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Das Olympische Bildungsmagazin

Notizen vom Sportausschuss (5): Zielvereinbarungen, Transparenz und die Kontrolle von Steuermitteln

Heißa, das war doch eine recht muntere Diskussion zum TOP 10 der 67. Sitzung des Bundestags-Sportausschusses heute Nachmittag im angestammten Saal 4.800 des Paul-Löbe-Hauses in Berlin. TOP 10 hieß:

  • „Zielvereinbarungen – Sportverbände“

Ein Dokument dazu habe ich heute Vormittag schon veröffentlicht, hier noch einmal das gute Stück (pdf, 8 Seiten), auf dieser Präsentation baute DOSB-Leistungssportdirektor Bernhard Schwank seinen Vortrag auf.

Wie bereits im letzten Beitrag notiert, ist für mich die Veröffentlichung dieser Zielvereinbarungen eine Selbstverständlichkeit. Die Diskussion bewies, dass jene, die hier mit Millionensummen aus öffentlichen Töpfen (Bundesinnenministerium und zahlreiche andere Ministerien – eine Aufstellung gibt es hier) gefördert werden, diese Transparenz gar nicht gut heißen.

Doch genug der Vorrede, ich habe diesen Umstand schon in mehreren Beiträgen kritisiert. Jeder kann lesen und sich selbst ein Bild machen. Es sind ja nicht meine ersten Notizen von Sportausschuss-Sitzungen, einigen Lesern sind die handelnden Personen schon ganz gut vertraut. Und: Sie spielen ihre Rollen wieder gut.

Peter Danckert (SPD, Chef des Sportausschusses)

Er moniert zunächst, dass DOSB-Generalsekretär Michael Vesper (Bündnis 90/Die Grünen) hinter seinem Rücken, wie er es darstellte, die Obleute von CDU und SPD telefonisch bearbeitet hat.

Gab es eine Intervention durch Dich, Michael Vesper? Dazu würde ich gern mal die Obleute hören.

Danckert kritisiert, dass nicht, wie er als ausgemacht betrachtete, zwei Zielvereinbarungen (einmal Sommer, einmal Winter) von zwei Verbänden im Original dem Ausschuss vorliegen.

Warum haben wir diese konkreten Zielvereinbarungen heute nicht vorliegen?

Michael Vesper (DOSB, Bündnis 90/Die Grünen)

Der Vorsitzende hat sich nicht an uns sondern an das BMI gewandt. Die Ziel­ver­einba­rungen (künftig immer mal ZV genannt) enthalten personenbezogene Daten, die nicht veröffentlicht werden können, sollen und dürfen. Selbst­ver­ständ­lich sind wir jederzeit bereit, auch im Detail in einem Obleute­gespräch zu berichten. Aber wir können und dürfen diese Ziel­ver­einba­rungen nicht veröffentlichen.

Peter Danckert (SPD)

Das BMI hat gesagt: Wendet Euch an den DOSB, das haben wir dann gemacht.

Was hat es auf sich mit personenbezogenen Daten, sind damit Trainergehälter gemeint?

Klaus Riegert (CDU, Vizepräsident des Schwäbischen Turnerbundes/STB)

Schlägt vor, dass man endlich in die Debatte einsteigt. Es würde reichen, dass den Abgeordneten eine Musterzielvereinbarung vorliegt (das Dokument, das auch den Lesern dieses Blogs vorliegt). In Zeiten des Datenschutzes (das ausgerechnet von einem Mann aus Schäubles Partei!) muss natürlich jeder einzelne Sportverband entscheiden, ob ein Vertrag zwischen zwei Vertragspartnern weitergegeben werden darf. (Tatsächlich?)

Dagmar Freitag (SPD, Vizepräsidentin DLV)

In der Tat habe ich auch einen Anruf bekommen, in dem über personenbezogene Daten gesprochen worden ist. Habe mir ZV des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) angesehen, sechs Zahlen von sechs Bundestrainern, das hätte man schwärzen können, das gehört nicht an die Öffentlichkeit.

Interessant ist so eine ZV für diesen Ausschuss dennoch, es geht ja um öffentliche Mittel.

