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Das Olympische Bildungsmagazin

live aus Rio (20), ARD und ZDF und die Quadratur des Kreises

Hauptregie

Hauptregie des Olympiateams von ARD und ZDF

BARRA DA TIJUCA. „Sie genießen hier ein Privileg“, sagt Gerd Gottlob. Zugang zu den heiligen Hallen des deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehens wird nicht jedem gewährt. Ein Mann von Sport-Bild war wohl vorher schon da, in der zweiten Etage des International Broadcasting Centers (IBC) am Rande des Olympic Park in Barra. Nun ich. Gerd Gottlob, Sportchef des Norddeutschen Rundfunks (NDR) und Teamchef der ARD in der letztlich gemeinsamen, rund 480 Personen starken und Dutzende Millionen Euro teuren Olympia-Expedition, macht keinen Hehl daraus, dass ihm der Besuch ein gewisses Unwohlsein bereitet. Ging mir nicht viel anders. Zu viele Blicke bei der Führung durch die wichtigsten Arbeitsräume – und dort arbeiten verdammt viele Menschen. Unter Beobachtung.

Gottlob hat sich beraten, in der ARD und mit dem ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz, und nach meiner Anfrage doch schnell zugesagt. Nur Mäuschen spielen für zwei, drei Arbeitsstunden durfte ich nicht. „Ich bitte Sie um Verständnis, dass wir Ihnen nicht ermöglichen können, den laufenden Sendebetrieb in unseren Büros, Schneideräumen und der Regie zu beobachten und zu verfolgen. Dies ist eine grundsätzliche Position, die für alle Medienvertreter gilt“, schrieb mir Dieter Gruschwitz, Teamchef des ZDF, auch im Namen von Gottlob. Das ging in Ordnung.

Gottlob und ich kannten uns bisher nur vom Hören und Lesen. So blieb es gut die Hälfte der Zeit, knapp zwei Stunden, beim Beschnuppern. Ich fand es in Ordnung, dass er sein Unbehagen, vielleicht sogar Misstrauen, artikulierte. Das kenne ich anders in diesen Kreisen. Da gibt es doch viele, die einen nimmermüde umarmen und doch irgendwann, nicht selten nach Jahren, aus sicherer Deckung von hinten zustechen. Dazu keine Namen. So etwas soll es ja nicht nur im öffentlich-rechtlichen Fernsehen geben. Dieter Gruschwitz kenne ich von flüchtigen Treffen und ein paar Emails im Laufe der Jahre, schon etwas länger, noch aus seiner Zeit beim SFB.

Kürzlich hatte ich Gerd Gottlob in einer kleinen, aber aufmerksam gelesenen TV-Kritik der Fußball-EM („Von Opdi & Scholli und anderen vergebenen Möglichkeiten“) etwas zu große Begeisterung bei deutschen Spielen unterstellt. Die Performance der ARD in Frankreich hielt ich für schlechter als die des ZDF-Teams, und ich habe versucht, das einigermaßen zu begründen. Im ZDF, so wurde mir zugetragen, kam das offiziell gut an, in der ARD weniger gut. Ich möchte damit einleitend sagen: Über ARD und ZDF zu schreiben, zumal wenn man wie ich gelegentlich und früher sogar sehr regelmäßig dort einen Teil seiner Gage verdient, ist immer mehr als ein Balance-Akt. Es ist sogar ein kleines Politikum. Und deshalb fiel es mir schwer, diesen Text zu basteln, weil klar war, dass jedes Wort gewogen wird und jede spitze Bemerkung eine zu viel sein kann.

Blöde Situation, aber ich wollte es so, habe mir das wirklich gern mal angesehen. Mehr als ein Beschnuppern war es nicht. Einige Schnappschüsse durfte ich machen.

Es ist bei der, im weitesten Sinne, Fernsehkritik immer leichter, sich an Ereignissen entlang zu hangeln, an Filmen und Live-Reportagen, die man einzuschätzen versucht, was in diesem Gewerbe aber selten nur mit Fakten verbunden ist, meist gar nicht sein kann, sondern viel mit Meinung und, im schlechtesten Fall, auch mit geschmäcklerischen Einschätzungen zu tun hat. Eine Kritik am gewaltigen Programmangebot von ARD und ZDF verbot sich diesmal für mich, denn ich kann dieses Programm, 19 Stunden täglich allein im Fernsehen in drei großen Blöcken, zwei live-Blöcke und eine dreistündige Highlight-Sendung vormittags (plus Streams, plus Radio), in Rio nicht verfolgen. Ich bekomme nur mit, was in meiner Timeline artikuliert wird, vor allem auf Twitter, meiner wichtigsten Nachrichtenagentur. Thematisiert wurde gerade die ZDF-Berichterstattung und das gewöhnungsbedürftige Verhalten von Olympiasieger Christoph Harting, der eine ZDF-Kamera stehen ließ und wohl auch einen Handschlag ausschlug. „Ein einmaliger Vorgang“ sei das „und besonders bedauerlich für die vielen Fans vor dem Fernseher“, wurde Gruschwitz zitiert. Das geschah alles nach unserem Gespräch im IBC.

Ich hätte das Geoblocking umgehen können mit einem VPN, wie es manchmal nutze, um amerikanisches Netflix oder aktuelle Sachen der BBC zu sehen. Das war mir hier aber zu aufwändig. Ich habe andere Sachen zu tun, als stundenlang ARD und ZDF zu gucken. So werden das eher einige grundsätzliche Bemerkungen.

Anders war das kürzlich bei der Europameisterschaft oder vor zweieinhalb Jahren, als ich ausnahmsweise die Olympischen Winterspiele in Sotschi am Computer verfolgte und mich fast täglich zu den öffentlich-rechtlichen Begleitumständen äußerte, meist in durchaus wohlwollend komponierten Olympic Poems, manchmal etwas herzhafter, aber auf Fakten, weil sauberen Zitaten, basierend: „Olympiagold für ARD-Reporter im Schleimspursurfen“. Mit Grauen denke ich zudem ans Kufenstüberl von Krasnaja Poljana.

