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Das Olympische Bildungsmagazin

Textkritik zur IOC-Propaganda #ThomasBach #Ferrostaal

tb vertragAm Anfang steht die Offenlegung: Ich schreibe diese Zeilen ehrenamtlich. So richtig ehrenamtlich, gar nicht tricky, also ohne verborgene Beraterverträge, ohne Tagessätze und Aufwandsentschädigungen in meinem Ehrenamt als bloggender Journalist. Keine Redaktion bezahlt mich für diesen Aufwand. Es ist natürlich sehr dumm von mir, trotzdem zu schreiben, Nerven, Zeit und bestenfalls ein bisschen Wissen und Erfahrung zu investieren – und mich erneut lauernden Anwälten auszusetzen.

Aber es ist halt ein Ehrenamt, es geht ja um die Sache, nicht wahr?

Also, ans Werk:

Ich finde es echt niedlich, wie sich Christian Klaue, Chefpropagandist des IOC-Präsidenten Thomas Bach für die deutschsprachigen Länder und zuvor von Bach verpflichteter DOSB-Pressesprecher, auf Twitter immer wieder müht, Unerklärliches zu erklären.

Klar ist es löblich, sich einer Diskussion zu stellen. Dumm nur, wenn man keine Argumente hat und einem nichts übrig bleibt, als die Wahrheit zu beugen und Medienvertretern, die recherchieren und vom IOC in diesen Recherchen behindert werden, regelmäßig auch mit anwaltlichen Drohungen, „Lückenjournalismus“ vorzuwerfen.

Das ist nicht nur heute so, das ist Geschäftsprinzip der ständig wachsenden IOC-Propagandaabteilung, die gerade wieder einen prominenten Neueinkauf verpflichtet hat und oft genug, beinahe ununterbrochen, von gerissenen, sauteuren PR-Weißwäschern aus aller Welt unterstützt wird. Ich möchte nur kurz an Hill & Knowlton erinnern, heute wohl H + K.

Jedenfalls:

Vom Lückenjournalismus sind es nur zwei Buchstaben bis zum Lügenjournalismus. Fake News.

Wandelt Christian Klaue, wandeln Thomas Bach und seine Anwälte da irgendwie auf den Spuren der AfD und von Donald Trump?

Dieses Spiel mit dem Feuer ist gewollt. (Und diesen Satz kennzeichne ich ausdrücklich als Meinungsäußerung, denn sonst, vielleicht aber auch trotzdem, bekomme ich mal wieder Anwaltspost. Säbelrasselnden IOC-Anwälten, die auch gern für DFB-Präsidenten und den DFB unterwegs sind, sei gesagt: Bitte erst weiter lesen, nicht gleich in unerfreulichem Deutsch Briefe diktieren.)

Manche Medien hat das IOC ja gut im Griff. Man sieht das regelmäßig an lancierten Interviews. Oder an so etwas wie in einem Blättchen namens SPORT-BILD, geführt vom Beckenbauer-Intimus Alfred Draxler:

Blicken wir aber kurz mal auf die dpa, die bis jetzt (14.26 Uhr) keine Zeile zum gestern enthüllten Beratervertrag Thomas Bachs mit MAN Ferrostaal veröffentlicht hat. Muss dpa nicht, keine Frage. Der SID hielt die Fakten dagegen für veröffentlichungswürdig.

Man kann aber auch fragen, ob hier nicht einmal mehr etwas anderes zum Ausdruck kommt, ich habe mich Anfang Januar ausführlich dazu geäußert:

Damals ging es hauptsächlich um Bachs langjährigen Tennis-Partner Günter Deister, dpa-Sportchef von 1974 bis 2005, der Generationen von dpa-Sportreportern auf seine Weise prägte – und kürzlich einen „faireren Umgang“ mit dem angeblich so schwer unfair behandelten IOC-Präsidenten anmahnte. Deisters Nachfolger als dpa-Sportchef war übrigens ein gewisser Sven Busch, der ebenfalls kritischen Worten zur Person Bach unverdächtig ist, das habe ich äußerst wohlwollend formuliert, es gäbe mehr zu sagen. Vorerst aber nur dies:

Sven Busch ist inzwischen Chef vom Dienst von Bachs Vorzeigeprojekt Olympic Channel.

Nachtrag, 9. April, 13.12 Uhr, denn ich habe natürlich bei dpa nachgefragt:

Hinter den Kulissen läuft jedenfalls einiges, um Medien weiter zu beeinflussen, einzunorden und mit Anwälten einzuschüchtern. Dafür wird Klaue schließlich bezahlt. Manche machen bereitwillig mit. Alte Allianzen brechen nicht so schnell auf, die FAZ hat zum Beispiel bisher auch noch nichts erwähnt.

Klaue macht das, was Bachs Kanzleikollegen, seine Anwälte, seine Propagandisten, seine Helfershelfer in Medien, Sport, Wirtschaft und Politik seit Jahrzehnten machen.

Es kann hier kein Miteinander geben.

Schon gar nicht in diesen Jahren, da Medienunternehmen sterben, da jenen, die kontrolliert werden müssten, kaum regelmäßig auf die Finger geschaut wird, weil das Geld fehlt, weil Ressortleiter oder Chefredakteure nicht mögen, weil Redakteure nicht können oder wollen und/oder Ausreden finden, die Gründe sind vielfältig. Reiche Konzerne wie das IOC wissen das bestens einzuordnen, erweitern ihr Propaganda-Arsenal beständig und werden selbst zu Medienunternehmen. Der Olympic Channel ist ein Beispiel dafür.

Es kann hier nur, kleine Anleihe beim alten Marx, antagonistische Widersprüche zwischen den journalistischen Kernaufgaben und den Interessen von, bleiben wir im Metier, IOCFIFAUEFAIAAF etc geben.

Diese minimale Einleitung musste sein.

Nun zur Hauptaufgabe dieses Textes, die darin besteht, IOC-Propaganda auseinanderzunehmen, zu lüften, zu erklären, zu erwidern – suchen Sie sich einen passenden Begriff aus oder finden Sie einen besseren.

Wie das in guten Häusern üblich ist, haben mein Kollege Frederik Richter von Correctiv und ich am Dienstag einige Anfragen an die Akteure unseres Berichts über den „Beratervertrag“ von Thomas Bach verschickt. Details dazu später.

Man nennt das Konfrontation – den Betroffenen wird Gelegenheit gegeben, sich zu erklären. Es werden Fragen gestellt, die man beantworten könnte.

Leider sind derlei Konfrontationen meiner Erfahrung nach in den meisten Fällen unergiebig und eher Folklore. Weil Betroffene eh nicht antworten, weil sie vielleicht sogar lügen (allgemein gesprochen), weil sie ihre Maschinerie anwerfen und Drohanwälte von der Kette lassen, weil sie anderen Medien Sachverhalte stecken, um einer Enthüllung zuvor zu kommen und die Berichterstattung zu lenken.