Hat wegen der Südafrika-Reise die DLV-ZV erst heute bekommen. Man hätte schwärzen können, damit hätte man den einen oder anderen Missklang heute vermeiden können.

Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen)

Man erwartet von uns, dass wir wissen, wofür wir Geld ausgeben. Lange Zeit war das sehr intransparent. Ich will nicht das Gehalt eines einzelnen Bundestrainers wissen, aber die grundsätzlichen Aussagen sollten wir schon kennen.

Es geht mir nicht um einzelnen Daten, sondern um eine Transparenz der Mittelverwendung.

Michael Vesper (DOSB, Grüne)

Regt an, jetzt erst mal über die Sache zu sprechen.

Peter Danckert (SPD) — (Regt sich jetzt erst recht auf.)

Der Ausschuss sei als Ganzes zu behandeln. Vesper solle nicht versuchen, „den Ausschuss hintenrum zu hinterlaufen, so nach dem Motto: Wenn ich die beiden Obleute hinter mir habe, kann nichts passieren“.

Vesper: „Darum geht es nicht.“

Danckert: „Können wir uns darauf verständigen?“

Michael Vesper (DOSB, Grüne)

Wir sind weder von Ihnen noch von Ihren Mitarbeitern gebeten worden, diese ZV zur Verfügung zu stellen.

Wir stehen selbstverständlich für größtmögliche Transparenz. Wenn dann noch Fragen offen bleiben, sind wir selbstverständlich bereit, diese zu beantworten.

Womit wir auch ein Problem haben: In den Zielvereinbarungen sind Medaillenziele vereinbart. Es kann nicht sein, dass diese Ziele mal eben hochgerechnet werden und man dann das Medaillenziel für London addiert. Das wäre keine gute Lage für die Vorbereitung der deutschen Mannschaft für die Olympischen Spiele.

Danckert: Wir wollten nur zwei ZV haben, eine Sommer, eine Winter.

Die Zahl der Gesamtmedaillen ist doch eine interessante Zahl gegenüber der Öffentlichkeit. Damit müssen wir argumentieren gegenüber den Haushältern.

(Das Spielchen zwischen Vesper und Danckert kennt man schon. Die beiden beißen sich, wo es nur geht. Vesper schwärzt den Ausschuss-Vorsitzenden gern auch in Briefen an hohe Sportfunktionäre an.)

Michael Vesper (DOSB, Grüne)

(Kann nun mit seinem Vortrag beginnen.)

Ausgangspunkt war das Olympiaabschneiden 2004 in Athen. Förderkonzept damals richtete sich nach dem Abschneiden vergangener Jahre, Leistungsentwicklungen und Perspektiven wurden kaum berücksichtigt. Dadurch wurden die stärkeren Verbände immer stärker und schwächere Verbände gerieten in eine Abwärtsspirale.

Spricht von einer strategischen Gesamtzielstellung:

  • a) Null Toleranz in Dopingfragen
  • b) Wintersport: Erster Platz in Vancouver 2010
  • c) Sommersport: Platz unter ersten Fünf in London 2012

Mutter aller Zielvereinbarungen ist diejenige, die zwischen dem BMI und dem DOSB abgeschlossen worden ist.

Vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2012. Verbindliche Erfolgsziele und strukturelle Ziele. Er sagt: Bereitstellung zusätzlicher Mittel sei zwingend erforderlich. Weil a) Ausweitung des internationalen Kalenders inklusive der teilweise schon beginnenden Qualifikationen für London 2012, teilweise auf allen fünf Kontinenten stattfindenden Weltcups und Qualifikationsturnieren. Internationale Trainingscamps und Leistungsvergleiche. Im einzelnen wird das der Herr Schwank am Beispiel zweier Zielvereinbarungen erläutern.

Bernhard Schwank (DOSB-Direktor für Leistungssport)

Wir brauchen für jedes Ziel klare Zielkriterien, an denen sie nach Ablauf feststellen können: Ziel erreicht oder Ziel nicht erreicht. Dann liest er das vor, was schon online steht, ohne den Verband zu nennen.

