsten Winterspielen in PyeongChang gefordert.

Aus der aktuellen Presseerklärung, es geht auch ums Geld, wie immer:

NADA Austria und NADA Deutschland setzen sich für die sauberen Athletinnen und Athleten ein

Die Geschehnisse in Russland, die Entscheidung des IOC über die Zulassung von Athletinnen und Athleten zu den Olympischen Spielen und die internationale Zusammenarbeit der Nationalen Anti-Doping-Organisationen (NADOs) standen im Mittelpunkt der Pressekonferenz der Nationalen Anti-Doping Agentur aus Österreich (NADA Austria) und der Nationalen Anti Doping Agentur aus Deutschland (NADA Deutschland) im österreichischen Haus in Rio de Janeiro.

„Nur, wenn alle Athletinnen und Athleten vergleichbaren Kontrollsystemen unterworfen sind, ist Fairness und Chancengleichheit gegeben. Dies setzt größtmögliche Transparenz voraus. Dafür muss die Anti-Doping-Arbeit von unabhängigen Organisationen, den Nationalen Anti-Doping-Organisationen, durchgeführt werden“, sagte Dr. Andrea Gotzmann Vorstandsvorsitzende der NADA Deutschland: „Die Erkenntnisse aus den letzten Monaten sind schockierend für den gesamten Sport. In einigen Ländern muss ein grundlegender Bewusstseinswandel hin zum eindeutigen und klaren Bekenntnis gegen Doping vollzogen werden. Wir setzen uns gemeinsam mit den Kollegen anderer langjährig agierender NADOs dafür ein, dass zukünftig weltweit die richtigen Maßnahmen ergriffen werden, für die sauberen Athletinnen und Athleten.“

„Die Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Unabhängigkeit der Anti-Doping Arbeit von entscheidender Bedeutung ist. Um dies weltweit sicherzustellen, bedarf es einer Internationalisierung der Finanzierung“, so Mag. Michael Cepic, Geschäftsführer der NADA Austria: „In diesen neu zugründenden Anti-Doping Fonds müssen neben den Mitteln, die bereits bisher von den Verbänden, Sportorganisationen und Regierungen für die Anti-Doping Arbeit aufgewendet werden, auch zusätzliche Zahlungen aus Sponsoringverträgen und Übertragungsrechten einfließen. Dadurch werden nationale Einflussmöglichkeiten reduziert und die Gelder können verstärkt dort eingesetzt werden, wo sie am dringendsten benötigt werden. (…)

Die NADA Deutschland hat die 422 deutschen Olympiateilnehmer seit Anfang des Jahres 1106 -mal kontrolliert und 1511 Proben genommen, wobei bei Athletinnen und Athleten aus Sportarten der höchsten Risikokategorie bis zu 14 Kontrollen durchgeführt wurden.

Die 71 österreichischen Olympiastarter wurden von der NADA Austria seit Juli 2015 insgesamt 238 mal getestet (355 Proben), Athletinnen und Athleten in Risikosportarten wurden bis zu 12 Mal kontrolliert. Bei den potenziellen Olympiakandidaten („Longlist“) wurden 455 Dopingkontrollen durchgeführt (613 Proben).

Weiterhin wurden notwendige Zusatzanalysen durchgeführt, Analysedaten des Biologischen Athletenpasses (ABP: Athlete Biological Passport) ausgewertet und Proben in die Langzeitlagerung überführt. Zusätzlich wurden die deutschen und österreichischen Athletinnen und Athleten von den jeweils zuständigen internationalen Fachverbänden kontrolliert. Mit der Eröffnung des Olympischen Dorfes am 25. Juli 2016 übernahm das IOC die Kontrolltätigkeit bis zum Ende der Spiele.

28 Gedanken zu „live aus Rio (10): Q & A aus dem Propagandazentrum der Bewegung“

  1. Völlig anderes Thema. Daher bitte nur antworten, falls Ahnung und Muße:

    Wie werden die teilweisen sehr leeren Veranstaltungen vor Ort wahrgenommen? Das können ja nicht alles Sponsorentickets sein. Was war im Vorfeld ausgegeben worden (ausverkauft? Noch Restkarten verfügbar?)? Ich gehe davon aus, dass es für den gewöhnlichen Brasilianer schlicht und ergreifend zu teuer (zumindest im Verhältnis zu teilweise uninteressanten Sportarten) ist. Bis jetzt habe ich in den Streams und im TV keine Veranstaltung wahrnehmen können bei der ich auch nur halbwegs von „ausverkauft“ sprechen würde.

    Grüße!

  2. Ist Dir bekannt, wie die Idee für das Refugee Olympic Team zustande kam? Wer hat die Idee an das IOC herangetragen oder kamen die alten Herren von selbst auf die Idee, um sich einen Hauch von moderner Humanität zu geben?

  3. Wie nimmst Du bisher die Stimmung wahr, auch unter den Journalisten-Kollegen? Vor dem Hintergrund des Doping-Themas, Sicherheits-Themas, Infrastruktur, allgemeine Stimmung in der Stadt? Alles halb so wild wie vorher gemacht wurde? Oder ist es doch anders als bei anderen Spielen?

    Oder ist es schlicht und einfach noch zu früh für solche Fragen? (Eigentlich beantwortet sich diese Frage am 3. Wettkampftag von selbst, und ich ziehe deswegen, weil falsch getimt, alle anderen Fragen zurück und belasse es einfach bei der ersten Frage.)

