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Das Olympische Bildungsmagazin

update: Korruption in der FIFA

Das ist doch mal eine klare, schnörkellose Überschrift zu einer schönen Geschichte, die die Kollegen der Sunday Times da veröffentlicht haben und die weltweit Schlagzeilen macht. So bekommt die krude Doppel-Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften 2018/2022, die weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit abläuft, doch endlich noch Schwung, nachdem der Schwung dieser Geschichte (aus Australien und Deutschland, mit dem Fedorfranz und dem Petersepp) leider etwas verebbte.

Ich bin mir nicht zu blöd, zum wiederholten Male die Antwort von FIFA-Chef Joseph Blatter auf meine Frage zu veröffentlichen, ob der Sport eine Welt-Anti-Korruptions-Agentur (WACA) nach dem Vorbild der WADA braucht.

[youtube ejdhwWlyJ2w nolink]

Wieder einmal „ermittelt“ also die FIFA-Ethikkommission – diesmal sind es Familienmitglieder aus Nigeria und Neuseeland Tahiti, beim nächsten Mal wieder andere. Die üblichen Verdächtigen.

Strukturell ändert sich ja nichts.

Weshalb ich so frei bin und einen Text mit seinen vielen Verlinkungen hineinkopiere, den ich am 25. Juni 2010 aus Südafrika angeboten habe: Wie sich korrupte Funktionäre im FIFA-Reich des Joseph Blatter mit Millionen frei kaufen.

Das ist gewiss nicht die feine englische Art, eigene Blogbeiträge doppelt zu veröffentlichen. Aber warum nicht? Steter Tropfen höhlt den Stein. Als Hintergrund zur aktuellen Affäre dürfte der Beitrag hilfreich sein. (Ich habe derzeit ohnehin keine Möglichkeit, aktuell zu reagieren, weil ich gerade auf dem Weg zum IOC/ANOC-Gipfel in Acapulco bin, die Qualität der Internetverbindung hier auf dem Airport Mexiko-City lässt auch zu wünschen übrig.)

Etliche Informationen und Zitate lassen sich sehr schön auf den aktuellen Fall herunter brechen. Nochmal: Es geht ums System.

Sehr lustig ist der Brief von Blatter an sein Exekutivkomitee:

Sehr geehrte Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees,

ich habe die unangenehme Pflicht, Sie über eine sehr unerfreuliche Situation zu unterrichten, die im Zusammenhang mit der heutigen Veröffentlichung eines Artikels in der Sunday Times unter dem Titel ‚WM-Stimmen zu verkaufen‘ entstanden ist. Die Angaben in diesem Artikel haben einen sehr negativen Einfluss auf die FIFA und den Bewerbungsprozess für die Ausrichtung der FIFA WM-Turniere 2018 und 2022 ausgelöst.

In dem Artikel werden aktuelle und ehemalige Mitglieder des Exekutivkomitees erwähnt. Die FIFA hat als Reaktion darauf die folgende Medienerklärung abgegeben, die ich Ihnen zur Kenntnis bringen möchte: ‚Die FIFA und die Ethik-Kommission der FIFA haben die Bewerbungsprozesse für die Ausrichtung der FIFA WM-Turniere 2018 und 2022 genau verfolgt und werden dies auch weiterhin tun. Die FIFA hat bereits alle Informationen und Dokumente im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit angefordert und erwartet den Eingang dieses Materials. Die FIFA wird das gesamte ihr zur Verfügung stehende Material unverzüglich analysieren.

Erst nach Abschluss dieser Analyse kann die FIFA über weitere Schritte entscheiden. Bis dahin kann die FIFA keine weiteren Erklärungen in dieser Angelegenheit abgeben.‘ Die FIFA wird zu dieser Erklärung stehen und unverzüglich gemeinsam mit der Ethik-Kommission und dem FIFA-Generalsekretär eine gründliche Untersuchung einleiten. Ich werde Sie über die weitere Entwicklung der Angelegenheit auf dem Laufenden halten.

Bis auf weiteres möchte ich Sie bitten, von jeglichen öffentlichen Äußerungen in dieser Angelegenheit abzusehen. Für Ihre Zusammenarbeit bedanke ich mich im Voraus.

