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Das Olympische Bildungsmagazin

Quadratur des Kreises: das olympische Programm

Es gibt sie, die besinnlichen, die besonderen Momente im Olympic Village von Tokio. (IOC/Matthew Jordan Smith)

TOKYO. Karl Stoss hat einen der interessantesten Jobs bei den Olympischen Spielen. Der Österreicher ist Chef der Programmkommission des IOC. In dieser Funktion hat er auf der 138. Session vergangene Woche gerade die Einführung von Skibergsteigen für die Winterspiele 2026 in Mailand/Cortina durchgezogen. In Tokio, und im nächsten halben Jahr bis zur IOC-Session in Peking, ist er schwer damit beschäftigt, das Programm dieser XXXII. Sommerspiele zu evaluieren. Er schaut sich täglich mehrere Wettbewerbe an – am Tag, als wir telefonierten, war er beim Judo und Mountainbike -, er hat seine ersten Siegerehrungen gleich am ersten Wochenende absolviert, im Tokyo Aquatic Centre, und er koordiniert gemeinsam mit dem IOC-Sportdirektor Kit McConnell die Arbeit der Programmkommission.

Karl Stoss, seit 2016 in Rio de Janeiro IOC-Mitglied, gehört zu jener Minderheit von IOC-Mitgliedern, die stets ansprechbar und diskussionsbereit sind. Eine Whatsapp-Nachricht, die sofort beantwortet wird – und schon ruft er zurück. Das ist selten. In unserem Gespräch verspricht er, das IOC wolle erstmals nach vielen Jahren den Evaluierungsbericht für das olympische Programm von Tokio veröffentlichen. „Ich werde mich dafür einsetzen.“

Das werden vor allem jene Sportverbände gern hören, die nicht im Programm sind, aber teilweise modernere und globalere Angebote machen, die von mehr Menschen betrieben werden, als einige der ewigen Olympiasportarten. Und die nur selten wissen, woran sie sind, weil es keine eindeutigen Regeln gibt.

Die Basics, eine kleine Einführung:

– In Tokio gibt es 28 sogenannte Kernsportarten. Wobei einer der 28 permanenten olympischen Weltverbände, die AIBA, vom IOC suspendiert wurde. Streng genommen also: 27 Weltverbände machen ihr Ding – und das IOC organisiert das olympische Boxturnier in Eigenregie.

– In Tokio gibt es sechs Gastsportarten: Skateboarding, Sportklettern, Karate, Surfen sowie Baseball und Softball. Manche zählen Baseball (Männer) und Softball (Frauen) als eine Sportart, sie werden mittlerweile von einem Weltverband vertreten, was vor Jahren mal eine Bedingung des IOC für die Aufnahme ins Programm gewesen ist, so verschmolzen zwei Verbände.

– Insgesamt reden für Tokio also 33 olympische Weltverbände mit. 28+5. Oder 27-1+5, wenn man die AIBA außen vor lassen möchte.

– Ohne die Evaluierung der Tokio-Spiele abzuwarten, hat das IOC gemeinsam mit den Organisatoren 2024 in Paris bereits die diese vier Gastsportarten festgelegt: Sportklettern, Skateboard, Surfen und Breakdance. Karate sowie Baseball/Softball mussten weichen, ohne eine nachhaltige Chance bekommen zu haben. Das ist eine der vielen Absurditäten, von denen die Programmdiskussion seit Ewigkeiten geprägt ist.

– Für 2028 hat Los Angeles natürlich schon klare Vorstellungen. Selbstverständlich wollen die Amerikaner, neben anderen Sportarten, auch wieder Baseball und Softball dabei haben.

Im Vergleich dazu: Das Programm Olympischer Winterspiele prägen traditionell sieben Weltverbände: Skisport, Biathlon, Eishockey, Curling, Rodeln, Bobfahren/Skeleton und Eislaufen. Für 2026 kommt die International Ski Mountaineering Federation (ISMF) hinzu. Endlich mal ein neuer Name.