Die Klarheit war in der Vergangenheit nicht immer klar.

Sie können nur klar steuern, wenn sie sich auf Meilensteine einigen.

(Ein Journalisten-Kollege neben mir bemerkt treffend: „Das ist doch Esoterik, oder?“) Schwank trägt dann aus der hier nochmals verlinkten Vereinbarung vor.

Über alle Verbände hinweg sind 82 zusätzliche Stellen bei der Bundeswehr und 33 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei ermittelt worden. Haben eine Menge an Meilensteinen und dementsprechenden Steps erarbeitet, nun sind wir gerade dabei, eine eigene Stelle als Monitoring-Einrichtung im DOSB zu schaffen.

Christoph Bergner (CDU, Parlamentarischer Staatssekretär im BMI)

Spricht über die „wechselseitigen Kenntnisse“ der Vereinbarungen und über die „Realisierung der gestellten Ziele“. (Bergner at his best, wunderbare Formulierungen.) Es sei ein neues und zukunftsgewandtes Verfahren gewählt worden. Den Verbänden Entwicklungschancen zu geben, sei ein Verfahren, dass man durchaus begrüßen kann.

Peter Danckert (SPD)

Das beantwortet meine Anfrage an das BMI noch nicht. Sitzen Sie da mit am Tisch und segnen das ab? Und das Fachgremium Sportausschuss und das Fachgremium Haushaltsausschuss nicken dann nur noch ab, ja?

Für mich persönlich die Frage: Ist das eigentlich unseren verschiedenen Aufgaben angemessen.

Dieter Adolfs (zuständiger Referatsleiter in der Abteilung Sport des BMI in Bonn)

Bei den Verhandlungen war immer ein Vertreter des BMI dabei. Dabei ging es aber nur darum, wie viel Geld zur Verfügung steht und ob zuwendungsrechtlich nichts vereinbart wird, das nicht möglich ist.

Weiteres Verfahren: Bundessportfachverbände sind gezwungen, das in den ZV festgesetzte in formelle Anträge auf Förderung umzusetzen. Wenn die Anträge kommen, wird beim DOSB nachgefragt, ob es rechtens ist, dann geht es zum Bundesverwaltungsamt.

Danckert: „Das klingt ja alles sehr schlicht und einfach.“

Klaus Riegert (CDU, STB) — (Springt wie so oft dem Sport hilfreich zur Seite.)

Vielleicht sollten wir die Verbände mal hören.

Thomas Weickert (Präsident des DTTB)

Transparenz war oft genannt und Transparenz ist auch das Stichwort. Was macht der Verband damit? Altes Förderkonzept war Belohnung und Bestrafung. Warum wir Geldmittel bekommen, war für uns nicht nachvollziehbar. Jetzt ist die Transparenz sehr gut gegeben für uns. Diese Transparenz spiegelt sich auch in den eigentlichen Verhandlungen wieder. Ich formuliere die Ziele und das Handeln ist zielgerichtet. Wenn wir nicht tun, was ausgemacht ist, dann kriegen wir eben kein Geld. Wir haben ein wirklich starkes Controlling. Was passiert, wenn unser Ziel verfehlt wird?

Andreas Trautvetter (Präsident des BSD, CDU)

Wir arbeiten als Verband hervorragend mit dem BMI zusammen, die Zusammenarbeit auf vielen Ebenen geht weit über die Zielvereinbarungen hinaus.

Aber: Das ist für mich eine Sache der internen Organisation des Sportes. Das soll eine interne Sache des Sportes bleiben. Ich hätte etwas dagegen, wenn alle ZV aller 33 olympischen Sportverbände zusammen gelegt wird und da wird ein Buch draus gemacht und das würde auf dem Markt ausgetragen.

Das gäbe Auseinandersetzungen innerhalb des Sports. Da würde der eine Verband nach dem anderen Verband fragen. Als BSD-Chef tue ich mich sehr leicht, über meine Zielvereinbarungen zu reden. Es hat kein anderes Land vier Kunsteisbahnen, daraus ableitend schon müssen wir hohe Ziele haben.

