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Das Olympische Bildungsmagazin

live aus Rio (14): das DOSB-Führungsduo propagiert die Vorgaben des DOSB-Ehrenpräsidenten vom IOC

BARRA DA TIJUCA. Es gibt mal wieder Post vom DOSB, die ich ihnen nicht vorenthalten möchte.

Am 4. August 2016, einen Tag vor der Eröffnung der Sommerspiele, haben DOSB-Präsident Alfons Hörmann und der DOSB-Vorstandsvorsitzende (ehemals Generaldirektor) Michael Vesper den Mitgliedsorganisationen und persönlichen Mitgliedern des DOSB in einem zweiseitigen Schreiben die schwer umstrittene Pro-Russland-Entscheidung des IOC-Exekutivkomitees vom 24. Juli erläutert. Die Email ging am 4. August raus, das Schreiben datiert vom 3. August.

Im Grunde liegen Hörmann und Vesper als Fanboys fast komplett auf der Linie des DOSB-Ehrenpräsidenten Thomas Bach.

Ich habe jüngst ja mal ein IOC-Papierchen einer gründlichen Textkritik unterzogen. Ähnlich ausführlich kann ich heute nicht werden, nur einige Anmerkungen.

Ziemlich frech ist natürlich diese Finte:

Hinzu kam der schon erwähnte Zeitdruck: Obwohl die WADA bereits seit Jahren konkrete Hinweise auf systematisches, staatlich gelenktes Doping in Russland hatte, hat sie erst lange nach dem Bericht zur Situation in der Leichtathletik, den Dick Pound bereits am 9. November 2015 abgegeben hatte, am 19. Mai 2016 Richard McLaren mit der Untersuchung auch der anderen Sportarten beauftragt. Es wäre besser gewesen, wenn dies sehr viel früher geschehen wäre, denn dann hätten alle Beteiligten mehr Zeit gehabt, auf die Erkenntnisse zu reagieren.

Das stimmt nur insofern, als das WADA und das IOC bereits seit 2013 vieles wussten (die WADA sogar seit 2010), das IOC war aber nicht wirklich interessiert, wie Nick Harris jüngst eindrucksvoll dargestellt hat.

Kleiner Nachtrag, Freitag, 12. August: Andererseits sagt man mir in der IOC-Administration, die Kontaktaufnahme 2013 sei etwas bizarr gewesen, mit diffusen Informationen, man habe definitiv keine Detailkenntnis gehabt. Okay, dann eben seit Dezember 2014, seit dem ersten Film in der ARD.

Bei der WADA ist es noch etwas komplizierter.

Hörmann und Vesper stellen allerdings die Beauftragung von Richard McLaren im Mai 2016 etwas falsch dar. Sie vernachlässigen – bewusst, dann wäre es eine gezielte Irreführung, oder unbewusst, dann wäre es mangelndes Wissen – den Auslöser vom Mai 2016: die Rodschenkow-Beichten zum organisierten Betrug im „Dopingkontrolllabor“ in Sotschi bei den Winterspielen 2014. Dieses Labor und das System in der olympischen Periode lief wiederum unter Oberhoheit des IOC, dass die Sache bis heute nicht aufgeklärt, sondern im Grunde nur verschleppt hat. Doch Hörmann und Vesper machen daraus routiniert eine alleinige WADA-Schuld, ganz in der Bach-Propaganda.

Das ist sogar verdammt frech, denn die WADA hat Russland (die RUSADA) bereits im November 2015 für non-compliant zum WADAC erklärt – allein das hätte dem IOC reichen können/müssen, um Russland (das ROK) auf Grundlage der Olympischen Charta zu suspendieren und nicht für die Rio-Spiele zuzulassen. (Wie oft soll man das denn noch erklären. Ruhig mal bei der Wahrheit bleiben, Dr. Michael Vesper.)

Eine Abweichung von der Bach’schen Einheitslinie erlaubt sich das DOSB-Duo, wenn ich das richtig sehe, im Fall Stepanowa.

Besondere Kritik hat in Deutschland die Nichtzulassung von Yuliya Stepanova, der russischen Whistleblowerin, hervorgerufen. Die Exekutive hat sich dabei auf eine Empfehlung der Ethikkommission des IOC gestützt. Ohne über alle Informationen zu verfügen und die Beweggründe der Ethikkommission im Einzelnen zu kennen, halten wir diesen Teil des IOC-Beschlusses für schwierig. Grundsätzlich müssen Whistleblower ermutigt werden, ihr Wissen an die zuständigen Stellen weiterzugeben, um auf diese Weise den Anti-Doping-Kampf der Zukunft zu stärken.