So unterwürfig wie damals wird IOC-Präsident Thomas Bach in ARD und ZDF nicht mehr behandelt. Momentan ist das Verhältnis eher etwas abgekühlt, und da die Sender die Exklusivrechte verloren haben (PyeongChang 2018, Tokio 2020, Peking 2022 und die Sommerspiele 2024 laufen auf Eurosport, das zum Discovery-Konzern gehört) und die Verhandlungen über die Zweitrechte stocken, wird sich das kaum ändern. Es sei denn, Hierarchen wollten mit einer anderen Tonlage in der Berichterstattung den IOC-Fürsten versöhnen, um wenigstens schnell wieder olympischer Zweitverwerter zu werden.

„Beim Skatspielen wird man Bach vielleicht nicht so schnell wieder sehen“, sagt Gerd Gottlob vorerst. Das klingt süffisant, ich horche auf, und es bleibt nicht die einzige Anspielung im Laufe des Nachmittags im IBC. Ich glaube zwar, es war Thomas Bachs Schafkopfrunde in Tauberbischofsheim, die 2013 in einer ARD-Dokumentation vor seiner Wahl zum IOC-Präsidenten quasi den investigativen Höhepunkt des Filmchens bildete. Skat oder Schafkopf – Hauptsache nichtig.

Ob der nun vom NDR produzierte Film über das IOC kürzlich so grundlegend anders und eine journalistische Meisterleistung war, sei mal dahin gestellt. Immerhin haben ARD und ZDF diesmal nicht von den Angeboten der Organisatoren und des IOC Gebrauch gemacht, Personen für den olympischen Fackellauf zu nominieren, das kann man als kleine Botschaft verstehen. Es war ihnen einfach zu peinlich. Das war 2014 in Sotschi (und in den Jahren davor) noch anders, in Russland liefen Anke Scholten, die Olympia-Programmchefin vom ZDF, und Werner Rabe, Teamchef von der ARD (BR). Rabe ist mittlerweile im Ruhestand. Scholten in Rio wieder ZDF-Programmchefin, während bei der ARD Carsten Flügel vom NDR als Programmchef amtiert.

Zuletzt in Sotschi sah das also so aus:

Zur bitteren Ironie der Geschichte und des Aussetzens von journalistischem Anstand zählt (natürlich), dass Maria Abakumowa, die sich auf dem Twitter-Foto da oben mit Werner Rabe umarmt, gemäß russischen Angaben zu jenen Dopern zählt, die kürzlich bei der zweiten großen Welle der Nachtests von Peking positiv getestet wurde. Die Speerwerferin Abakumowa wird sehr wahrscheinlich in Kürze ihre Silbermedaille zurückgeben müssen, auf Rang zwei würde dann die Deutsche Christina Obergföll nachrücken.

(Ich hatte zuvor fälschlicherweise geschrieben, Abakumowa sei Olympiasiegerin 2008 gewesen und Obergföll würde an ihre Stelle rücken. Bin in der Hektik einer falschen Meldung aufgesessen. Sorry.)

So dumm kann das manchmal laufen für gewesene ARD-Teamchefs und IOC-Partner wie Rabe, der sich den Fackellauf zu seinem Olympia-Abschied gönnte.

Damals sprachen Pressesprecher der Sender noch von „einer großen Ehre“. Inzwischen braucht es keine Kommunikationsabteilung, die etwas gerade zu rücken versucht, was nicht wirklich gerade zu rücken ist.

Diesmal also, kurze Nachfrage bei Dieter Gruschwitz und Gerd Gottlob, wie das denn in Rio de Janeiro mit dem Fackellauf gewesen sei. Flinke, völlig unkomplizierte und klare Antworten.

Dies wird Broadcastern angeboten. Wir haben das Angebot nicht angenommen.

… schreibt Gerd Gottlob.

Die Beteiligung an dem Fackellauf ist nicht vertraglich festgehalten. Es erfolgt eine Einladung an die Sender. Das ZDF hat ebenfalls das Angebot nicht angenommen.

… teilt Dieter Gruschwitz mit.

Zuvor hatte mir Gruschwitz von sich aus erzählt, was es mit jenem Foto auf sich hat, das ich kürzlich dem Medienangebot des IOC entnahm und das ihn mit Thomas Bach und einer olympischen Fackel zeigt. Bach hatte beim traditionellen Meeting mit den TV-Rechteinhabern im Olympic Club am Ende seiner Rede Gruschwitz angesprochen, seinen olympischen Abschied gibt und im Januar in den Ruhestand geht. Bach überreichte dem überraschten Gruschwitz eine Fackel. Ich gebe das ohne jede Häme wieder, mir wäre es nicht mal aufgefallen, hätte es der ZDF-Mann nicht angesprochen.

„Wie kann der Gruschwitz sich vom Bach eine Fackel schenken lassen“, sagt Gruschwitz über Gruschwitz.

Doch nicht, weil ich das IOC so toll finde, sondern nach fast 40 Jahren und 16 Olympischen Spielen im Geschäft, weil ich den Zuschauern etwas nahe gebracht habe. Darum ging es, mehr nicht.

Zwar gab es jüngst, beim obligatorischen Besuch des deutschen IOC-Präsidenten im IBC, noch einige, sagen wir, etwas ungelenke Tweets, die ich als Äußerungen von „Bach-Fanboys“ retweetete, und die natürlich bei unserem Gespräch thematisiert wurden, aber es hält sich doch sehr im Rahmen. Hans-Joachim Seppelt hat mit seinen Doping-Dokumentationen zuletzt nicht nur dem IOC-Präsidenten Probleme bereitet. So nach und nach ändert sich etwas auf den großen Tankern. Das sind schleichend langsame Prozesse, es kann auch jederzeit Rückfälle geben, doch von den Zuständen des Jahres 2005, und dieses Jahr nenne ich aus gutem Grunde, trennen uns inhaltlich Lichtjahre.

