ZÜRICH. Moin moin. Nun geht es hier also doch noch mit mir weiter. Bin gleich unterwegs auf den Zürichberg, wo Sepp in Kürze sein neues Exekutivkomitee versammelt. Mit dem schweigsamen Wolfgang Niersbach, der gestern leider so heftig mit sich und seinem Innersten gerungen hat, dass er glatt vergaß, auf dem FIFA-Kongress irgendetwas zu sagen und überhaupt mal ein Zeichen zu setzen. Leute, vergesst all den Unsinn, all die vielen Interviews – gestern war wichtig. Und da war wieder mal Handlungsstarre bei DFB/DFL-Vertretern. Wie immer. Es zählen nicht Worte, sondern Taten.
Aber gefühlige Texte über den ach so schwierigen Spagat, der einem wie Niersbach die Männlichkeit zu zerreißen droht, ob nun in einer großen „Nachrichten“agentur oder anderswo, die hat der Wolle Niersbach natürlich bekommen. Gestern durfte er auch noch in einem „Interview“ seine Sicht der Dinge loswerden, nachdem sein rückgratsloser Pressechef einen Großteil des Kongresses neben den Reportern verbracht hatte. Das ist ganz einfach.
Halten wir kurz mal fest. Natürlich ist Niersbach kein „Blatter-Kritiker“. Nie gewesen. Er ist Teil des Systems, verwoben mit Blatter, mehr noch mit Platini – und all den anderen.
ZÜRICH. Moin moin. Und sie dreht sich noch, die Welt des Joseph Blatter. Noch. Doch seit gestern ist vieles anders. Dieser 27. Mai 2015 war ein historischer Tag. Seit gestern dürfen sich korrupte Funktionäre, und davon gibt es im Weltsport ja noch einige Tausendschaften mehr als jene 14, gegen die Anklage erhoben wird inklusive jener sieben, die im Baur au Lac verhaftet wurden, seit gestern dürfen sich diese Typen in der Schweiz nicht mehr sicher fühlen. Dazu habe ich ein wenig gedichtet, u.a. hier auf SpOn.
Ich denke, es ist völlig offen, ob am Freitag auf dem FIFA-Kongress gewählt wird.
Auch heute werde ich das Blog tagsüber, zwischen vielen Terminen und der Produktion, als Notizblock nutzen, gewiss ausführlicher als gestern. Zunächst nochmal der Hinweis auf ein Projekt, an dem ich seit einiger Zeit arbeite und das schon wieder fünf Monate verspätet ist, allerdings bleibt es brandaktuell, wie die Welt gestern wieder begutachten konnte: Das Ebook „2022“ soll ein kleines Handbuch zur FIFA-Korruption werden. Mit Namensregister, Zeitstrahl, Dokumenten und vielen Links. Ich werde das Büchlein bis ans Jahresende monatlich aktualisieren – wer bisher vergeblich drauf gewartet hat, bekommt dafür Vergünstigungen, die sich nicht mit denen messen lassen, die in der FIFA normalerweise gewährt werden, die aber von Herzen kommen.
Live-Blogs zu Olympia-Eröffnungsfeiern sind in diesem Theater eine schöne Tradition. Leider muss der Kollege G. heute im Stadion ohne mich auskommen …
… aber wenn sich bis 17.14 Uhr MEZ über die üblichen Kanäle so ungefähr 2014 Befürworter finden – kühnes Ziel, es ist schließlich Olympia – dann können wir den Einmarsch der Nationen mit Russlands Wladimir und IOC-Thomas hier gemeinsam genießen.
2014 Leute bis 20.14 Uhr Sotschi-Zeit werden sich doch wohl finden.
Sonst – in Peking, Vancouver, London – waren viel mehr Eröffnungszeremonie-Fanatiker anwesend.
Also, her mit den Kommentaren, Likes und Tweets – dann wird das auch ein wunderbarer Fernseh-Abend.
[caption id="attachment_18348" align="aligncenter" width="748"] Erster Unterstützer: Pelé. Foto: www.jeromechampagne2015.com[/caption]
Wie erwartet hat Jérôme Champagne soeben auf einer Pressekonferenz in London seine Kandidatur für die Präsidentschaft in der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) bekannt gegeben.
Re-balancıng the game ın a globalızed 21st century – my candıdacy for FIFA Presıdency now offıcıalısed ! http://t.co/jeKwtJpX6B
Der 55 Jahre alte Franzose Jérôme Champagne will 2015 Präsident des Fußball-Weltverbandes FIFA werden. High Noon, um zwölf Uhr mittags, gab Champagne in London wie erwartet seine Kandidatur bekannt und präsentierte auf seiner Webseite, seit 13.30 Uhr MEZ online, den ersten prominenten Unterstützer: die Fußball-Legende Pelé. „Dieser Wettbewerb ist wie eine Weltmeisterschaft“, sagte Pelé. Er wünsche Champagne dafür alles Glück. Champagne sei der richtige Mann, um die FIFA zu führen.