Wobei das auch schon wieder ein klitzekleines bisschen … verlogen (?) ist, denn vor allem Vesper kennt doch die Tricks seines einstigen Gönners und Vorbildes Thomas Bach bestens. Kommissionen gründen, vermeintlich unabhängige Kommissionen und Gutachter etc pp, die Dinge verschleppen, äh, aufklären natürlich, und deren „Arbeit“ am Ende in der Regel jenes Resultat erbringt, dass sich der Große Einheitsvorsitzende wünschte.

Sie finden bestimmt weitere Unstimmigkeiten auf den beiden Seiten. Hier das komplette Brieflein (oben als pdf) auch im Textformat:

DOSB, Der Präsident

3. August 2016

An die
Präsidenten und Generalsekretäre der Mitgliedsorganisationen des DOSB und die Persönlichen Mitglieder des DOSB

In Kopie: Präsidium und Vorstand des DOSB

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenige Tage vor der Eröffnungsfeier der XXXI. Olympiade in Rio de Janeiro möchten wir Sie über die Haltung des Präsidiums und des Vorstands des DOSB zum am 18. Juli 2016 veröffentlichten McLaren-Bericht und zum dadurch ausgelösten, einmütig (bei 1 Enthaltung) gefassten Beschluss der IOC—Exekutive vom 24. Juli 2016 informieren, den die IOC-Vollversammlung gestern bei 1 Gegenstimme bestätigt hat. Natürlich sind wir alle — ebenso wie vermutlich Sie — enttäuscht und bestürzt über den systematischen und offenbar staatlich gelenkten Dopingbetrug, wie er nach den Erkenntnissen der von Richard McLaren geleiteten Kommission der WADA in Russland stattgefunden hat. Hierüber kann und darf die Olympische Bewegung nicht zur Tagesordnung übergehen, es müssen klare Konsequenzen daraus gezogen werden.

Den erwähnten Beschluss der IOC-Executive fügen wir in (inoffizieller) deutscher Übersetzung als Anlage bei. Er ist — vor allem auch in der deutschen Öffentlichkeit — heftig umstritten, weil er — wie wir meinen, fälschlicherweise — als Freibrief für das russische NOK interpretiert wurde, eine Olympiamannschaft mit zahlreichen gedopten Sportlern/ innen nach Rio zu entsenden. Wie aus dem IOC-Beschluss im Einzelnen hervorgeht, ist dies keineswegs der Fall: Vielmehr hat das IOC die Entscheidung der IAAF vom 17. Juni 2016, die weltweit als konsequentes Anti-Doping-Statement begrüßt worden war, grundsätzlich auf alle Sommersportverbände ausgedehnt. Russische Athleten/innen sind grundsätzlich gesperrt und werden unter anderem nur dann zugelassen, wenn sie in den sechs Monaten vor Eröffnung des Olympischen Dorfes gemäß den üblichen internationalen Standards gemäß WADA-Code außerhalb des russischen Systems ohne Beanstandungen kontrolliert wurden. Der Unterschied zum Vorgehen der IAAF ist vor allem dem enormen Zeitdruck geschuldet, denn zwischen der Veröffentlichung des McLaren-Berichts und der Eröffnungsfeier liegen nicht einmal 20 Tage.

Gerade in Deutschland hätten sich viele eine pauschale Sperre des russischen NOK gewünscht. Angesichts der Schwere der im McLaren-Bericht erhobenen Vorwürfe ist diese Haltung auf den ersten Blick nur zu verständlich. Auf den zweiten Blick aber ist vor allem dreierlei zu bedenken:

  • Erstens beschuldigt McLaren zwar die russische Anti-Doping-Agentur RUSADA und staatliche Stellen sowie Sportfachverbände und dopende Sportler/innen, nicht jedoch das russische NOK. Das ist zwar kein Freispruch, aber bislang gibt es keine konkreten Beweise dafür, dass das russische NOK in die Betrugspraktiken aktiv involviert war.
  • Zweitens ist stets zwischen pauschaler Verurteilung und Verfolgung auf der einen und individueller Gerechtigkeit auf der anderen Seite abzuwägen. Gewiss gibt es auch in der russischen Olympiamannschaft Sportler/innen, die sich dem staatlich gelenkten Dopingsystem entzogen haben; auch sie haben Anspruch auf eine faire Behandlung.
  • Und drittens hätte bei einem pauschalen Bann des russischen NOK die Gefahr bestanden, dass er angesichts der vorstehenden Überlegungen vom Internationalen Sportgerichtshof CAS aufgehoben worden wäre — mit der Folge, dass die gesamte Mannschaft möglicherweise hätte starten können.

