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Das Olympische Bildungsmagazin

IOC schmeisst IBA raus, Boxen bleibt aber olympisch

Erwartungsgemäß hat die für drei Stunden weitestgehend virtuell tagende 140. Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) der International Boxing Association (IBA) die Anerkennung entzogen. Die IBA ist damit der erste olympische Fachverband, der wegen Jahrzehnte währender Skandale – Misswirtschaft und Korruption – derartig entschieden bestraft wurde. Wobei die großflächige Korruption im olympischen Boxen (ob nun als AIBA oder IBA) seit Jahrzehnten ein grundlegendes IOC-Problem ist und niemals aufgearbeitet wurde, einige IOC-Mitglieder sind dafür maßgeblich verantwortlich.

Trotz des 69:1 Votums gegen die IBA erhält das IOC der Sportart Boxen den olympischen Status. Auch das ist ein Unikum. Konkret bedeutet das: Bei den Sommerspielen 2024 in Paris werden die Box-Wettbewerbe vom IOC organisiert, wie schon 2021 in Tokio. Normalerweise organisieren die aktuell noch 31 olympischen Sommersportverbände ihre Wettbewerbe bei den Olympischen Spielen selbst. Boxen bleibt die Ausnahme.

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Lana Haddad, COO des IOC, trägt die zur Abstimmung stehende Punkte vor. (Screenshot 140th IOC-Session)

Die Olympia-Qualifikationen beginnen schon am Freitag mit den Wettkämpfen bei den European Games in Polen. „Wir können garantieren, dass Boxen in Paris und Los Angeles 2028 auf dem Programm stehen wird“, erklärte IOC-Generaldirektor Christophe de Kepper nun sogar. IOC-Präsident Thomas Bach sagte auf der außerordentlichen Vollversammlung:

„Wir haben kein Problem mit dem Boxsport. Wir haben kein Problem mit den Boxern. Wir schätzen den Boxsport als eine der globalsten Sportarten.“

An der Abstimmung beteiligten sich 80 der aktuell 99 IOC-Mitglieder. 10 Mitglieder enthielten sich der Stimme. 69 stimmten für den endgültigen Olympia-Ausschluss der IBA. Ein IOC-Mitglied stimmte für den Verbleib des Weltverbandes.

Gewichtheben noch auf der Streichliste

Bereits im Dezember 2021 waren Boxen und Gewichtheben vom IOC-Exekutivkomitee provisorisch aus dem Olympiaprogramm für die übernächsten Sommerspiele in Los Angeles gestrichen worden. Zwar wird über das endgültige Programm für Los Angeles erst auf der nächsten IOC-Session im Oktober in Mumbai entschieden, doch seit heute weiß man, dass Boxen dabei bleibt – nur die IBA wird olympisch verbannt. Damit bleiben auch die Tantiemen eingefroren, die IBA vom IOC nach einem mit allen Sommersportverbänden ausgehandelten Verteilerschlüssel aus der olympischen TV-Vermarktung erhalten sollte. Für die Sommerspiele in Tokio und Paris stehen Boxen insgesamt etwa 40 Millionen Dollar zu. Man kann davon ausgehen, dass das IOC in den nächsten Monaten mindestens einen Teil dieser Summe auf anderen Wegen verteilt und damit die Olympiavorbereitung von Boxern zahlreicher Nationen finanziert. Ein anderer Teil dieser Summe dürfte weiter vom IOC verwaltet werden und steht künftig möglicherweise dem neuen Verband World Boxing (WB) zur Verfügung, sollte dieser frühestens 2025 vom IOC anerkannt werden.

Für die Sportförderung in Deutschland bedeutet der Beschluss der IOC-Session ganz praktisch: Der Deutsche Boxsport-Verband (DBV), der vom Bundesinnenministerium (BMI) jährlich mit 2,5 Millionen Euro gefördert wird, vertritt mindestens bis 2028 eine olympische Sportart, höchstwahrscheinlich auch danach.

Staatliche Fördermittel bleiben dem DBV erhalten

Die Angst, ohne diesen Millionenzuschuss in die Pleite und endgültig ins sportliche Abseits zu schlittern, ist gebannt. Es gibt formell keinen Grund, die Sportförderung nach den Paris-Spielen einzustellen oder auf ein Niveau von nicht-olympischen Sportarten zu senken (das wären vielleicht nur zehn Prozent der aktuellen Förderung). Die Bürokraten im BMI müssen nur eine technische Lösung für das Problem finden, dass der DBV nun als einziger deutscher olympischer Sportverband einem Weltverband angehört, der vom IOC nicht mehr anerkannt wird. Aber auch das sollte sich in Kürze ändern, denn der sportpolitische Eiertanz des DBV wird bald ein Ende haben.

Der DBV stand im olympischen Boxen noch nie auf der Seite der Aufklärer. DBV-Funktionäre haben in den Jahrzehnten der Box-Korruption fast durchweg die korrupten internationalen Präsidenten gestützt. Seit heute gibt es für die opportunistisch agierende DBV-Führung jedoch keinen Grund mehr, an der Mitgliedschaft in der IBA festzuhalten.