Damals wurde gegen zwei ARD-Sportchefs wegen Korruption ermittelt. Beide, Jürgen Emig vom HR und Winfried Mohren vom MDR, wurden später verurteilt. Es gab die lang währenden Affären um den ARD-Sportkoordinator Hagen Boßdorf, meinen ehemaligen Studienkameraden, es gab die Telekom-Verträge inklusive des Privatvertrages der ARD mit Jan Ullrich und allerlei anderes Unappetitliches. Es war die Zeit, als Hajo Seppelt von Boßdorf & Co. als Schwimmsport-Kommentator der ARD abgesetzt und dafür Tom Bartels von der privaten Konkurrenz eingekauft wurde. Dagegen wandten sich Seppelts Unterstützer und Freunde in einer Anzeige in der FAZ. Und Wolf-Dieter Poschmann machte als Leiter der Hauptredaktion Sport beim ZDF auch nicht die beste Figur – Gruschwitz übernahm seine Führungsposition. Über die Ereignisse und Diskussionen jener Jahre könnte man ein Buch schreiben.

Ich habe damals, im Dezember 2005, mit Seppelt und zwei Dutzend anderen Kollegen die Initiative sportnetzwerk gegründet, die sich ausdrücklich auch gegen „die Verbrechen am Journalismus“ wandte, die in den öffentlich-rechtlichen Sendern unserer Meinung nach betrieben wurden. Wir sind damals gemeinsam aus dem Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS) ausgetreten und haben mit der Initiative zwei, drei Jahre die Medienberichterstattung über Sportjournalismus geprägt. Im Positiven, möchte ich behaupten. Wir haben ein Buch veröffentlicht („Korruption im Sport“, wie aktuell!) und die erste und einzige große Sportjournalismus-Konferenz ausgerichtet, gemeinsam mit dem Institut für Journalistik an der TU Dortmund.

Wer mag, kann eine Zusammenfassung der damaligen Diskussion in meinem Referat zur Eröffnung der Konferenz nachlesen: „Unter Druck“. Andrew Jennings war da, natürlich, Thomas Kistner, Jens Sejer Andersen und Henrik Brandt von Play the Game, der Lance-Armstrong-Enthüller David Walsh und viele andere. Wenn ich mir die Teilnehmerliste der Konferenz nochmal anschaue, fallen mir einige interessante Namen junger Kollegen auf, von denen man später gehört hat. Daniel Drepper zum Beispiel, der 2012 mit IFG-Anträgen die Sportförderung des Bundes transparent machte und dafür gemeinsam mit Niklas Schenck viele Preise abgeräumt hat.

Viel mehr Preise, auch wenn es natürlich nicht nur darum geht, hat Hajo Seppelt in den vergangenen Jahren für seine Doping-Dokumentationen bekommen. Dem SPIEGEL ist es mittlerweile eine Meldung wert, dass die ARD für Seppelt angeblich Personenschutz engagierte. Seppelt ist der Star im öffentlich-rechtlichen Team in Rio de Janeiro. Natürlich haben Gottlob und Gruschwitz mit mir auch über Seppelt gesprochen und was er für die Berichterstattung bedeutet.

An seinem Beispiel lässt sich wunderbar belegen, wohin es führen kann, wenn man in Recherche investiert und seinen Leuten die Möglichkeit gibt, vernünftig zu arbeiten, wozu es eben auch gehört, mal Spuren zu verfolgen, die in einer Sackgasse landen, wozu es gehört, dass jemand einen Flug machen kann oder auch zwei.

Recherche ist ein Marathon, kein Sprint.

So war es im Fall Seppelt nahezu logisch, dass sich der frustrierte WADA-Chefermittler Jack Robertson, wie amerikanische Zeitungen berichteten und wie Robertson selbst in einem großen Interview mit Propublica erklärte, an Hajo Seppelt wandte und Kontakte in Russland vermittelte. Das muss man sich verdienen mit Präsenz und guter Arbeit. Auf dem Weg dahin kann man irren und Fehler machen, doch die Richtung sollte stimmen.

Dieses Beispiel zeigt, dass man mit relativ wenig finanziellem Aufwand am Ende, nach vielen Jahren, weltweit Schlagzeilen generieren und einen ganzen Senderverbund fantastisch dastehen lassen kann, obwohl es dieser ganze Senderverbund vielleicht gar nicht verdient hat, weil es eben nur einige Redaktionen waren, die sich daran beteiligten, und weil vielleicht andere noch lange Stolpersteine legten.

Anders gesagt: Wie viel Prozent des Sportetats von ARD und ZDF wird wohl wirklich in Recherche und harte Themen investiert, nicht in Unterhaltung und Rechte und gigantische Gagen für Moderatoren und Experten, wie gerade wieder an den Beispielen Netzer, Scholl, Kahn und Delling öffentlich verhandelt wurde?

Ich habe blöderweise vergessen, diese Frage an Gottlob und Gruschwitz zu stellen. Ist aber gar nicht so schlimm, denn da kann es sowieso nur Schätzungen geben. Ein Prozent? Ein halbes Prozent? Mehr wird es kaum sein. Da geht noch viel. Mehr als ein Anfang ist das kaum.

Im Windschatten Seppelts ist geradezu eine Expertiritis ausgebrochen. Ich amüsiere mich seit Jahren darüber, wie viele FIFA-Experten es mittlerweile im ARD-Bereich gibt. Wer die Hörfunkwellen verfolgt, hört ständig neue Namen. Inhaltlich ist das aber fast immer sehr dünn, da surfen viele auf einer bequemen Welle.

Wenn andere Medien, Printmedien zum Beispiel, von privaten TV-Sendern brauchen wir nicht zu reden, über Seppelt schreiben, müssten sie eigentlich immer auch erwähnen, was sie denn selbst so leisten – oder gerade nicht. Was die vielen Verbundredaktionen und medialen Schlachtschiffe denn in dieser teilweise kriminellen Halbwelt (FIFA, IAAF, IOC, Olympia, Fußball-WM etc pp) bieten und in Recherche investieren. In echte Recherche, nicht ins Googeln. In langfristige Arbeit. Nicht nur in ein paar Texte und Leitartikel, wenn mal wieder einige FIFA-Ganoven verhaftet oder einige Doper dingfest gemacht werden.

Eine Antwort lautet korrekt: Da kommt nicht viel. Da kommt fast gar nichts.