– Wobei die Zahl der Sportarten, wenn man es ganz genau nimmt, ja viel größer ist als die Zahl der jeweiligen Weltverbände, das gilt für Sommer wie Winter. Denn viele Verbände vertreten mehrere Sportarten. Nehmen wir die FINA, als jenen Weltverband, der für die meisten olympischen Entscheidungen verantwortlich ist: Schwimmen, Wasserspringen, Wasserball, Synchronschwimmen. Oder im Winter die FIS: Skispringen, Langlauf, Alpin, Snowboard etc.

Unter dem Dach der GAISF (Global Association of International Sports Federations), formerly known as SportAccord, sind insgesamt rund 100 Weltverbände aus olympischen und nichtolympischen Sportarten vereint (dazu noch etliche Institutionen und Organisationen). Aus diesen Verbänden bedienen sich das IOC für die Olympischen Spiele und, auf viel kleinerem Level, die International World Games Association (IWGA) für die World Games der, man ahnt es, nichtolympischen Sportarten (von denen einige mal olympisch waren und viele sich einen Olympiastatus erkämpfen wollen, wofür ein Menschenleben kaum ausreicht, das kann länger dauern).

Vielleicht hilft diese Grafik, für die nächsten Magazine muss ich da gewiss einiges aktualisieren:

aktuell-System-Olympia-Mai-2020

Unter diesen rund 100 Weltverbänden hat das IOC also aktuell 28+5 olympische Sommersportverbände und 7+1 Wintersportverbände anerkannt, sie dürfen sich olympic federations (IF) nennen. Weiteren 41 Verbänden wurde der Status von recognised federations gewährt, das ist Voraussetzung, um jemals den größten Schritt machen zu können und ins olympische Programm zu gelangen. Zu recognised federations wurden auf der Session im Okura Hotel gerade Sambo, Lacrosse, Kickboxen, Cheerleading, Thaiboxen und Eisstockschießen.

Abschließend die Basics zum Geld, ganz entscheidend: Für Tokio erhalten die 28 permanenten Verbände insgesamt 590 Millionen Dollar, die nach einem Schlüssel über die Association of Summer Olympic International Federations (ASOIF) verteilt werden. (Ergänzung, Sommer 2023: Am Ende blieb es auf dem Niveau von Rio, COVID-Gründe offenbar.) Dieser Verteilerschlüssel, um den stets jahrelang erbittert gekämpft wird, ist meist ziemlich geheim. Sie werden den kaum irgendwo sonst auf der Welt veröffentlicht finden. Hier schon. Deshalb heißt es ja olympisches Bildungsmagazin, weil ihnen diese und andere Dokumente aufbereitet werden:

Proudly presented by SPORT & POLITICS

Im Winter ist die Aufteilung des Geldes über die Association of International Olympic Winter Sports Federations (AIOWF) etwas einfacher. Wie mir Gian Franco Kasper (†) mal erklärt hat, wollte man die Dauerfehden wie im ASOIF-Bereich verhindern und hat sich vor vielen Jahren so geeinigt dreimal 20 Prozent der TV-Tantiemen (215 Millionen USD für PyeongChang 2018) für Skisport (FIS), Eislauf (ISU) und Eishockey (IIHF), viermal 10 Prozent für Curling (WCF), Rodeln (FLI), Bob/Skeleton (IBSF) und Biathlon (IBU).

Da ich es gern auf die Spitze treibe und Sie meine Schrulligkeit in Detailfragen erwarten, hier flink noch eine Grafik zum Geldfluss, das müssen wir alles mal wieder ausführlich aufarbeiten:

aktuell-Geldfluss-IOC-family-Mai-2020-1

Die Abhängigkeiten der Verbände von den olympischen TV-Tantiemen ist gewaltig, viele erlösen weniger als 10 Prozent ihres Umsatzes selbst, manche gerade so fünf Prozent – es kommen also mitunter 95 Prozent vom IOC und den TV-Erlösen. Ich hatte das im vergangenen Jahr mal recht ausführlich beschrieben …

EXCLUSIVE: How dependent federations are on the revenues of the Olympic Games

… und auch sonst seit Jahren regelmäßig in diesem Theater. Es geht also für die Sportarten und Verbände darum, ins olympische Programm zu kommen, dort zu bleiben, Anteile am olympischen Vermarktungskuchen (nur TV) zu bekommen und zu überleben – und dann als olympische Sportart auf nationaler Ebene staatliche Förderung abzugreifen.

