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Das Olympische Bildungsmagazin

live aus PyeongChang (1): Upgrade in der Olympia-Sauna

Thomas Bach macht Sportler glücklich. Fotografiert vom Präsidenten-Fotografen Greg Martin/IOC.

ALPENSIA. Moin, moin. Auf geht’s. In guter olympischer Tradition wird wieder täglich gebloggt vom Ringezirkus – so wie 2008 in Peking, 2010 in Vancouver, 2012 in London, 2016 in Rio de Janeiro oder 2014 rund um die Sotschi-Spiele, die bis heute nachklingen. Wir hatten einigen Spaß miteinander, haben vieles gelernt, uns oft gewundert und beobachten gerade, wie diese Parallelgesellschaft immer ärger ins Schlingern gerät.

Darum wird es gehen in den kommenden Wochen.

Im Grunde werde ich wohl eher eine Art Kriminalberichterstattung anbieten, aber gleichzeitig auf der Suche an Absurditäten, wir wollen ja auch ein wenig unterhalten werden.

Ich glaube nicht, dass ich viele Stunden an der frischen Luft verbringen werde. Draußen sind es -12 Grad Celsius, nachts derzeit so -18, und ein eisiger Wind fegt aus Sibirien, China und Nordkorea herüber. Da bleibt Mann lieber im Warmen. Im Arbeitsraum im Main Press Centre (MPC) hier in Alpensia dürften es etwa 30 Grad sein. Mindestens. Gut geheizt ist also. Absurd. Ich sitze im T-Shirt am Computer und es ist mir noch zu heiß, was nicht an der abklingenden Erkältung liegt, die ich mit nach Korea gebracht habe. Vor anderthalb Jahren bei den Sommerspielen in Rio haben wir ständig gefroren im MPC, und ohne jenes Jäckchen, dass ich hier drinnen als erstes ablegen muss, hätte man sich in Rio den Tod geholt.

Wir werden gewiss wieder ein nettes Live-Blog haben während der Eröffnungsfeier am Freitag, wenngleich besser nicht aus dem Olympic Stadium, das außer den vier Zeremonien (Olympia, Paralympics) nicht viel erleben und dann wieder abgebaut wird. Obwohl: Wenn ich mir das „Opening Ceremony Kit“ so anschaue, inklusive des Hot Packs …

… finde ich es schon fast wieder lustig und überlege, mich um ein Journalisten-Ticket zu bewerben und während der Eröffnungsfeier den Erfrierungstod zu sterben. Mal schauen. Die kälteste Winter-Eröffnungsfeier, die ich erlebt habe, gab es 1994 an der Sprungschanze in Lillehammer. Ich glaube, es waren minus 30 Grad oder so. Aber in Norwegen fühlte sich das nicht so kalt an. Ich habe damals, mit zwei Kollegen und der späteren Rodel-Olympiasiegerin Silke Kraushaar, ja sogar ein paar Tage in einem Wohnwagen auf dem Campingplatz an der Bob- und Schlittenbahn Hunderfossen übernachtet. Das waren noch Zeiten, als ich jede Nacht über einen zugefrorenen See gewandert bin, um abzukürzen und schneller in den Wohnwagen schlüpfen zu können.

Ich frage mich, wie die vielen tausend Seelen das körperlich verkraften in den nächsten Tagen, ständig von der Piste und -15 Grad mal eben in eine Pressezentrum-Sauna von +30 Grad, dann flink wieder nach draußen und im Bus (+28) zur nächsten Venue … klingt nicht gesund. Also besser kaum bewegen. Der Weg rüber ins International Broadcasting Center (IBC), wo das IOC-Exekutivkomitee noch seine turnusmäßige Sitzung abhält, oder die paar hundert Meter ins IOC-Hotel Intercontinental soll genügen.