Jeder Journalist, der das hier liest, kann viele Geschichten darüber erzählen.

Wir haben also, wenn ich nichts vergesse, das IOC und damit Thomas Bach, den DOSB, Ferrostaal und die sogenannte unabhängige IOC-Ethikkommission „konfrontiert“.

Wir haben zahlreiche Fragen formuliert.

Im Grunde wurde nicht eine der Fragen beantwortet.

Stattdessen gab es copy & paste aus neun Jahre alten Pressemitteilungen, die damals schon albern waren (DOSB), auch copy & paste von der IOC-Ethiksekretärin (schon klar, Christian & Christian, offiziell lautet die Bezeichnung jetzt: Chief Ethics and Compliance Officer), Ferrostaal teilte mit, es gebe „keine Veranlassung, zu ihren Fragen Stellung zu beziehen“ …

… das Übliche.

Und Christian Klaue, der für Thomas Bach agiert und der die Fragen gleich auf Englisch bekommen hat, damit die IOC-Juristen und die Administration damit besser arbeiten können?

Christian Klaue antwortete nicht.

Jedenfalls nicht, wie man sich das als normaler Journalistenmensch und Naivling vorstellen würde.

Stattdessen erhielt Correctiv gestern Post von Christian Schertz, der gern mit dem Säbel rasselt und Lesern dieses Blog besonders gut bekannt ist.

Correctiv bekam sogar zweimal Post, cc ging das Zeug an mich.

Wenn ich es richtig verstehe, dann darf ich bei Strafe meines Untergangs nicht mal erwähnen, dass es dieses erste Schreiben gab. Denn der Herr Schertz operiert da etwas eigen.

Bildschirmfoto 2017-04-07 um 14.29.58

Man kennt das aus anderen Fällen, die ich gestern ausführlich verlinkt habe.

Ganz allgemein die Crowd gefragt, ohne besonderen Anlass, denn ich wollte das schon immer mal wissen:


Ende der 1990er Jahre und Anfang dieses Jahrtausends haben sich Bachs Anwälte, damals vor allem ein Sozius seiner Kanzlei in Tauberbischofsheim, sogenannte „Ausforschungsfragen“ nach seinen Geschäftsbeziehungen verbeten. Wenigstens eine Wortschöpfung, die ich nicht vergessen habe. Derlei Kreationen kann Schertz nicht bieten.

Auch damals und später und wieder und immer wieder wurden derlei Fragen nicht beantwortet.

Stattdessen jene Manöver, die wir in diesen Tagen beobachten können.

Es wird also etwas „mitgeteilt“, was Klaue einen Tag später als Antworten bezeichnet, es wird ein bisschen gerasselt und gedroht und getan und gemacht – und gleichzeitig verlangt, der Empfänger des Schreibens solle, wenn er weitere juristische Verwicklungen vermeiden möchte, einfach mal so tun, als habe es das Schreiben nie gegeben. Er darf nicht mal das zitieren, was später als „Antwort“ fehlbezeichnet wird.

Er soll nur etwas „wissen“, was nicht belegt wird, und etwas Angst bekommen.

Ein paar Stunden später kam noch ein Schreiben des Herrn, in dem diffuse „strafrechtlichen“ Konsequenzen angetönt werden, von irgendeiner angeblichen Falschberichterstattung die Rede ist und dergleichen mehr. So was habe ich hier im Blog oft genug veröffentlicht.

Bildschirmfoto 2017-04-07 um 14.38.04

So läuft das nun mal.

Klar bleibt offen, was da nun „unwahr“ gewesen sein oder gewesen beabsichtigt sein soll.

Es war noch nichts veröffentlicht, doch Klaue/Schertz/IOC waren bereits in Besitz einer Version unseres Textes, was ein bisschen ärgerlich ist. Denn so weit geht die Liebe nicht wirklich.

Wir haben unseren Text nach bestem Wissen und Gewissen angepasst und potenzielle Angriffspunkte geglättet. Daily business gewissermaßen.

Worum geht es im Kern?

Correctiv hat einen bislang allgemein unbekannten Vertrag veröffentlicht. Man könnte das eine kleine Enthüllung nennen. Das ist Aufgabe von Correctiv. Das ist Aufgabe von Journalismus.

So ein Vertrag wirft zahlreiche Fragen auf, viele davon haben wir in dem Text nicht mal angetönt, weil die Exklusivität des Dokuments die eigentliche Nachricht sein sollte. Wer des Lesens und Denkens fähig ist, kann sich ein Bild machen.

Der Vertrag ist die News. Und diese News wird zurecht debattiert.

Was Klaue und andere IOC-Geldempfänger nun versuchen, ist nicht viel mehr, als die News, das Medium (Correctiv liefert Texte an zahlreiche Regionalzeitungen, auch diesen) und die Journalisten zu diskreditieren.

Als „Lückenjournalismus“.

So läuft das immer öfter.

Ich weiß nicht, ob das IOC und seine Advokaten kruden „strafrechtlichen“ Andeutungen Taten folgen lassen. Kann sein. Meist bleibt es beim Aufplustern.

Vorerst versucht Klaue die Medien zu beeinflussen – jene Medien, die den Ferrostaal-Beitrag veröffentlicht haben, und auch andere, die den SID-Text nutzen oder eine Berichterstattung vorhaben.

Komischer Weise bezeichnet Klaue seine Einlassungen als „Leserbrief“, nicht als Pressemitteilung oder anwaltliche Erklärung oder was immer.

Er nennt es:

Leserbrief an die Medien zur Berichterstattung über IOC-Präsident Thomas Bach

„Die Medien“ also.

Ich werde Klaues Postulat (oben im Tweet komplett zu lesen) Satz für Satz, Absatz für Absatz kommentieren und später vielleicht erweitern. Bestimmt fällt Frederik Richter etwas dazu ein, gewiss werden sich einige Interessierte unten in den Kommentaren oder in Social-Media-Kanälen dazu äußern. ich gebe eine kleine Vorlage, um die IOC-Propaganda zu entzaubern.

Mit Befremden habe ich am Freitag die Presseberichterstattung über IOC-Präsident Thomas Bach gelesen, die ein perfektes Beispiel für „Lückenjournalismus“ ist. Hier werden bewusst eine Reihe von Fakten ausgelassen, die nicht ins Bild passen.

Klaue beginnt mit einer von der AfD und von Trump kontaminierten Behauptung. „Lückenjournalismus“.

Ich habe eingangs erwähnt, dass es von da bis zum Lügenjournalismus nur zwei Buchstaben sind. Die Richtung ist also brutal vorgegeben.