Für das IOC geht es darum, das olympische Programm, das in den aktuellen Grundfesten in den 1980/90er Jahren geprägt wurde (von den vielen Sportarten abgesehen, die bereits ein Jahrhundert dabei sind), ein wenig an den Zeitgeist anzupassen, um ein jüngeres Publikum anzusprechen und damit zukunftssicherer zu werden. Das IOC braucht die Verbände, kann aber immer größere Vorgaben setzen, was in den vergangenen Jahren auch geschah.

Ein wunderbares Beispiel: Moderner Fünfkampf, geführt vom deutschen Weltverbandspräsidenten Klaus Schormann, der gerade seinen 75. Geburtstag feierte. 1996, 2002, 2005 und im Grunde auch mehrfach danach sollte die Sportart Pierre de Coubertins, wie Schormann stets sagt, aus dem Programm gestrichen werden. Schormann hat seither alle sportpolitischen Listen, Tricks und Kniffe angewandt, die sich denken lassen; er hat seine Sportart verwandelt, revolutioniert, erneuert – aus einer Geld und Zeit raubenden Mehrtagesveranstaltung wurde ein relativ hippes Event an einer Wettkampfstätte. Es gibt ähnliche Beispiele. Klar, das ist nicht immer etwas für olympische Puristen, aber die werden ja älter und seltener.

jacques rogge, ioc, president
Jacques Rogge, 8th IOC President (†)

Um die TV-Anteile wird nicht erst seit 1981 gestritten, als auf der IOC-Session in Baden-Baden das Zeitalter olympischen Kommerzialisierung anbrach und in den 1990ern dann die ersten Milliardenverträge mit TV-Giganten (NBC, EBU) abgeschlossen wurden. Schon in den frühen 1960er Jahren, als das IOC die ersten paar Zehntausend Dollar bekam, begann das Feilschen. Wer ins Archiv steigt und die alten Dokumente liest, kommt es dem Staunen nicht heraus – alles olympische Sport- und Machtpolitik, nur die Summen haben sich gewaltig geändert.

Die Intransparenz des IOC bei der Gestaltung des olympischen Programms widerspricht im Grunde dem Kern des Sports – und der lautet Wettbewerb. Als alleiniger Besitzer der Spiele muss sich das IOC nicht rechtfertigen. Und das wird von allen bemängelt, die ins Programm wollen. Kritik wird jedoch kaum öffentlich, wer laut darüber schimpfen würde, dass es keine nachvollziehbaren Kriterien gibt, keine Ranglisten, keine Matrix, obwohl das technisch kein Problem wäre, der bliebe auf ewig draußen. 

Karl Stoss verspricht nun, er wolle „die Diskussion im Rahmen der Limits objektivieren“.

Tokio ist an der Grenze mit seinen 339 Entscheidungen in 33 Sportarten und den mehr als 11.000 Sportlern. Mehr geht nicht.

Es soll bei 10.500 Athleten bleiben und etwa bei der Zahl der Wettbewerbe. Ausgeweitet wird nicht. Das heißt auch: Wenn Sportarten und Disziplinen hinzukommen, müssen andere weichen.

Karl Stoss auf der IOC-Session in Tokio als Berichterstatter zum olympischen Programm. (Foto: IOC/Greg Martin)

„Ich will keine Revolution anstiften“, sagt Stoss, „ich will in erster Linie, dass sich Sportarten im Programm wiederfinden, die weltweit populär sind.“

Früher hatte das IOC in der Olympischen Charta klare Forderungen, auf wie vielen Kontinenten mit wie vielen Nationalverbänden ein Weltverband/eine Sportart vertreten sein musste, um olympisch zu werden. Dies führte u.a. zum Irrsinn, in jedem Eiland, das sich aus dem Pazifik erhebt einen Rennschlittenverband zu gründen – leicht zugespitzt von mir. Das ist jetzt anders, offener.