Insofern ist die Dauerkritik an den Öffentlich-Rechtlichen, an der ich mich regelmäßig beteilige, weil ich dort einen Verfassungsauftrag und eine gewaltige Verantwortung für echten Journalismus sehe, schon etwas wohlfeil, wenn sie aus Verlagen kommt, die auf diesem Gebiet selbst nichts bieten.

Und eines ist sonnenklar: Je mehr die Sportberichterstattung von ARD und ZDF aus dem Print- und Onlinebereich kritisiert wird, bei jedem Höhepunkt, gewiss auch zurecht, wird der Widerstand innerhalb der Öffentlich-Rechtlichen größer. Da prallen Welten aufeinander. Ich erinnere mich an eine Anhörung im Sportausschuss des Bundestages, als ARD-Hierarchen, ich meine, es war Fritz Pleitgen, die Telekom-Verträge verteidigten. Damals wie heute herrscht ein gewisser Korpsgeist in den großen Häusern.

Ungefähr vor einem Jahrzehnt wurde Seppelt also aufs Abstellgleis geschoben. Vor zehn Jahren war endlich der Druck zu groß und der Deckel knallte vom Kessel. Emig weg, Mohren weg, Boßdorf weg. Heribert Faßbender trat ab. Waldemar Hartmann war auch nicht mehr in Leitungsverantwortung. Bald führte der WDR ein inzwischen mehrfach preisgekröntes Format ein, „sport inside“. Steffen Simon, beim WDR Sportchef und stellvertretender Chefredakteur, habe ich beim Besuch im IBC auch gesehen. Er arbeitet im Großraum neben vielen anderen Redakteuren.

Es änderte sich in jenen Jahren natürlich nicht alles, aber es wurden Weichen gestellt. Es muss nun niemand Hallelujah schreien, aber es sollte auch niemand so tun, als sei noch alles so schlimm wie früher. Die Mechanismen einer gewaltigen hierarchischen Struktur wirken zwar weiter und blockieren vieles, auch gibt es noch genügend Fans, die es über die Absperrung und damit zum Mikrofonhalter geschafft haben, vor allem auch Besitzstandswahrer, und wenn Kristin Otto wie seit mehr als zwanzig Jahren beim Schwimmen gelegentlich das D-Wort aussprechen muss, wirkt das bis heute irritierend und suboptimal überzeugend. Doch es gibt gleichzeitig Hoffnung und viele gut ausgebildete, positiv eifrige Kollegen.

Das zarte Pflänzchen der Hoffnung muss halt immer wieder gegossen werden.

Daran denkt man aber nicht zuerst, wenn man diese Werbe- und Programmbroschüre zu den Olympia-Expeditionen (inklusive Paralympics) durchstöbert:

Immerhin finden sich in der Broschüre neben den Stars und Sternchen und Experten auch die Fleißbienen und Zuarbeiter – das komplette journalistische Team von ARD und ZDF mit etwa 170 Menschen mit Gottlob (Jahrgang 1964) und Gruschwitz (Jahrgang 1954) an der Spitze.

Es fehlen in dem Heftchen eigentlich nur die Namen der Techniker, wenn ich das richtig sehe. Technik und Produktion machen ca zwei Drittel des Personals in Rio de Janeiro aus, wie immer bei Olympia. Auch diesmal gibt es mehr Abgeordnete von ARD und ZDF (480) bei den Spielen als deutsche Sportler (439). Dieter Gruschwitz nervt der Vergleich, den er nicht zum ersten Mal hört. Er sagt, man müsse zu den Sportlern fairerweise Betreuer, Trainer und andere Dienstleister addieren, dann hätte man die richtige Vergleichsgröße. Außerdem hätten ARD und ZDF bei den letzten Spielen die harten Vorgaben umgesetzt, die Teams reduziert und agierten gemeinsam.

Ist alles eine Frage der passenden Statistik. Michael Vesper, Vorstandsvorsitzender Chef de Mission des deutschen Olympiateams, hat die Gesamtzahl der Deutschen mit und ohne Akkreditierung in Rio auf 750 bis 800 beziffert. Als Gruschwitz die Zahl hört, ist er zufrieden. Gibt es also doch ein größeres DOSB-Team in Brasilien als eines der Öffentlich-Rechtlichen.

Früher seien es bis zu 550 Personen aus beiden Anstalten bei Olympia gewesen, sagt Gruschwitz. In Rio bewege man sich auf dem Niveau von London, obwohl das Programm wegen der Zeitverschiebung und der Produktion dieser zusätzlichen Highlightschiene anspruchsvoller sei. „Wir halten uns an das Limit, dass uns die Intendanten gesetzt haben“, erklärt Gottlob.

Wo sind denn nun aber neben Hajo Seppelt die Investigativen in den Hundertschaften? Gottlob verweist auf einige Kollegen aus dem Radiobereich, die in der ARD-Dopingredaktion mitwirken. „Dieses Element spielen wir sehr gut“, sagt Gottlob. „Hajo Seppelt hat da jetzt einfach einen Super-Lauf. Die Recherche löst sich in Wirkung auf. Da bleiben wir dran.“

Gruschwitz nennt Elmar Theveßen, den stellvertretenden Chefredakteur des ZDF, der in Rio als „Dopingexperte“ eingesetzt ist, als „Terrorismusexperte“ sowieso, der „ganz normal mit den Kollegen im Büro sitzt“, und offenbar auch als „IOC-Experte“ firmiert. Ich sah und hörte Theveßen zumindest auf einer der IOC-Pressekonferenzen.

Kann einen diese Besetzung überzeugen? Im Grunde bleibt es doch bei einer oder zwei oder von mir aus auch drei Personen unter 170 ARD-ZDF-Journalisten, die unentwegt recherchieren und im besten Fall etwas Investigatives vorlegen können. Das ZDF hat noch einen Kollegen dabei, Markus Harm, der in den vergangenen Jahren viel zur FIFA produziert hat. Wäre das nicht einer für die harten Themen, will ich von Gruschwitz wissen, ist es nicht suboptimal, Harm als Interviewer und Produzenten von Michael-Phelps-Einspielern beim Schwimmen versauern zu lassen?