Es ist nicht nur „Lückenjournalismus“, sondern sogar ein „perfektes Beispiel“ dafür. Welche „Reihe von Fakten“ ausgelassen worden sein sollen, weil sie nicht „ins Bild passen“, in welches eigentlich?, bleibt offen.

Und das ist ein Wesenszug von Propaganda.

Stattdessen hat Klaue wichtige Fakten weggelassen in seinem Pamphlet:

  • So verschweigt er, dass er unsere Fragen nicht beantwortet hat.
  • So verschweigt er, dass stattdessen ein Anwalt in die Spur geschickt wurde.
  • So erwähnt er nicht die Telefonate, in denen er u.a. versucht hat, andere Journalisten zu beeinflussen, um die Berichterstattung zu lenken.

Diese Aufzählung ist gewiss unvollständig.

Mich würde vor allem interessieren (s.o.), ob er bei dpa interveniert hat/seine Beziehungen ausgespielt hat. Egal, wie man es nennt.

Bevor Herr Bach im September 2013 zum IOC-Präsidenten gewählt worden ist, war er hauptberuflich Wirtschaftsanwalt, dessen Aufgabe es ist, die Interessen seiner Mandanten zu vertreten. Mit diesem Beruf hat er seinen Lebensunterhalt verdient, die Aufgaben im IOC und im DOSB übte er ehrenamtlich aus, erhielt dafür lediglich Aufwandsentschädigungen.

Ist der Begriff des „Wirtschaftsanwalts“ geschützt – oder ungeschützt wie der des Journalisten?

Da bleibt Raum für Interpretationen, wenn man die Umstände genauer beleuchtet. Und das haben wir am Beispiel Ferrostaal mit der Veröffentlichung des kompletten Vertrages und einigen Basics dazu in besonderer Weise getan.

„Wirtschaftsanwalt“ also. Im Falle Bach gehört das gewissermaßen, Achtung Meinungsäußerung, zur Legende, die nicht nur ich in vielen Beiträgen beschrieben habe. Aus juristischen Gründen verweise ich u.a. auf das 2000 im Piper Verlag erschienene Buch „Der olympische Sumpf“, wo es in mehreren Kapiteln um die Tätigkeit des mit Diplomatenpässen ausgestatteten vermeintlichen „Wirtschaftsanwalts“ in der globalen Grauzone von Sport, Politik und Big Business geht.

Lustiger Weise rezensierte die Neue Zürcher Zeitung damals u.a.:

Und da ist ja auch noch Doktor Thomas Bach aus Deutschland, der (IOC)Vizepräsident werden will, aber immer noch nicht glaubt, jemals im sportpolitischen Rollkommando von Adidas gesessen zu haben. Alles nur eine Illusion? (…) So illustriert das Buch mitunter schmerzhaft plastisch die Mechanismen im Weltsportzirkel. Selbst routinierte Illusionskünstler wie Samaranch und Doktor Bach dürften es demzufolge schwer haben, dem geneigten Leser in Folge das X als U zu verkaufen.

Die vielfältigen Lebenssachverhalte des stets nimmermüde im nationalen Auftrag die Welt bereisenden Doktor Bach – diese Story müssen Leute wie Christian Klaue erzählen, weiter dichten und schützen.

Diese Story wurde hier oft beschrieben, detailliert beschrieben und bestenfalls auch regelmäßig auseinander genommen. Gestern habe ich einiges verlinkt, benutzen Sie gern rechts oben die Suchfunktion.

„Wirtschaftsanwalt“ ist dabei ein Kern- und Kampfbegriff. Denn das suggeriert ein besonderes Maß an Seriosität und juristischen Dienstleistungen, oder?

Doch kommen wir zum Kern der Sache, von dem Klaue so weit entfernt ist wie der HSV von der Deutschen Meisterschaft: Dieser von uns enthüllte Ferrostaal-Vertrag belegt wie kein anderer vorher publik gewordener Vertrag (Holzmann, Siemens), dass Bachs juristische Expertise doch kaum gefragt war.

Lesen Sie gern noch einmal nach und korrigieren Sie mich gegebenenfalls:

Im Grunde wird hier die Tätigkeit eines Verkäufers und Kontaktanbahners beschrieben.

So steht es in diesem Dokument. Dafür wurde Bach bezahlt.

Unter § 1 heißt es, Bach werde „für die Firma und die Unternehmen der MAN Gruppe weltweit folgende Leistungen erbringen“. Dazu zählten neben der Herstellung von Kontakten mit Regierungen, Behörden, Verbänden sowie Unternehmen, die „Herstellung von Kontakten zur Unterstützung der Problemlösung bei (internationalen) Standortentscheidungen” genauso wie die „Herstellung von Kontakten bei wirtschaftspolitischen Problemstellungen”.

Aber „Wirtschaftsanwalt“ klingt natürlich besser.

Nach seiner Wahl zum IOC-Präsidenten hat er alle anwaltlichen Mandate mit Ausnahme des Aufsichtsratsvorsitzes bei der Michael Weinig AG bzw. der Weinig International AG in seinem Heimatort Tauberbischofsheim niedergelegt, um sich voll seiner Aufgabe als IOC-Präsident widmen zu können.

Taucht die Weinig AG noch im Text auf? Ist das hier relevant?

Hat Bach alle „anwaltlichen Mandate“ – schon wieder dieses „anwaltlich“ – „niedergelegt“? Das kann sein. Man kann den Behauptungen der Herren Bach und Klaue glauben, muss es aber nicht. Denn …

Diese Fakten wurden öffentlich kommuniziert.

… kommuniziert wurde etwas. Aber ob es sich um Fakten handelt, kann man erst korrekt einschätzen, wenn man „alle anwaltlichen Mandate“ kennen würde.

Der Begriff „anwaltlich“ ist auch deshalb sehr wichtig, weil sich dadurch mit einer „anwaltlichen Schweigepflicht“ operieren lässt, die eine Auskunft verbiete. Diese Argumentation verfolgt mich seit Jahrzehnten.

Doch schauen sie ruhig noch einmal in der Ferrostaal-Vertrag und fragen sich, wo da eine „anwaltliche“ Tätigkeit versteckt sein soll. Ich nehme jede Entdeckung und Erklärung dankend zur Kenntnis, denn ich bin ja nicht voreingenommen, sondern diskutiere hier öffentlich.

Wirtschaftslobbyist schreibe ich seit vielen Jahren. Das trifft es besser.

Außerdem, was hat denn der „Wirtschaftsanwalt“ tatsächlich vorzuweisen, frage ich ebenso offen?

Mit Bachs Dissertation habe ich mich ausführlich beschäftigt, unter anderem hier, mit der „Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Würde eines Doctor juris utriusque der Hohen Juristischen Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität zu Würzburg“ also, zum Thema:

„Der Einfluss von Prognosen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“.