Bis vor wenigen Wochen hatte die aktuell vom Russen Umar Kremlew geführte IBA, die sich auf totalem Konfrontationskurs zum IOC befindet, noch 201 Nationalverbände, darunter den DBV. Bislang hatten lediglich die Amerikaner und die Schweizer ihren Austritt aus der IBA erklärt. Von den verbliebenen 199 Nationalverbände werden sich nun aber die meisten sehr schnell von der IBA trennen. Eine Alternative steht mit World Boxing bereit. Formal sollte die Gründung von World Boxing erst im November dieses Jahres erfolgen. Die Entscheidung des IOC wird auch diesen Prozess beschleunigen. Es kann sogar sein, dass sich ganze Kontinentalverbände von der IBA abspalten. Von der asiatischen Box-Konföderation ASBC wird ein solcher Beschluss zeitnah erwartet, heißt es.

Basis-Lektüre zu den korrupten Umtrieben im olympischen Boxen, also in AIBA und IOC, denn das ist kaum zu trennen: IOC und sogar der von der AIBA einst als Aufklärer für eine Millionensumme verpflichtete Richard McLaren stellen es aber so dar, als bestünden da nur rudimentäre oder keine Zusammenhänge. Alles Nonsens, Propaganda. Tatsächlich begann das Korruptionszeitalter im Olympiaboxen Mitte der 1980er Jahre unter Mitwirkung alter Bekannter hier im Blog: Adidas, Horst Dassler, Jean-Marie Weber, John Boulter u.a.m. … auch ein gewisser IOC-Präsident arbeitete seinerzeit ganz eng mit diesen Herrschaften, von denen einige (Dassler, Weber et al) für eines der größten Korruptionssysteme der Sportgeschichte verantwortlich waren – zu diesem gewaltigen ISL-Korruptionssystem mit mehr als 142 Millionen Franken Schmiergeldzahlungen an höchste olympische Würdenträger ist dieses Theater international die erste Anlaufstelle, mit Dutzenden exklusiven Berichten und Hintergründen und natürlich der ISL-Schmiergeldliste (was davon übrig blieb).
Also, einige wenige Texte:
Schatztruhe geöffnet (1996 meine erste Arbeit für den SPIEGEL)
SPORT & POLITICS Nr. 1
Der Pate von Taschkent
live aus PyeongChang (25): RIP, Jean-Marie Weber, größter Schmiergeldzahler der olympischen Geschichte
live aus PyeongChang (2): Olympische Systemfragen. Die Nähe zum organisierten Verbrechen
Thomas Bach: die vielfältigen Lebenssachverhalte des unpolitischsten deutschen IOC-Präsidenten
Leseprobe „Macht, Moneten, Marionetten“: Liebesgrüße aus Moskau
† Anwar Chowdhry
Der Überlebenskampf des olympischen Boxens

Kampf um die Nationalverbände

Umar Kremlew und die IBA werden das IOC und alle abtrünnigen Nationalverbände noch einige Zeit attackieren. Doch diese Aufregung wird sich legen. IBA hat außer Geld aus dubiosen Quellen nichts mehr zu bieten. Allein die olympische Zukunft ist ein dauerhafter Wert.

World Boxing wird sich unter dem designierten holländischen Präsidenten Boris van der Horst weiter als Alternative zur IBA etablieren wollen und so schnell wie möglich die Anerkennung durch das IOC anstreben. Dieser Prozess wird allerdings Jahre dauern. Denn das IOC wird weiterhin taktisch agieren und am sogenannten Ein-Verbands-Prinzip nicht rütteln – dieses Monopolprinzip ist heilig im olympischen Sportsystem: Eine Sportart soll von einem Verband vertreten sein. Das IOC wird also alles tun, um ein Aufweichen dieses fundamentalen Prinzips zu verhindern. Schließlich gibt es viele andere olympische Verbände mit einer jahrzehntelangen Tradition von Skandalen. Es geht also auch darum, Neugründungen von Verbänden in anderen Sportarten zu verhindern, die sich als saubere Alternativen präsentieren könnten.

Zu all diesen Details hält sich das IOC bedeckt. Auch die Frage der Mitverantwortung zahlreicher IOC-Mitglieder und sogar IOC-Präsidenten für die Entwicklungen im olympischen Boxen unter dem Dach der IBA (formerly known as AIBA) wurde nicht debattiert. Dadurch, dass der Olympia-Status des Boxens erhalten bleibt und sich die Sanktionen nur gegen den Weltverband richten, wird es unter den Nationalverbänden keinen flächendeckenden Widerstand geben. 

Vor drei Wochen hatte der damalige IBA Generalsekretär George Yerolimpos dem SPIEGEL in Lausanne noch gesagt, ein Olympia-Ausschluss des Boxens würde in der olympischen Bewegung Zerstörungen „wie eine Atombombe“ anrichten. Inzwischen ist Yerolimpos Geschichte, wie viele Box-Funktionäre vor ihm. Der Grieche wurde vor wenigen Tagen von IBA-Boss Kremlew entlassen.

Mit der Entscheidung der IOC-Session sind im Grunde auch die IBA und Kremlew Geschichte. Es wird noch einige Schlagzeilen geben – doch in Paris und Los Angeles wird olympisch geboxt, egal unter welchem Label.

Eine Version dieses Textes wurde zuerst im SPIEGEL veröffentlicht: Der Boxweltverband geht k.o.

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