Im MPC-Gebäude war ich im Februar 2011 das erste Mal. Damals machte die IOC-Evaluierungskommission Station in Alpensia, kurz darauf auch in München, das seinerzeit vergeblich gegen PyeongChang um die Winterspiele kämpfte. Werde die erstaunten Gesichter der koreanischen Medien-Betreuer nicht vergessen, als ich am Vorabend meiner Abreise ein nagelneues Samsung Galaxy zurückgeben wollte, das allen Journalisten ausgehändigt worden war. Eine Rückgabe war aber nicht vorgesehen, die Koreaner starrten mich an wie ein Alien und kamen einfach nicht damit klar. Viele Telefonate und Fragen später bin ich aus dem Raum verschwunden, nicht ohne mich zu vergewissern, ob ich denn der einzige sei, der sein Galaxy abgeben wolle.

Sie drucksten ein bisschen herum, dann grinste jemand und sagte: Ja, bist Du.

Am nächsten Morgen im Interconti das nächste Problem: Ich wollte auschecken, da sagte mir die Dame an der Rezeption, die Rechnung sei schon bezahlt. Es dauerte eine Stunde und viele Diskussionen mit mehreren Managern, bis mir erlaubt wurde, selbst zu bezahlen und nicht auf Kosten des Bewerbungskomitees logiert zu haben.

Welcome in Korea, dem Land der kleinen und großen Gefälligkeiten.

Die Samsung-Korruptionsgeschichten stehen auch ein halbes Jahr nach dem IOC-Abschied des koreanischen Halbgotts Kun Hee Lee, Stammgast im Blog, dieser Tage wieder mal im Fokus. Nachdem der Senior zweimal wegen Korruption verurteilt und wieder begnadigt wurde, um die Winterspiele im nationalen Auftrag nach PyeongChang zu holen, traf es vor einigen Monaten seinen Sohn Lee Jae Yon: Fünf Jahre Haft. Die Familiensaga nimmt kein Ende. Auch darüber werden wir in den nächsten drei Wochen nochmal intensiv reden müssen.

Vor sieben Jahren hätte ich beinahe meinen Rückflug verpasst, weil ich zu lange diskutieren musste. Heute wäre das kein Problem. Denn trotz irren Hickhacks über die Jahre haben die Koreaner doch eine Schnellzugstrecke in die Berge gefräst. Die braucht zwar kaum jemand, Einheimische sah ich gestern jedenfalls nicht im Zug, nur den Schaffner. Für Olympiagäste aber ist es absurd komfortabel: Bin um 12.11 Uhr aus Incheon mit dem Korea Train eXpress (KTX) in einem Wagon mit nur drei anderen Journalisten abgefahren – und war um 14.24 Uhr in Gangneung auf der anderen Seite des Landes an der Küste, dort wo das Olympic Village steht, das Media Village und wo die Eiswettbewerbe stattfinden.

Für das Olympic Family Hotel habe ich wieder eine gesonderte Akkreditierung erhalten, die diesmal „upgrade card“ heißt. Ein kostenloses Upgrade, versteht sich.

Ohne diese zusätzliche Karte, ich habe es bei anderen Spielen stets notiert, gibt es keinen Zugang zur IOC-Absteige. Dort wird es diesmal gewiss weniger lustig zugehen, als 2016 in Barra da Tijuca, wo Patrick Hickey quasi im Morgenmantel verhaftet wurde. Der Hickey-Beitrag, den manche jetzt vielleicht klicken, ist mit einer Bezahlschranke versehen. Und auch diesmal wird es für etliche Beiträge eine olympische Bezahlschranke geben, denn ich blogge hier ja nicht nur aus Spaß. Es ist ein Job, ich muss davon leben.

Nebenan im Shop finden Sie einige Optionen – ob Olympiapass oder Jahresabo -, wie Sie die Winterspiele hier gemeinsam mit mir verbringen und Journalismus finanzieren können.

Dieses ins Stocken geratene Magazinprojekt, in das ich schon Monate investiert habe, wird in PyeongChang nun endlich durchgezogen:

Ich wünsche Ihnen und Euch viel Vergnügen in diesem Theater in den nächsten Wochen (und darüber hinaus) und hoffentlich viele erhellende Momente.

Ich freue mich sehr darauf. In alter Frische, halbwegs optimistisch. An Themen wird es nicht fehlen.

15 Gedanken zu „live aus PyeongChang (1): Upgrade in der Olympia-Sauna“

  1. Ich habe nur eine ganz bescheidene Frage, auf die es im Netz keine Antwort gibt. Ohne die Lebensgeschichte des Herrn zu kennen, wieso darf Ustjugow, der bei jedem Weltcuprennen dabei ist, Tour de Ski, Nordische WM letztes Jahr, etc., nicht starten?