Außer mir und Thomas Bach dürfte es niemanden geben, der diese Arbeit gelesen hat UND auch diesen Text konsumiert. Schertz und Klaue bestimmt nicht. Ich halte jede Wette.

Als ich das Papierchen im Sommer 2013 in der Deutschen Bibliothek in Leipzig studierte und mich mächtig langweilte, aber ich wollte es halt wissen, habe ich diese 30 Jahre alte Arbeit quasi entjungfert. Da war nichts geknickt, das war wie druckfrisch, das hatte bis dahin niemanden interessiert und wird wohl auch nicht wieder.

Thomas Bach: "Der Einfluss von Prognosen auf die Rechtsprechung des BVerfG" - Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Würde eines Doctor juris utriusque der Hohen Juristischen Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität zu Würzburg

Der Grundstein einer großen internationalen Funktionärskarriere

Aber natürlich kann man damit immer noch ein toller „Wirtschaftsanwalt“ werden.

Als IOC-Präsident erhält er eine jährliche Aufwandsentschädigung, die von der IOC-Ethikkommission festgelegt und auf Wunsch von Herrn Bach im jeweiligen Jahresbericht des IOC veröffentlicht wird.

Das war weder Bestandteil unserer Berichterstattung, noch ist es relevant für den Beitrag über Bachs Ferrostaal-Vertrag und seine Kontaktanbahner-Tätigkeit vor seiner IOC-Präsidentschaft. Es wurde von uns weder ausgelassen noch bestritten.

Klaue lenkt damit schlichtweg vom Thema ab.

Mit Bezug auf die Berichterstattung über seine Tätigkeit für MAN Ferrostaal vom 1. Juni 2005 bis 31. Mai 2009 fehlt die Information, dass Herr Bach zu keinem Zeitpunkt eine Provision erhalten hat und niemals am Verkauf von Rüstungsgütern beteiligt gewesen ist.

Wurde behauptet, Bach hätte die vertraglich zugesicherte Provision (bei Absatz von Produkten über 29 Millionen Euro Verkaufskosten) erhalten, oder wurde lediglich aus dem Vertrag zitiert, den wir zusätzlich zur Verfügung stellten und stellen?

Wir haben nie behauptet, Herr Bach habe Rüstungsgüter verkauft. Wir haben lediglich erwähnt, dass zum Ferrostaal-Portfolio auch Rüstungsgüter gehörten.

Herr Bach hätte sich erklären und Fragen nach den von ihn angebahnten Geschäften/Verkäufen beantworten können. Er hat aber darauf verzichtet. Und sein Anwalt hat weder in jenem Schreiben, aus dem wir angeblich nicht zitieren dürfen, noch im, zweiten Schreiben erwähnt, dass „Herr Bach zu keinem Zeitpunkt eine Provision erhalten hat“.

Interessant zudem, warum Klaue nicht erklärt, warum der Totaltransparenzler Thomas Bach die Ferrostaal-Tätigkeit (u.a.) in seinen öffentlich verbreiteten Lebensläufen nie erwähnte, nicht einmal nach Bekanntwerden seines zusätzlichen Siemens-Vertrages im Frühjahr 2008.

Zum Beispiel auf der DOSB-Webseite, heute abgerufen:

Bildschirmfoto 2017-04-07 um 23.34.27

So richtig vollständig ist das eher nicht.

Aber da war bestimmt die „anwaltliche Schweigepflicht“ vor.

Im Rahmen einer jeweiligen allgemeinen Untersuchung, ist die Tätigkeit von Herrn Bach sowohl bei MAN Ferrostaal als auch bei der Siemens AG durch unabhängige amerikanische Anwaltskanzleien geprüft worden. In beiden Fällen wurde festgestellt, dass an der Integrität von Herrn Bach keine Zweifel bestehen.

Das ist lustig oder besser: Ich freue mich für Herrn Bach, dass er, der wunderbar an seiner Arbeit für die beiden schwer korruptionsverseuchten und zu gigantischen Strafzahlungen verurteilten Konzerne verdiente, trotz des schlechten Umfeldes seine Arbeit stets unbelastet und sauber verrichten konnte.

Ich kenne leider weder die „unabhängigen amerikanischen Anwaltskanzleien“, noch deren „unabhängige“ Gutachten, obwohl ich mich um Kenntnis bemüht hatte, so wie ich mich um jedwede Kenntnis im IOC-Reich bemühe. Die Unabhängigen müssen so was wie Freshfields beim DFB gewesen sein.

Ich habe Klaue seit 2010, als er den DOSB-Job übernommen hatte, mehrfach darauf angesprochen, dass ich derlei „Gutachten“ oder „Freibriefe“ oder „Widerrufe“ (soll es auch mal gegeben haben #Adidas) sehr gern lesen und prüfen würde. Er ist seit 2010 leider nicht dazu gekommen, mir entsprechende Dokumente zur Verfügung zu stellen, trotz mehrfacher Versprechen. Auf manches warte ich viel länger.

In der Anwaltspost, aus der nicht zitiert werden durfte, war von jener angeblichen Siemens-Entlastung aus dem Jahr 2008 die Rede. Ich habe das nie in Frage gestellt und im Laufe der Jahre mehrfach darüber berichtet, zum Beispiel ausführlich hier. Ein Zitat aus jener damals veröffentlichten DOSB-Pressemeldung war auch das einzige, was uns die DOSB-Sprecherin am Donnerstag nachreichte, nachdem Sie zuvor erklärt hatte, sie habe noch anderes zu tun, es falle schwer, in der Kürze auf lange zurückliegende Vorgänge Antworten zu geben.

Aber noch einmal: Wir hatten ausdrücklich um Belege gebeten, die damalige Pressemeldungen stützen.

Diese Belege erhielten wir (erneut, wieder) nicht.

Ob derartige Belege existieren, weiß ich nicht.

Ich weiß nicht einmal, ob Klaue weiß, ob die existieren.

Herr Bach hat sowohl der IOC-Ethikkommission wie auch dem Good-Governance-Beauftragten des DOSB stets seine Verträge angezeigt und diese Informationen regelmäßig aktualisiert. In beiden Fällen haben weder die Tätigkeit noch das Verhalten von Herrn Bach zu irgendwelchen Beanstandungen geführt.

Das wurde nie bestritten.

Wobei ich glaube, dass er den Good-Governance-Beauftragten des DOSB, der ihn damals in der Siemens-Sache unterstützte, durchaus mit ausgesucht hatte, diesen ehemaligen BDI-Präsidenten Jürgen Thumann, oder täusche ich mich da?

Spielt auch keine große Rolle, wenn es darum geht, Klaues „Leserbrief“ zu zerpflücken, das wäre schon zuviel der Ehre, noch mehr Hintergründe einzubauen.