Das IOC stand damit vor einer äußerst schwierigen Entscheidung, bei der keine der möglichen Alternativen vollkommen richtig oder vollkommen falsch war. Es war klar, dass jede der möglichen Entscheidungen absehbar massive Kritik und/oder Rechtsstreitigkeiten auslösen würde.

Hinzu kam der schon erwähnte Zeitdruck: Obwohl die WADA bereits seit Jahren konkrete Hinweise auf systematisches, staatlich gelenktes Doping in Russland hatte, hat sie erst lange nach dem Bericht zur Situation in der Leichtathletik, den Dick Pound bereits am 9. November 2015 abgegeben hatte, am 19. Mai 2016 Richard McLaren mit der Untersuchung auch der anderen Sportarten beauftragt. Es wäre besser gewesen, wenn dies sehr viel früher geschehen wäre, denn dann hätten alle Beteiligten mehr Zeit gehabt, auf die Erkenntnisse zu reagieren.

So aber ist aus unserer Sicht die Entscheidung der IOC-Exekutive diejenige, die sowohl das Interesse an einer harten Sanktionierung der inakzeptablen Doping-Praktiken in Russland als auch den Anspruch sauberer russischer Sportler/innen adäquat aufgegriffen hat. Nun kommt es auf die konkrete Umsetzung an. Mehrere Weltverbände haben sehr schnell alle russischen Sportler/innen durchgewunken; andere — wie z. B. der Internationale Gewichtheberverband oder der Internationale Ruderverband — haben hingegen sämtliche oder jedenfalls die meisten nominierten russischen Sportler/innen nicht dem IOC zur Zulassung vorgeschlagen.

Entscheidend ist nun, dass für alle Verbände die gleichen Maßstäbe angewandt werden. Zu diesem Zweck wird entsprechend dem IOC-Beschluss zunächst der CAS und dann auf der Grundlage von dessen Stellungnahme eine drei- köpfige Kommission der IOC-Exekutive abschließend entscheiden, welche russischen Sportler/innen zu den Olympischen Spielen in Rio zugelassen werden. Mitglied in dieser Kommission ist auch Claudia Bokel, die Vorsitzende der IOC-Athletenkommission; wir gehen davon aus, dass es hier eine konsequente Prüfung geben wird.

Besondere Kritik hat in Deutschland die Nichtzulassung von Yuliya Stepanova, der russischen Whistleblowerin, hervorgerufen. Die Exekutive hat sich dabei auf eine Empfehlung der Ethikkommission des IOC gestützt. Ohne über alle Informationen zu verfügen und die Beweggründe der Ethikkommission im Einzelnen zu kennen, halten wir diesen Teil des IOC-Beschlusses für schwierig. Grundsätzlich müssen Whistleblower ermutigt werden, ihr Wissen an die zuständigen Stellen weiterzugeben, um auf diese Weise den Anti-Doping-Kampf der Zukunft zu stärken.

Wir hoffen, Ihnen mit diesem Bericht einige Informationen über die aktuelle Lage an die Hand gegeben und vor allem die Sorge genommen zu haben, dass hier leichtfertig über eine in jeder Hinsicht inakzeptable, systematische Regelverletzung in Russland zulasten der sauberen Sportler/innen hinweggegangen werden könnte.

Mit freundlichen Grüßen

Alfons Hörmann, Michael Vesper

4 Gedanken zu „live aus Rio (14): das DOSB-Führungsduo propagiert die Vorgaben des DOSB-Ehrenpräsidenten vom IOC“

  1. Robert Harting im Vorkampf ausgeschieden: Werden im IOC-Hotel schon Freudenfeuer gesichtet oder veranstaltet Dr. Thomas Bach gerade einen inneren Reichsparteitag? Herr Weinreich, bitte übernehmen Sie!

  2. Schön, der Text von Herrn Hörmann und Herrn Vesper, so voller sachlicher Fehler und auch Fehleinschätzungen die auch das letzte Sportausschussmitglied des Bundestages vor Scham im Boden versinken lassen sollte. Und zeigt schön plakativ dass die beiden (und seine Mitarbeiter die den Text formuliert haben) ganz offenkundig mit ihrem Job vollkommen überfordert sind. Wie lange dauert die Amtszeit von den beiden Herren noch? Gibt es schon designierte Nachfolger?

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