Zum Inhalt springen

Das Olympische Bildungsmagazin

Don’t ask, don’t tell: Thomas Bachs Ghorfa, der Israel-Boykott, die FDP-Connection und die Bundesregierung

screenshot www.ghorfa.de

Im letzten Sommer, anlässlich der Debatte um eine Schweigeminute für die Opfer des Münchner Terrors während der Eröffnungsfeier der Spiele in London, haben jw und ich einem unappetitlichen Thema schon einmal einige Zeilen gewidmet: Dem Israel-Boykott, den die Ghorfa unter der Präsidentschaft von Noch-IOC-Vizepräsident Thomas Bach für deutsche Exporte in die arabische Welt exekutiert.

[kraut project=“https://krautreporter.de/de/projects/94-macht-moneten-marionetten/“]Nun gibt es ein kleines, aber wichtiges Update. Die grüne Bundestagsabgeordnete Viola von Cramon hat dazu zwei Fragen an die Bundesregierung übermittelt und eine interessante Antwort aus dem Ministerium des liberalen Bach-Parteifreundes Philipp Rösler erhalten. Der Wirtschaftsminister hat gerade seinen ersten Israel-Besuch absolviert. Damit will der  Freidemokrat, laut stets aufmerksamer Springer-Presse in seinem Tross, „ein Zeichen“ setzen, „dass Deutschland Israel unterstützt“.

Im Umgang mit der Ghorfa folgt sein Haus offenbar anderen Grundsätzen: Da übernimmt man gern mal die Schirmherrschaft für diese oder jene Veranstaltung. Obwohl man den so genannten Legalisierungs-Service, aus dem der Verein Ghorfa unter seinem Präsidenten Thomas Bach einen Teil seiner Einkünfte generiert, für unzulässig hält. Im Ministeriumsdeutsch:

„Deutsche Handelsdokumente dürfen keine Boykott-Erklärungen in der Form negativer Ursprungserklärungen enthalten.“

Für die Berliner Zeitung habe ich dazu gestern knapp getextet:

* * *

Vor wenigen Tagen flatterte Viola von Cramon ein Antwortschreiben aus dem Bundesministerium für Wirtschaft auf den Tisch, das die sportpolitische Sprecherin der Grünen empörte:

Der Bundesregierung kann ja wohl kaum entgangen sein“, schimpft sie, „dass sich mit Thomas Bach ein Wirtschaftslobbyist mit zweifelhafter Reputation um die IOC-Präsidentschaft bewirbt.“

Das Problem aus Sicht der Grünen: Die Bundesregierung tut aber so.

Von Cramon hatte Fragen übermittelt zu einem der heikleren Posten des deutschen Sportchefs: Bach steht als Präsident auch der Ghorfa vor, einer Geschäftsanbahnungstruppe, die den arabischen Handelskammern untersteht. Der gemeinnützige Verein wirbt mit dem Slogan „Ihre Brücke in den arabischen Markt“ und organisiert Business-Gipfel für deutsche Unternehmer, zumeist mit den Golfmonarchien.

Wie hilfreich die Mittlerdienste für diverse Scheichs Bach im IOC sind, interessierte die Grünen-Abgeordnete weniger. Jedoch hält sie die olympische Thron-Rallye des Ghorfa-Präsidenten außenpolitisch für bedenklich. Noch immer nämlich profitiert der Bach-Verein von einer hoch umstrittenen Israel-feindlichen Praxis, von der so genannten Vorlegalisierung. Unternehmen, die in arabische Staaten exportieren, lassen sich bei der Ghorfa per Stempel bescheinigen, dass ihre Produkte keine Teile aus Israel enthalten. 2011 kassierte der Verein dafür 900.000 Euro, 43 Prozent seiner Einnahmen.

Die Prüfung stammt aus den 70ern; sie diente der Arabischen Liga als Waffe im Israel-Boykott. Inzwischen ist fraglich, ob die Stempelei überhaupt noch erforderlich ist. Viele Experten bezeichnen sie als „Abzocke“ ohne legale Basis.

Spannend ist einerseits, dass die Bundesregierung das unter Dr. jur. Bach betriebene Verfahren ganz ähnlich sieht:

Deutsche Handelsdokumente dürfen keine Boykott-Erklärungen in der Form negativer Ursprungserklärungen enthalten …“

… teilte Anne Ruth Herkes, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, von Cramon unmissverständlich mit. In der EU gelte die Sache als „Handelshemmnis“. Sie selbst, so Herkes, habe das im Juni 2012 beim Ghorfa-Präsidenten Bach angesprochen.
Nur: Herkes war zuletzt vor zwei Wochen als Rednerin bei einer Ghorfa-Veranstaltung zugange. „Da hat sie solche Hinweise offenbar unterlassen“, sagt von Cramon und fragt: „Wieso diese Zurückhaltung, wenn doch die Bundesregierung die Gebühr für rechtswidrig hält?“

Ob das daran liegt, dass das FDP-geführte Ministerium traditionell eng mit der Ghorfa unter FDP-Mitglied Bach verquickt ist, darf offen bleiben.

Denn pikanter ist der letzte Teil der Antwort.