Hochachtungsvoll

Joseph S. Blatter
FIFA-Präsident

Nachtrag 19.14 (MESZ), eine Pressemitteilung der FIFA:

Die FIFA bestätigt, dass sie bei der Ethikkommission heute zwei Anträge gestellt hat:

Die FIFA hat ein Ethikverfahren gegen zwei aktuelle Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees eingeleitet, um abzuklären, ob diese gegen das Ethikreglement der FIFA verstossen haben, und hat dabei den Vorsitzenden der Ethikkommission eindringlich gebeten, alle möglichen Schritte zu unternehmen, einschliesslich der Prüfung provisorischer Massnahmen, sollten die dafür vorgegebenen Voraussetzungen erfüllt sein. Weiter laufen Untersuchungen gegen andere FIFA-Offizielle, die im Rahmen des Vorfalles eine Rolle gespielt haben könnten.

Die FIFA bestätigt ebenso, dass Absprachen, wie ein weiterer Vorwurf lautet, ein klarer Verstoss gegen die Bewerbungsregistrierung und das Ethikreglement wären. Aus diesem Grund ist auch in diesem Fall eine Untersuchung gegen die entsprechenden Nationalverbände und entsprechenden Bewerbungskomitees eingeleitet worden. Die FIFA hat auch in diesem Fall den Vorsitzenden der Ethikkommission eindringlich gebeten, alle möglichen Schritte zu unternehmen, einschliesslich der Prüfung provisorischer Massnahmen, sollten die dafür vorgegebenen Voraussetzungen erfüllt sein.

Mein Beitrag vom Juni:

JOHANNESBURG. Lassen wir Fakten sprechen. Dies ist eine Dokumentation (mehr) aus dem Reich des Joseph Blatter und seiner Fédération Internationale de Football Association (FIFA). Es ist eine Geschichte von jenen, die auszogen, Millionen aus dem Fußballgeschäft auf ihre Privatkonten abzuzweigen, die sich seit Jahrzehnten voll fressen wie Maden im Speck, die über die friedensstiftenden Heilkräfte des Fußballs orakeln, die gerade dieser Tage in Afrika wieder halluzinieren, Familienbande beschwören und doch kaum etwas anderes im Sinn haben, als ihre privaten Interessen. Sie werden von nichts und niemandem kontrolliert. Im Gegenteil: Politiker aller Couleur küssen ihnen die Füße, schließlich bewerben sich gerade wieder elf Länder um kommende Weltmeisterschaften.

Dass sie machen können, was sie wollen, dass in der Spezialdemokratie andere Regeln gelten, wurde selten eindrucksvoller bewiesen als mit jenem Deal, den FIFA-Funktionäre, letztlich auch die FIFA und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug gerade in der Causa ISL/ISMM geschlossen haben. Der Deal geht so:

Hohe FIFA-Offizielle haben Millionensummen an Schmiergeld kassiert, FIFA-Offizielle haben sich über Jahre bestechen lassen, FIFA-Offizielle agierten zutiefst korrupt, und weil das ausnahmsweise mal gut dokumentiert ist, zahlt man halt 5,5 Millionen CHF an die Schweizer Staatskasse und kauft sich damit quasi frei. Wichtig ist nur:

Alle Beteiligten sind sich einig darin, dass die Namen aller Schmiergeldempfänger nie öffentlich werden dürfen.

Es gibt Juristen, die so etwas als Korruptionsverdunklungsvertrag bezeichnen. Und das ist nicht der erste in diesem Fall. Ich finde den Begriff zutreffend.

Bevor ich die Einzelheiten dokumentiere, genießen wir zunächst die FIFA-Propaganda und hören auch, was die Staatsanwaltschaft Zug sagt.

Die FIFA erklärt:

Die FIFA reagiert mit Befriedigung darauf, dass die Staatsanwaltschaft Zug ihre Ermittlungen im Zuge des „ISL/ISMM-Falles“ abgeschlossen hat.