In Tokio sind die sechs Gastsportarten Skateboarding, Sportklettern, Surfen, Karate sowie Baseball und Softball und Disziplinen wie 3×3-Basketball dabei. Die meisten werden große Erfolge, das ist jetzt schon klar, sie verpassen Olympia ein moderneres und jüngeres Gesicht.

Zu den Absurditäten dieser Programmdiskussion zählt, dass für das Programm 2024 in Paris bereits Klettern, Skateboard und Surfen festgelegt wurden, ohne die Auswertung der Tokio-Spiele abzuwarten. Karate, Softball und Baseball flogen wieder raus. Für Softball und Baseball ist es bereits das zweite Mal in diesem Jahrtausend, schon 2005 hatte die IOC-Session den Ausschluss der Sportarten beschlossen. Gleichzeitig wurden damals die Olympia-Offerten von gleich fünf neuen Sportarten abgewiesen. Es war zum Verzweifeln.

„Dieses Procedere war unlogisch“, hat der damalige IOC-Präsident Jacques Rogge geklagt. „Das hat keiner in der Öffentlichkeit verstanden, nicht einmal wir selbst.“

Rogge war mehrfach krachend mit Reformversuchen gescheitert (2002 in Mexiko und 2005 in Singapur) und hat sich nie davon erholt. Die Beharrungskräfte waren zu groß. Verbandspräsidenten haben sich mit IOC-Mitgliedern verbündet. Im Grunde war es banal: Sie erkannten, dass man nur zusammenhalten und füreinander stimmen muss, dann wird das schon mit der olympischen Zukunft und damit auch mit dem Anteil an den TV-Einnahmen. Das waren wirklich spannende Zeiten, im Vergleich zu den Einheitsparteitagen heute waren IOC-Sessionen damals volldemokratische Parlamente.

Allerdings hat es Rogge geschafft, über Umwege die Weichen für Neuerungen zu stellen, wovon sein Nachfolger Thomas Bach, der 2013 das IOC übernahm, gewaltig profitiert: Rogge führte auf der IOC-Session 2007 in Guatemala die Olympischen Jugendspiele ein. (Meine Texte aus Guatemala gibt es im Blog schon komplett, damals habe ich damit begonnen.) Die erste Auflage der Jugendspiele gab es 2010 in Singapur, es folgten 2014 Nanjing (China) und 2018 Buenos Aires.

Die Jugendspiele wurden tatsächlich ein Testlabor. 3×3-Basketball, Skateboarding und Sportklettern hatten hier Premiere – und jetzt in Tokio. Breakdance war 2018 in Buenos Aires eine erstaunliche Nummer – und feiert 2024 in Paris sein olympisches Debüt. 

Olympiasiegerin Momiji Nishiya. (Foto: IMAGO)

Die Diskussion um das olympische Programm ist so alt wie die Spiele und ähnelt dem Versuch, die Quadratur des Kreises zu bestimmen. Man kann das nicht schaffen, und es ist unmöglich, es allen recht zu machen. Auch deshalb spricht Stoss davon, keine Revolution anstiften zu wollen. Nach dem Telefonat mit schickt er eine Textnachricht, die ganz im Sinne seines Chefs Bach ist. Ein etwas verschwurbelt-bürokratischer Satz:

„Evolution statt Revolution sollte die Devise für die ständige Fortentwicklung und partielle Neuerung des olympischen Programms lauten.“

Wenn mich nicht alles täuscht, dann hat Stossens Lehrmeister Bach stets von einer Revolution durch Evolution gesprochen.

Stoss, seit 2009 Präsident des Österreichischen Olympischen Comités (ÖOC) war viele Jahre CEO von Casino Austria und der Österreichischen Lotterien GmbH. Er ist ein Mann des Glückspiels, aber kein Hasardeur. Er weiß, worauf er sich eingelassen hat, und er will sein Glück mit Datenmaterial zwingen:

„Wir können nicht weiter Pi mal Daumen messen, um das Programm zu gestalten. Wir brauchen Maßstäbe.“

Zuschauerzahlen (fehlen in Tokio), Social-Media-Kontakte, Kosten der Sportstätten, weltweite Verbreitung der Sportarten und Anzahl der aktiven Sportler und Nationalverbände, Vermarktungsfragen, Sponsoren, TV-Einschaltquoten – das ist keine Raketenwissenschaft, derlei Studien macht das IOC ständig, hat sie aber unter dem Präsidenten Bach nicht veröffentlicht. Vielen olympischen Verbänden war das nur recht. 