Wichtig aber, ich wiederhole mich: Ich bitte seit Jahren um entsprechende Belege für diese von Klaue erneut aufgestellten Behauptungen („stets seine Verträge angezeigt und diese Informationen regelmäßig aktualisiert“) und habe das gemeinsam mit Frederik Richter erneut getan, aber keine Belege erhalten.

Für Adidas arbeitete er vom 1. Oktober 1985 bis 31. Dezember 1987. Die ISL war ein eigenständiges Unternehmen. Darüber hinaus beginnen die im Artikel aufgeführten Schmiergeldzahlungen der ISL (nicht von Adidas) im Jahr 1989, während Herr Bach bei Adidas bereits Ende 1987 ausgeschieden ist.

Das wurde nie anders behauptet. Zum Thema ISL kann ich leicht eine Doktorarbeit schreiben, man lese Hunderte (?) Texte hier im Blog und anderswo nach.

Die sogenannte sportpolitische Abteilung Dasslers bei Adidas war personell teilweise identisch mit ISL-Verantwortlichen, etwa Jean-Marie Weber, Dasslers Adjudant und nach Dasslers Tod (1987) ISL-Schmiergeldbote bis 2001.

Klaue weiß natürlich, dass gerade ich das im Schlaf herbeten kann wie kaum ein Zweiter. Er versucht es trotzdem, er wird ja dafür bezahlt und vielleicht verfängt es bei manchen Empfängern des „Leserbriefes“. Gewiss sogar, wie eine erste Stichprobe im Internet ergab.

Aber ich kann das hier abkürzen. Es ist irrelevant, sondern nur Teil des von Klaue aufgezogenen Nebelschleiers.

Wenn man dies alles weiß, wird deutlich, dass an der Berichterstattung nichts dran ist, außer dem offensichtlichen Versuch, den Ruf von Herrn Bach zu schädigen.

Okay.

Wo ist die Rufschädigung?

Was sagt Klaue über Ferrostaal, den Anlass, die News unseres Beitrages?

Natürlich nichts.

Warum werden unsere Fragen nicht beantwortet, diese zum Beispiel?

According to information obtained by Correctiv you signed a consultancy contract with the company MAN Ferrostaal in June 2005, with an annual remuneration of 125.000 Euro. In this contract you committed yourself to help the company with political contacts as well as winning of orders for the company:

– How did you make sure that this contract did not constitute a conflict of interest with your offices in international sports?

– Did you inform the IOC ethics commission (and/or the executive committee/the President at the time) about this contract? If so, when and in what form? Could you please provide us with clear evidence of that.

The contract with MAN Ferrostaal contained a fixed annual compensation, an expenses allowance as well a commission on orders you won for the company. Which specific contracts did you win for the company?

The contract was signed in 2005 for an initial period of four years:

– is this contractual relationship still in place and if not, when did it end?

– did you win any specific orders for the company in the context of the Olympic Games? If so, which?

Ferrostaal said in 2006 it had supplied machinery to China that was used to coin medals for the 2008 Olympic Games. Were you involved in winning this order?

You represented both Siemens and Ferrostaal. In the 2000s, both companies used bribery to win orders abroad according to German court verdicts. Would you sign these contracts again with today‘s knowledge?

Please do not hesitate to contact me should you have any questions.

Weiter bei Klaue:

Legte man im Übrigen den von den Autoren gewählten Maßstab an, dürfte man zumindest keinem selbstständig Tätigen mehr empfehlen, ein Ehrenamt im sozialen, kulturellen, politischen, karitativen oder sportlichen Bereich auszuüben, da diese Person ansonsten ihre berufliche Tätigkeit aufgeben müsste. Dies wäre für das deutsche Vereinswesen ein gravierender Verlust.

Ein „Argument“ aus dem Phrasenbaukausten von Sport-Propagandisten.

Ich weiß nicht, welchen „Maßstab“ die Autoren Klaues Meinung nach angelegt haben, obwohl ich einer der Autoren bin.

Aber „das deutsche Vereinswesen“ kommt immer gut. Glaubt Klaue.

Das nennt man wohl billigen Populismus.

Ich weiß auch nicht, ob der plumpe Versuch wirkt, einen „gravierenden Verlust für das deutsche Vereinswesen“ zu konstruieren, weil seit Jahrzehnten über die Grauzonen-Tätigkeit von Thomas Bach berichtet wird und Stück für Stück erstaunliche Verträge öffentlich werden, von denen „das deutsche Vereinswesen“ keine Ahnung hatte?

Ich weiß es nicht.

Ich bezweifle es aber.

Es gilt hier, die Dinge mal wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Ich kann da nicht mehr folgen. Aber wenn der Informationsblockierer Christian Klaue die Übersicht behalten haben sollte, was Kopf ist und was Fuß der Dinge, dann bin ich erfreut.

Nur: Seine vom IOC bestens bezahlte „Meinung“ tut hier nichts zur Sache, wenn wir versuchen, über Fakten zu reden.

Der Beruf von Herrn Bach vor seiner Wahl zum IOC-Präsidenten war Wirtschaftsanwalt. Im Ehrenamt war er IOC-Mitglied und DOSB-Präsident und nicht etwa umgekehrt. Beides hat er immer sauber getrennt.

Und Amen.

Im Grunde habe ich dazu alles gesagt. Das eine sind Behauptungen. Das andere ist Aufgabe von Journalisten: Versuchen zu überprüfen, ob sich diese Behauptungen verifizieren lassen.

Den letzten Teil des „Leserbriefes“ von Christian Klaue kann ich gern unkommentiert und unbeanstandet so stehen lassen:

Christian Klaue, IOC-Sprecher für die deutschsprachigen Länder

Lausanne, den 7. April 2017

Christian Klaue
Head of Communications for German-speaking countries
Spokesman’s Services

International Olympic Committee
Château de Vidy
1007 Lausanne
Suisse

Anmerkung: Einige Passagen dieses Beitrages habe ich inhaltlich korrigiert, verbessert und anwaltskompatibel gestaltet und werde das ggf. weiter tun.

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14 Gedanken zu „Textkritik zur IOC-Propaganda #ThomasBach #Ferrostaal“

  1. Tja. PR halt.

    Was das behauptete „Veröffentlichungsverbot“ angeht: Ich will mir dazu keine Expertise anmaßen. Und wir hatten uns ja auch schon auf Twitter (und auch früher) kurz darüber unterhalten. Ich hoffe doch sehr, dass sich noch Leser finden, die eine hilfreichere Hand ausstrecken und sich zu Recht Expertise anmaßen können.