Es sei daran erinnert, dass die Entscheidung einen Sachverhalt betrifft, der vor dem Jahr 2000 lag, und dass es keine gerichtliche Verurteilung der FIFA gab. Der FIFA-Präsident wurde von jeglichem Fehlverhalten in dieser Angelegenheit freigesprochen.

Da die Untersuchung und damit auch der Fall nun endgültig abgeschlossen sind, wird die FIFA keine weiteren Erklärungen dazu abgeben.

Die Staatsanwaltschaft teilt mit:

Verfahren nach Wiedergutmachung eingestellt

Der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) wurden Provisionszahlungen von mehreren Millionen Schweizer Franken vorenthalten. Weil die Beschuldigten den Schaden in angemessenem Umfang wiedergutmachten, wurde das Verfahren gegen sie eingestellt.

Der vorliegende Fall geht zurück ins Jahr 2001. Im Mai 2001 wurde aufgrund einer Anzeige der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) gegen Verantwortliche des Managements der ISMM/ISL-Gruppe ein Verfahren eingeleitet. Das ehemalige Untersuchungsrichteramt Zug schloss jenes Verfahren mit Verfügung vom 18. März 2005 ab und überwies dieses an die damalige Staatsanwaltschaft des Kantons Zug zur Anklageerhebung. Die Staatsanwaltschaft hat in der Folge „bezüglich der meisten Vorwürfe Schuldsprüche beantragt“. Die anschliessenden Verfahren vor erster und zweiter Instanz der Zuger Gerichtsbehörden führten in den meisten Fällen zu Freisprüchen.

Im Anschluss an die einleitend erwähnte Strafuntersuchung wurde am 8. August 2005 von Amtes wegen ein weiteres Verfahren gegen Unbekannt wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung zum Nachteil der FIFA eröffnet. Aufgrund der Ermittlungsergebnisse, denen ausgedehnte Abklärungen im In- und Ausland zu Grunde liegen, musste das Verfahren auf mehrere Personen ausgedehnt werden. Nachdem die abgenommenen Beweise eine Beurteilung des objektiven Tatbestandes ermöglichten und eine Wiedergutmachung des durch die Beschuldigten verursachten Schadens erfolgt war, wurde das Strafverfahren gestützt auf Art. 53 StGB eingestellt.

Die Einstellungsverfügung ist rechtskräftig. Provisionszahlungen als Auslöser des Verfahrens Ausländische Personen von FIFA-Organen kamen bis ins Jahr 2000 in den Genuss von Provisionen, die von der ISMM/ISL-Gruppe ausgeschüttet wurden. Diese Zuwendungen standen einerseits im Zusammenhang mit Vertragsabschlüssen dieser Gruppe und andererseits erfolgten diese Zahlungen aus Gründen der Verknüpfung der Provisionsempfänger mit der FIFA. Die Zahlungsadressaten unterliessen es, die Gelder an die FIFA weiterzuleiten und verwendeten die Vermögenswerte für ihre eigenen Zwecke. Die FIFA ihrerseits unterliess es, die ihr zustehenden Vermögenswerte von den Beschuldigten einzufordern. Sie wurde in diesem Umfang geschädigt.

Die Beschuldigten haben im Rahmen des Verfahrens den Empfang der Gelder nicht in Abrede gestellt, verneinten jedoch eine strafrechtliche Verantwortung. Sie zeigten sich aber bereit, den von der Staatsanwaltschaft als einer Wiedergutmachung zugänglich qualifizierten Betrag von 5.5 Millionen Franken zu bezahlen. Damit konnte der Schaden in diesem Umfang wieder gutgemacht werden. Ein Teil der Wiedergutmachungszahlungen in der Höhe von 2.5 Millionen Franken kommt gemeinnützigen Organisationen zu. Die Beschuldigten haben zudem die Verfahrenskosten übernommen.

Mir fehlt die Zeit, alle Absurditäten dieser Erklärungen aufzulisten.

