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Das Olympische Bildungsmagazin

Nachwehen der Jugendspiele: Dreier-Basketball wird (ziemlich sicher) olympisch

IOC-Präsident Jacques Rogge verfolgt mit den Olympischen Jugendspielen mehrere Ziele. Eines lautet: Er will über den Umweg der Youth Olympic Games neue Disziplinen und künftig auch neue Sportarten testen für die echten Olympischen Spiele. „Wir entwickeln neue Formate“, hat er zu Beginn der Premiere in Singapur gesagt, „die sollten wir, wenn sie erfolgreich sind, auf die traditionellen Spiele anwenden.“

Der Basketball-Weltverband FIBA ist ein Vorreiter dieser Entwicklung. Die FIBA hat für die Jugendspiele in Singapur einen neuen Wettbewerb kreiert, der an die Wurzeln dieser Sportart geht: Mädchen und Jungs spielten drei gegen drei, eine Art Streetball, FIBA 33 genannt.

Der Schweizer FIBA-Generalsekretär Patrick Baumann, selbst IOC-Mitglied, sprach stets von einem „realistischen Traum“, dass seine neue Basketball-Variante olympisch werden könnte – etwa bei einem Hintergrundgespräch mit Rogge im April 2010 in Dubai. Hinter diesem Traum steckt eine Strategie – und die ist erfolgreich: Carlos Nuzman, IOC-Mitglied in Brasilien und Chef des Organisationskomitees der Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro, sagt nun, er wünsche sich so ein Basketballturnier, drei gegen drei, in sechs Jahren an der Copacabana. So wird es kommen, so war es von Rogge geplant.

Man könnte natürlich sagen, Nuzmans Reaktion sei bestellt gewesen, war sie sicherlich, denn Rogge will und muss etwas vorzeigen. Man könnte natürlich auch behaupten: Nur FIBA 33 taugt vorerst fürs große Olympia. Ich sage: Es wird viel mehr passieren.

Spätestens auf der IOC-Session 2013, wenn Rogge das Präsidentenamt an seinen Nachfolger übergibt, wird die Dreier-Variante des Basketballs olympisch, behaupte ich einfach mal. Eigentlich bräuchte es die Session dazu gar nicht, denn das IOC-Exekutivkomitee kann das gemeinsam mit der FIBA beschließen. Voraussetzung wäre allerdings, dass die FIBA gleichzeitig einige Teilnehmer beim herkömmlichen Turnier einspart, um die Aktivenzahl insgesamt nicht groß zu erhöhen. Die Sommerspiele sind auf rund 10.500 Athleten limitiert.

Der Fahrplan sei „logistisch und von der Wettbewerbsstruktur her realistisch“, sagte mir FIBA-Sprecher Florian Wanninger. Dreier-Basketball sei so alt wie das Spiel selbst und wurde vor Jahren bereits von den großen Ausrüstern unterstützt. Die Palette der FIBA-Wettbewerbe werde entscheidend erweitert und große Anreize für den Nachwuchs geschaffen. Außerdem sei Dreier-Basketball billig und gebe kleinen Nationen Chancen auf internationalen Ruhm, erklärt Wanninger:

Das wird eine neue Bewegung und ein neues Werkzeug für unsere Mitglieder und es wird neue Fans zum Basketball locken.

Generalsekretär Baumann sagt, 2012 könnte es die erste Weltmeisterschaft geben, es werde sich eine neue Generation von Spielern entwickeln, ähnlich wie vor Jahren im Beachvolleyball. Rios Organisationschef Carlos Nuzman weiß, wovon er redet: Er kommt aus dem Volleyball und hat die Entwicklung begleitet.

Die Deutsche Presse-Agentur trägt dazu u.a. hier einige Quotes zusammen:

Ich bin davon begeistert. Es ist unheimlich dynamisch. So hat es auch mit Beachvolleyball begonnen.

Ingo Weiss, Präsident des Deutschen Basketball-Bundes, Vizepräsident des Europäischen Basketball-Verbandes und Chef der Deutschen Sportjugend (u.a.)

Für mich ist dieses Basketball das Innovativste bei den Spielen.

