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Das Olympische Bildungsmagazin

US-Justiz: Stimmenkauf bei Vergabe der Fußball-WM 2010, 2018 und 2022

Die amerikanische Justiz hat im Kriminalkomplex des Fußball-Weltverbandes FIFA weitere Anklagen erhoben. In der nunmehr dritten großen Anklageschrift, die an die beiden umfangreicheren Sammel-Anklagen aus dem Jahr 2015 und die zahlreichen inzwischen abgeurteilten Fälle anknüpft, werden drei Manager und eine Firma aus der TV-Rechtebranche (Full Play Group, Uruguay) wegen zahlreicher schwerster Vergehen angeklagt. Wegen bandenmäßigen Betruges, Geldwäsche und Korruption drohen den Sportrechtehändlern Hernan Lopez, Carlos Martinez und Gerard Romy Haftstrafen von mehreren Jahrzehnten. Dabei geht es nicht nur um TV-Rechte an den Kontinentalwettbewerben in Nord- und Südamerika, sondern auch um Rechte an Fußball-Weltmeisterschaften, erworben von der Firma 21st Centrury Fox.

„Die Anklagen spiegeln das anhaltende Engagement unserer Behörden wieder, Korruption auf höchster Ebene des internationalen Fußballs auszurotten“, erklärte Bundesanwalt Richard Donoghue in New York. „Unternehmen und Einzelpersonen sollten gleichermaßen verstehen, dass sie unabhängig von ihrem Vermögen oder ihrer Macht vor Gericht gestellt werden, wenn sie das US-Finanzsystem nutzen, um weitere korrupte Ziele zu erreichen.“

Die Botschaft steht und wurde mit brisanten Details in der Anklageschrift garniert. Demnach ist Korruption bei der Vergabe von drei FIFA-Weltmeisterschaften dokumentiert: Südafrika 2010, Russland 2018 und Katar 2022. Jene 10 Millionen Dollar, die der langjährige FIFA-Vizepräsident Jack Warner 2004 für seine Stimme für Südafrika erhalten hatte, waren bereits in den vorhergehenden Anklagen aufgeführt. Warner entzog sich bislang dem Zugriff der US-Justiz in seiner Heimat Trinidad & Tobago. Seine beiden Söhne traten schon vor Jahren als Kronzeugen auf und leben weiterhin in den USA.

FIFA Third Superseding Indictment:

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Zur WM 2022 in Katar wird festgehalten, dass drei FIFA-Bonzen aus Südamerika, die nachweislich über viele Jahrzehnte mehrere hundert Millionen Dollar aus dem Fußballgeschäft abgesaugt hatten, auch von Katar geschmiert worden sein sollen:

  • Ricardo Terra Teixeira, der erfolgreich in seine brasilianische Heimat geflüchtet ist und nicht ausgeliefert wird,
  • dazu die bereits verstorbenen Julio Humberto Grondona († 2014) aus Argentinien, langjähriger FIFA-Finanzchef und Erster Vizepräsident,
  • sowie Nicólas Leoz († 2019) aus Paraguay.

Zum Komplex Teixeira und Zahlungen aus Katar ermittelt seit Jahren auch die französische Finanzstaatsanwaltschaft Parquet National Financier (PNF). Medien in aller Welt hatten über Jahre Details zu den Zahlungen an die drei FIFA-Großganoven zusammengetragen – untermauert wurden Geldflüsse Ende 2017 durch Zeugenaussagen während des FIFA-Strafprozesses in Brooklyn. Die FIFA selbst hatte im vergangenen Dezember entsprechende Details veröffentlicht und damit im Grunde bestätigt. Nun stehen die Vorwürfe in der Anklageschrift.

Zum Komplex Grondona habe ich bereits 2011 spannende Kontounterlagen veröffentlicht, die auf mehr als 100 Millionen gestohlene Dollar hinweisen.

Gänzlich neu sind Zahlungen der damaligen WM-Bewerber aus Russland. Laut Anklage hat das ehemalige FIFA-Exekutivmitglied Rafael Salguero (Guatemala) eine Million Dollar von den Russen erhalten. Jack Austin Warner kassierte auf verschlungenen Pfaden fünf Millionen – über zahlreiche Konten von zehn seiner Scheinfirmen in mehreren Ländern. Ein Teil des Geldes wurde über amerikanische Firmen verteilt, die für die russische Bewerbung gearbeitet hatten. Sämtliche Transfers sind bestens dokumentiert. Im April 2011 wird Warner von einem Mitverschwörer, wie es in der Anklage heißt, sogar schriftlich aufgefordert, den Erhalt des Geldes zu quittieren.

Sehr spannend sind dabei die Identität und die Rolle dieser Person, die in der Anklage als Mitverschwörer Nr. 3 geführt wird: Ein langjähriger Berater des FIFA-Präsidenten Joseph Blatter, der auch mehrere FIFA-Exekutivmitglieder beriet – und für Russlands Bewerbung tätig war. Diese Definition trifft perfekt im auf eine dubiose Figur aus dem FIFA-Kosmos zu: Peter Hargitay, der bereits in etliche andere Skandale verstrickt war. Hargitay hat auf meine entsprechende Anfragen nicht reagiert. Hargitay war damals zugleich auch für den WM-Bewerber Australien tätig, wie bei Russland hier ebenfalls an der Seite des deutschen Strippenziehers Fedor Radmann, Berater von Franz Beckenbauer.

