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Das Olympische Bildungsmagazin

Der neunte IOC-Präsident heißt … Thomas Bach (FDP)

illustration: Sebastian Domenech exclusively for Sport and Politics

illustration: Sebastian Domenech exclusively for Sport and Politics

BUENOS AIRES. Ich nehme in der Überschrift das Ergebnis schon mal vorweg und melde mich aus meinem Büro in der Lobby des Hilton Hotel, wo in wenigen Minuten die wichtigste Personalie der deutschen Sportgeschichte entschieden wird. (Sollte etwas anderes passieren, nehme ich die Prügel gern entgegen.)

Gerade hat jemand aus China zu meiner gestrigen Stimmen-Vorhersage kommentiert, Yang Yang werde ebenfalls für Bach stimmen. Gut zu wissen.

Nicht von ungefähr sagt unser aller Lieblingsscheich gerade, Bach werde in der ersten Runde mit 50 bis 56 Stimmen triumphieren.

10.31 Uhr: Die Onlineverbindung ist katastrophal, weshalb einige Notizen verschwunden sind und ich noch mal von vorn anfange.

Kaffepause bis 11.00 Uhr. Dann wird gewählt.

Habe für Spiegel Online in der Nacht gedichtet.

* * *

Um 16 Uhr MESZ ist es soweit. In Buenos Aires wird der neue IOC-Präsident gewählt. Um 17.30 Uhr wird der Nachfolger von Jacques Rogge, der neunte Präsident in der Geschichte des Internationalen Olympischen Komitees verkündet. Kann noch irgendjemand die Wahl von Thomas Bach verhindern? Wohl kaum. Es scheint nur eine Option zu geben: Wenn einer oder mehrere der fünf Gegenkandidaten zurücktreten und vor der IOC-Vollversammlung eine flammende Rede halten – für einen Kollegen, gegen Thomas Bach und seinen immer mächtiger werdenden Verbündeten, den kuwaitischen Scheich Ahmad Al-Sabah.

Ein derartiges, für IOC-Verhältnisse geradezu revolutionäres Engagement wäre allein dem Schweizer Denis Oswald zuzutrauen. Oswald, langjähriger Präsident des Ruder-Weltverbandes, hatte die vielfältigen Geschäfte des deutschen IOC-Favoriten und Wirtschaftslobbyisten Bach scharf kritisiert und ausgesprochen, was seit beinahe zwei Jahrzehnten immer wieder für negative Schlagzeilen sorgt: Bachs Tätigkeiten als Lobbyist im Graubereich von Wirtschaft, Sport und Politik. So war Bach einst Adlatus des damaligen Adidas-Zampano Horst Dassler, der den Weltsport mit einem gigantischen Korruptionssystem überzogen hat, gerichtlich dokumentiert im Fall der von Dassler gegründeten Sportmarketingfirma ISL. Als Jahre später publik wurde, dass Bach von den Konzernen Holzmann und Siemens fürstliche Honorare erhalten hatte, behauptet der IOC-Mann, stets zwischen Lobbyismus und Ehrenamt trennen zu können. Das FDP-Mitglied Bach hat dafür den Begriff der „vielfältigen Lebenssachverhalte“ erfunden.

Bach vertrete nicht dieselben Werte wie er, sagte Oswald dem Westschweizer Radio RTS: „Er benutzt seine Position, um für die Gesellschaften, die er vertritt, Vorteile herauszuholen. Ich wünsche mir einen unabhängigen Präsidenten.“ Er ging erneut auf den Deal zwischen Bach und dem mächtigen Scheich Ahmad Al-Sabah aus Kuwait ein. Das sei „kein Ausdruck von Demokratie“, einigen IOC-Mitgliedern gefalle das nicht. Auch mit Kuwait verbinden Thomas Bach vielfältige Wirtschaftssachverhalte, ob nun über die Tauberbischofsheimer Weinig AG, die kuwaitischen Investoren gehört und wo er Aufsichtsratschef ist, die Investmentfirmen Melius und K.S.C. (Kuwaiti German Holding Company) oder den anrüchigen, aber nichtsdestotrotz einflussreichen arabisch-deutschen Geschäftsanbahnungsverein Ghorfa, als dessen Präsident Bach amtiert.