Ulf Tippelt, DOSB-Leistungssportdirektor

Jacques Rogge hat mit den Jugendspielen, die in wenigen Stunden enden (hier geht es zur Übertragung der Abschlussfeier), zweifellos Fakten geschaffen. Die Modernisierung des Olympiaprogramms war seit seinem Amtsantritt im Juli 2001 eines seiner wichtigsten Projekte. Damit scheiterte er mehrfach am Widerstand des Establishments – etwa 2002 auf der IOC-Session in Mexiko-City und 2005 auf der Vollversammlung in Singapur. Im Kern wurde das Programm vor mehr als 100 Jahren vom IOC-Gründer Baron de Coubertin geformt.

Das IOC hat auf neue Entwicklungen und Trendsportarten selten überzeugende Antworten gegeben. Bei den Winterspielen gelang das besser, etwa mit der Einführung von Snowboard oder zuletzt Skicross. Bei den Sommerspielen aber, wo das Programm viel dichter ist, hat man im Grunde versagt. Die 35 olympischen Sportverbände (derzeit 26, demnächst wieder 28 Sommer/sieben Winter), von denen die meisten ein kolossales Akzeptanzproblem haben und ohne die Millioneneinnahmen aus dem olympischen Marketingprogramm nicht existieren können, hielten stets zusammen und verweigerten sich einer Grundsatzreform.

IOC-Papiere (alle pdf):

Blogbeiträge dazu:

Nach lang währenden sportpolitischen Scharmützeln wurden lediglich Softball und Baseball aus dem Programm der Sommerspiele verbannt (ab 2012 in London). Dafür kommen 2016 Golf und eine selten gespielte Rugby-Variante (mit sieben Aktiven) hinzu. Rogge rang der IOC-Session 2007 allerdings Zugeständnisse ab, wonach nun das Executive Board des IOC weitgehend selbständig über neue Disziplinen entscheiden und auch Sportarten zur Aufnahme ins Olympische Programm auswählen darf.

Die Verbände haben die Jugendspiele zunächst nur zögerlich angenommen, dann aber doch in Maßen experimentiert. Die FIBA ist ein Beispiel, andere Verbände führten gemischte Staffeln (Schwimmen) oder Mixed Wettbewerbe (Fechten) ein. Die Kanuten ließen Mann gegen Mann paddeln. Die Wettbewerbe zwischen Kontinental-Teams (u.a. Leichtathletik) und gemischten Nationenteams, die in Singapur ausprobiert wurden, wird es beim großen Olympia allerdings nicht geben. Dort wird weiter strikt in Nationalteams operiert.

Die Modernen Fünfkämpfer mit ihrem deutschen Weltverbandspräsidenten Klaus Schormann gehen wieder einmal voran. Schormann hat seinen Sport, der von Coubertin erfunden wurde, seit Mitte der neunziger Jahre sukzessive erneuert. Damals stand der Fünfkampf – eine Melange aus Laufen, Schwimmen, Schießen, Fechten und Reiten – vor dem Olympia-Aus und damit vor dem Exitus. Schormann knüpfte Allianzen im IOC und unter den anderen Verbänden, vor allem aber revolutionierte er die Sportart. Aus einem behäbigen Fünf-Tage-Wettbewerb ist ein schickes Ein-Tages-Event geworden. In Singapur wurden nun erfolgreich Laser-Pistolen getestet. „Damit kommen sie sogar problemlos durch den Zoll“, sagt Schormann und grinst über seinen neusten Clou. Denn die Frage der Grenzkontrollen ist eine ganz praktische für Waffenbesitzer.

„Die Laser-Pistolen“, teilt der Hesse beschwingt mit, „bauen sie einfach auseinander und dürfen sie sogar auf Flügen im Handgepäck bei sich haben.“ Schormann erfüllt dem IOC-Präsidenten noch jeden Wunsch. Und wer weiß, vielleicht wird er für soviel Folgsamkeit belohnt und erreicht doch noch sein Lebensziel: eine IOC-Mitgliedschaft.

21 Gedanken zu „Nachwehen der Jugendspiele: Dreier-Basketball wird (ziemlich sicher) olympisch“

  1. Ist mit 3er Basketball Streetball gemeint? Das wird doch kaum organisiert gespielt, wie kann ein Sport da plötzlich olympisch werden? Absolut lächerlich.
    Und 7er Rugby kaum gespielt? Da gibt es seit Jahren Welt- und Europameisterschaften sowie teilweise spezielle Profispielbetriebe in einzelnen Ländern. Natürlich ist die 15er Variante populärer und weiter verbreitet, eben nur leider nicht als vernünftiges Turnier in einem olypiakonformen Zeitraum durchzuziehen.