Stoss sagt jetzt:

„Wir werden auch an die Kernsportarten ranmüssen. Auf Dauer kann man das so nicht halten.“

Dann gleich der Nachschub:

„Man kann aber auch nicht alles auf den Kopf stellen.“

Er meint dabei nicht nur die größten Skandalverbände, Gewichtheben und Boxen, die nur auf Bewährung noch dabei sind, wobei das olympische Boxturnier nicht mal vom suspendierten Weltverband AIBA, sondern vom IOC organisiert wird.

Immerhin hat das IOC mit Stoss einen Chef der Programmkommission, der über das nötige Rüstzeug verfügt. Sein Vorgänger, der Italiener Franco Carraro, hatte die Kommission ein gefühltes Jahrhundert geleitet und wirkte intellektuell stets überfordert. Seine öffentlichen Auftritte waren ein Graus und stifteten nichts als Verwirrung. Stoss kommt technokratisch daher, wenn er vor der IOC-Vollversammlung redet. Doch er weiß, wovon er spricht und hat klare Vorstellungen, die allerdings, machen wir uns nichts vor, mit den Vorstellungen des IOC-Exekutivkomitees korrespondieren müssen. Auch hier gilt: Revolution unerwünscht.

Letztlich ist alles kein Hexenwerk. Natürlich lassen sich Sportarten mit all ihren Parametern vergleichen. In früheren Jahren wurde ja auch eine Matrix für die Olympiabewerbungen angewendet: Ein in Kanada entwickeltes Programm, das mit großen Datenmengen gefüttert wurde und einigermaßen verlässlich eine technische Reihenfolge der Bewerbungen ausspuckte. Nur wollte man im IOC niemals Olympische Spiele allein auf Grundlage dieser Berechnungen vergeben. (Dazu empfehle ich das E-Book „Macht, Moneten, Marionetten“.)

Hätte man es getan, wären der Welt viele Investitions-Ruinen erspart geblieben, sogenannte Weiße Elefanten, Stadien, die nach den Olympischen Spielen leer stehen und verrotten – zu besichtigen beispielsweise in Athen (Sommerspiele 2004) und Rio de Janeiro (Sommerspiele 2016). 

Warum war das so? Eine Fokussierung auf technische Parameter, eindeutig vernünftiger und nachhaltiger, hätte dem IOC politische Optionen genommen.

Beim olympischen Programm ist das ähnlich.

Natürlich geht es auch um die Organisationskosten. Ein brandaktuelles Beispiel: Los Angeles will für 2028 keine Kanuslalom-Anlage bauen. Zu teuer. Nicht nachhaltig. Deshalb fliegt Thomas Konietzko, designierter Präsident des Kanu-Weltverbandes ICF, bald in die USA, nach Oklohama, und trifft sich dort mit Lokalpolitikern. Denn in Oklahoma haben sie eine Anlage, die wirtschaftlich betrieben wird, für Rafting und ähnliches, jetzt geht es darum, einen Deal zwischen Oklahoma und Kalifornien und dem IOC einzuleiten, um diese Anlage für die Sommerspiele 2028 zu integrieren. Das sind so Ideen.

Es ist kompliziert.

Die Beharrungskräfte der olympischen Platzhirsche wirken noch immer. Wie bereits erwähnt: Die meisten der 28 permanenten Sommersportverbände könnten ohne die olympischen TV-Tantiemen nicht überleben. Der Kampf um diese Gelder erschwert sinnvollere Debatten. Charakteristisch ist dieses Detail: Die Kernverbände hatten der Aufnahme der Gastsportarten nur unter der Bedingung zugestimmt, dass diese keinen Cent von den 590 Millionen USD erhalten. So geschah es. 

Inzwischen hat das IOC den Neulingen eine Anschubfinanzierung zukommen lassen. Geld ist nun wirklich reichlich vorhanden.