Kurzum: Bach macht, was viele IOC-Mitglieder machen. Der belgische IOC-Präsident Jacques hatte zwölf Jahre Zeit, derartige Intransparenzen zu bekämpfen und einen neuen Geist im IOC einziehen zu lassen. Doch Rogge hat es am Ende gar nicht mehr versucht. Und als Bach wegen seines Siemens-Vertrages 2008 arg in die Bredouille geriet, sprang ihm Rogge in Lausanne helfend zur Seite. Denis Oswald, Jurist wie Bach, hat mehrfach gesagt, er wünsche sich einen unabhängigen IOC-Präsidenten, „der nicht an bestimmten Allianzen hängt und der seine Position für nichts anderes nutzt als den Sport“.

Oswald hat nichts mehr zu verlieren. Er ist zurecht entsetzt über die Vorgänge im IOC, über die absurden Regeln für diesen Wahlkampf, die den Kandidaten jedwede öffentliche Diskussion miteinander verbieten – und die damit gelegentliche Aufklärung und Transparenzanfälle verhindern. Oswald wurde gestern, angeblich, von der IOC-Ethikkommission ermahnt und auf diese Regeln aus dem Dezember 2011 hingewiesen. Genaues weiß man nicht, wie immer im IOC, denn Schriftstücke liegen dazu nicht vor. So wie Vorgänge der Ethikkommission, die meist nur nach dem Gusto von Rogge eingesetzt wird, ohnehin kaum öffentlich werden.

Wird der 66-jährige Denis Oswald also so weit gehen, zurücktreten und einen energischen Appell an die IOC-Kollegen richten? Wird er Bach und den Scheich brüskieren und Wahrheiten benennen, die ohnehin jeder kennt – aber eben nicht in den Details? Wird er damit gleich fünf Schweizer IOC-Stimmen freimachen, von denen maximale eine an Bach gehen dürfte, die des FIFA-Präsidenten und ehemaligen Adidas-Mitarbeiters Joseph Blatter, den mit Bachs sportpolitischen Ziehvater Dassler eine Männerfreundschaft verband. Oswald selbst sowie Patrick Baumann (Basketball), René Fasel (Eishockey) und Gian-Franco Kasper (Skisport) würden nicht für Bach, sondern für Richard Carrión stimmen – oder jeden anderen.

ABB – anyone but Bach, jeder außer Bach: Dieser Slogan wurde auch unter den Schweizer IOC-Mitgliedern geprägt. Bachs Team hatte die Schweizer stets als gefährliche Gegner ausgemacht. Doch haben die nie wirklich gegen Bach mobilisiert. Ändert sich das im letzten Moment? Kann sich überhaupt etwas ändern? Am Abend vor der Wahl hatte man nicht den Eindruck. Es ging merkwürdig ruhig zu auf den Fluren. Scheich Al-Sabah hatte natürlich unentwegt IOC-Mitglieder in seinen Suiten im Hilton Hotel und im exklusiven Faena-Hotel gleich nebenan zu Gast. Als Buenos Aires aus dem Schlaf erwachte, schien die Sache entschieden. Können Frühstücksgespräche etwas ändern? Werden IOC-Mitglieder plötzlich von Transparenzanfällen und Demokratiefieber geschüttelt?

Um 11.00 Uhr Ortszeit (16 Uhr MESZ) wird gewählt. Dann ist man schlauer. Eine öffentliche Präsentation der Kandidaten oder gar eine Diskussion sind nicht vorgesehen. Denis Oswald könnte das ändern. Thomas Bach, Richard Carrión, Ser Miang Ng, Sergej Bubka und Ching-Kuo Wu werden nichts dergleichen tun.