    Die Suche nach Ustjugow und Doping bringt kein Ergebnis, außer halt, dass er für Olympia gesperrt wurde:
    http://www.deutschlandfunk.de/skilanglaeufer-sergej-ustjugow-zwischen-generalverdacht-und.890.de.html?dram:article_id=375770

    Bolshunow, Chervotkin und vor allem Larkow und Panzhinskiy, die seit ewigen Zeiten im russischen Langlaufkader sind, dürfen aber mitmachen?

  2. Alfons Hörmann hat im BR (Blickpunkt Sport) gerade die Herausgabe der Namen der verdächtigen Skilangläufer von Hajo Seppelt gefordert!?

  3. @Ralf
    Das hab ich heut nachmittag schon auf Twitter. ;-)
    In der letzten „Geheimsache Doping“ war auch die Rede von Dankesfotos beim Dopingarzt im Büro, auch von deutschen Sportlern.
    Gut, kann natürlich sein, dass die Namen schon an die Schwerpunktstaatsanwaltschaft weitergegeben wurden, nach Einführung des Sportbetrugs ist da ja einiges möglich, aber was wissen wir denn?

  4. Stiftung Blogtest meint: 1A-Einstieg. Schön mit Anekdoten und Beobachtungen um sich geworfen. Macht Bock auf mehr.

    Aber bitte von der Eröffnungs-Zeremonie berichten. Meine Belustigung ist ja wohl wichtiger als irgendwelche Enthüllungen.

  5. Einer muss ja – um der Tradition gerecht zu werden – die unbequemen Fragen stellen: Wann ist mit Soohorang, Weinreich und der Befüllung der Kammer des Schreckens zu rechnen?

  6. Kommentatoren wie Arnulf sind im Grunde Inquisitoren. Und Hausherren wissen (manchmal) um ihre Pflichten.

    Gestern, unmittelbar vor einer PK mit dem IOC-Präsidenten, habe ich diese erste Pflicht erfüllt. Man scrolle durch die Kammer des Schreckens ganz nach unten:

    https://www.jensweinreich.de/kammer-des-schreckens/

    Wenn mir lebende Exemplare über den Weg laufen sollten, wird selbstverständlich ein besseres Foto nachgetragen.

    (Heute streikt der Körper nach einigen Tagen des Fiebers und Jetlag. Aber der tägliche Beitrag kommt noch. Und an den nächsten beiden Tagen bzw MEZ: in den nächsten beiden Nächten … gibt es live-Blogs von der IOC-Session.)

  7. Danke, Arnulf. Der Hausherr soll froh sein, dass das gierige und gemeine Leservolk kein Selfie mit dem UDIOCM UDIOCP auf dem Schoß verlangt.

  8. Also ein Streitgespräch geht anders. Man hört sich zu und argumentiert dann. Aber das ist ja sowieso eine absterbende Kultur. Hajo Seppelt, der sich nur mit wenigen Gefährten/Innen und scheinbar knappen Budget aufgemacht hat, den Sport rückwirkend von Unfairness und Doping zu befreien, hat noch viel Arbeit vor sich und erfreut sich bestimmt einer wachsende Zahl an Sportfreunden. 1928 wurde erstmals Doping illegalisiert und seit den OS 1968 erstmals getestet. Doch Doping hatte da schon eine beinahe 2.000 jährige Geschichte. Es wird daher schwer sein, denjenigen zu erwischen, der sich einst auf den Peleponnes in Olympia mit Stierhoden dopte und auch noch gewann. Whistleblower – Fehlanzeige. Apropos Kornzeuge. Wie selbstlos muss man denn eigentlich sein, wenn man als ehemaliger Beteiligter an den Prozeduren sich nach bis zu 18 Jahren plötzlich zum Nulltarif ehrlich machen will ? Bei Grigori Rodschenkow kann man es ja noch nachvollziehen. Anstatt sich in die Hände der russischen Justiz zu begeben, ist doch ein Besuch in die befreundeten USA lukrativer und erholsamer. Die Kneifzange braucht hier keiner, um das zu verstehen. Der Anti-Doping-Kampf verkommt zur Farce und zum Schmierentheater, nicht etwa weil sein Anliegen und seine Ziele obsolet sind. Leider machte Hajo Seppelt in seiner fehlenden Contenance eine Bemerkung zu Hörmann, die auf schlechte Nehmerqualität schließen lässt, indem er nachtrat. Nicht gerade professionell.