Die Abgeordnete wollte noch wissen, ob die Bundeskanzlerin mit Bach über die Israel-feindliche Praxis gesprochen habe, bevor sie Anfang Mai seine Kandidatur für den IOC-Vorsitz begrüßte. Kühle Antwort: Bewerbung und Vorlegalisierung stünden „aus Sicht der Bundesregierung in keinem sachlichen Zusammenhang“.

Bach blickt bekanntlich recht entspannt auf seine vielen Posten im Schnittbereich zwischen Geschäft, Politik und Sport. Auch anlässlich seiner Kandidatur posierte er wieder als gutes Gewissen des Weltsports, mit einem Satz, der wenig zur Ghorfa-Exekution der schwarzen Liste gegen Israel passte:

Ich würde es gerne werden, weil ich ein IOC-Präsident für alle werden möchte.“

Von der Bundesregierung erwarten die Grünen etwas mehr Problembewusstsein. Mit ihrer Unterstützung für Bach stehe Kanzlerin Angela Merkel, so meint jedenfalls von Cramon, „in der Verantwortung für die politisch und rechtlich skandalösen Geschäftspraktiken der Ghorfa“.

Antworten der Bundesregierung auf die Anfragen 6-2013-144 und 145 von MdB Viola von Cramon-Taubadel (Seite 1/2)

Antworten der Bundesregierung auf die Anfragen 6-2013-144 und 145 von MdB Viola von Cramon-Taubadel (Seite 1/2)

Antworten der Bundesregierung auf die Anfragen 6-2013-144 und 145 von MdB Viola von Cramon-Taubadel (Seite 2/2)

Antworten der Bundesregierung auf die Anfragen 6-2013-144 und 145 von MdB Viola von Cramon-Taubadel (Seite 2/2)

Natürlich ist zur gewundenen Antwort aus dem Bundeswirtschaftsministerium mehr zu sagen, beispielsweise dazu:

Die Höhe des Aufkommens aus diesen Gebühren kann in der Kürze der für Schriftliche Fragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht zuverlässig ermittelt werden.“

Nun: Für die Beantwortung solcher Fragen hat die Bundesregierung sieben Tage Zeit.

Als wir im letzten Sommer bei der Ghorfa nachfragten, wie viel die dubiose Legalisierung bringt, antwortete Generalsekretär Abdulaziz Al-Mikhlafi zügig: am nächsten Tag.

Hatte Anne Ruth Herkes – FDP-Mitglied, Botschafterin in Katar, bevor sie von Parteifreund Rösler zur beamteten Staatssekretärin ernannt wurde – einfach keine Lust, das betriebsame Geschäftsleben des Bach-Vereins mit einem Auskunftsersuchen zu stören?

Oder behandelt das BMWi die Frage, ob sich Unternehmen in öffentlicher Hand an dieser Praxis beteiligen, nach demselben Motto, wie die Kanzlerin die Bach’schen „vielfältigen Lebenssachverhalte“:

Don’t ask, don’t tell?

Oder fällt diese Nicht-Antwort bloß in die Kategorie „Vernachlässigung innenpolitischer Aufgaben“?

Das wurde der offenbar besonders reisefreudigen Beamtin gerade öffentlich vorgeworfen.

Ist nur eine Frage. Nicht die wichtigste.

* * *

Nachtrag:

Der Israel-Boykott darf seit 1992 nicht mehr direkt exerziert werden. Seither verbietet die deutsche Außenwirtschaftsverordnung die explizite  Anti-Israel-Klausel in Handelsdokumenten wie Ursprungszeugnissen für Exportwaren.

Per Stempel bestätigt werden darf nun nur noch (erst von den IHK, dann von Bachs Ghorfa oder Botschaften), dass Waren in die arabischen Staaten ausschließlich in Deutschland hergestellt wurden.

Die Ghorfa teilt mir mit, dass sie sich an diese Rechtsvorschrift hält. Dass damit ein Israel-Boykott indirekt intendiert ist, verstehen Vertreter Israels/der jüdischen Gemeinde in Deutschland aber sehr wohl. Bach sieht es anders und wird darin vom FDP-geführten Bundeswirtschaftsministerium gestützt, das „keinen Boykott erkennen” kann.

14 Gedanken zu „Don’t ask, don’t tell: Thomas Bachs Ghorfa, der Israel-Boykott, die FDP-Connection und die Bundesregierung“

  1. Frage aus reinem Interesse (habe mich auch schon mal an dieser Sprache „versucht“):

    Wie gut spricht das UDIOCM eigentlich arabisch?

  2. Sollte das etwa der (ein) Stolperstein auf dem Weg zum IOC-Thron werden ? Ein Stein des Anstoßes ist es jedoch schon.

    Wirtschaftlich eher im Peanuts-Bereich und zu vernachlässigen, sicher auch für Bach selbst („2011 kassierte der Verein dafür 900 000 Euro, 43 Prozent seiner Einnahmen.“), ist es politisch ( „Die Prüfung stammt aus den Siebzigerjahren; sie diente der Arabischen Liga als Waffe im Israel-Boykott.“) schon schlüpfrig. Man fragt sich nur, ob Bach das bei der Vorbereitung seiner Kandidatur einfach nur übersehen oder schlicht politisch unterschätzt hat. Da nutzt auch die Abwiegelei der BK nichts. PR-mäßig hätte das doch der Speakersperson auffallen müssen. ;) PR ist doch auch Politik oder nicht ?