    Trotzdem bleibt es aus meiner Sicht bei dem, was schon seit Jahrzehnten „klar“ ist: Das lässt sich einfach nicht pauschal beantworten und ist meines Wissens auch nicht höchstrichterlich geklärt. Und wird es wahrscheinlich auch nie sein. Weil es dabei um die Einzelfall-Abwägung zweier legitimer (und wichtiger) Rechtsgüter geht (vereinfacht): Um das Urheberrecht (und Persönlichkeitsrecht) des Briefeschreibers (Anwalt oder nicht) auf der einen Seite und das öffentliche Interesse an der Berichterstattung auf der anderen Seite.

    Ich verfolge Deine Arbeit nun nicht erst seit heute. Deswegen maße ich mir folgende pauschale Einschätzung dann doch an: Aus dem Bauch heraus sehe ich keinen Anlass, diesbezüglich nicht einfach Deinem eigenen Bauchgefühl zu vertrauen. Du scheinst nämlich ein ganz gutes Gespür dafür zu haben, private Interessen gegenüber dem öffentlichen Interesse an Berichterstattung abzuwägen.

    Du könntest, einen spendablen Gönner vorausgesetzt, natürlich jede Veröffentlichung von einem fachkundigen Rechtsbeistand vorab auf diese Kriterien abklopfen lassen. Ich gehe aber fast jede Wette, auch dieser würde letztlich quasi immer zu folgendem Schluss kommen: „Sollte an sich zulässig sein, aber ein Restrisiko bleibt nicht auszuschließen. Zumal nicht vergessen werden darf, dass selbst im Erfolgsfall die Rechtsverfolgung für die Einzelperson eine schwer zu leistende Belastung darstellt.“ Also letztlich genau das, was Deine Arbeit ohnehin begleitet, seit Du den ganzen Scheiß hier auf Deinen eigenen schmalen Schultern stemmst und uns undankbaren Schmarotzern vor die Füße wirfst (ich schweife ab).

    Von den Drohgebärden innerhalb der Schriftsätze würde ich mich insofern nicht weiter aus der Ruhe bringen lassen (also an Deiner Stelle und aus Deiner Ruhe; ich persönlich würde ja ständig in Panik schreiend durch die Gegend rennen – ich schweife schon wieder ab). Das ist nämlich, so seltsam das klingen mag, einfach ganz normales und legitimes anwaltliches Handwerk.

    Man darf (und soll) nämlich zu Gunsten seines Mandanten Rechtsansichten parteiisch vertreten. Bekanntlich ist Übertreibung die Mutter der Darstellung, deswegen ein möglichst bescheuertes Beispiel: Du fährst auf dem Radweg entgegen der Fahrtrichtung. Ein PKW kachelt Dich beim links abbiegen in eine Einfahrt um. Als Anwalt des PKW-Fahrers schreibe ich Dir nun, wegen Deines eigenen Verkehrsverstoßes läge Deine Schuld am Unfall bei 100 % und du müsstest daher zum einen komplett die Kosten der Reparatur des PKW tragen und könntest zum anderen keinen Pfennig wegen Deiner eigenen Verletzungen erwarten. Wir alle wissen, ein Gericht wird das anders beurteilen und deswegen würdest Du diesem Schreiben auch keine große Beachtung widmen. Bist Du aber unberaten und etwas naiv und folgst diesen Anweisungen treudoof, dann ist das okay.

    So ähnlich ist das bei Dir. Die Behauptung, Du dürftest keine Zeile aus dem Schreiben zitieren und auch nicht erwähnen, dass es existiert, ist erstmal eine vertretbare Rechtsansicht und daher legitim. Daraus ist aber nicht abzuleiten, diese Ansicht werde im konkreten Fall auch von einem Gericht geteilt. Genauso wenig übrigens wie von der Behauptung des Gegenteils. Oder davon, dass es weggelassen wird. Darüber auch nur eine halbwegs plausible Vermutung anzustrengen setzt voraus, dass jemand Fachkundiges das Schreiben und seinen Kontext kennt. Diese Antwort wirst Du also in dieser Kommentarspalte nicht finden.

  2. Was den „Wirtschaftsanwalt“ betrifft, finde ich, dass Du Dich auf die falsche Fährte locken lässt.

    Hierzulande wird (erneut vereinfacht) grundsätzlich davon ausgegangen, dass jede Tätigkeit, bei der ein Anwalt „als Anwalt“ zu ihrer Durchführung beauftragt wurde, eine anwaltliche Tätigkeit ist. Die also auch dem Grundsatz der anwaltlichen Schweigepflicht unterliegt.

    Und ein Anwalt ist schlicht jeder, der von der für ihn zulässigen Anwaltskammer als solcher zugelassen ist.

    Mehr oder weniger end of story.

    Das heißt, ich würde ganz andere Fragen stellen. Zunächst mal: Ist die Tätigkeit überhaupt vom Grundsatz der Schweigepflicht umfasst? Das heißt nämlich nicht aus Zufall Grundsatz. Von dem es Ausnahmen gibt, z.B. gegenüber dem Finanzamt in Bezug auf die eigene Steuererklärung oder gegenüber den Organen der Strafrechtsverfolgung bezüglich höherrangiger Rechtsgüter wie z.B. der Vereitelung oder Bestrafung schlimmster Straftaten – zu denen, so sagen einige, auch die Geldwäsche gehören soll. Vielleicht klingelt da das eine oder andere.

    Und zum anderen kann man an die zuständige Kammer auch mal die Frage stellen, ob derjenige überhaupt noch zu Recht eine Zulassung besitzt. Das wäre natürlich ein sehr dünnes Eis. Niemals im Leben käme ich auf die Idee, hier rein zu schreiben, dieser oder jener besäße sie zu Unrecht. Zumal man ja auch bei eindeutig nicht anwaltlichen Tätigkeiten, in denen man sich in einem klaren Über-Unterordnungs-Beschäftigungsverhältnis befindet, welches mit der Stellung als Organ der Rechtspflege nicht zu vereinbaren ist, zwar nicht mehr vor Gericht als Anwalt auftreten darf, außerhalb dessen aber sehr wohl und auch denn Titel verliert man deswegen noch lange nicht. Nachher behaupte ich noch etwas, was ich gar nicht darf. Gott möge das verhüten.

    Was ich aber darf (und darauf würde ich den Schwerpunkt legen): Ich darf als Staatsbürger und Sportpublikum der Meinung sein, dass mir das alles scheißegal ist.

    Mir ist doch scheißegal, ob DOSB und IOC der Meinung sind, Bachs Tätigkeiten seien seine Haupttätigkeit gewesen und seine verdienstvolle (hihi) Tätigkeit in der Sportpolitik bloßes Ehrenamt.