Gruschwitz sieht das anders. Harm sei sehr froh darüber vom Schwimmen berichten zu können. „Wir haben insgesamt nicht die personellen und redaktionellen Möglichkeiten, da so stark zu sein. Auf dem Gebiet des Doping liegt die ARD mit Hajo Seppelt klar vorn, das können wir neidlos anerkennen.“

Es ist möglicherweise der letzte Auftritt dieses großen Teams bei Olympia für einige Jahre. Discovery und Eurosport basteln längst am Team für PyeongChang 2018. Ich hätte gern auch mit einem Discovery-Verantwortlichen gesprochen, aber das sei erst nach Rio möglich, hieß es.

Gewiss wird es bald personelle Wechsel geben, im Sportfernsehen wechseln ja oft die Moderatoren und Redakteure mit den TV-Rechten von einem zum nächsten Sender. Bisher aber hat sich noch kein prominenter Vetreter von ARD und ZDF verabschiedet. „Niemand ist zu mir gekommen und hat gesagt, er habe ein Angebot“, sagt Gruschwitz. „Man muss aber auch eins sehen: Wir haben dann möglicherweise die Olympischen Spiele nicht mehr, Aber unser Portfolio ist ja sonst ganz gut gefüllt. Die Kollegen, die bei uns im Wintersport eingesetzt sind, haben weiter ihr Betätigungsfeld, den ganzen Winter über, außer den zwei Wochen Olympia.“

Mit der ersten Olympiawoche sind beide Teamchefs zufrieden. „Wir wissen, dass wir es nie allen Recht machen können“, sagt Gottlob. „Und das akzeptieren wir auch so.“ Da gab es dieses Fußballspiel der deutschen Männer gegen Südkorea. Zuschauer beschwerten sich, dass das wegen Frauenturnen unterbrochen wurde. Turnfans beschwerten sich, warum ein Fußballspiel bei Olympia so viel Aufmerksamkeit habe, wo doch bei den Spielen endlich mal andere Sportarten zu ihrem Recht kommen sollten.

„Wären wir im normalen Alltag draußen, würden wir uns immer für Fußball entscheiden“, sagt Gruschwitz. „Hier haben wir am Ende 48 Minuten Fußball und 54 Minuten Frauenturnen gezeigt.“ Das scheint ihm ausgewogen. „Das hat aber vielleicht beide Seiten geärgert, weil so keine richtige Dramaturgie entstehen konnte.“

Beim letzten Vorrundenspiel der Deutschen gegen Fidschi (10:0) sei man dann vorher rausgegangen, sagt Gottlob. „Da kommt der Onliner sofort in mein Zimmer und sagt: Im Netz ist ganz schön was los, weil wir aus dem Fußball rausgehen. Ich sage aber: Wir können selbstbewusst damit umgehen.“

Der Olympia-Wahnsinn für die Fernsehleute besteht unter anderem darin, dass ihnen täglich vom Host Broadcaster OBS (Olympic Broadcasting Services), einer IOC-Tochterfirma, bis zu 400 Stunden Programmsignal angeboten werden. Sie können aber nur 16 Stunden senden, plus drei Stunden morgendlicher Highlights. „Da macht man bestimmt Fehler“, sagt Gottlob. „Irgendjemand wird immer schreiben, das war ja gar nichts, die haben keine Ahnung, zu viel Fußball, zu wenig live, zu viel MAZ.“

Es sei nicht zu ändern. „Ich habe ein dickes Fell, durch meinen Job beim Fußball-Kommentieren. Da kommen doch immer wieder die gleichen Muster der Kritik auf. Es trifft mich nicht im Kern, weil wir überzeugt sind, von dem, was wir anbieten.“

Gruschwitz sagt: „Jeder, der sich auf diese Bühne des Fernsehens begibt, der muss wissen, dass der Wind von vorne kommt. Wer einen solchen Job ausübt, der muss wissen, es sind nicht nur schöne Zeiten, es gibt nicht nur Applaus.“

Für Live-Übertragungen gilt: Deutsche Medaillen schlagen alles. „Wir haben ganz klar festgelegt, das Ballsportarten hier nicht heilig sind“, erklärt Gruschwitz, „wir wollen die olympische Vielfalt abdecken.“ Gruschwitz klingt mitunter wie ein olympischer Hohepriester, oder halt einfach nur wie ein erfahrener Binnenpolitiker des öffentlich-rechtlichen Systems.

Die Sportarten, die sonst keine Rolle spielen, haben hier die Möglichkeit, olympisch präsent zu sein. Ich guck mir ja auch die Quoten an. Bei uns hatte zu Beginn Pistolenschießen, bei den Kollegen der ARD Judo die höchste Einschaltquote.

Man kann Gruschwitz alles fragen, er hat auf alles eine Antwort in einem unaufgeregten Ton, diplomatisch lavierend, immer auf der Hut. Da lässt er sich bis zu seiner Pensionierung zum Jahreswechsel gewiss nicht mehr aus der Reserve locken.

Gottlob ist verbal zupackender. Da kommen schon mal kleine Spitzen, mitunter gegen Eurosport, manchmal in Richtung eigenes Lager. Gottlob redet eher über Zahlen. In der ersten Woche blieb es bei maximal knapp unter sieben Millionen Zuschauer. Große Fußballspiele erreichten bei WM und EM zuletzt dauerhaft die vierfache, mitunter gar fast die fünffache Zahl an Menschen. „Damit können wir trotzdem leben“, sagt Gottlob, „denn wir erreichen Anfang, Mitte 20 Prozent in der Primetime.“

Gruschwitz spricht öfter von der „Faszination Olympia“, und zwar so oft, dass Gottlob lächeln muss über den Kollegen, den er offenbar für sein politisches Geschick bewundert, viel zu sagen, aber doch etwas wenig zu erzählen.

* * *
Hier noch einige Antworten auf die Fragen, um die ich am Donnerstag gebeten hatte:

Björn Erichsen ‏@IamBjoern via Twitter

Warum schicken die beiden Sender immer noch zwei TV-Teams zu Olympia? Wäre ein gemeinsames nicht wesentlich günstiger?