Wir sind nicht dafür verantwortlich, was passiert ist. Verzeihen Sie mir, aber ich denke nicht, dass die FIFA das Gefühl haben sollte, etwas falsch gemacht zu haben.“
FIFA-Serienlügner und Generalsekretär Jérôme Valcke
in der Zeitung „O Globo“ (via faz.net)
[kraut project=“https://krautreporter.de/de/projects/94-macht-moneten-marionetten/“]Bevor der #Pep Hype in wenigen Minuten jegliche Gedanken und wichtige Themen absorbiert, will ich flink noch einen Text über die brasilianisch geprägte FIFA-Mafia zur Diskussion stellen. Habe gestern für die Berliner Zeitung kurz zusammen gefasst, wie sehr brasilianische Cartolas das FIFA-Geschäft prägen und wie die WM eigentlich nach Brasilien gekommen ist.
Das ist nur ein Anreißer, eine Mini-Summary von Geschichten, die hier und anderswo extensiv beschrieben worden sind.
Als Notiz scheinen mir derlei Basics in der aktuellen Diskussion dennoch wichtig. Bestimmte Zusammenhänge sollte man nicht aus den Augen verlieren.
* * *
Man nennt sie die Cartolas. Eine Kaste korrupter brasilianischer Sport- und Fußballfunktionäre, die seit Jahrzehnten ihr Unwesen treiben – und die bis heute aufs engste mit den Bossen des Fußball-Weltverbandes FIFA verbandelt sind. Die Cartolas, die in den Jahren Milliarden abgezweigt haben dürften, und FIFA-Präsident Joseph Blatter (77) sowie sein Generalsekretär Jérôme Valcke (52) gehören derselben Familie an.
Eine kleine Einführung in die FIFA-Unterwelt, mehr nicht.
Der Pate dieser Cartolas heißt Jean-Marie Faustin Godefroid de Havelange, kurz João Havelange, Sohn eines belgischen Waffenhändlers. Er ist inzwischen 97 Jahre alt. Er hat in Brasilien alle wichtigen Sportfunktionen ausgeübt, er beherrschte den Fußball-Weltverband FIFA von 1974 bis 1998 als Präsident. Havelange holte Blatter einst zur FIFA und setzte ihn erst als Direktor, 1981 nach einem schmutzigen Putsch gegen Blatters Schwiegervater Helmut Käser dann als Generalsekretär ein.
Havelange zu Ehren sollten die Olympischen Sommerspiele 2016 zu seinem 100. Geburtstag im João-Havelange-Stadion eröffnet werden.
In my opinion FIFA is one of the most corrupt enterprises, one of the most corrupt institutions on this planet.“
Romário de Souza Faria, Weltmeister 1994, Kongress-Abgeordneter der Partido Socialista Brasileiro
[kraut project=“https://krautreporter.de/de/projects/94-macht-moneten-marionetten/“]Es ist klar, dass die Entwicklungen in Brasilien, in der Türkei und anderswo (in Sotschi, in Graubünden) zentraler Bestandteil meines Buches werden, das ich per Crowdfunding via Krautreporter finanzieren möchte, und das ich vielleicht etwas verkürzt IOC-Buch genannt habe – um es auf den September und die Wahl des IOC-Präsidenten zu fokussieren.
Aber, das habe ich ebenfalls beschrieben, es geht mir um eine umfassende Betrachtung der Parallelgesellschaft Sportbusiness. Um die Konzerne des Weltsports, um die Strippenzieher aus Politik und Wirtschaft, Milliardenkassierer und Topfunktionäre, die jetzt atemlos nach Brasilien schauen.
Joseph Blatter ist eigentlich hart im Nehmen. Teflon-Sepp nennen manche den Präsidenten des Fußball-Weltverbandes FIFA. Seit mehr als einem Jahrzehnt wird Blatter in den Stadien der Welt nun schon ausgepfiffen. Sein Verband gilt vielen Menschen als Synonym für Vetternwirtschaft und Korruption, für skrupellose Geschäftemacherei. Teflon-Sepp hat über die Jahre nach Gutdünken die protokollarischen Regularien geändert, wie er im Fokus der Fernsehkameras und in den Blitzlichtern der Fotografen bei Events ins Bild gesetzt wird. Das half, ein bisschen, den größten Schmerz zu lindern. Blatter hat darüber hinaus immer darauf gesetzt, dass sich die Empörung der Leute legen würde, wenn der Ball erst mal rolle, ob nun bei einer Weltmeisterschaft oder einem WM-Test wie gerade beim Konföderationenpokal in Brasilien.
Brot und Spiele. Fußball als Opium fürs Volk.
Irgendwie hat das immer funktioniert.