Alexander Resch hat mal gesagt: „Wir fahren doch nicht zu einer Weltmeisterschaft, um den Bus vollzukriegen.“ Unser Anspruch ist, dass wir bei jeder internationalen Veranstaltung jemanden, nach Möglichkeit mehr als einen, aufs Treppchen bekommen. Das ist selbst für uns nicht einfach, Lake Placid und Whistler haben gerade gezeigt, dass wir dort einiges zu tun haben.

Zielstellung: Zehn Wettkämpfe = zehn Medaillen. Aber wir gehen weiter, weil wir diese Zielstellungen mit Entwicklungszielen für die Zukunft verbinden. Ich kann nicht nur Vancouver 2010, ich muss auch Sotschi 2014 und sogar München 2018 im Auge haben.

Problematik der Förderung: Wir fördern erst dann, wenn eine Leistungssportdisziplin olympische Disziplin wird. Interessant: Weist auf die Schwäche der Leichtathletik hin, die bedeutet, dass wir ein Problem im Bobfahren bekomme. Ich muss also eigene Athleten entwickeln, was dazu führt, dass ich erst in zehn Jahren neue Athleten für meinen Sport bekomme auf Weltniveau.

Weiteres Problem wg Veröffentlichung: Wir haben ja genug Kämpfe in den Sportverbänden in unserem föderalen System. Ich kann meine Zielvereinbarungen nicht runterbrechen auf meine Landesverbände. Da gibt es andere Zuständigkeiten, da stört unser föderales System.

Dagmar Freitag (SPD, DLV)

Ich habe einige Feststellungen mit gewissem Erstaunen zur Kenntnis genommen. Erste Frage an Vesper, bezieht sich auf einen Beitrag im Generalanzeiger Bonn vom November 2008, in dem Vesper behauptet, dass Verbände, mit denen man rechtzeitig Zielvereinbarungen geschlossen hatten, in Peking erfolgreicher waren als andere. Wie ist diese sehr kühne Feststellung und diese sehr flinke Wirkung zu erklären?

Herr Trautvetter, ich habe sie so verstanden, dass Sie meinen, es sei ganz gut, wenn der eine Verband nicht weiß, was der andere bekommt. Diese Meinung teile ich nicht.

Transparenz im Spitzensport sollte gewährleistet sein. Wenn die Transparenz vorhanden wäre, die gewährleistet werden könnte, könnte die eine oder andere schwierige Diskussion beseitigt werden. Fragt nach Bundeswehr und Karriere nach dem Sport.

Sie stört sich an Formulierungen: ‚Der DOSB wirkt darauf hin‘ (Umsetzung von Antidopingmaßnahmen). Es habe zu heißen: Er verlangt. Wer kontrolliert das? Und warum formulieren Sie das dermaßen zögerlich?

Klaus Riegert (CDU, STB)

(Versucht sich wieder mal an einem Witz, der misslingt. Kaum einer im Raum versteht ihn. Will dann wohl über die Kontrollfunktion des Ausschusses reden, auch das bleibt unklar.) Dann doch klare Fragen:

Was passiert, wenn die Zielvereinbarungen nicht eingehalten werden? Wie gehen die ZV in veränderte ZV und Förderung des Nachwuchses über? Haushaltsfragen: Wir haben nebenbei erfahren, dass Sie von zusätzlichen 115 Stellen bei der Bundeswehr und Bundespolizei ausgehen? Wovon gehen Sie da aus? Wie legen Sie Ihre Forderungen an? Kann man die Forderungen so hochschrauben, dass sie vom Geldgeber nicht eingehalten werden können, dann haben wir schon einen Schuldigen, wenn die Ziele nicht eingehalten werden.

Peter Danckert (SPD)

Das scheint mit eine sehr berechtigte Frage zu sein.

Katrin Kunert (Die Linke)

Will wissen, ob es gemeinsam mit Sportlern Analysen vor den ZV gegeben hat. (Oder so.) Gibt es gesonderte Verträge mit Olympiastützpunkten und Institutionen wie dem IAT? Frage an Bergner zur „Mutter der Zielvereinbarungen“, nach welchen Kriterien prüft das BMI?

Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen)

Sieht ein Problem: Wer langfristig plant, muss sicherstellen, dass er langfristig Mittel bekommt. Schon deshalb muss die Politik insgesamt mit einbezogen werden.

Wenn man von öffentlichem Geld lebt, muss man auch mit öffentlicher Kontrolle leben. Ich bedauere es, dass es so lange gedauert hat. Es kann nicht sein, dass es auf Dauer das Geheimnis der Sportverbände und der Sportverwaltung bleibt, wer welche Mittel bekommt.

Wenn der Sport beschließt, wir machen jetzt eine Medaillenstrategie, dann kommt er schnell auf die Idee, dass er sich auf Sportarten konzentriert, wo es viele Medaillen aber wenig Konkurrenz gibt. Nur: Wo ist die gesellschaftliche Basis des Skeletons und des Bobsports. Es gibt also Sportarten, die gesellschaftlich relevanter sind. Das ist eine politische Debatte, die der DOSB führen muss. Darüber muss es einen Diskurs geben, nur dann kann auch die parlamentarische Unterstützung greifen.

Zum Geld: Es gibt eine Tendenz zum Drauflegen. Aber es muss auch einen Ort geben, an dem man mal die Effizienz der Strukturen diskutiert. Wie sieht eine Zielvereinbarung in einer Mannschaftssportart aus?

Eberhard Gienger (CDU, DOSB-Vizepräsident Leistungssport)

(Auf seine Wortmeldung hatte man sich schon gefreut, und in der Tat, Gienger, Cheflobbyist des DOSB im Ausschuss, bleibt sich treu.)

Die meisten Fragen, die ich mir auch aufgeschrieben hatte, hat der Klaus Riegert schon gestellt.

Er fragt dann nach Übererfüllung von Zielvereinbarungen:

Wird es dann auch zu Bonuszahlungen führen und wo kommen die gegebenenfalls her? Gibt es denn Vergleiche zu anderen Nationen?

Peter Danckert (SPD)

Wir werden die Probleme nicht im Interesse des Sports lösen können, wenn wir die gegenseitigen Rollen nicht beachten.

Ich sage es an den ehemaligen Kollegen und Parlamentarier Trautvetter: Unsere Aufgabe ist es, die Verwendung der Mittel zu rechtfertigen.

„Naja, Michael Vesper, wir sind genauso schlau wie Du, Du bist ja auch neu in diesem Geschäft…“

(Vesper protestiert, murmelt etwas, Danckert aber ist lauter und redet weiter.)

Wir werden nur auf einen gemeinsamen Nenner kommen, wenn an dieser Stelle Transparenz gegeben ist. Jeder Versuch, etwas unter den Teppich zu kehren, wird schief gehen. Wenn wir diese Zielvereinbarungen nicht kennen, können wir dazu auch gar nichts sagen. Ich schlage vor, dass wir eine Arbeitsebene finden, erster Schritt dazu: Offenheit und Information.

Wenn das Ministerium die einzelnen Zielvereinbarungen kennt, dann kennen sie auch die Summe der Medaillen. Auch die Öffentlichkeit sollte informiert sein, denn hier geht es um Steuergelder und nicht um irgendwelche privaten Mäzene, die sich da beteiligen.

Chancen für die Zukunft zu beschreiben, ist vage. Vergangenheit ist konkret. Herr Schwank, wie geht man also da vor, wie schätzt man Chancen ab?

Ich wüsste gern, ob in diesen Zielvereinbarungen neben den Gehältern der Trainer auch die Namen derjenigen sind, die sie für chancenreich erachten.

Klaus Riegert (CDU, STB)

Will eine Erklärung abgeben, „damit kein falscher Eindruck bei den Zuhörern hier im Saal verbleibt“.

Wir wissen, wo unser Geld hingeht. Wir wissen von jedem Euro und jedem Cent, wo er ausgegeben wird.

Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen) protestiert:

Das ist ein Märchen.