Denke ich an Hargitay, muss ich automatisch an meine erste Reise nach Doha denken: 2003 beim Außerordentlichen FIFA-Kongress habe ich für das schwedische und dänische Fernsehen ein Porträt über Sepp Blatter gedreht (The Untouchable), das in knapp 20 Ländern und auch in Deutschland und der Schweiz ausgestrahlt wurde. Mit Hargitay hatte ich damals regelmäßig zu tun.

Er verfolgte uns beim Dreh auf Schritt und Tritt. Anders als der damalige, völlig unfähige aber fürstlich abgefundene Generalsekretär Urs Linsi, hat Hargitay diese Drehs allerdings befürwortet. Eine seiner ersten Amtshandlungen als Blatter-Berater war es ein Jahr zuvor, Ende 2002, bei der Konferenz Play the Game in Kopenhagen aufzutauchen, wo Andrew Jennings und ich Vorträge über die FIFA und die ISL hielten und eine Podiumsdiskussion gemeinsam mit dem damaligen Generaldirektor des dänischen Fußballverbandes (Jim Stjerne Hansen) bestritten. Hargitay hatte sich quasi inkognito unters Volk gemischt und stellte komische Fragen.

Erst ein paar Wochen später, beim FIFA-Exkomeeting in Madrid, gab er sich zu erkennen. Lang ist’s her, damals gab es noch nicht so viele FIFA-Experten, die Herren Jennings, Kistner und Weinreich waren im Grunde allein auf weiter Flur. Und meine Schnappschüsse aus Doha damals – die Gentlemen Hargitay, Blatter, Blazer, Hayatou und Bin Hammam, in dessen Empfangsgebäude ich damals mit dem FIFA-Exekutivkomitee speisen durfte … köstlich:

Gut möglich, dass Hargitay mit den US-Behörden kooperiert.

Seit Jahren hielten sich Gerüchte, oft von Spindoktoren aus dem Sportbusiness initiiert, dass die US-Justiz Ermittlungen „in Kürze“ einstellen werde. Dieser Spin wurde mit der neuen Anklage endgültig als Unsinn entlarvt. Mittlerweile haben die Amerikaner die größten Sportevents des Planeten akquiriert – die Fußball-WM 2026 und die Olympischen Sommerspiele 2028 -, und machen dennoch weiter im FIFA-Komplex. Im Vergleich zu anderen sogenannten Ermittlungen, etwa den schwer belasteten Verfahren der Schweizer Bundesanwaltschaft, die von einem Skandal zum nächsten springt, bleiben die Amerikaner ernsthaft am Ball. Dort dringen auch keine Informationen nach außen.

Insofern ist es nicht ausgeschlossen, dass die Amerikaner daran gehen, die Büchse der Pandora zu öffnen und auch den Geldfluss im olympischen System sondieren. Dokumente, Zeugenaussagen und Gerichtsbeschlüsse gibt es dazu genügend, alles ist bislang aber nur ein Nebenprodukt des FIFA-Komplexes. 

Als Mitverschwörer und mutmaßliche Schmiergeldzahler wurden bereits vor drei Jahren zwei der einflussreichsten Strippenzieher der olympischen Welt in einer DOJ-Anklageschrift enttarnt: Scheich Ahmad Al-Fahad Al-Sabah und dessen Adlatus Husain Al-Musallam aus Kuwait. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat den beiden seither lediglich – pro forma – die Mitverantwortung für das mit aktuell 590 Millionen Dollar gefüllte Programm „Olympische Solidarität“ genommen und beide aus der entsprechenden Kommission gestrichen. Scheich Ahmad, einst wichtigster Wahlhelfer des IOC-Präsidenten Thomas Bach, durfte aber IOC-Mitglied bleiben, die sogenannte IOC-Ethikkommission spielte lange auf Zeit. 

Ahmad suspendierte sich Ende 2018 selbst, als in der Schweiz Anklage gegen ihn wegen schweren Betruges erhoben wurde. Dem Scheich droht eine mehrjährige Haftstrafe. Seine Funktion als Präsident des asiatischen Olympiakomitees OCA übt er weiterhin aus, ohne IOC-Intervention. Seine rechte Hand bleibt Husain Al-Musallam, der zugleich als Erster Vizepräsident des Schwimm-Weltverbandes FINA agiert und jederzeit die Präsidentschaft übernehmen kann, wenn die Scheich-Marionette Julio Cesár Maglione aus Uruguay (84) zurücktreten oder sterben sollte. In den gewaltigen Ermittlungskomplex Scheich Ahmad sind Heerscharen von Staatsanwälten, Geheimdienstlern, Anwälten und Sondereinheiten zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OK) aus aller Welt involviert – und auch Politiker und Diplomaten aus mehreren Ländern. Es ist ein Pulverfass, gefährlich für das IOC-System. Die Lunte zu diesem Sprengsatz haben die Amerikaner in der Hand.

Da die Strafzahlungen von Funktionären, Managern und Firmen aus dem Fußball-Business schon mehr als eine Viertelmilliarde Dollar umfassen, rechnen sich diese langjährigen Strafermittlungen für die US-Justizkasse sogar – lässt man das wichtigste Argument einen Moment außen vor: Dass Recht gesprochen wird, Verbrecher verurteilt werden und die Öffentlichkeit über das globale kriminelle System unter dem Schutzschirm der FIFA aufgeklärt wird. Insgesamt sind mehr als 50 Personen angeklagt oder bereits verurteilt. Die Schadensumme geht in die Milliarden. Die Verfahren werden auf Grundlage des RICO-Gesetzes zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität geführt.


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