Was der Fußballfürst Joseph Blatter nun in Brasilien erleben musste, nicht nur beim Eröffnungsspiel, als die Stadionbesucher sich minutenlang nicht mehr beruhigten und das Protokoll sprengten, das schockiert ihn zutiefst. Er kann damit nicht umgehen. Und seine fürstlich bezahlten Propagandisten, allen voran Kommunikationsdirektor Walter de Gregorio sowie Blatters persönlicher PR-Berater Bernd Fisa, sind ebenso hilflos. Sie agieren gern aus dem Hinterhalt und verbreiten ihre Propaganda in etlichen Medien, wie gerade wieder in Roger Köppels Weltwoche („Essay“ von Blatter: „Fußball verbessert die Welt“), doch stehen sie auf verlorenem Posten:
Der denkende Teil der Menschheit glaubt den Lügen nicht. Der denkende Teil der Menschheit hat die FIFA längst durchschaut. Das lässt sich auch nicht mit 1,4 Milliarden auf dem Festgeldkonto und weiteren Propagandafeuerwerken korrigieren.
Und das ist auch gut so.
Im fußballverrücktesten Land des Planeten demonstrieren Millionen Menschen nicht nur für bessere Lebensbedingungen, für Bildung, Gesundheitsfürsorge und eine faire Chance an der gesellschaftlichen Teilhabe. Sie demonstrieren gegen Geschäftemacherei, grassierende Korruption, gegen Gigantismus und die Verschleuderung von Steuermitteln für den Bau überdimensionierter Arenen, die nach der Sause – ob nun nach der Fußball-WM 2014 oder den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro – kaum vernünftig genutzt werden können. Die Menschen demonstrieren gegen diese White Elephants, so nennt man sportive Investruinen, und damit direkt gegen die FIFA und deren Pflichtenhefte, gegen Sepp Blatters engste Freunde und Geschäftspartner: die kriminellen Cartolas, Brasiliens Fußballfunktionärsclique, zu denen Blatters FIFA-Vorgänger Joao Havelange zählt, die seit Jahrzehnten den Lauf der Dinge bestimmt.
It was decided that the president Sepp Blatter is to step down due to corruption charges …
… meldete die FIFA?
Kurze Aufregung am Montagabend. Gegen 18.30 Uhr MESZ (habe die genaue Zeit leider nicht notiert) wurde über einen FIFA-Account auf Twitter der Rücktritt des ewigen Präsidenten Joseph Blatter mitgeteilt. @SeppBlatter hat seinen Rücktritt gleich mal retweetet und weitere lustige Tweets abgesetzt, die den Eindruck erwecken konnten, er sei auf Wahrheitsdroge gesetzt worden.
So what if I took money from Qatari prince? I am the family’s bread earner …
Die Nachfolger-Frage wurde geklärt …
I have recommended his excellency prince Ali Bin Al Hussein of Jordan as my successor …
… und die WM 2030 nach Jordanien vergeben …
The royal family has done much for FIFA, I am sure Jordan will make an excellent host for 2030
Die Arbeit muss nicht doppelt erledigt werden, weshalb ich auf den ausführlichen Beitrag im Blog von Jonathan Sachse verweise, in dem er die juristische Attacke der UCI-Ganoven Pat McQuaid und Hein Verbruggen gegen den ehemaligen Radprofi und Journalisten Paul Kimmage aufdröselt und zahlreiche Informationen/Links dazu zusammengetragen hat:
Ich habe meinen Zwanziger für die Verteidigung von Paul Kimmage bereits überwiesen, und zwar hier:
Sollte das Widget aus mir derzeit nicht nachvollziehbaren Gründen nicht angezeigt werden, bitte die Zahloption zum Paul Kimmage Defense Fund auf NYVelocity.com benutzen.
Geschichte wiederholt sich: Das Vorgehen der UCI erinnert mich an die IOC-Attacken gegen Andrew Jennings vor exakt 20 Jahren. Nach seinem ersten IOC-Buch (The Lords of the Rings) wurde er vom IOC wegen Verleumdung erfolgreich im Kanton Vaud verklagt (wie jetzt auch Kimmage, denn die UCI hat ihren Sitz in Aigle/Vaud/CH) – aufgrund lächerlicher Paragrafen, entgegen der Faktenlage.
Jennings dazu, unvergleichlich:
Revealing that the IOC’s president was an unrepentant jack-booting, right-arm waving Franco fascist got him a 5-day suspended jail sentence in Lausanne, Switzerland. Blue-shirted Juan Antonio Samaranch denied the photographic evidence and lied his head off in court as senior IOC members and officials nodded their heads supportively.“
Erheiternde, ergänzende Lektüre zur fünftägigen Gefängnisstrafe:
Abschließend für heute der Bericht der so genannten Independent Observer der WADA zu den unter IOC-Verantwortung laufenden Dopingtests bei den Sommerspielen 2012 in London.