    Bleibt die Frage, ob die Sportlobby mehr als Notiz davon nimmt und es zu einer für Bach ungünstigen Abwägung kommt. Aber solange das arabische Geld nicht zu stinken beginnt, ist eigentlich auch keine Gefahr im Verzug.

  3. Im Grunde gab es diesen Monitor-Beitrag schon hier (ich meine diesen Text von Grit Hartmann über die Ghorfa, unter dem wir diskutieren) …

    … und hier: http://www.jensweinreich.de/2012/07/25/london2012-v-thomas-bach-die-schweigeminute-die-ghorfa-und-andere-vielfaltige-lebvenssachverhalte/ (bzw auf Spiegel Online) …

    … und hier: http://www.jensweinreich.de/2013/05/31/wer-regiert-den-weltsport-teil-1-wladimir-putin-marius-vizer-und-scheich-ahmad-al-sabah/ (wie exakt Husain und Ahmad Wahlen deichseln) …

  4. Aber schön, dass das – inklusive des Auftakts mit der verweigerten Schweigeminute für die israelischen Opfer des Münchner Attentats, unsere Geschichte aus dem letzten Sommer – auch mal im Fernsehen zu sehen war. Ironiefrei. Und die recht eindrucksvollen Statements, die sie zur Ghorfa eingeholt haben, waren Eigenleistung.

    Interessant fand ich ja den Hinweis, dass die Ethik-Kommission des IOC wegen der Scheich-Positionierung für Bach (Das hattest Du auch aus St.Petersburg im Mai, nicht?) ermitteln müsse. Nun hat al-Sabah das inzwischen in Nanjing öffentlich zurückgenommen. Und die Erfahrungen mit dem Ethik-Kommando des IOC sind eigentlich auch andere. Zuletzt im Zusammenhang mit den bis heute ungeklärten verschwundenen Millionen unter Gewichtheber-Weltpräsident Tamas Ajan demonstriert.

    Naja – man darf gespannt sein. Prognose: Passieren wird gar nichts.

  5. Noch zur Ethik-Kommission: Anzeigen könnte die Sache nach IOC-Ethik-Code zwar so ziemlich jede natürliche oder juristische Person.
    Zweiter Schritt aber: Der IOC-Präsident, also Rogge, entscheidet in jedem Fall, ob eine Beschwerde dann auch an die olympische Putzkolonne weitergeleitet wird, ob also Ermittlungen eingeleitet werden. Tut er das nicht, ist die Angelegenheit ohne Einspruchsmöglichkeit erledigt. Siehe das hier dokumentierte CAS-Urteil im Fall Ajan, das Grundsätzliches zu derlei Verfahren festhält.

    #Programmhinweis: Vielleicht ja Substanzielleres dazu am Montagabend im WDR von Duo Seppelt/Kempe.

  6. Der deutsche Wähler hatte ein Erbarmen und komplimentierte Frau Viola von Cramon nach nur einer, dafür aber unerträglichen, Wahlperiode wieder heraus aus dem Bundestag. Die studierte Landwirtschaftsfachkraft wäre besser im Agrarbereich tätig geworden als in der Sportpolitik. Der in ihren sportpolitischen Statements in den letzten vier Jahren zu Tage getretene Hang zur oberflächlichen Vorverurteilung von Sportlern und Sportfunktionären, gepaart mit Grünem Bevormundungs- und Belehrungsduktus – wie er auch in ihrer letzten Anti-Bach-Attacke zum Tragen kam -, war wohl nur für Grit Hartmann zum Aushalten und Beifallklatschen geeignet.
    Aber wie das Leben so spielt: Bach ist IOC-Chef und von Cramon raus… Danke, Souverän!
    Bleibt zu hoffen, dass die Grünen als neue/n sportpolitische/n Sprecher/in diesmal eine versiertere Person mit weniger Hang zur politischen Hyperventilation benennen.

  7. #10
    bei so viel Schaum vor´m Mund kann man schon ml übersehen, dass die Überzeugung des Souveräns die politische Heimat des FDP-Mitglieds Bach erst so richtig kalt erwischt hat.

  8. Pingback: Supermacht mit Petrodollars: Katars Expansionsstrategie im Sport • sport and politics

  9. Pingback: Paradoxon Olympia 2032: Berlin ist draußen, NRW ist ein Kandidat, ohne zum Kandidaten gekürt worden zu sein. • SPORT & POLITICS

  10. Pingback: Thomas Bach: die vielfältigen Lebenssachverhalte des unpolitischsten deutschen IOC-Präsidenten - SPORT & POLITICS

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

What they say
"I give a shit on you!
I shit on German media!"
Husain Al-Musallam
President World Aquatics
and Co-Conspirator #3
coming soon
fund journalism
FIFA Watch
best of