Mit diesem Deal könnte das letzte Kapitel in der juristischen „Aufarbeitung“ des größten Bestechungsskandals der olympischen Sportgeschichte geschrieben worden sein. Es geht um mindestens 138 Millionen Schweizer Franken, mit denen das Firmen-Konglomerat ISL/ISMM, zwanzig Jahre lang unangefochtene Nummer eins der Welt im Sportmarketing, zahlreiche hochrangige Sportfunktionäre geschmiert hat, um an die lukrativsten, milliardenschweren TV- und Sponsorenverträge zu gelangen. Diese 138 Millionen sind aber nur die Spitze des Eisberges, nimmt man kriminalistisches Basiswissen zum Maßstab und bedenkt, dass 95 bis 98 Prozent aller Korruptionsfälle unentdeckt bleiben, so errechnet sich über die zwei Jahrzehnte der ISL-Herrschaft im olympischen Sportmarketing leicht eine Milliardensumme.

Es ist ein Wirtschaftskrimi, ein Politkrimi, Geheimdienste mischten auch stets mit. Es ist ein Thriller. Denn es war schließlichJean-Marie Weber, der Blatter-Freund, der Havelange-Freund, der Schmiergeldbote und treuer Diener des ISL-Gründers Horst Dassler, der mehrfach in kleinen Kreisen bekannt hat: Wenn er die Namen aller Schmiergeldempfänger ausplaudern würde, wäre er ein toter Mann.

Präzise betrachtet geht es um mehr als diese 138 Millionen oder von mir aus auch eine Milliarde. Das gesamte System basierte auf Korruption (oder basiert noch?), die Vergabe von Marketingrechten, die Wahl von Präsidenten und anderen Offiziellen, die Vergabe von Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften – alles ist miteinander verwoben. Eigentlich müsste Sportgeschichte neu geschrieben werden.

Erinnern wir uns an den ISL-Strafprozess im Frühjahr 2008 in Zug:

Der Richter:

“Das hat etwas Verschwörerisches an sich!�

Ein ehemaliger ISL-Manager:

“Alle diese Zahlungen waren notwendig, um überhaupt Verträge zu bekommen und dass die (gemeint sind die Sportfunktionäre/d. A.) sich dran halten.�

Schmiergeld an Sportfunktionäre zu zahlen ist:

“Als wenn man Lohn bezahlen muss. Sonst wird nicht mehr gearbeitet. Ansonsten wären diese Verträge von der anderen Seite nicht unterschrieben worden. Diese Zahlungen sind betriebswirtschaftlich notwendig, sind echte Aufwandspositionen. Nur die andere Seite möchte nicht genannt werden, das ist das Sensitive.�

Ein anderer ISL-Manager:

“Diese Praxis war unerlässlich, sie war branchenüblich, sie gehörte zum Stil des Geschäfts.�

So lief’s Business:

Chart ISMM bribery system, basierend auf Gerichtsakten und Zeugenaussagen

Ich kann es niemandem, der wirklich an diesem Thema und den Hintergründen interessiert ist, abnehmen, sich die Fakten anzusehen, ausführlich dokumentiert:

Lange bevor wir an etliche Kilo ISL-Akten kamen, haben Thomas Kistner und ich mal aufgeschrieben (ebenfalls basierend auf etlichen exklusiven Dokumenten), wie sich ISL und Leo Kirch einst die TV-Rechte an den Fußball-Weltmeisterschaften 2002 und 2006 gesichert haben – auch ein Milliardendeal, wer mal in den ersten Vertrag reinschauen möchte, bitte sehr:

Bevor Sepps Kommunikationsarbeiter, seine juristische Abteilung und seine teuren Zürcher Anwaltsfreunde aktiv werden, gebe ich den Herrschaften flink jene Definition von Korruption mit auf den Weg, die hier stets verhandelt wird, die sich die Kameraden aber nie merken können:

Korruption ist der Missbrauch von anvertrauter Macht zu privatem Vorteil.

Wer es genauer wissen will, Analysen zu Strukturen und Formen der Korruption im Sport mit Dutzenden Links zu Originaldokumenten:

Ich habe eingangs gesagt: Lassen wir Fakten sprechen. Propaganda begegnet man am besten mit Fakten, oder?