Frage sollte im Text beantwortet sein. Technik und Produktion agieren gemeinsam, die Redaktionen bespielen unterschiedliche Tage und Formate. Die Teamstärke von insgesamt 480 Personen bewegt sich auf dem Niveau von London 2012. In Manchen Jahren zuvor waren es mehr. Bis 550 Personen, erinnert sich Dieter Gruschwitz.

Stephan Dittl ‏@SDittl via Twitter

Warum werden nicht alle Übertragungssignale aller Sportarten gestreamt, obwohl man alle Rechte gekauft hat? Oder sublizenziert?

Gerd Gottlob: Wir haben die Beschränkung auf sechs Livestreams, das heißt, es gäbe theoretisch noch mehr. Wir bieten die an, von denen wir glauben, dass sie am populärsten sind. Ich kann Ihnen versichern, wenn wir noch drei anbieten würden, wäre das irgendwann eine Verschwendung von Ressourcen. Es sind zwei, maximal drei Livestreams, die wirklich angenommen werden in einem nennbaren Bereich.

Ich habe nachgefragt: Und dieser „nennbare Bereich“, wie viele Zuschauer sind das? Oder ist das Geschäftsgeheimnis?

Gerd Gottlob: Würde ich sagen, ja. Vielleicht gibt es mal offizielle Zahlen, wenn wir hier mit allem durch sind. Jetzt nicht.

Stephan Dittl ‏@SDittl via Twitter

Gibt es nach #Rio2016 eine ARD-Talkshow mit @hajoseppelt und Thomas Bach? Oder im ZDF „Was nun, Herr Bach?“

Gerd Gottlob: Ich schließe nichts aus.

Henning fragt in den Kommentaren

Warum bestehen beide Sender so penetrant darauf, die laufende Berichterstattung durch „heute“ oder „Tagesschau“ zu unterbrechen – selbst nachts um 3 Uhr?

Gerd Gottlob: Das gehört einfach zu unserem Programmkonzept. Wir haben ja derzeit fast nur Olympia. Es passieren aber schon noch ein paar andere Dinge auf der Welt. Die gehören in die Tagesschau, deshalb zeigen wir das.

Lars Dörr in den Kommentaren

Warum nutzt man nicht die digitalen Spartenkanäle für Übertragungen aus Rio? Meine Eltern, jahrelang Gebührenzahler, hätten sich gefreut. Und ehrlich, ich mich auch. Warum will man aus Teufel komm raus hip sein?

Gerd Gottlob: Das gab es mal. Wir haben nicht nur das Gefühl, sondern belegbare Zahlen, dass wir erfolgreicher sind und mehr Menschen erreichen über die Online-Angebote. For allem über mobile Angebote. In London hatten wir 2012 etwa 30 Millionen Livestream-Abrufe und 150 Millionen Page Impressions auf den ARD-Angeboten. 2004 und 2008 gab es Digitalkanäle. Für London haben wir uns anders entschieden und beliebn dabei. Das ist so viel sinnvoller

Henning in den Kommentaren

Warum werden Aufzeichnungen von Wettbewerben gezeigt, während gerade Live-Sport gezeigt wird, der dann wiederum als Aufzeichnung gezeigt wird?

Gerd Gottlob: Wir können nicht alles unter einen Hut bringen. Live-Entscheidungen mit deutschen Farben stehen halt oben, ein paar Sachen können auch mal warten, vor allem wenn es Vorkämpfe oder Vorrunden sind.

Henning in den Kommentaren

Warum wird ein völlig ödes Fußballspiel gegen die Fidj Inseln lang und breit übertragen, während parallel interessante Sportarten stattfinden, die man nicht so häufig sieht? Gibt es nicht schon genug Fußball im TV? Hätte man nicht zumindest beim Stand von 8:0 abbrechen können und sich anderem zuwenden können?

Wird im Text behandelt.

Lars Dörr in den Kommentaren

Warum überträgt man ein Hockey Vorrundenspiel der Männer, wobei das Team schon für die nächste Runde qualifiziert ist, und nicht ein Viertelfinale im Tennis mit deutscher Beteiligung? Wer entscheidet sowas?

Gerd Gottlob: Der Programmchef.

Sebastian in den Kommentaren

Gab es Anfragen der deutschen Rechteinhaber ARD und ZDF an den deutschen IOC-Präsidenten Bach für ein längeres und kritisches Interview rund um die mehr als anrüchig wirkenden Vorgänge in Bezug auf die russischen Athleten? Und wie wurde dieses Ansinnen bescheiden? Wenn mit nein, mit welcher Begründung?

Gerd Gottlob: Wir haben natürlich angefragt. Es wurde abgelehnt. Die Begründung kenne ich nicht. Wir haben wir Wochen vor den Spielen ein längeres Interview mit Herrn Bach in Lausanne gemacht, Henning Rütten für die ARD und Eike Schulz für das ZDF. Es war schon kompliziert, das hinzukriegen. Wir hatten eine Stunde, es war ein kritisches Interview. Wir haben hier natürlich nochmal angefragt, das ist abgelehnt worden. Einen Hinweis gab es: wir können ja Pressekonferenzen nutzen. Die Option hat Hajo Seppelt genutzt, etwas anderes blieb uns nicht übrig.

Jan in den Kommentaren

Wir werden schon das ganze Jahr mit Fußball zugeworfen. Warum muss man den (meiner Meinung bei Olympia völlig überflüssigen )Männer Fußball, Vorunde, Angstgegner Fidschi, in voller Länge zeigen, wenn parallel Entscheidungen im Wasserspringen und Turnen laufen? Unverständlich. Von wegen bei Olympia stehen die kleineren Sportarten mal im Vordergrund…

Wird im Text behandelt.

Henning in den Kommentaren

Was halten die Verantwortlichen bei ARD und ZDF von der Schaffung eines digitalen öffentlich-rechtlichen Sportkanals? Die Übertragungsrechte für die sogenannten Randsportarten dürften nicht die Welt kosten, würden aber dafür sorgen, dass sie auch außerhalb der Olympischen Spiele im TV präsent wären.

Gerd Gottlob: Das ist medienpolitisch und staatsvertragstechnisch nicht durchsetzbar.