* * *

10.35 Uhr: Auch wenn es manch einem schon auf den Geist geht, aber Selbstvermarktung muss sein, denn Rechnungen wollen bezahlt sein. Also:

10.37 Uhr: Noch 23 Minuten bis zur Wahl.

10.52 Uhr: In acht Minuten wird gewählt. In 98 Minuten steht hier der Sieger:

ioc-pult

12.04 Uhr: Hätte mich gern vor einer knappen Stunde wieder gemeldet. War dann froh, manchmal wenigstens Tweets absetzen zu können. Katastrophe.

12.48 Uhr: Rede vorbei. Wie erwartet. Zahlen kenne ich noch nicht.

16.02 Uhr: Tausend Leute gesprochen. Stimmung und Stimmen und Geschichten aufgesogen. Flink eine Summary für Spiegel Online geschrieben, die gewiss gleich erscheint. Und jetzt weiter unterwegs. Bis morgen.

16.37 Uhr: Das UDIOCM am Ziel seiner Träume:

(c) IOC Media via Flickr

(c) IOC Media via Flickr

45 Gedanken zu „Der neunte IOC-Präsident heißt … Thomas Bach (FDP)“

  1. Doch, funktioniert.
    Mal ne Frage zum Prozedere: Gibt es nach jedem Wahlgang (so es denn mehrere sind) eine Zwischenmeldung, wer ausscheidet? Oder warten die mit Statements, bis der Sieger feststeht?

  2. @Henning: sofern in einer Wahlrunde keine absolute Mehrheit erzielt wurde, wird pro Runde der Kandidat mit den wenigsten Stimmen eliminiert.

  3. @Michael: Ja, das weiß ich. Ich meinte aber, ob die das auch dann sofort der Öffentlichkeit verkünden, so wie bei der Wahl des Olympiagastgebers. Oder ob die erst dann mit allen Ergebnissen an die Öffentlichkeit gehen, wenn der Sieger feststeht.

  4. ohne Gewähr, aber:
    ich glaube (gehört zu haben), dass es zwischendurch keine Wasserstandsmeldungen geben wird, sondern zum Schluss einfach der Sieger aus der Black Box krabbelt.

  5. Unser aller Top-Scheich muss aber bestimmt zwischendurch mal eine dampfen, da kann der Hausherr vielleicht noch ein paar Zigaretten Infos abgreifen …

  6. Damit ist der von unserem Lieblingsscheich prognostizierte Erstrundensieg schon mal nicht mehr möglich…

  7. …wenn sich der Hausherr nicht total blamieren möchte, sollte damit ja nur das UDIOCM als Sieger in Frage kommen.

  8. Das denke ich auch; unwahrscheinlich, dass ein anderer Kandidat mit den Stimmen der Wu-Wähler aus dem ersten Wahlgang Bach überholt haben sollte.

  9. Warum dauert das zur Verkündung so lange?

    Sitzt Bach jetzt vorne mit den Insignien des IOC und jedes Mitglied tritt nacheinander nach vorne, küsst seinen Ring und schwört ihm Treue?!

  10. Das UDIOCM (heisst es nun eigentlich UDIOCP?) bekommt noch schnell ein paar Echthaar-Extensions gelegt, ihm gefiel die Karrikatur so sehr. Ausserdem ist das ’ne prima PR für Jens‘ Buch.
    Dann geht das Ringküssen und Treueschwören auch sofort los.

  11. Deutschland atmet auf!

    Die FDP kann doch noch Wahlen gewinnen. Jetzt heißt es: den Schwung mitnehmen! — Thomas Bach for Bundeskanzler!!!

  12. He, Rüdiger, der Wortspielwettbewerb hat noch nicht begonnen.

    Wann wäre denn voraussichtlich Bachablösung? In acht oder zwölf Jahren?

  13. Ich würde doch um ein wenig Nachsicht mit dem Thomas bitten, denn bedenkt:

    Kann ein Bach gegen den Strom schwimmen?