  2. @ JensA: Ich bin weder Basketball-, noch Rugby-Experte. Ich trage nur zusammen, was passiert. Habe oben einiges verlinkt, schau’s Dir an. Natürlich müssen sie etwas Neues aus dem Boden stampfen, es gibt ja imho im FIBA33 keine Ligen, Meisterschaften etc. Aber sie sind wild entschlossen. Das war u.a. Thema des Beitrages, und natürlich – wie immer – die Programmfrage, also die Quadratur des Kreises an sich.

  3. wenn man versucht, sich das FIBA33-video anzuschauen, bekommt man statt des films allerdings nur die meldung zu sehen:

    Dieses Video enthält Content von IOC. Dieser Partner hat die Anzeige des Videos auf dieser Website gesperrt.

    sprich: einbinden ist verboten. das ioc wird sicher seine gründe haben… direkt auf der youtube-seite klappt es dann aber.

  4. cf: Ist ein bisschen komplizierter: Einbinden ist gar nicht verboten! Sonst wäre der Code nicht kopierbar, wie bei vielen anderen Videos. Es war erst zu sehen und hier abspielbar – nun aber nicht mehr, obwohl auf Youtube noch immer der Code freigegeben ist.

  5. Wollte das IOC nicht alle Bilder der Jugendspiele freigeben? Ich habe bislang kein einziges bewegtes Bild gesehen. Dieses Video wären meine ersten Sekunden gewesen!?

  6. Ich frag mich echt, was so eine Retorten-Sportart soll. 3:3 gehört genau wie 1:1 auf die Streetball-Courts, aber doch nicht zu Olympia. Man könnte höchstens argumentieren: Zurück zur olympischen Idee, dass Amateure spielen sollen und nicht NBA-Profis wie seit 1992 beim 5:5-Basketball. Aber die Entwicklung, die Olympia längst genommen hat, ist doch klar auf Profisport ausgerichtet.

    Das oben nicht mehr funktionierende Video kann man hier sehen: http://www.youtube.com/watch?v=DsbyjNkcxF8

  7. Pingback: YOG on Twitter: RT @jensweinreich: Nachwehen der Jugendspiele: Dreier-Basketball wird (ziemlich sicher) olympisch… « Youth Olympic Blog

  8. Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen Modernem Fünfkampf und den Retorten-Spielarten. Pentathlon ist eine bewährte olympische Sportart, die erkannt hat, dass sie mit der Zeit gegen muss – im Gegensatz zum Fußball übrigens mit seiner fundamentalistischen Technik-Verweigerungshaltung (unter Schorman hätte es die blamablen Schiedsrichter-Entscheidungen von Südafrika nicht mehr gegeben, wage ich behaupten).

    Anders die vom IOC geförderte Sportart-Erfindung: Anstatt Rugby und Squash (beides Weltsport) eine Chance zu geben, wird Sport am Reißbrett entworfen: Bestes Beispiel ist Skicross – das gab’s niemals in freier Winter-Wildbahn. Aber es gab und gibt die Ski- und Snowboardindustrie mit ihren Interessen. Als Gegenbeispiel könnte man Skateboard nennen – ein Sport, eine sportliche Kunstform, wie auch immer, die Abertausende in allen Erdteilen mit atemraubender Virtuosität betreiben. Kein Weltverband hat sich da meines Wissens jemals ernsthaft Gedanken über Wettkampfformen gemacht.

    Es ist absolut okay, dass das IOC bei den Jugendspielen kindgerechte Wettkampfformen (wie im Basketball) ausprobiert. Aber ich finde, sie sollten auch über Aikido nachdenken oder Breakdance oder Ballroom Dancing. Also: Mal gucken, was die Leute so machen – und nicht: mal sehen, was man ihnen noch so aufschwatzen kann. Ich sähe wirklich lieber Schräges & Etabliertes wie Curling oder Billiard bei Olympia als noch mehr Basketball – nur mit anderer Teilnehmerzahl.

    (Sorry, war ein bisschen lang).