Stefan in den Kommentaren

Wie ist es diesmal? Haben wir mehr Sportler oder mehr Fernsehleute in Rio? Und machen andere Länder wieder mit weniger Personal gleich viel Programm?

Wird im Text behandelt. 439 Sportler – mit Betreuern und allem drum und dran 750 bis 800 Personen. ARD/ZDF: 480 Personen.

Stefan in den Kommentaren

Hast Du den „Skandal“ um Carsten Sostmeier mitbekommen? Kennst Du ihn, wie geht es ihm damit? Grüße, ich finde es besser, jemand greift mal daneben, als man ist ein austauschbarer Moderationsroboter.

Klar habe ich das mitbekommen. In diesem Beitrag habe ich, eher zufällig, die Reaktion der Reiterin Julia Krajewski protokolliert. Ich finde, man sollte es eher aus der Sicht der Betroffenen betrachten.

Gerd Gottlob sagt dazu: Wir haben das scharf besprochen. Er hat versucht, sich bei Julia Krajewski zu entschuldigen. Ich weiß nicht, wie man darauf kommen, so etwas im deutschen Fernsehen sagen zu wollen.

Jonathan Sachse in den Kommentaren

Gibt es IOC-Materialien, die genutzt werden? Fallen darunter Einspieler? Werden diese mit Quelle gekennzeichnet?

Müssen ARD und ZDF gemäß Broadcast-Vertrag bestimmte Inhalte spielen? Wo wird inhaltliche Unabhängigkeit aufgegeben, um übertragen zu dürfen?

Warum werden beim ZDF so viele Ex-Sportler eingestellt und im Verhältnis wenig Personen mit journalistischer Ausbildung? Welche drei Kriterien sind Gruschwitz bei seiner Personalauswahl besonders wichtig?

Gerd Gottlob: Bei der Leichtathletik haben wir auch für den Wettkampf eigene Kameras. Wir haben vier Kameras im Einsatz, weil wir uns nicht auf den Feed verlassen können, wir müssen sicherstellen, dass wir die deutschen Teilnehmer abbilden. Sonst sieht es so aus wie bei Eurosport. Beim Rudern, Reiten und Schwimmen haben wir ebenfalls eigene Kameras. Wir können wo nötig Kameras dazu buchen.

Wir müssen keine Inhalte spielen, wir bestimmen unser Programm völlig autark.

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13 Gedanken zu „live aus Rio (20), ARD und ZDF und die Quadratur des Kreises“

  1. Großartig, ein toller Bericht. Und Respekt an die Öffentlichen, sich auch kritischer Berichterstattung zu stellen. Weiter so.

  2. Ein wenig Aufklärung zur Frage nach einem ARD/ZDF-Interview mit IOC-Präsident Thomas Bach: Kurz vor und während der Olympischen Spiele gehen beim IOC täglich eine Vielzahl von Interviewanfragen aus aller Welt ein: von Zeitungen, Radiosendern und TV-Stationen. Bei 206 NOKs und Tausenden akkreditierten Journalisten wäre es dem IOC-Präsidenten selbst bei 24-stündiger Verfügbarkeit kaum möglich, alle diese Interviewwünsche zu erfüllen. Dies ist umso schwieriger, weil der IOC-Präsident während der Spiele noch zahlreiche andere, sicher allen nachvollziehbare, Verpflichtungen hat. Der einzige Weg, um den Informationsbedarf der Presse abdecken zu können sind Pressekonferenzen. Deshalb gab es es vor den Spielen zwei davon mit Thomas Bach und am Ende der Spiele wahrscheinlich eine weitere. Darüber hinaus gibt es eine tägliche PK mit IOC-Sprecher Mark Adams.

    Natürlich ist ein deutscher IOC-Präsident gerade in Deutschland mit seiner vielfältigen Presselandschaft gefragt. Deshalb hatten deutsche Journalisten eine Reihe von Möglichkeiten, um mit Herrn Bach im Vorfeld der Spiele zu sprechen: Es gab ein rund 45-minütiges gemeinsames Interview von ARD und ZDF, ein rund 30-minütiges Interview mit den ARD-Radios, ein gemeinsames Interview von dpa/SID und eine Poolrunde mit Zeitungs- und Onlinekollegen/innen. So war sichergestellt, dass in Deutschland nicht nur das Fernsehen, sondern alle Mediengattungen im Vorfeld der Spiele berücksichtigt worden sind.

    Während der Spiele hat der IOC-Präsident dann bei einem Rundgang durch das MPC die drei Weltagenturen AP, Reuters und AFP (SID) besucht und ihnen jeweils kurze Interviews gegeben. Darüber hinaus gab es bislang u.a. TV-Interviews mit Globo, NBC und OBS. OBS stellte das Interview für alle Rechteinhaber bereit.

    Bilanzierend lässt sich feststellen, dass die deutschen Medien im Verhältnis sehr viele Möglichkeiten hatten, um mit Herrn Bach im 1:1 zu sprechen. Durch die Interviews mit ARD/ZDF, den ARD-Radios und dpa/SID war zudem gewährleistet, dass auch andere Medienhäuser O-Töne von Herrn Bach hatten.

    Im Übrigen gab es hinführend auf die Spiele das IOC-EB-Meeting mit einer PK von Herrn Bach, den Olympic Summit mit einer PK, mehrere Telefonkonferenzen und kostenfreie Video News Releases (VNRs) für TV- und Online-Anbieter. Ich glaube, das IOC hat sehr umfangreich kommuniziert und sich auch den kritischen Fragen umfassend gestellt.

    Christian Klaue, IOC-Sprecher für die deutschsprachigen Länder.

  3. Vielen Dank fürs Berichten und Fragenstellen. Das ist schon ein schöner Einblick in die Arbeit der Öffis.
    Die Antwort von Gruschwitz „Wären wir im normalen Alltag draußen, würden wir uns immer für Fußball entscheiden“ zeigt ganz schön die Misere aller anderen Sportarten (passt auch schön zur Diskussion um Dschungelkönig und Olympiasieger) – Am Ende sieht der deutsche Michel sich nämlich doch am liebsten Sportschau mit BuLi und Dschungelcamp an, egal wie viel zu Zeiten von Olympia über Aufmerksamkeit für andere Sportarten gesprochen wird.
    Ich finde, dass ARD und ZDF es sich da zu leicht machen, indem das öffentliche Interesse für Fußball als Argument vorgeschoben wird. Ihrem Auftrag einer ausgewogenen Berichterstattung entspricht das meiner Meinung nach nicht.

