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Das Olympische Bildungsmagazin

Sportförderung des Bundes im Olympiajahr 2012 und die Demokratie-Profis im Bundestags-Sportausschuss

Einige Anmerkungen und Dokumente zur insgesamt unterirdischen Arbeit des Bundestags-Sportausschusses am Beispiel der aktuellen Haushaltszahlen zur Sportförderung 2012 durch den Bund.

Zunächst die Fakten: Im Etatansatz für 2012 finanzieren 9 Bundesressorts mit 239,4 Millionen Euro Maßnahmen auf dem Gebiet des Sports. Das sind knapp 2 Millionen weniger als im laufenden Jahr, aber 3,5 Millionen mehr als im Winter-Olympiajahr 2010. Als bessere Vergleichsgröße mag das Jahr 2008 herhalten, das Jahr der Sommerspiele in Peking: Demnach stellt der Bund im Olympiajahr 2012 mit den Sommerspielen in London 26 Millionen Euro mehr zur Verfügung als 2008.

Der größte Anteil entfällt wie immer auf die eigentliche olympische Spitzensportförderung durch das Bundesinnenministerium, mit dem Topf der so genannten Zentralen Maßnahmen, der über den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) quasi wie durch eine untergeordnete Bundesbehörde verteilt wird. Hier stehen knapp 132 Millionen zur Verfügung, 1 Million weniger als 2011, aber über 4 Millionen mehr als 2008. Und im zweitgrößten Sportetat, dem des Verteidigungsministeriums, dass die Hundertschaften von Sportsoldaten alimentiert, werden im Londoner Olympiajahr 63 Millionen verteilt, 9 Millionen mehr als 2008. Für die Olympiavorbereitung stehen 6,2 Millionen im Einzelplan des BMI.

Gespart wird, beispielsweise, bei den Zuschüssen zur Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA und damit bei der Dopingbekämpfung. Ein Umstand, der etwa im Deutschlandfunk mehrfach thematisiert wurde – etwa von Robert Kempe: Wie viel ist Deutschland der Kampf gegen Doping wert? Ob jene 20 Prozent, die dem NADA-Etat künftig fehlen sollen, aber so ein Skandal sind wie von Teilen der Opposition behauptet, sei dahingestellt. Längst weiß jeder, dass es nicht um Masse, sondern um Klasse in der Dopingfahndung geht. Und da hat die NADA, die zu sehr am Tropf des Bundes hängt und von DOSB-Granden und Bundessportpolitikern dominiert wird, gehörigen Nachholebedarf. Von dem haben allerdings hausgemachte Skandale und peinliche Personalquerelen bisher abgelenkt.

Der Hochleistungssport-Sektor, der nach wie vor seine Lobbyisten im Sportausschuss des Bundestages (diese Zusammenstellung müsste mal wieder aktualisiert werden) sitzen hat, kann sich also nicht beklagen. In dermaßen unsicheren Zeiten bleibt der Etat, den der DOSB intransparent an seine Verbände verteilen darf, quasi unangetastet.

Ein Verbandspräsident, der namentlich nicht genannt werden will, hat es einmal so formuliert:

Wir haben in Deutschland ein System des Staatssports, in dem eine Ministerialbürokratie willkürlich über Sportförderung und Steuermittel entscheidet. Wer in diesem Kartell nicht drinsteckt, hat Pech gehabt.

Alle Zahlen zur Spitzensportförderung werden nach wie vor nicht bekanntgegeben. Details kommen eher zufällig ans Tageslicht. Veröffentlichung ist nicht obligatorisch, wie bei den so genannten Zielvereinbarungen, die DOSB und BMI mit den Verbänden schließen. Das hat System. Kein Verband soll so genau wissen, was der andere bekommt, die Öffentlichkeit schon gar nicht. Obwohl es doch um Steuermittel geht.

In nicht-öffentlichen Sitzungen behandelt der Sportausschuss neuerdings wichtige Themen wie Probleme bei der NADA, Zuschüsse für die Welt-Agentur WADA und umstrittene Personalien. Verschwiegenheit und diskrete Deals unter dem Deckmäntelchen des Datenschutzes – da wo Öffentlichkeit geboten wäre. Ohne Öffentlichkeit und journalistische Berichterstattung hätte es in den vergangenen Jahren nie eine vergleichsweise energische Debatte über Doping-Jahresberichte, Versäumnisse der Verbände, Schwächen der NADA und Komplizenschaft von BMI und DOSB gegeben.