8 Gedanken zu „Quadratur des Kreises: das olympische Programm“

  1. Gibt es eigentlich noch Überlegungen Sommersportarten in den Winter zu verschieben?
    gab vor Jahren doch mal die Idee, Handball zu den Winterspielen zu schieben, weil da ja die WM/EM Turniere sowieso immer im Januar stattfinden.
    was ich mich auch frage, warum Crosslauf nicht olympisch wird, ist eigentlich weltweit beliebt, kann weltweit günstig betrieben werden und kostet in der Durchführung wenig

  2. Hassan Moustafa hat das in seinem IHF-Council mehrfach behauptet, dass es um Schneehandball bei den Winterspielen gehe. Das hat er exklusiv.
    Hintergrund war, dass er es nicht geschafft hat, Beachhandball in das Programm von Paris 2024 zu bringen. Da hat er seinen Leuten dann halt erzählt, er sei auf gutem Wege für Schneehandball.
    Ansonsten zum Crosslaufen der Leichtathleten oder zahlreichen Hallensportarten, die zu jeder Jahreszeit in jeder Halle der Welt ausgetragen werden können (Handball, Gewichtheben, Judo, Fechten etc pp) … da ist mir nichts bekannt, das irgend etwas ernsthaft für den Winter diskutiert würde.
    Es mag sein, dass ich zuletzt beim Stoss-Vortrag zu Mailand 2026 nicht aufmerksam zugehört habe und mir etwas entgangen ist. Glaube ich aber nicht.
    Nochmal zu Deinem Beispiel Cross – bin ich absolut bei Dir. Ich verstehe da einiges nicht. Das ist in der Tat ein Beispiel: kostet fast nichts, weltweit verbreitet etc.
    Gibt andere Beispiele, muss man aber mitunter mit der Lupe suchen.
    Muss ich wirklich mal viel größer angehen, das Thema. Kommt auch, denn da spielen so viele andere wichtige Aspekte rein, die ich nicht mal angetönt habe. Ganz Entscheidendes dabei für die Zukunft des organisierten Verbandssports: die Monopolfrage zum Beispiel. Einiges mehr.

  3. Ich möchte nochmal kurz das Auftreten des deutschen Fußball-Teams eingehen. Nicht auf die sportliche Leistung, sondern auf die Tatsache, dass kein vollständiger Kader benannt werden konnte, sondern nur 18 aus 100 Kandidaten, wie Stefan Kuntz sagte.

    Ich finde diesen Fakt, ja, mir fehlt eigentlich die Vokabel. Respektlos, gegenüber dem Turnier und den Mitbewerbern. Und anderen Ländern, die vielleicht sehr gern mit voller Kapelle am olympischen Turnier teilgenommen hätten. Warum verzichtet der DFB nicht, wenn sie eh keinen Bock haben?

    Wird das in Tokyo diskutiert? Natürlich ist das nicht auf demselben Level wie der Fall Moster, aber auf seine Art und Weise einfach wurstig, respektlos, arrogant. Fällt das auch auf den DOSB zurück? Kann sich der DFB alles erlauben? Ist das IOC „not amused“ oder fällt das eher unter das olympische Grund-/Hintergrundrauschen? Oder ist das einfach nur ein weiteres Zeichen für die Führungsinkompetenz an der Spitze bestimmter deutscher Sportverbände? Wie gesagt, vielleicht nicht das wichtigste Thema. Aber es passt zum Bild, das DOSB in der Causa Moster abgegeben hat.

    Schaut man sich dann Teams an wie das Fiji-Rugby-Team, dann wirkt das alles umso, ja, eigentlich nur lächerlich.

  4. Hier ist es Hintergrundrauschen, wie Millionen andere Dinge. Ich habe die Berichterstattung nicht verfolgt und weiß deshalb nicht, ob das Thema in deutschen Medien entsprechend gewürdigt wurde. Ich fürchte: Nicht gut genug. Mein Eindruck war, man hat sich doch dann sehr auf die Spiele konzentriert. Gewiss gab es Ausnahmen.
    Aber: Für mich ein Skandal, für den ich kaum Worte der Verachtung genug finde.
    Ich will die Schuld natürlich nicht auch noch dem DOSB in die Schuhe schieben, aber: Als DOSB hätte ich gesagt: Fick Dich, DFB! Wir geben den Startplatz zurück. Es findet sich bestimmt ein afrikanisches Land, vielleicht auch ein europäisches Land (es wäre ja eher der damals Nächstplatzierte nachgerückt), das auf die Schnelle die Sache ernst nimmt und ein VOLLES hungriges Team nominiert.
    Das hätte ich gemacht. Das Recht hat der DOSB als Herr des Nominierungsverfahrens.
    Um so zu Handeln, müsste man allerdings Maßstäbe haben – und cojones.