Die aktuelle Entwicklung in Zug habe ich seit Mittwochabend für verschiedene Medien aufgeschrieben, am Donnerstag stand schon ein Beitrag exklusiv in der NZZ, heute beispielsweise in der Berliner Zeitung:

Millionenschweres Geheimnis

Hochrangige Fifa-Funktionäre kaufen sich frei

JOHANNESBURG. Im größten Bestechungsskandal der olympischen Sportgeschichte sind Funktionäre aus dem Umkreis des Fußball-Weltverbands Fifa zentral involviert. Einige dieser Fifa-Offiziellen, die viele Millionen Schweizer Franken kassierten, haben sich nach einem Deal mit der Staatsanwaltschaft Zug nun quasi freigekauft. Nachdem hochrangige Fußballfunktionäre eine sogenannte „Wiedergutmachungszahlung“ in Höhe von 5,5 Millionen Schweizer Franken geleistet haben, wird das Verfahren eingestellt. Für den Fifa-Präsidenten Joseph Blatter aber kommt dieser Deal einem WM-Gewinn gleich.

Der Hintergrund: Im Frühjahr 2008 wurde während des Prozesses gegen sechs ehemalige Manager der Sportmarketinggruppe ISL/ISMM die Zahlung von 138 Millionen Schweizer Franken Schmiergeld an hohe Funktionäre des olympischen Weltsports dokumentiert. Zu den Geschäftsprinzipien der Firmengruppe gehörte es, mit Bestechungszahlungen an lukrative und teilweise milliardenschwere TV- und Marketingverträge zu gelangen, mit Sportorganisationen wie dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC), dem Fußball-Weltverband Fifa sowie anderen Verbänden (u. a. Leichtathletik, Schwimmen, Basketball). In Deutschland etwa wurden viele Jahre die dubiosen Umstände diskutiert, unter denen der damalige Fifa-Generalsekretär Blatter half, der ISL und der Kirch-Gruppe die milliardenschweren TV-Rechte an den Weltmeisterschaften 2002 und 2006 zuzuschustern.

„Ausländische Personen von Fifa-Organen kamen bis ins Jahr 2000 in den Genuss von Provisionen, die von der ISMM/ISL-Gruppe ausgeschüttet wurden“, teilt die Staatsanwaltschaft nun mit. „Die Zahlungsadressaten unterließen es, die Gelder an die Fifa weiterzuleiten und verwendeten die Vermögenswerte für ihre eigenen Zwecke. Die Fifa ihrerseits unterließ es, die ihr zustehenden Vermögenswerte von den Beschuldigten einzufordern. Sie wurde in diesem Umfang geschädigt.“

Der ehemalige ISL-Finanzchef Hans-Jürg Schmid erklärte seinerzeit vor Gericht:

„Das ist, als wenn man Lohn bezahlen muss. Sonst wird nicht mehr gearbeitet. Ansonsten wären diese Verträge von der anderen Seite nicht unterschrieben worden.“

Der einstige ISMM-Verwaltungsratschef Christoph Malms sagte damals aus:

„Diese Praxis war unerlässlich, sie war branchenüblich, sie gehörte zum Stil des Geschäfts. Ohne das geht es nicht.“

In den Gerichtsunterlagen tauchten als Zahlungsempfänger die Fifa-Exekutivmitglieder Nicolas Leoz (Paraguay) und Brasiliens Verbandschef Ricardo Teixeira auf – letzterer über seine Firma Renford Investments, die er gemeinsam mit dem langjährigen Fifa-Präsidenten João Havelange betrieb und die von der ISL-Gruppe mindestens 2,5 Millionen Franken erhielt. Nur ein Bruchteil der bestochenen Funktionäre ist namentlich bekannt. Zur Verantwortung wurde allerdings niemand gezogen.