  4. In einem Bericht über die Causa Efimova im ZDF gestern hieß es, die Starterlaubnis von Efimova sei ein Schlag ins Gesicht des IOC-Präsidenten Thomas Bach. Ich halte das für eine völlige Fehlinterpretation – und Du?

  5. @ JW: Danke!

    Bzgl. Henning Hohmann: Ergänzend auch hier noch mal die Frage der Wahrnehmung unter den Journalisten. Die Frau tanzt ja allen auf der Nase herum und so richtig scheint es außerhalb Russlands niemanden zu geben, der versteht, wieso sie heute Nacht Gold gewinnen wird/darf. (Wobei die Situation letzte Nacht schon was hatte, als Kristin Otto Efimova ansagte)

  6. 1. Wieso boykottieren die sieben Mitfinalistinnen nicht einfach die Schwimm-Endläufe, solange diese durch die Teilnahme von Frau Jefimowa eine unsportliche Farce darstellen? Hat denn wirklich niemand von denen eine Meinung?

    2. Ist es zutreffend, dass es innerhalb der letzten vier Wochen vor den Spielen keine einzige Dopingprobe bei brasilianischen Athleten gab?

  7. @Sebastian: Ich finde ihre Konkurrentinnen (zumindest meine Wahrnehmung) sind im Vergleich zu anderen Sportlern durchaus recht kritisch und äußern sich immerhin überhaupt zu dem Thema gegenüber der Presse.

  8. Mal eine Frage jenseits von Doping und Politik: Wurde heute bei der PK von IOC und ROCOG die viel zu schwere und gefährliche Radstrecke angesprochen?

  9. Hast du schon tiefergehende Diskussionen bzgl. der Straßenradstrecke mitbekommen? Werden die übermäßig vielen schweren Stürze der Nervosität (once in a lifetime event) zugeschrieben oder wird es eventuell Folgen nach sich ziehen? Ich selber kann nicht einschätzen, woran es lag.

  10. Wenn es nie zu früh ist: Gibt es aktuell Entwicklungen betreffs die Vergabe der Sommerspiele 2024? Oder wird auch das vom Doping-Thema überlagert? Oder könnte die aktuelle Dynamik die Vergabe-Dynamik für 2024 beeinflussen?

  11. Die IOC-Versammlungen im Vorfeld der Olympischen Spiele waren sich in ihren Entscheidungen – wie gewohnt – sehr einig. Die Mitgliedsverbände bzw. ihre Vertreter stehen hinter Bach. Sehen Sie die Chance, dass sich das auch nur minimal (bspw. durch die Entscheidung von gestern) ändern könnte?

    Ich meine, es gibt viele große, mächtige Verbände, die selbst schwer angeschlagen sind: Fina, Iaaf, Fifa, … Aber wie steht es um die kleineren?! Ist auch da Hopfen und Malz verloren?

  12. Steffel! OMG … aber je weiter weg von B, desto besser.

    Aber schöner Tippfehler in der PM: „… wird vom 15. bis 22. August 2012 eine Delegationsreise zu den Olympischen Spielen nach Rio de Janeiro unternehmen. …“

    Hat man wohl die 4 Jahre alte Vorlage benutzt und nicht ordentlich Korrektur gelesen.

  13. Wie zugänglich sind die IOC-Mitglieder? Muß man denen im Hotel auflauern? Wie viele lassen überhaupt mit sich sprechen bzw. wieviel Prozent der Mitglieder sprechen noch mit Dir?

  14. Letzte Frage aus meiner Ecke: Du steckst ja – mittlerweile – komplett in der Sportpolitik (und das ist auch gut so). Gemäß dem Fall, du wärst doch mal „normaler“ Olympia-Tourist: Welche Events würden dich am ehesten reizen? Gibt es die überhaupt noch?

  15. Sind viele WADA-Funktionäre vor Ort und betreiben diese auch Lobbyarbeit in eigener Sache? z.B. für eine Kronzeugenregelung/ Whistleblower-Fonds für die Absicherung von deren sportlichen Interessen (damit so etwas wie der Stepanova-Ausschluss nie mehr vorkommen kann) und zum Ausgleich finanzieller Nachteile?

  16. @ Dirk #20

    Ich weiß noch nicht, ob ich mir das antue. Bis jetzt habe ich es bewusst nicht getan. Aber ein Handballspiel der Deutschen und ein bisschen Leichtathletik, vor allem Robert Harting, werde ich schon noch sehen.

    Es sind auf jeden Fall die Spiele, bei denen ich am wenigsten Sport sehe. Klar. Das wurde immer weniger über die Jahre.

  17. billmoyers.com: The other Olympic refugee story

    One of the reasons listed by protesters from Boston to Krakow is that the arrival of the games invariably means displacement for poor and vulnerable residents. That displacement creates what the United Nations call an “internally displaced person” or IDP. Every Olympics creates IDPs, the high-water mark being the staggering 1.5 million in Beijing back in 2008.

  18. Pingback: live aus Rio (20), ARD und ZDF und die Quadratur des Kreises: „keine Ahnung, zu viel Fußball, zu wenig live, zu viel MAZ“ • Sport and Politics

  19. Pingback: Was vom Tage übrig bleibt (101): das Freund-Feind-Syndrom – IOC-Bach und der Journalismus • Sport and Politics

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

What they say
"I give a shit on you!
I shit on German media!"
Husain Al-Musallam
President World Aquatics
and Co-Conspirator #3
coming soon
fund journalism
FIFA Watch
best of