  5. Danke für das sehr interessante Posting.

    Erfährt man eigentlich auch, wie der Kampf um den olympischen Status bei ähnlichen Sportarten vonstatten geht? Ich weiss zum Beispiel, dass auf nationaler (z.B. deutscher) Ebene Feldhockey sehr lange alles mögliche versucht hat, Floorball kleinzuhalten. Aber es gibt ja auch Seilschaften, zumindest im deutschen Sport wie Feldhockey-Tennis-Fußball(-Leichtathletik) – so eine kleine Sportrechte-NATO.

    Bin auf die Evaluierung gespannt. Ich fand dieses mal zum Beispiel Judo unerträglich. Das ist für Sport-Laien eh immer schon eine etwas schwierigere Sache. Aber da es fast immer nur auf eine Wertung ankommt, auch wenn es kein Ippon ist, sind die Kämpfe extrem defensiv und ziehen sich damit sehr gerne in den Golden Score. 3×3 Basketball ist bisher mein Gewinner der Spieler, großartig schnelle, actionreiche Sportart. Bei 3×3 Basketball und Beach Volleyball wäre zum Beispiel auch interessant, ob sie evtl. die traditionelle Variante vertreiben können. Gerade beim Volleyball halte ich das für nicht undenkbar.

    Beim Fußball müssen es die Frauen rausreißen. Das Turnier der Herren ist mausetot. Wenn die Frauen nicht genug Spannung und Attraktivität bereiten, sehe ich Fußball unter fairen Umständen auf der Kippe.

  6. @Florian Büchting: Über Kämpfe und Grabenkämpfe erfährt man erstmal gar nichts. Dafür sind Journalisten zuständig, das öffentlich zu machen. Es läuft auf allen Ebenen so ab. Ein wichtiger Aspekt, den ich nur mit einem Satz angedeutet habe, ein Riesenthema für sich und damit verbunden: die Sportförderung. Und da sind wir beim von Ihnen skizzierten nationalen Thema. Selbstverständlich beißen olympische Verbände alles weg, weil sie halt irgendwann vor Jahrtausenden mal olympisch geworden sind und es ewig bleiben, bis die Erde zu Staub zerfällt. Auch hier existiert kein offener Wettbewerb zwischen den Sportarten/VERBÄNDEN. Führt zu Absurditäten, wie Ende 2020 mal von Michael Reinsch in der FAZ skizziert, dass die DOSB-Führung Lobby macht gegen die Förderung der Nichtolympischen, die aufgestockt wurde.
    Nochmal: diese Themen sind miteinander verwoben und verbunden, das hat alles mit dem olympischen Programm zu tun, und damit ist dieses Programmthema viel größer und wichtiger, als viele Leser vielleicht auf den ersten Blick meinen würden.

  7. Weder spiele ich Squash, noch schaue ich Squash, aber das das nicht olympisch ist, das ist bei diesem Thema sicherlich die größte Sauerei.

    Sachen wie 3×3 Basketball, Rugby, Softball oder Baseball, das kann man ja ganz einfach ignorieren.

  8. ich glaube der größte Traum vom IOC ist, irgendwie Cricket olympisch zu bekommen
    damit würde man im Bevölkerungsreichen Südasien v.a. Indien deutlich attraktiver werden
    bisher war das Problem die Länge der Spiele, aber mittlerweile gibt es 2-Stunden Versionen
    off topic: hier am Rheinufer wird mittlerweile mehr Cricket als Fussball gespielt vor allem durch die vielen Geflüchteten der letzten Jahre
    trotzdem wird Cricket in den deutschen Medien komplett ignoriert

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