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen, die während des Konkurses der ISMM-Gruppe im Frühjahr 2001 eingeleitet wurden, eröffnete die Staatsanwaltschaft im August 2005 ein weiteres Verfahren – diesmal gegen unbekannt wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung zum Nachteil der Fifa. Damals hatte der einstige ISL-Manager und erwiesene Schmiergeldbote Jean-Marie Weber an den Konkursverwalter des ISL-Konglomerats 2,5 Millionen Franken gezahlt. Mit diesem Geld, dessen Herkunft unbekannt ist, wurde ein von Juristen als Korruptionsverdunklungsvertrag bezeichnetes Abkommen geschlossen: Im Gegenzug verpflichtete sich der Konkursverwalter, keine Verfahren gegen Fußballfunktionäre zu eröffnen und die Namen der Schmiergeldempfänger nicht zu veröffentlichen.

Das zweite Kapitel in diesem Korruptionsverdunklungsvertrag schreibt nun die Staatsanwaltschaft. Die Bestochenen zahlen 5,5 Millionen – und ihre Namen werden auf immer geheim bleiben. Die Staatsanwaltschaft benutzt erstaunlicher Weise statt der korrekten Begriffe „Schmiergeld“ oder „Bestechungsgeld“, die im Prozess von den Richtern herausgearbeitet wurden, die verharmlosende Vokabel „Provision“.

Die Funktionäre des Weltverbandes Fifa haben „den Empfang der Gelder nicht in Abrede gestellt, verneinten jedoch eine strafrechtliche Verantwortung“, heißt es. Strafrechtlich war Korruption zu dieser Zeit in der Schweiz nicht zu ahnden – zivilrechtlich schon. Gemäß Gerichtsaussage des ehemaligen ISMM-Chefs Malms war das System der Bestechungszahlungen („Provisionen“) von der eidgenössischen Steuer, der KPMG und renommierten Zürcher Kanzleien (Niederer Kraft & Frey, Prager Dreifuss) mit „abgesegnet und gutgeheißen“ worden. Letztlich hat nun auch die Staatsanwaltschaft das System abgesegnet.

FIFA-Präsident Joseph Blatter, FIFA Senior Vice President Don Julio Grondona

Natürlich hat Sepp gut Lachen.

Hier entlang geht es übrigens zum FIFA-Ethik-Code und einer Stil- und Textkritik des einmaligen Werkes.

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26 Gedanken zu „update: Korruption in der FIFA“

  1. das kleine blatter-video hatte übrigens auch schon SPON für einen passenden kommentar zum thema gehalten und im gestrigen artikel zum thema (Dunkle Flecken im Reich des Sonnenkönigs) verlinkt (natürlich ohne den kameramann zu nennen).

    @sebastian
    es sind die möhren.
    (zumindest wenn man das „auf einmal“ hinreichend eng auslegt. allenfalls die schriftart könnte sich heimlich geändert haben, insbesondere wenn du einen mac hast)

  2. Lieber Jens,

    meine Illusionen ueber die FIFA hast du mir bereits in den 90ern mit deinem Buch „Das Milliardenspiel“ geraubt – als ich noch Student war und dein Werk waehrend eines langweiligen Studentenjobs verschlungen habe.

    Cheers
    V.

  3. So eine Unkollegialität, auch wenn es keine direkten Redaktionskollegen sein mögen, verstehe ich nicht, zumal es ja weder Reputation noch Leser noch Marktanteile kosten würde. Warum nennt SPON nicht den Urheber des dort verlinkten Videos, wenn dieser doch selbst Autor von immer mal wieder bei SPON veröffentlichten Beiträgen ist?

    Me geschlagen mit Naivität und Unwissenheit.

  4. @jens
    nicht ganz zum thema, aber…
    wo du in deinem artikel für die berliner zeitung (siehe #7) schon so eine explizite querstrebe eingebaut hast zwischen der berufung von gunilla lindberg zur chefin der 2018-evaluierungskommission und ihrer (erfreulich) klaren haltung in sachen waca — und noch nicht einmal davor zurückschreckst, das zum signal für die bewerber zu erklären… bist du dann auch so konsequent, darin einen, nunja, „meßbaren“ nachteil für die pyeongchang-bewerbung mit ihrer erwiesenermaßen korruptionsgestählten führungsriege zu sehen?

    oder ist ein derartiger gedanke schon allein deswegen abwegig, weil die evaluierungskommission letzten endes sowieso nur die folkloretruppe zur gestaltung des pausenprogramms ist?