  9. #13 Einfach nur lächerlich. Feindbild vor Augen, diesmal ist es derjenige, der den Stein ins Rollen gebracht hat mit seiner Arbeit.

    Ich sehe im Übrigen Hörmann als das Problem an, schauen Sie nur, wie er in seinem Sitz fläzt – die Körpersprache sagt alles. Jemand hat ihm erklärt, Hajo Seppelt nur immer denselben Satz an den Kopf zu werfen.

    Fakten auf den Tisch? Sagt jemand, der die Wahrheit beugt, der wegen illegaler Preisabsprachen ein Bußgeld in sechsstelliger Höhe akzeptierte – und trotzdem für geeignet befunden wurde, den DOSB zu führen?

    Wie lächerlich, Herbert. Welch lächerliche Figur, dieser Hörmann, der inhaltlich, nicht nur in diesen Minuten, nichts beizusteuern hat, außer unterwürfigen Lobeshymnen auf seinen DOSB-Vorgänger, der jetzt an der IOC-Spitze sein Unwesen treibt.

    Hier macht Seppelt eine gute Figur und wird von Hörmann bloß dümmlich und primitiv provoziert.
    Und ich sage ganz klar: Derlei blöde Diskussionen will ich hier nicht führen. Ich habe Hajo Seppelt in diesem Theater selbst oft genug kritisiert. Hier aber nicht. Hier sind Grenzen überschritten – von der anderen Seite, nicht von Journalisten, die ihre Arbeit machen und wirklich aufklären wollen, die auch sehr viel erreicht haben.

    Schluss damit. Einerseits würde ich mich über jede Diskussion freuen, wie einst, als es kaum einen Beitrag ohne mehrere Hundert Kommentare gab. Andererseits sollten wir doch alle ein bisschen schlauer geworden sein, nicht wehr? Sollten Dokumente lesen können und erkennen, wer blockt, lügt und Propaganda betreibt – und wer nach dem Körnchen Wahrheit strebt.

    Ich werde Ihre Kommentare wieder blocken, Herbert, ist mir völlig egal. Sie kommen immer wieder mit derselben Masche.

  10. Jens, damit machen Sie sich lächerlich. Sie greifen mich an und sind doch eigentlich über etwas anderes verärgert. Jedes Mal das Gleiche: Argumentum ad hominem. Ach, Mensch. Wenn Sie das nicht ertragen können, dann steht es doch schlecht. Wie Sie mit anderen umspringen, auch während vergangener Diskussionen, wo Sie letztlich nicht zu den moralischen Siegern zählten, müssten Sie doch meinen kleinen Sketch ertragen können. Was Sie anderen gern absprechen, das besitzen Sie leider auch nicht. Na gut, ich habe Zeit. Über vieles wird sicher noch zu reden sein. Apropos Diskussion in Ihrem Blogg. Ich war immer fair und habe nicht gleich herumgeningelt, wenn es eng wurde. Mimose kann man bei Ihnen nicht sein, sonst geht gar nichts. Sie sind es bereits, wenn man Ihnen widerspricht. Da unterscheiden wir uns sicherlich in der Sozialisierung. Ja, sehr schade. Und übrigens, wenn ich überhaupt ein Feindbild haben sollte, dann gehört es denen, die den Sport immer mehr kaputt machen. Leider haben Sie – manchmal habe ich Sie sogar bewundert – und andere Ihres Genre nicht dazu beitragen können, dem Sport zu helfen, weil Sie wie aus einer Wagenburg heraus agieren. Ich bin so eine unwichtige Figur, da lohnt es sich schon mal drauf zuhauen. Ja, bitte, blocken Sie, sperren Sie. So läuft ja auch der öffentliche Diskurs ganz gut.

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