Stephan Mayer (CSU)

Fragt nach Überarbeitungsmöglichkeiten der ZV auf halbem Wege zu einem Höhepunkt. Ist eine zwischenzeitliche Evaluation angedacht?

Peter Danckert (SPD)

Es gibt ja auch den Grundsatz: Wegfall der Geschäftsgrundlage.

Dagmar Freitag (SPD, DLV)

Fragt nach Ausstiegsklauseln in den Zielvereinbarungen, wenn das Material nicht stimmt, wie jüngst von Bobfahrer Lange erneut kritisiert.

Michael Vesper (DOSB, Grüne)

Sie, Herr Vorsitzender, rücken es immer gern ins Zwielicht. Diese Vereinbarungen werden nicht in Hinterzimmern, sondern in der Otto-Fleck-Schneise im Willi-Daume-Zimmer oder in den Zimmern 12 bis 15 ausgehandelt, immer ist ein Vertreter des BMI dabei.

Wir arbeiten nicht mit einer Glaskugel. Ein Fördersystem gab es in dieser Transparenz vorher nicht.

(Dann geht er – wie immer – darauf ein: „Das war ja alles vor meiner Zeit.“ Der Hintergrund: Alles Gute in der Otto-Fleck-Schneise, wo der DFB, der DOSB und früher auch NOK und DSB sitzen, begann quasi mit Vespers Amtsantritt Ende 2006, er vergisst selten, diese Bemerkungen in seine Ausführungen einzuflechten.)

Demokratisch gewählte Gremien des Sports hätten diese Vereinbarungen getroffen, sagte Vesper. Zum Zitat, dass Freitag gebracht hat, sagt er: Das habe ich so nicht gesagt, das war nicht autorisiert. Er habe lediglich gesagt, dass Verbände, die mit FES und IAT arbeiten, erfolgreicher seien, als Verbände, die es nicht tun. Der DOSB ist ein Dachverband autonomer Verbände. Es ist unser Job, Verbänden zu helfen. Wir machen alles, wir knöpfen uns auch den Gürtel doppelt und dreifach zu.

DanckertWenn Vesper redet, ruft er natürlich dazwischen (kann man ja auch verstehen, zumindest ein bisschen):

Jeder einzelne Verwendungsnachweis unterliegt der öffentlichen Kontrolle.

Vesper: Ich glaube nicht, dass in jedem Förderbescheid anderer Ministerien das so ist. Habe das immer so verstanden, dass der Haushaltsausschuss einen Rahmen vorgibt und Gestaltungsmöglichkeiten bleiben.

Danckert(sehr genervt):

Man kann nur nach vorne gucken, wenn man die Entwicklungen, die zur Gegenwart geführt haben, mit im Blick hat.

Vesper: „Wir sind uns doch immer einig.“

Danckert: „So würde ich das nicht sagen.“

Bernhard Schwank (DOSB)

Evaluation der ZV passiert ständig. Zusätzliche Planstelle ist nötig, um Fakten, Daten, Zahlen zu bewältigen.

Beispiel: Eishockeyspielerinnen sind nicht für Vancouver qualifiziert, also haben wir das Projekt eingestellt, die Mittel im fünfstelligen Bereich fließen zurück und können für andere Zwecke verwendet werden. Mit den Finanzdaten bewegen wir uns natürlich absolut im Haushalt des BMI in dem Rahmen, der uns zur Verfügung steht. Der Bedarf, das will ich auch deutlich sagen, ist natürlich noch höher.

Zu Namen: Wir reden immer vom Top-Team, die Namen sind also bekannt. Und in einigen Sportarten werden zu einzelnen Athleten konkrete Ziele benannt, nicht alle, aber doch einige. Trainer, wissenschaftliche Unterstützung, Nachwuchsförderung, Wettkampfsystem, all das wird einbezogen, alles sehr konkret. Wir sind die einzige Nation gewesen in Peking, die alle Sportartengruppen gefördert hat.

Andreas Trautvetter (BSD, CDU)

Bedankt sich bei Klaus Riegert für „die Klarstellung der Mittelverwendung.“

Wir werden natürlich jedes Jahr geprüft durch das Bundesverwaltungsamt. Die Verwendung erfolgt außerordentlich korrekt.