    Als Sportpublikum investiere ich sehr viel Aufmerksamkeit in die von Bach verantworteten Veranstaltungen. Aufmerksamkeit, aus der direkt und indirekt jede Menge Geld generiert wird. Von dem wiederum einiges abgezweigt wird, um Bach für seine verantwortliche Tätigkeit zu honorieren (wie immer man das nennt). Also darf ich als Sportpublikum erwarten, dass Bach seine Tätigkeit auf die Befriedigung meiner Wünsche fokussiert. Ich erwarte also, dass dies nachweisbar seine Haupttätigkeit ist und sein primäres Interesse darstellt. Tut er das nicht – oder besteht auch nur begründeter Zweifel daran -, dann ist es mein legitimes Interesse, davon in Kenntnis gesetzt zu werden. Denn meine Aufmerksamkeit ist ein wertvolles und zu Recht hart umkämpftes Gut. Woraus diese Zweifel folgen, ist hierfür zunächst mal völlig irrelevant. Und mögen es legitime anwaltliche Tätigkeiten sein, die völlig zu Recht der anwaltlichen Schweigepflicht unterliegen. Denn DOSB und IOC wollen immer noch etwas von mir als Sportpublikum, nämlich meine Aufmerksamkeit. Und wenn sie mir nicht plausibel begründen können, warum ich ihnen diese gewähren solle, obwohl sie mir nicht nachweisen können, dass ihr Verantwortlicher meine Interessen verfolgt, dann ist mir doch egal, warum sie das nicht können. Sie können es nicht weil seine Nebentätigkeiten anwaltlicher Natur ist oder waren? Na und? Mir doch scheißegal.

    Dieselbe Argumentation trifft in verschärftem Maße auf mich als Staatsbürger zu. Ich will jetzt nicht jeden Satz wiederholen. Aber mein Staat (verwendbar auch für Bürger anderer Staaten) wendet indirekt und direkt einen erheblichen Betrag für die Belange des IOC, des DOSB und deren Mitgliedsorganisationen auf. In der Grundannahme, dies diene unter dem Strich dem Gemeinwohl aller Staatsbürger. Da liegt es doch auf der Hand, dass ich als Staatsbürger ein legitimes Recht habe, erfahren zu wollen, a) wie sie dieses Geld verwenden, b) wie die Person, die für die Verwendung dieser Gelder verantwortlich ist, eigentlich so drauf ist und ob diese eigentlich persönlich ob ihrer (privaten, vertraglichen) Verpflichtungen überhaupt in der Lage ist oder zu sein scheint, bei ihren Entscheidungen das Gemeinwohl zu berücksichtigen und c) ob der Betrag, der von diesem Geld für die Entlohnung dieser Person – auch unter Berücksichtigung der unter b) betrachteten Aspekte – angemessen erscheint.

    Warum sollte mich als Staatsbürger interessieren, ob Tätigkeiten, Äußerungen oder „Lebensumstände“, die in der Lage zu sein scheinen, Zweifel an der sinnvollen Verwendung meines Geldes zu begründen, in einer anwaltlichen Tätigkeit begründet sind? Geht doch alle hin und unternehmt anwaltliche Tätigkeiten oder solche „aus dem sozialen, kulturellen, politischen, karitativen oder sportlichen Bereich“ oder sonstwas.

    Macht überhaupt, was Ihr wollt und und wenn das sinnvoll wirkt, dann sammelt dafür gerne auch mein Geld ein. Oder macht nebenbei etwas anderes und sammelt dafür gerne das Geld anderer Leute ein. Aber wenn Ihr mein Geld einsammelt, dann will ich verfickt nochmal, dass Ihr mir Rechenschaft darüber ablegen könnt, dass Ihr bei dieser Tätigkeit auch nur mich bedient habt.

    Und da ist mir völlig wurscht, ob die Tätigkeit desjenigen, der für die Verwendung meines Geldes verantwortlich ist, diese Tätigkeit tatsächlich oder angeblich als Nebentätigkeit, ehrenamtlich oder sonstwas betreibt. So absurd die Verwendung dieser Begrifflichkeiten bei den „Ehrenämtern“ des Herrn Bach auch sein mag. Wenn ich als Schatzmeister des Kaninchenzüchtervereins Kuhkackerohde e.V. den Huiber, Jens mit der Pflasterung der Zufahrt zum Vereinsheim deswegen beauftrage, weil der Huiber, Jens in meinen normalen Berufsleben mein Geschäftspartner ist, obwohl der Schneidereit, Jürgen diesen Auftrag bekanntermaßen deutlich besser und preiswerter ausführt, dann steigen mir die Mitglieder des Kaninchenzüchtervereins Kuhkackerohde e.V aufs Dach. Zu Recht. Mir ist sehr, sehr unklar, inwieweit Herr Klaue gegenüber Menschen, die ein „ein Ehrenamt im sozialen, kulturellen, politischen, karitativen oder sportlichen Bereich“ hier einen verfehlten „Maßstab“ angewandt sieht. Ich hoffe sehr, dass niemand, der ein solches Ehrenamt tatsächlich bekleidet, diese Ausführungen für bare Münze nimmt. Die unweigerlich folgenden, massenhaften Haftungsfälle von Vereinsvorständen wären dann tatsächlich „für das deutsche Vereinswesen ein gravierender Verlust“.

    Diese ganzen Gedanken betreffen übrigens, um mal zurück zu einem konkreten Detail zu kommen, auch diese „Plätze in Regierungsmaschinen“ und die dadurch herstellbaren Geschäftskontakte. Völlig unabhängig davon, ob einen solchen Platz Herr Bach oder sternburg einnimmt. Auch das ist nämlich eine staatliche Leistung. Ich muss als Staatsbürger der BRD damit leben, wenn meine von mir demokratisch legitimierte Exekutive Staatsbesuche zu kaum verbrämten Handelsvertreter-Tagungen umfunktioniert. Und vielleicht will ich das sogar und vielleicht gibt es auch gute Gründe dafür. Aber als Souverän habe ich ein legitimes Interesse, zu erfahren, dass dies geschieht und wer mit welchem Auftrag genau einen solchen Platz erhält. Und der Unterschied zwischen „Thomas Bach, vertritt Interessen des IOC und der deutschen Sportverbände“ gegenüber „Thomas Bach, vertritt Interessen seiner privatwirtschaftlichen Klienten aus der Industrie sowie nebenbei die des IOC und der deutschen Sportverbände“ ist beträchtlich. Vielleicht ist das meiner Exekutive bekannt und vielleicht ist das auch völlig okay. Aber das zu beurteilen will ich immer noch selber entscheiden dürfen.

  3. Wenn mir noch eine Bemerkung gestattet sei: Deine Freude an der kreativen Wortschöpfung „Ausforschungsfragen“ halte ich für verfehlt. Das ist nämlich ein seit Jahrzehnten allgemein verwendeter, technischer Begriff aus dem Prozessrecht, der in dieser Situation absolut nichts zu suchen hat.