Auch das hat System unter der amtierenden Chefin des Sportausschusses, Dagmar Freitag (SPD), die zugleich Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes und Kuratoriumsmitglied der NADA ist – und in dieser Ämterverquickung traditionell keinen Interessenkonflikt sieht. Die Berliner Zeitung („Wählerinteresse verletzt“) hat kürzlich die Frage gestellt, ob Freitag als Sportausschuss-Chefin „noch die Richtige ist, ob sie als echte Volksvertreterin oder eher von Privatinteressen geleitet“ operiere. „Ihre Furcht vor öffentlichen Ausschusssitzungen verletzt die Interessen ihrer Wähler“, kommentierte Jörg Winterfeldt.

Als echtes Kontrollorgan von Bundessportgremien und DOSB fungiert der Sportausschuss ohnehin nicht, vielleicht hat er das im bundesdeutschen Staatssportsystem auch nie getan.

Wann hat es die letzte bahnbrechende Initiative dieses Ausschusses oder einer der Fraktionen gegeben?

Das ist gefühlte Jahrhunderte her.

Nahezu alle Sportausschussmitglieder verstehen sich als Freund, Förderer und Partner des Sports – was dem parlamentarischen Auftrag entgegen steht. Der gesamte Sportausschuss ist Teil des sportpolitischen Komplexes, und insofern ist die gespielte Auseinandersetzung um den Sportetat 2012, wie etwa der substanzlose Aufschrei des ehemaligen freien Journalisten, Präsidenten des Deutschen Sportakrobatikbundes und SPD-Sportsprecher Martin Gerster nicht wirklich ernstzunehmen. Er sprach von einer Stagnation der Sportförderung unter der CDU.

Alle Jahre wieder. Und ewig grüßt das Murmeltier.

(überarbeiteter Beitrag meiner Anmerkungen im Deutschlandfunk)

:

Okay, den Anfall von Recherchewut kurz vor der Sommerpause, an dem die SPD offenbar laborierte, will ich nicht verschweigen. Daniel Drepper hat auch schon darauf hingewiesen. Auf die irrlichternden, Kontrollinteresse vortäuschenden 41 Fragen einer Kleinen Anfrage vom Juli 2011 gab die Bundesregierung eine Antwort, die durchaus eine Lektüre wert ist, insbesondere die letzten Seiten mit Zahlen zur Verbandsförderung.

22 Gedanken zu „Sportförderung des Bundes im Olympiajahr 2012 und die Demokratie-Profis im Bundestags-Sportausschuss“

  1. Geht das schon wieder los. Das Thema Doping wird wieder vernachlässigt, die Kontrollen qualitativ herunter geschraubt wg. fehlender, finanzieller Mittel und der Sportler kann sich wieder volldröhnen, so dass die Rekorde nur so purzeln. Ich fasse es nicht!!

    Gibt es eigentlich eine wissenschaftliche Arbeit, wieviele Sportler betrogen worden sind, da ihre Konkurrenten (nachträglich) verbotene Substanzen eingenommen haben?

    Soweit wie in den 1980´ern wird es nicht mehr kommen aber das ist doch der völlig falsche Ansatz, hier zu sparen!

  2. Die Personalausstattung in der parlamentarischen Sportpolitik auf Bundesebene ist eigentlich gut:
    – 18 Sportausschussmitglieder
    – mindestens 3 stellvertretende Ausschussmitglieder, die sportpolitisch in Erscheinung treten (Zypries, Seifert, Roth) sowie mindestens 2 Abgeordnetete des Haushaltsausschusses, die sich mit Sportpolitik beschäftigen (Barthle, Danckert)
    – idealtypischer Weise ca. 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den dazugehörigen Abgeordnetenbüros
    – mindestens 3 Referentinnen oder Referenten für Sportpolitik, die in den Bundestagsfraktionen angestellt sind
    – 5 engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sportausschusssekretariats sowie 1 Angestellter in der Bundestagsverwaltung im Bereich des Wissenschaftlichen Dienstes.

    Ich habe nicht aufgeteilt zwischen Vollzeit und Teilzeit. Nicht eingerechnet habe ich die ca. 40 bis 50 Angestellten in den Bundesministerien.