  9. Evi Simeoni in der FAZ: Kinder des Olymp

    Nach dem herzerfrischenden Lob durch Initiatoren und Veranstalter beugen sich die wirklich am Leistungssport Interessierten nun über die Details, und da kommen unangenehme Wahrheiten ans Licht.
    […]
    Im Reißen, der ersten von zwei Teildisziplinen, bewältigte das Mädchen Wei 110 Kilo, und damit vier Kilo mehr als die Olympiasiegerin von Peking. Und: Nur ein Kilo weniger als der Weltrekord beträgt.

  10. IOC-Pressemitteilung, zwei Ringer aus Ecuador und Usbekistan wurden positiv getestet. (Die Links führen zu den pdf-Dokumenten der IOC-Disziplinarkommission.)

    Two Youth Olympic Games athletes disqualified for breaking anti-doping rules in Singapore

    The International Olympic Committee (IOC) today reported that two athletes committed anti-doping rule violations during the first edition of the Youth Olympic Games (YOG) which took place last August in Singapore.

    Both athletes, who competed in wrestling, tested positive for the diuretic Furosemide, a prohibited substance. After reviewing the files and information at hand, the IOC Disciplinary Commission set up by the IOC President disqualified both athletes from the 2010 YOG.

    The Disciplinary Commission also called upon the International Federation of Associated Wrestling Styles and the respective National Olympic Committees to gather additional information in relation to the circumstances that led to such anti-doping rule violations with respect to not only the athletes, but also their entourage – be it trainers, doctors or other medical staff.

    The IOC is placing strong emphasis on investigating the entourage of the athletes. Further to a recommendation of the Olympic Congress held in Copenhagen last year, a Commission was created in order to address the responsibility of the athletes’ entourage in the case of doping allegations. The Commission, chaired by IOC member Sergey Bubka, is due to meet for the first time in December.

    The IOC also clearly indicated that the two young athletes should be provided with some additional support and information on the danger of doping. Specific accompanying measures will be put in place in cooperation with the World Anti-Doping Agency and the National Anti-Doping Organisations concerned.

    The IOC conducted 1,231 tests (1,097 urine and 134 blood) during the YOG in Singapore. All samples were tested at the WADA-accredited laboratory in New Delhi, India.

    Tests were conducted pre- and post-competition. All medallists were tested. Doping controls included testing for all prohibited substances and methods listed in the WADA Prohibited List.

    As part of its zero-tolerance policy against doping, the IOC is storing samples collected during the Olympic Games and the Youth Olympic Games for eight years to conduct further analysis should new fully validated tests to detect new prohibited substances/methods become available.

  11. a Commission was created in order to address the responsibility of the athletes’ entourage in the case of doping allegations.

    High time. Ich kann mich noch gut erinnern, dass man für eine derartige Auffassung noch vor 2-3 Jahren schnell in die Ecke des unbelehrbaren und verstandslosen Hobbyfanatikers gestellt wurde. Die damals in einem Internetforum von Radprofis und Fans erarbeitete Petition zum Profiradsport, die u.a. auch die Verantwortung für Dopingvergehen auf die Entourage ausdehnte, blieb leider von den meisten nationalen europäischen Radsportverbänden, einschließlich dem BDR, ohne feedback. Lediglich eine Tageszeitung nahm Notiz von dem Vorschlag, der von außerhalb des aktuellen Profiradsports kam. Am meisten war damals Ralf Järmann, Schweizer Ex-Radprofi und einer der Initiatoren der Petition, enttäuscht über diese Ignoranz.
    But time has changed, wie es scheint. Vielleicht sollte man Sergej Bubka eine Kopie des inhaltlich noch relevanten Papiers zukommen lassen ?

  12. Nantke Garrelts im Tagesspiegel: Wenn der Wind sich dreht

    Etwa 1,3 Millionen Euro verteilt der DSV jährlich allein an Bundesmitteln. Angesichts der ISAF-Entscheidung legte die Teamleitung zunächst sämtliche Planungen über Zuteilung von Startgeldern oder Trainern für die Windsurfer auf Eis. Für eine neue Kitesparte stellte man den ehemaligen Windsurfer Holger Hennschen ein. Er machte sich daran, einen Trainer und einen Trainingsstützpunkt zu finden sowie Sponsoren anzusprechen. Vor allem aber musste er geeignete Sportler finden.
    […]
    Den schnellen Strukturumbau im Nationalteam findet er voreilig: „Da ist Geld verbrannt worden.“

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