    Innerhalb des Zivilprozesses sind Ausforschungs-Beweisanträge unzulässig, weil sie inhaltlich die gegebene Beweispflicht ins Gegenteil verkehren. Angesichts der Uhrzeit erlaube ich mir, auf die Wikipedia zu verweisen (obwohl mir an der dortigen Formulierung nicht alles gefällt).

    In Bezug auf Journalismus wiederum ist die Klage. sich „Ausforschungsfragen“ ausgesetzt zu sehen, völliger Unfug. Echter Journalismus stellt nämlich ausschließlich Ausforschungsfragen. Ist der Journalismus der Auffassung, eine belegbare Tatsache entdeckt zu haben, dann stellt er keine Frage sondern eine Behauptung auf.

    Diese Behauptung vor der Veröffentlichung den Betroffenen zur evtl. Widerlegung vorzulegen ist ein Prinzip, welches sich die Macht, die der Journalismus darstellen kann, aus guten Gründen auferlegt hat. Und auch, wenn die aktuell Betroffenen dieses leider übrig gebliebene Mächtchen lauthals auslachen, finde ich es gut, wenn Ihr paar Rest-Journalisten diesem Prinzip weiterhin treu bleibt. Sonst könntet Ihr ja auch andere Prinzipien vergessen und statt Journalismus PR betreiben… ähm… Moment… lasst mich das anders formulieren….

  4. Sternburg!
    Wer soll das alles lesen?!
    Nein, seriously: Du bist mein Held, habe schon beim ersten Überfliegen gelernt.
    Klar hätte ich Ausforschungsfragen und anderen Anwaltskram mal googeln können, aber ich habe genug damit zu tun, diesem PR-Unfug und Anwalts Säbelrasseln mit halbwegs vernünftigem Journalismus zu begegnen. In der Tat, das hast Du auch angemerkt, entwickeln auch Nichtjuristen, die seit vielen Jahren von Juristen genervt werden, ein ziemlich gutes Gefühl dafür, was und wie man veröffentlichen kann. Dafür liefert das Blog ja reichlich Belege, habe aufs Verlinken weitestgehend verzichtet, wir beide wissen, was so alles gemeint ist. Wer jetzt neu vorbei schaut, der Text zieht doch feine Kreise, kann ja mal nach Schertz suchen oder dem Tag „juristisches“ folgen.
    Deine Anmerkungen aus dem juristischen Paralleluniversum und überhaupt werde ich aufmerksam studieren.

  5. Achso, sternburg, ein klitzekleiner erster Nachtrag:

    Du sagst: „PR halt“.

    Nein, das ist mehr. Das ist Propaganda pur. Das ist sogar ein richtiger fetter Fight. Ich sollte vorsichtig sein mit solchen Vokabeln, nicht theatralisch werden, aber das ist ein kleiner Krieg. Es geht so langsam wirklich um alles.

    Und ich bin da sogar eng bei Hajo Seppelt: Das Business dieser Typen, zentral auch die Medienarbeit/Beeinflussung/Propaganda inkl der Leute, die sich willig beeinflussen lassen, muss weiter offengelegt werden. Da sollten wir jetzt mal wieder einen Gang zulegen. Ich kann da aus dem Vollen schöpfen, weil ich es seit langem mache, mit gewissen künstlerischen Pausen.

    Sollen Sie ruhig alles lesen, ist ja in diesem Theater Usus seit zehn Jahren.

    Habe es oben geschrieben: Es geht um nichts als um Journalismus. Darum, journalistische Grundaufgaben zu erfüllen und sich unter kolossal ungleichen Bedingungen an Aufklärung im immer schwieriger werdenden Umfeld zu versuchen.

    Du hast mich gerade zu einem Tweet inspiriert:

  6. Eine spannende Frage, warum erwähnt man andachtslos die Weinig International AG. Zu der Firmengruppe lässt sich mit relativ wenig zeitlichem und finanziellem Aufwand vieles herausfinden. Was Aufschlussreich sein kann oder genauso gut Zufall sein kann, wenn man die hier vielfältig dokumentierten Verbindungen von Dr. Bach nach Kuwait bedenkt.

    Alleine aus öffentlich zugänglichen und kostenlosen Quellen:
    Laut Jahresabschluss 2015 sind vier weitere Aufsichtsrats-mitglieder kuwaitische Staatsbürger, die in diversen kuwaitischen Unternehmen in verantwortlicher Stelle sitzen und schon bei der Gründung im Aufsichtsrat saßen.
    Da wäre beispielsweise Ali M. T. Alghanim, der -sofern es die selben Personen sind- im Buch Major Companies of the Arab World 1993/94 als Direktor/Anteilseigner der Alghanim, Alu & Fouad, Est geführt wird. Firmenzweck war unter anderem Repräsentanz für Firmen wie AEG-Telefunken, Salzgitter Stahl.
    Ali M. T. Alghanim war auch Gründungsaktionär der Weinig International AG im Jahr 2000. Die Kölner AG ist aus der Hohenstaufen Vierundneunzigste Vermögensverwaltungs GmbH hervorgegangen und hat dann die Michael Weinig AG in Taubersbischoffsheim übernommen.
    Das arabische Staaten ihre Gewinne aus dem Ölverkauf wieder im Westen anlegen, so wie hier geschehen, ist nichts ungewöhnliches und vollkommen legal.

  7. Zu Weinig gibt es einiges im Blog, immer mal ein bisschen. Wichtig halt auch: Kuwait.

    Im Übrigen wären auch hier die Verkäufe interessant, die großen Deals des laut Eigenwerbung Weltmarktführers für was, für Holzmaschinen – bitte selbst googeln.

    Ich jedenfalls muss da unweigerlich an ein schwer korruptes ehemaliges IOC-Mitglied aus Indonesien denken, den Milliardär Bob Hasan, Buddy von Suharto, u.a. war Bob Hasan einer der größten Regenwald-Abholzer des Planeten (da kamen schon noch andere Verbrechen hinzu).

    Bach und Bob Hasan waren, so die höchst subjektiven Eindrücke von Beobachtern (oft publiziert), nahezu ein Herz und eine Seele.

    Wobei ich natürlich weiß, das alles, was passiert, allein passiert, weil es passiert und keinerlei Zusammenhänge zwischen den Ereignissen bestehen – ganz allgemein gesprochen.

  8. Wer hauptamtlich den Prellbock für ehrenamtliche Samaranchisten wie Thomas Bach gibt, hat den Sport entgegen der Vita eh nie geliebt. Nicht, dass das ein Kriterium wäre, um in diesen Institutionen was machen zu dürfen — oder selbsternannte „Leserbriefe“ zu verschicken. Absender hoffnungslos verzogen, Empfänger gänzlich unbeeindruckt, hoffentlich.

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