Ich habe nichts gegen Transparenz. Als Bob- und Schlittenverband kann ich mit Transparenz sehr gut leben. Was ich sagen wollte, dass ich Angst habe vor einer Vergleichbarkeit.

Wie sich der Leichtathletik-Verband aufstellt ist Sache des DLV, wie sich der Schwimmverband aufstellt, ist Sache des DSV. Da habe ich nicht mitzureden. Man kann die Aufstellungen der Verbände und die entsprechenden Kosten nicht miteinander vergleichen. Wenn wir es nicht begründen können, kriegen wir auch kein Geld.

Widerspricht Frau Freitag: Wir sind nicht so erfolgreich, weil wir keine Konkurrenz haben. Wir sind erfolgreich, weil ich der Überzeugung bin, dass wir das effektivste Trainingssystem aufgebaut haben. Seit die Schweizer und polnischen Rennrodler mit dem deutschen Verband trainieren, seit wir diese Patenschaft haben, fahren diese Rodler mit unter die ersten zehn. Das zeigt doch: Das muss doch wirklich trainingssystematisch sein.

Wir haben jederzeit den Überblick, was unsere Athleten nach der sportlichen Karriere machen. Zum FES-Problem: Rennrodler, Skeleton, Zweierbob – alle fahren FES-Schlitten, und zwar erfolgreich. Es gibt derzeit nur mit dem Viererbob Probleme, aber deshalb stelle ich doch die gesamten Einrichtungen nicht in Frage. Ich wünschte mir eine weitere Zusammenarbeit und eine bessere Ausstattung des FES. Wir wären noch erfolgreicher, wenn die kontinuierlich an den Sportarten arbeiten.

Danckert: „Kann man sagen: Vom Bob- und Schlittenverband lernen, heißt siegen lernen?“

Freitag (zu Trautvetter): „Sie dürfen jetzt nicht nein sagen.“

Andreas Trautvetter (BSD, CDU)

Man kann sagen, dass es sich für andere Verbände lohnen könnte, sich unsere Trainingsmethodik einmal anzuschauen.

Peter Danckert (SPD)

Wenn das geheim bleibt und die Zielvereinbarungen nicht öffentlich sind, dann wird es eben schwer.

Thomas Weickert (DTTB)

Spricht über die Dopingvereinbarungen/Antidopingklauseln. Wenn wir nicht das tun, gibt’s eben die Sanktionsmöglichkeiten.

Christoph Bergner (CDU, BMI)

Verknüpfung zum BMI und zum Haushaltsgesetzgeber:

Wir sind sicher gefordert, uns eine parlamentsfreudige Arbeitsform in der Auswertung zu überlegen.

Ich würde bloß gerne an dem Grundsatz festhalten, das ja auch in dieser Runde nicht in Frage gestellt wird: Es geht um Zuwendungen an unabhängige Sportverbände. Die Vertragsgestaltung müsse an dieser Unabhängigkeit gemessen werden. Die Zielvereinbarungen führen zu einer Priorisierung der Verbandsförderung innerhalb des gesetzten Haushaltsrahmens. Bitte keine Verbandsdiskussion betreiben. Das BMI vermittelt nur den Rahmen, den der Haushaltsgesetzgeber ihm gestellt hat.

Peter Danckert (SPD)

Die Formulierung „parlamentsfreudige Arbeitsform“ gefällt mir schon ganz gut, wir sind auf dem richtigen Wege. Wenn wir vernünftig zusammen arbeiten, haben sie immer die Unterstützung des gesamten Ausschusses und damit auch des Parlaments.

Klaus Riegert (CDU, STB)

Will noch etwas von Danckert wissen, auch nicht das erste Mal, er kommt gern mit solchen Anmerkungen am Ende der Sitzungen:

Sie werden zitiert in der Presse: Sportausschussvorsitzender Danckert sieht flächendeckendes Doping.

