LONDON. Olympic Stadium, Block 212/213, Row 71, Seat 313. Halbfinale 200 Meter.
Im ersten HF Blake vs Lemaitre vs Spearmon.
Keine Gegnerschaft für Blake, der die letzten 40 Meter spazieren geht und nicht mal nach Luft schnappt. 20,01. Natürlich muss Yohan Blake ein bisschen bluffen, gehört zu seinem Spielchen. Nur: schaut man sich ihn an und Lemaitre, der ja keine Pfeife ist, gerade 20,03 rannte und schon mal 19,80 gelaufen ist, sieht man also, wie Lemaitre pumpt … Ach Gott. Ich sage lieber nichts.
20.16: Der Witzbolt.
ENDLICH mal Ruhe im Stadion.
Keine Aussage zu treffen nach diesem Spaziergang. Hatte aber den Eindruck, als ob er danach atmete.
Grit Hartmann und ich haben heute für verschiedene Zeitungen dieses Textlein gedichtet:
Es geht Schlag auf Schlag mit den Meldungen zu Dopingfällen während dieser Londoner Spiele: Beinahe täglich wird ein neuer Erfolg verkündet. Von der ukrainischen Turnerin über marokkanische, französische, spanische Mittelstreckler, türkische Gewichtheber, den Italiener Alex Schwazer, Olympiasieger 2008 über 50 km Gehen, bis zur Sprinterin aus St. Kitts und Nevis. Ein reichliches Dutzend Fälle gaben das Internationale Olympische Komitee (IOC), die Sport-Weltverbände oder nationale Sportfunktionäre seit Beginn der Spiele bekannt. In London sei es schwierig wie nie zuvor, zu dopen und nicht erwischt zu werden, sagte John Fahey vor zwei Wochen, der Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). „Aber ich wäre dumm, würde ich behaupten, bei diesen Spielen würde niemand betrügen.“
Selbst Skeptiker können sich dem Sog der Pharmabilanz, die Olympias Propagandamaschine in die Welt hinaus bläst, nicht entziehen.
„Angenehm überrascht“ sei er über die vorolympische Teststatistik, sagt Perikles Simon, Professor an der Universität Mainz. Vor allem, weil „knallhartes Doping“ auffliege: „Testosteronfälle, Diuretika, Epo – das sind keine Wischiwaschi-Fälle wie so oft. Sondern schon Anhaltspunkte dafür, dass Kontrollen etwas ausrichten können, wenn sie richtig gesetzt werden.“
Simon schaut daheim viel Leichtathletik. Bei den Mittel- und Langstreckenläufen hat der Gendoping-Spezialist „Indizien“ fürs verbesserte Kontrollregime ausgemacht:
„Man hat einige Kenianer aus dem Verkehr gezogen. Und nun erleben wir, dass die These von der angeblichen genetischen Überlegenheit der Schwarzafrikaner doch nicht so haltbar ist. Es gibt wieder Weiße, die durchaus mitlaufen können – bei Zeiten, die nicht mehr so extrem sind wie noch vor vier Jahren.“
Dafür, dass vor London intelligente Zielkontrollen zum Einsatz kamen, spricht auch der jüngste Fahndungserfolg im Falle Alex Schwazer. Der Olympiasieger wurde Ende Juli positiv auf das Blutdopingmittel Epo getestet – die Kontrolleure schauten vorbei, weil Italiens Nationalheld auffällig häufig in St. Moritz trainierte. Dort praktiziert der berüchtigte Arzt Michele Ferrari, auf dessen Kundenliste Schwazer stand. Der Tipp, so vermeldete die „Gazetta dello Sport“, kam von Interpol. Die Behörde koordiniert die Ermittlungen gegen „Dottore Epo“. Interpol hat auch einen Kooperationsvertrag mit der WADA unterzeichnet.
Andererseits vernebeln derlei Fälle den Blick für die Realitäten: die Direktbilanz der in London vom IOC verantworteten Kontrollen ist dürftig – mit einem Cannabis-Fall des US-Judokas Nicholoas Delpopolo. 3949 Proben wurden bis Dienstag genommen, verkündete IOC-Sprecher Mark Adams. Man wird am Ende weit über den angekündigten 5000 Tests liegen.
„Natürlich machen in einigen Disziplinen die Leistungsdimensionen stutzig“, sagt Perikles Simon, „zumal, wenn sie plötzlich in großer Breite erbracht werden.“ Er bezweifelt, „dass sich der Genpool der Menschheit derart verbessert hat, um die Zeiten zum Beispiel der Sprintfinals zu erklären“. Auch hat der Sportmediziner keine entsprechenden Fortschritte in der Trainings- oder Ernährungswissenschaft detektiert.
Wobei: Das Thema Nahrung liegt ja nun wieder im Trend, seit der Jamaikaner Yohan Blake sein 16-Bananen-Tagesmenü verriet. Simon bringt das eher zum Lachen: „Man wird ja auch veräppelt.“ Bananen und Yams-Wurzeln? Simon glaubt eher an eine Verlagerung des Betrugsgeschehens. „Da wird kaum noch mit Steroiden gearbeitet. Wachstumsfaktoren können eine Rolle spielen und wahrscheinlich Präparate mit Einfluss auf die Muskelkontraktion.“