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Das Olympische Bildungsmagazin

Olympias Programm-Kosmetik

Bevor ich es mir morgen im Stadion gemütlich mache und hier während der WM regelmäßiger zur Sache gehe, noch schnell ein Nachtrag zur Sitzung des IOC-Exekutivkomitees gestern in Berlin und zu den Beschlüssen zum olympischen Programm. (Aus Zeitgründen kann ich nicht umfangreicher verlinken, sorry.)

Jacques Rogge verkündete die Botschaft kurz und schmerzlos. Länger als gewöhnlich hatte die Sitzung des IOC-Exekutivkomitees im Berliner Hotel Interconti gedauert. Die Herrschaften wirkten gestresst, als sie einer nach dem anderen vor der Pressmeute flüchteten. Als Rogge, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), dann mit einigen Minuten Verspätung zur Pressekonferenz erschien, sagte er zunächst nur: „Wir haben zwei wichtige Entscheidungen getroffen. Wir haben Frauen-Boxen ins Programm der Sommerspiele 2012 aufgenommen. Wir schlagen Rugby und Golf für 2016 vor. Fragen bitte!“

Auf diese Mitteilung hat die Olympische Bewegung nun mehr als vier Jahre gewartet. Zwei von 28 Sommersportarten waren 2005 in Singapur von der IOC-Session abgewählt worden: Softball und Baseball. Sieben Sportarten wollten für 2016 ins Programm: Softball, Baseball, Rugby, Golf, Inlineskating, Squash und Karate. Nur zwei dieser sieben Weltverbände dürfen nun weiter hoffen. Die IOC-Vollversammlung muss im Oktober in Kopenhagen mit einfacher Mehrheit über Rugby und Golf entscheiden. Ausgerechnet Rugby, Rogge war einst belgischer Nationalspieler. Auch deshalb, weil seine Liebe zum Rugby bekannt ist, betonte Rogge einmal mehr, dass er bei derlei Entscheidungen nicht abstimmt.

Nach einem jahrlangen Ringen der sieben Weltverbände, nach einer viele Millionen Dollar teuren PR-Kampagne, lag es also in der Macht von vierzehn IOC-Vorständlern, über die Zukunft ganzer Sportler-Generationen zu entscheiden. Hochinteressant dabei, dass Golf, oft als Sport der alten Männer verspottet, in den ersten beiden Wahlgängen nur eine Stimme erhielt. Rugby setzte sich schnell durch, eliminiert wurden dann in dieser Reihenfolge: Inlineskating, Squash, Baseball, Karate, Softball – bis Golf als zweiter Sieger übrig blieb.

„Wir haben alles versucht“, sagte ein tieftrauriger Softball-Präsident Don Porter (USA), der schon 2005 unterlegen war. Rogge argumentierte, nach dem Abschied von Softball (das Olympiaturnier wurde mit 120 Frauen gespielt) wachse  mit Rugby (144 Frauen) und Golf (60 Frauen) der weibliche Anteil an Olympiasportlern. „Ich sehe das anders“, sagte Porter: „Das IOC hätte es leichter haben können. Als wir vor Jahren unser Feld aufstocken wollten, haben sie es nicht erlaubt.“ Porter will nun die Basis seines Sports stärken und sich auf die Qualität internationaler Meisterschaften konzentrieren, bevor es wieder um die Olympiateilnahme geht. Andere Verbandspräsidenten äußerten sich ähnlich.

Rogge hielt ausdrücklich fest, dass Golf und Rugby noch nicht am Ziel sind. „Wir haben nur etwas vorgeschlagen, die IOC-Session hat das letzte Wort.“ Entschieden hat das Exekutivkomitee allerdings die Aufnahme von Frauen-Boxen schon für London 2012: Es wird eine Männer-Gewichtsklasse gestrichen – dafür kommen drei Frauen-Klassen mit je acht Boxerinnen hinzu. Ursprünglich wollte der Box-Weltverband AIBA fünf Gewichtsklassen. Rogge erinnerte an das Beispiel Ringen, wo einst auch in drei Klassen Frauen begannen. AIBA-Präsident Ching-Kuo Wu (Taiwan) fügte sich. Wu, selbst IOC-Mitglied, passte seine Wünsche stets den Maßgaben der IOC-Führung an und freute sich diebisch: „Das ist nur der erste Schritt!“.