  14. oh… sieh an: sogar Gerhard Delling wurde nach Buenos Aires eingeflogen — um in der Tagesschau seinen Kommentar abgeben zu können.
    (Günther Netzer war aber nicht zu sehen)

    [Nachtrag]
    Delling durfte nach der Siegerehrung auch ein Interview mit Bach führen — und bezeichnete dabei Oswalds Äußerungen tatsächlich en passant als „unter der Gürtellinie“…

    Bach wiegelte natürlich diplomatisch ab und sagte, dass sich Oswald bei ihm „entschuldigt“ habe…
    Bach sagte auch, dass er sich bei der (Doping-?)Bekämpfung am Vorbild Rogges orientieren will.
    Und einer neuerlichen München-Bewerbung jedenfalls nicht im Wege stehen will, oder so.

    Generell war das Interview aber eher auf, sorry, Sportlerniveau (direkt nach dem Wettkampf).

  15. Pingback: Habemus IOCum | Tante Jays Café

  16. Warum „schreiben lässt“? Der Kandidat Präsident geht stets proaktiv zur Sache und hat den Kampf gegen Doping quasi erfunden.

  17. Jeder deutsche Sportler und jede deutsche Sportlerin mit einem Rest Selbstwertgefühl sollte sich seit gestern ernsthaft um eine anständige Erwerbskarriere als Reinigungskraft, Altenpflegepersonal, RegalauffüllerIn im Supermarkt, Bürokraft, PolizeibeamteR, Jurist oder eine ähnlich gelagerte Tätigkeit als anerkanntes Mitglied der Gesellschaft bemühen.

  18. @JJ Preston #35: bezieht sich das jetzt auf Bach oder den DOSB/Vesper?

    Eigentlich wäre ja jetzt der Weg frei für eine neue Richtung im deutschen Sport, wenn nicht Vesper oder Thiel neue Präsis würden. Man kann nur hoffen, dass der DOSB nach 7 Jahren von Bach nicht so abgestumpft wurde, dass keine Diskussion zur Nachfolge stattfindet.

    Vermutlich, weil Bach der Architekt des DOSB ist, ist es aber vielmehr so, dass der DOSB gar nicht abgestumpft wurde – er war nie spitz. Daher sollten die Mitglieder mal schnell damit anfangen ihn zu schärfen – und ab sofort dann mal für die Athleten arbeiten.

    Das Hauptziel des DOSB der letzten 7 Jahre wurde ja gestern erreicht. Es können also neue Ziele definiert werden – wahrscheinlich aber nicht mit Vesper.

  19. Das Hauptziel des DOSB der letzten 7 Jahre wurde ja gestern erreicht. Es können also neue Ziele definiert werden – wahrscheinlich aber nicht mit Vesper.
    Da gibts schon einige:
    – Bach darf ja nur 8 (12) Jahre, da muss nun dringend ein Nachfolger aufgebaut werden
    – Die Kandidaturen für München 2020/22/24…. müssen auf den Weg (Wie ist denn da der Stand? Zeit wird knapp..)
    – Die Trümmer der Dopingbekämpfung rauchen noch, die müssen beseitigt werden als wären sie nie da gewesen

  20. Pingback: ARD mit 34 Leuten bei der IOC-Wahl. ZDF mit 4. Weinreich alleine. | ... Kaffee bei mir?

  21. phoenix (So, 8.12., 13:00): Kamingespräch mit IOC-Präsident Thomas Bach

    Im phoenix-KAMINGESPRÄCH spricht Elmar Theveßen mit Thomas Bach über die Herausforderungen seines neuen Amtes, die Winterspiele in Sotschi, den Kampf gegen das Doping und seinen persönlichen Werdegang.

    Weitere Ausstrahlungen am Sonntag, 8. Dezember, um 24 Uhr, und am Sonntag, 15. Dezember, um 17.00 Uhr.

  22. Pingback: live aus Buenos Aires (I): Welcome back! • SPORT & POLITICS

  23. Pingback: live aus Buenos Aires (V): im Paralleluniversum des Dr. Bach • SPORT & POLITICS

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