  4. Tom Bartels hat Hajo Seppelt übrigens während einer Schwimm-Übertragung gelobt (da hab`ich mich auch gefragt, wie deren Verhältnis wohl ist). Bartels ist halt der glattere (wohl auch deshalb flutscht die Karriere, ich finde ihn ohne Zweifel gut und doch irgendwie überschätzt). Eine Prise Eitelkeit zumindest dürfte auf beiden Seiten zu finden sein. Aber vielleicht hat Seppelt ja seinen Frieden gemacht oder zumindest kein Problem mit Bartels. Der hat übrigens auch seinen Kommentatorenpartner Alexander Bleick gelobt, gesagt, dass der ja schon so lange dabei ist. Das war etwas kurios, weil von der Rollenverteilung her der jüngere Bartels wie der „Chef“ wirkt, Bleick wie die Nummer zwei. Zum Schmunzeln war, als Bartels mal anerkennend zu Bleick meinte: „Was du alles weißt.“ Bleick dann (besonders sympathisch): „Und immer noch nicht genug.“

  5. Wie bewerten Sie eigentlich den Ausraster Seppels gegenüber dem russischen „Staats“-Fernsehen beim Interview? Er unterstellt der Reporterin sich mit den Sportlern gemein zu machen. Etwas was gebührenfinanzierte Fernsehleute und Journalisten auch tagtäglich machen.

  6. Sehr angenehm unaufgeregter Artikel über ARD und ZDF.

    Generell sind die durch Gebühren finanzierte TV-Sender natürlich in der Situation, ihr Produkt nicht beschädigen lassen zu wollen.

    Bei intensiverer Unterstützung von investigativen Journalismus mit den Schwerpunkten Doping in der hochgezüchteten Industriebranche Profisport, der Korruption von Sportverbänden, den Vermarktungsdeals rund um Sportevents, den geschalteten Werbeblöcken der Wirtschaft bei der Übertragung von Sportveranstaltungen im Fernsehen mit gewünschten wohlfeilen Bildern des Sports, dem Einfluss der Politik auf die Hochglanzbilder (wir erinnern uns alle noch an den Besuch von Frau Merkel und Herrn Gauck in der Kabine der WM-Fußballer), dem Match-Fixing mit zahlreichen manipulierten Spielen (Tennis, Fußball etc.), dem laxen Umgang mit Sportverletzungen ohne Rücksicht auf Spätfolgen, die ideologischen Blicke von Sportfunktionären und Politikern sowie Moderatoren der ARD/ZDF auf einen Anachronismus Medaillenspiegel bei den olympischen Spielen, die Rolle des IOC und seines Präsidenten Herrn Bach im Fall der Whistleblowerin Julia Stepanowa, wäre das Hochglanzprodukt Sport ständigen kritischen Fragen ausgesetzt.

    Dabei wäre investigativer Journalismus eine Option für ARD und ZDF. Doping zum Beispiel ist ja wie ein Krebsgeschwür. Das Thema ist unappetitlich. Es ist ein Dauerthema. Weit über russische Grenzen hinaus

    Um dort in eine seriöse, ernsthafte Berichterstattung einzusteigen müsste ARD und ZDF die Axt an der eigenen Produktlinie ansetzen. Wer mag das schon?

    Wenn man es zum Beispiel ernst meint mit der Doping-Berichterstattung ist ein Hajo Seppelt als Feigenblatt zu wenig (Von dem übrigens auch noch die 2. Geschichte mit Dr. Mark Bonar fehlt inklusive konkreter britischer Namen.) Um eine offensive Doping-Berichterstattung zu initiieren müssten mindestens tägliche Blöcke in die Programmwelt von ARD und ZDF gesetzt werden. Zum Beispiel Dopingwissen vor Acht. Täglich ein Blick auf Historie des Dopings. Aufarbeitung der Dopingskandale in Ländern wie Deutschland, USA. Ein fortwährender Blick auf die dopingaffinen und aufgeflogenen Staffelkumpels von Bolt. Oder die medizinischen Praktiken. Das Geschäft für moralisch skrupellose Blutpanscher. Netzwerke von Dopinglieferanten etc.

    Wenn ARD und ZDF es mit der Doping-Berichterstattung wirklich journalistisch sauber aufdröseln wollten müssten Sie in Personal investieren. Eine tägliche Kontinuität über 365 Tage des Jahrs hinlegen.

    Das werde ich wohl nicht so schnell erleben.

  7. Was mir mittlerweile wirklich auf die Nerven geht, ist die Medaillenfixierung. Holt ein Deutscher `was heucheln ihm Interviewer/Kommentator/Moderator (stellvertretend für den Zuschauer) vor, wie sehr man sich für ihn interessiert. Klappt `s nicht, haben die Leute ganz schnell versagt (spätestens ab Platz sechs). Ebenso nervig: Suggestivfragen à la: … und welche Kneipe nehmen Sie heute noch auseinander? Markus Othmer, Michael Antwerpes und andere, nun ja … Die Öffentlich-Rechtlichen bemühen sich wirklich nach Kräften, wettzumachen, dass sie so etwa 50 Jahre zu dröge waren … „Nett“ war auch im WDR 5 Tagesgespräch, dass Philipp Mai vom Deutschlandfunk, einem Hörer, der wissen wollte, wer eigentlich die Partys finanziere, beschied, es sei doch okay, wenn man mal eine Nacht über die Stenge schlage (und so es auf Staatskosten sei, sei`s quasi auch egal). Ach ja: Jens Weinreich: Wie kaputt war eigentlich die MS Deutschland 2012 – und WER hat die Beschädigungen gezahlt??? (Ist ja fast egal, denn „wir waren ja alle mal jung“ usw. blabla … was man do so zu hören kommt … aber richtig egal ist es trotzdem nicht, mir nicht).

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