Die Wünsche vieler Verbände – es lagen Anträge aus siebzehn Föderationen vor – wurden nicht erfüllt. Ringer, Radfahrer, Schwimmer und andere stellten sich ungeschickt an. Sie wollten ihr Programm für London beträchtlich ausweiten. Rogge machte klar, dass über den beiden Quoten – rund 300 Entscheidungen, etwa 10.500 Sportler bei Sommerspielen – nichts läuft. Wenn also der Schwimm-Weltverband (FINA) drei weitere 50-Meter-Sprints und je eine Langstrecke bei Männern und Frauen im Programm haben will, gibt es nur eine Lösung: „Sie müssen etwas anderes streichen.“

Die aus deutscher Sicht wichtige Entscheidung des Exekutivkomitees betrifft den Kanurennsport: Schon in London wird es im Männerbereich keine 500-Meter-Rennen mehr geben – sondern nur noch Sprints über 200 Meter. „Das ist spektakulärer“, glaubt der IOC-Präsident. Er verteidigte die Entscheidung für Golf und verglich die Situation mit der Zulassung von Tennis (ab 1988) sowie den Profis im Basketball (1992) und Eishockey (1992). „Damals hieß es auch, diese Profis würden sich nicht für Olympia interessieren“, sagte Rogge. „Das Gegenteil ist der Fall. Fragen sie Nadal. Fragen sie Federer. Fragen sie die NHL- und die NBA-Spieler. Das wird beim Golf nicht anders sein.“

18 Gedanken zu „Olympias Programm-Kosmetik“

  1. Der Link zur „Liste der Peking-Dopingfälle“ geht auf die falsche Seite. Ich würde aber ohnehin diese hier verlinken. Dort gibt es die vollständigere Liste. Den Fall Hansen (noch vor dem CAS) konnte das IOC also noch nicht „ratifizieren“…

  2. Jens,

    wie erklärst du dir die interessanten Verlaufskurven der einzelnen Sportarten in den einzelnen Stimmrunden. Karate beispielsweise hat seine meisten Stimmen immer in der ersten Runde bekommen, dann sinkt die Zahl. Dabei sollte man ja eigentlich meinen, dass eine Sportart an Stimmen zulegen kann, weil ja andere Sportarten rausgeflogen sind.

    Gruß

  3. Der deutsche Boxverband hat das Frauenboxen durch seine rassistische Ignoranz verpennt. Richtig wäre, bei den Männern alle ‚halbe‘ Gewichtsklassen abschaffen und dafür genau so viele Frauenklassen einzuführen.

  4. IOC: Six new events added to the Olympic Winter Games programme in Sochi

    They are ski half-pipe (men and women), women’s ski jumping, biathlon mixed relay, figure skating team event and luge team relay.
    […]
    Five other events – ski slopestyle (men and women), snowboard slopestyle (men and women), and Alpine team parallel competition – are subject to a further feasibility study. A decision on the inclusion of these five events will be made within the coming weeks.

  5. Michael Eder in der FAZ: Slopestyle: Die Tür ist wieder zu

    Wie die Fis allerdings ohne Hilfe der TTR eine funktionierende Slopestyle-Qualifikationsserie auf die Beine stellen will, darauf darf man gespannt sein. Bisher gibt es in dieser Disziplin, in welcher für den Bau jedes kilometerlangen Hindernisparcours enorm viel Geld und Knowhow nötig ist, nicht einmal einen Fis-Weltcup.

  6. Pingback: Nachwehen der Jugendspiele: Dreier-Basketball wird (ziemlich sicher) olympisch : sport and politics

  7. Wolfgang Scheffler in der FAZ: Kein Ryder Cup in Deutschland: Golf im Schatten des Geldes

    Sogar die deutsche Politik hatte sich diesmal auf allen Ebenen für die Bewerbung in dem rund 90 Kilometer von Berlin entfernten Resort am idyllischen Scharmützelsee in Brandenburg stark gemacht und eine Steuerbefreiung für den Ausrichter genehmigt. Da dies und die massive Unterstützung der Hauptsponsoren nicht reichte, bleibt nur eine Erklärung: Die Italiener haben mehr Geld geboten.

    Gerald Kleffmann in der SZ (11.12.): Ein Verfahren? Eine Farce!

    Irritierend auch, wie sich Deutschland, Österreich, Spanien, Italien geben. Es wird für sich geworben, klar, bezüglich kritischer Themen aber abgetaucht, und wenn, nur anonym geraunt, was vom Bieterprozedere, in dem es um Millionen für den Golfbetrieb, aber auch um die Verwendung von Steuergeldern oder Subventionen geht, zu halten ist: völlig intransparent.
    […]
    Olympia- wie Fußball-Fifa-Geist sind beschädigt, ja, aber im feinen Golf, mit dem drittgrößten Ereignis, ist doch alles porentiefrein!
    […]
    Eine Opposition hat eine Klage gegen den 18-Millionen-Ryder-Cup-Soli in Arbeit, den die DGV-Mitglieder leisten müssen. Zudem fordert sie Transparenz und will wissen, wo der Soli landet

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