  3. Eine kleine Korrektur zu diesem sehr guten Text sei mir noch gestattet: Nicht etwa die gesamte BMI-Sportförderung von ca. 132 Mio. Euro kann man als die „zentralen Maßnahmen auf dem Gebiet des Sports“ bezeichnen, sondern nur die Maßnahmen, die sich im Haushaltstitel 684 11 finden. Das Ausgabevolumen beträgt 2010 und 2011 jeweils plusminus 94 Mio. Euro. Für die Förderung des Hochleistungssports in Deutschland ist das die entscheidende Zahl.

  4. BMI:

    Sportlicher Erfolg in der Spitze motiviert zugleich viele junge Menschen zu eigener sportlicher Aktivität.

    AP: Britain’s drive to increase sports participation is slowing down

    21 of 30 selected sports had a decrease in the number of participants since 2007
    […]
    „The reason the BOA looked to bid to host these games originally was in part because it would lead to a step change in sport throughout the whole country […] We are a long way from delivering that step change.“
    […]
    „We are in danger of failing completely on the long-term sporting legacy of the games.“

  5. Pingback: Liveblog aus dem Sportausschuss: Sport und Korruption | Daniel Drepper

  6. Ich finde, das ist vorbildliche Sportförderung:

    München (SID) – Der Stadtrat von München hat einstimmig einen Zuschuss von einer Million Euro für die Austragung des Endspiel der Champions League am 19. Mai 2012 in der bayerischen Landeshauptstadt gebilligt. Nach dem Willen der Europäischen Fußball-Union (UEFA) wird die Stadt damit den Großteil der auf insgesamt 1,3 Millionen Euro veranschlagten Kosten für die Organisation und das Rahmenprogramm tragen. Oberbürgermeister Christian Ude räumte vor der Abstimmung offen ein, es sei ein Fehler gewesen, den Vertrag mit der UEFA ohne die vorherige Einwilligung des Stadtrates zu schließen.

    München: Eine Million Euro für CL-Endspiel

    Danke für diesen großartigen Einsatz für den unterentwickelten Fußballsport in dieser von Erfolgslosigkeit gebeutelten Stadt!

  7. Gut, dass es der Soziologe Prof. Bette mal hierher geschafft hat. Ich kann mich noch gut an die Diskussionen zu Doping erinnern, wo man sich hier deutlich distanziert zu seinen Auffassungen positionierte.

    In der Buchrezension
    von Bettes „Sportsoziologische Aufklärung“ von Ralf Meutgens findet man das Komprimat seines nachwievor verdrängten Diskussionsansatzes.

    Zum Doping – ein Thema, das Bette seit vielen Jahren umtreibt -wird dargestellt, wie Doping im öffentlichen Diskurs behandelt wird. Als problemverschärfend identifiziert er den personalisierenden Umgang mit Doping in Sport, Recht, Pädagogik und Massenmedien. In diesen Bereichen werde Doping, entsprechend der Theorie des schwarzen Schafes, nahezu ausschließlich dem Fehlverhalten einzelner Menschen zugerechnet. Diese kollektive Personalisierung diene, so Bette, vorrangig dazu, die zahlreichen Verstrickungen zwischen Sport, Wirtschaft, Politik, Massenmedien und Publikum auszublenden und das Problem trotz flächendeckender Normverstöße als noch beherrschbar darzustellen. Das habe dazu geführt, dass die Behandlung des Dopingproblems durch den organisierten Sport bereits bei der Definition in eine Sackgasse geraten und dort bis heute nicht herausgekommen sei.

    http://www.dradio.de/aodflash/player.php?station=1&broadcast=942284&datum=20111023&playtime=1319389800&fileid=ae8a8e67&sendung=942284&beitrag=1586450&/

  8. zu # 7:

    Owen Gibson im Guardian: Sport participation numbers fall despite Olympic legacy promises

    The only four sports to show a statistically significant increase in once-a-week participation since 2007-08 are boxing, table tennis, mountaineering and athletics. Over that period, a total of 19 sports have seen their numbers shrink. Swimming has declined from 3.24m to 2.81m, while tennis has gone down from 487,500 to 375,800.
    […]
    „This government has been a disaster for sport from day one – cutting over 60% of funding from school sports is not the way to increase future participation in sport and deliver a lasting legacy from the Olympic Games.“

  9. Claudio Catuogno in der SZ (28.12.): Wahrheiten neben dem Treppchen

    Für die Zeit nach London kündigt [DOSB-Präsident Thomas Bach] ‚eine General-Revision des Leistungssports‘ an, alles werde dann ‚auf den Kopf gestellt‘. Aber schon heute hat Bach so eine Vermutung, was am Ende herauskommen wird: dass der Sport mehr Geld braucht für die Medaillenproduktion. Aber muss man jedes Wettrüsten mitmachen?