  5. Thomas Hummel in der SZ: Blatter greift durch – provisorisch

    In Zürich mussten die Fifa-Funktionäre nun die Frage beantworten, ob man denn angesichts der neuen Entwicklungen nicht davon ausgehen müsse, dass der Verband als solches ein korruptes Unternehmen sei. Empörung regte sich daraufhin vorne am Pult: Das Vergehen Einzelner könne doch nicht auf das Ganze übertragen werden!

  6. die auf schlammigen terrain geführte englische medienoffensive auf die wm 2018 geht weiter. der „daily telegraph“ berichtet (wie SPON via sid meldet) von verbotenen absprachen zwischen spanien/portugal und katar. der portugiesische verbandspräsident dementiert im kern zwar energisch, bestätigt damit aber zumindest indirekt, dass sich die (am mittwoch ohne nennung der betroffenen bewerber verkündeten) fifa-untersuchungen wegen möglicher absprachen eben genau auf diese beiden bewerber beziehen.

    (sehe gerade, dass die mutmaßliche original-meldung schon von vorgestern ist… hat die übersetzung wohl etwas länger gedauert… ^^)

  7. Ach nee, nicht schon wieder. Ich glaub´s nicht.
    Aber schön, dass es bei der UEFA eine Kommunikationsabteilung gibt. Die kann dann mit sich selbst kommunizieren, ohne Herrn Infanti (l/n)o zu informieren.

  8. jetzt natürlich die 500.000$-frage: wer im erlesenen fifa-exko ist

    der größte verbrecher der welt

    ?

    wobei: ich dachte ja, eine halbe mille wären in diesen kreisen peanuts. da hatte ja selbst der kleine fisch aus nigeria einen höheren tarif. andererseits wiederum ging es dabei ja nur ganz altruistisch um entwicklungshilfeprojekte. ob herr zen-ruffinen da differenziert?

  9. Die FIFA scheint nunmehr auch offiziell gegen die Bewerbung von Spanien/Portugal für die WM 2018 (und damit wohl auch gegen Katar 2022) zu ermitteln:

    Die FIFA habe die Bewerber um Aufklärung gebeten.

    der Generaldirektor der spanisch-portugiesischen WM-Kandidatur kommentiert das ein wenig prophetisch, aber wohl treffend mit den Worten:

    Wir gehen davon aus, dass die Sache sich damit erledigt hat

    Aber ansonsten scheinen die Nerven zumindest bei den Europäern so ziemlich blank zu liegen, zumindet hat die dpa heute die Schlammschlacht ausgerufen, kurz zusammengefasst: bellum omnium contra omnes. Schön. Ein paar nette Zitate sind auch dabei:

    «Welch ein Zufall, dass all diese Berichte aus England kommen!», erklärte der Spanier. Er äußerte zudem den Verdacht, dass die Engländer mit den USA eine Absprache getroffen haben könnten. Der Chef der englischen Kandidatur, David Dein, habe bereits von einem Verzicht der USA auf eine Bewerbung um die WM 2018 gesprochen, als die Amerikaner dies noch gar nicht entschieden hätten. «Wenn das mal kein Pakt ist!», meinte López. «Wenn ich das sehe, komme ich auf üble Gedanken.»

    na Jens, bist du da jetzt eigentlich auch Teil des Pakts, wo du doch die US’18-Kandidatur auch schon vor der Zeit abgehakt hattest… ^^

  10. J.W. in der Berner Zeitung: Der Sport folgt eigenen Regeln

    Wer die unheimliche Melange zwischen Sportverbänden und Korruption erkunden will, sollte einfach nur Joseph Blatter lauschen. Der Fifa-Präsident doziert gern über sportfremde Mächte, die seine schöne heile Welt überkommen und ihr Unwesen treiben. «Wir müssen die Werte des Fussballs verteidigen gegen die Teufel, die es gibt», pflegt Blatter zu sagen. «Wenn wir gegen Dämonen kämpfen, müssen wir unsere eigenen Gesetze durchsetzen und nicht darauf warten, dass uns fremde Gerichte sagen, wo es langgeht.»

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