    Wolfgang Zängl für nolympia.de: Bach und das Geld

    Also, Deutschland, Merkel, wer auch immer: Überweise dem DOSB sofort noch mehr Millionen Euro – sonst keine olympischen Medaillen.
    Sehr wahrscheinlich erzählt der jeweilige olympische Chef von China, Russland, Großbritannien, Japan, Südkorea dasselbe über seine jeweiligen Konkurrenten.

    sid (27.12.): Thomas Bach im Interview: „London wird härter als Peking“

  10. Gunter Gebauer im Tagesspiegel-Interview mit Friedhard Teuffel: „Der Sport hat jede Vorbildwirkung verloren“

    Der organisierte Sport spricht von einer Pyramide: Wir brauchen oben Idole, damit unten Jugendliche mit Sport anfangen, anstatt sich vor den Computer zu setzen.

    Das hatte sich Pierre de Coubertin in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts ausgedacht. Aber dadurch wird sie nicht zutreffender. Man kann natürlich sagen, wenn ein Land sehr erfolgreiche Sportler hat, zieht das die Jugendlichen in diese Sportarten. Da entsteht ein großer Sog. Aber es gibt auf der anderen Seite auch ganz viele Sportarten, die ohne jedes Idol auskommen: Straßensportarten, Abenteuersportarten wie Mountainbike, Skateboard, Inline-Hockey. Es gibt zwar keine Zahlen, aber Schätzungen, nach denen die Hälfte der Jugendlichen von solchen Sportarten angezogen wird. Die denken gar nicht daran, in einen Sportverein zu gehen. Sie wollen auch mit den Idolautoritäten des Sports nichts zu tun haben.

    Also ist diese Pyramide eine weitere Lebenslüge des Sports?

    Würde ich sagen. Denn sie hilft, den Spitzensport zu rechtfertigen. Indem man sagt, der Spitzensport muss gefördert werden, weil dann der Nachwuchs kommt. Aber so einfach ist es nicht.

  11. Die Pyramide existiert neben dem freien unorganisierten Sportbetrieb.Beides ist Ausdruck von Werten und Einstellungen unserer Gesellschaft, die sich im Sporttreiben ausdrücken. Gebauer würde sicher nicht bestreiten, dass die Fußball Nationalmannschaft eine gewisse Vorbildwirkung für Jugendliche hat…oder? Wenn wir von Sport sprechen, ist damit häufig der organisierte Sport in Vereinen und Verbänden gemeint. Das ist nur ein Teil des Ganzen. Daneben gibt es eine Reihe von Sportangeboten, die völlig ohne Verein existieren. Aber auch dort gibt es Vorbilder und Nachahmer. Was die Begründung zur Finanzierung des Spitzensports aus Steuermitteln angeht, liegt Gebauer richtig. Die Pyramiden- bzw. Repräsentationsbegründung ist von Vorgestern.

  12. zu # 10/11:

    SZ: Teures Finale der Champions-League

    Nach Auskunft von Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) steht aktuell ein Nachschlag von rund 30 Prozent zur Debatte – was in etwa 300000 Euro ausmacht. Verantwortlich seien vor allem verschärfte Sicherheitsvorkehrungen

    30% Kostensteigerung in gut 3 Monaten!? Da wäre bis 2018 ein hübsches Sümmchen zusammengekommen…

  13. Silke Lode in der SZ: München muss Uefa-VIP-Fest zahlen – Geheimsache Fußball-Party

    200 000 Euro gibt dieser Geldgeber für das VIP-Fest aus und bleibt doch völlig im Hintergrund. Er mischt sich nicht ins Programm ein und hat auch bei der Gästeliste nicht viel mitzureden. Allerdings ist er der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig und legt sein Engagement ganz korrekt in öffentlichen Akten dar. Denn dieser großzügige Sponsor ist die Stadt München.

  14. Pingback: Erst die Zahlen, dann die Debatte? Sportförderung des Bundes für 2013 (und danach) : sport and politics

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