Man muss Daten, Fakten und Namen nennen, wenn man solcher Erkenntnisse hat und selbst im Präsidialausschuss der Nada sitzt. Damit ist ein Generalverdacht verbunden. Wir sind der Meinung, dass das nicht der Sportausschussvorsitzende in seiner Eigenschaft als Vorsitzender, sondern nur der Abgeordnete Danckert.

Peter Danckert (SPD)

Ich habe jetzt keine Absicht, mit Dir darüber zu reden in diesem Ausschuss.

Beruft sich auf „Informantenschutz nach dem Grundgesetz“. Wir werden nicht jetzt und nicht hier und schon gar nicht unter Verschiedenes darüber reden. Ich habe hundert Mal gesagt und brauche keine weiteren Belehrungen, dass ich es als Abgeordneter gesagt habe, der auch Vorsitzender dieses Ausschusses ist. Ich bin sehr beunruhigt und werde diese Dinge hier jetzt nicht auf den Tisch legen, das kommt gar nicht in Frage.

Man verabschiedet sich murmelnd.

24 Gedanken zu „Notizen vom Sportausschuss (5): Zielvereinbarungen, Transparenz und die Kontrolle von Steuermitteln“

  1. Pingback: Dokumentation: Zielvereinbarungen olympischer Sportverbände : jens weinreich

  2. Das war doch mal ganz flott, oder? Mal sehen, ob sie irgendwas durchhalten, unsere Volksvertreter. Nur die letzte Bemerkung ist beunruhigend, führt irgendwie hintenrumdirektnachvorn zum Datenschutz zurück …

  3. das was danckert und vesper da abziehen, erreicht ja auch schon fast kindergartenniveau (ohne jetzt den kindern zu nahe treten zu wollen)… manmanman!
    meister vesper sagt also, dass die gelder und überhaupt alles ja keinesfalls im hinterzimmer ausgehandelt werden würde, weil: otto-fleck-schneise schöne große fenster zur straße raus (so sinngemäß) – das hat mich dann schon ein bisschen ratlos gemacht. ich meine… das kann er ja nicht wirklich ernst gemeint haben?!
    (aber hat danckert wirklich von der „Geschäftsdrunglage“ gesprochen? ;-)

  4. Nein, nicht wirklich. Jetzt steht da „Geschäftsgrundlage“, das liest sich und klingt auch besser. Ansonsten: It’s up to you, wenn Du Dich an einen Kindergarten erinnert fühlst, tja, warum wohl?

  5. Pingback: München 2018: Wie Mann (CSU) Olympia-Aufsichtsrat wird : jens weinreich

  6. „Europas größtes Sportmagazin“ Sportbild hat jetzt die Zahlen der geheimen Zielvereinbarung veröffentlicht:
    So viel Medaillen sollen die Verbände in Vancouver 2010 holen:
    Ski alpin und nordisch, Biathlon: 15 Medaillen (Turin 2006: 18)
    Bob, Rodel, Skeleton: 9 Medaillen (Turin 2006: 7)
    Eisschnelllauf: 6 Medaillen (Turin 2006: 3)
    Snowboard: 2 Medaillen (Turin 2006: 1)
    Eiskunstlauf 1 Medaille (Turin 2006: 0)
    Curling: 1 Medaille (Turin 2006: 0)
    Eishockey 0 Medaillen (Turin 2006: 0)
    gesamt: 34 (Turin 2006: 29)
    siehe auch http://sportbild.de/sportbild/generated/article/wintersport/2009/02/25/11809600000.html

  7. dpa: Deutsche Wintersport-Asse im Soll für Olympia

    «Wir geben keine Medaillenprognosen ab. Wir haben unsere klaren Zielvereinbarungen mit den einzelnen Verbänden, aber die machen wir nicht öffentlich», meinte DOSB-Leistungssport-Direktor Bernhard Schwank, gleichzeitig Chef de Mission des deutschen Olympia- Teams in Vancouver, und widersprach damit Medienberichten, nach denen der DOSB 34 Medaillen anstrebt.

  8. Pingback: update Sportausschuss (6): Totengräber des Amateurfußballs : jens weinreich

  9. Pingback: Der neue Sportausschuss … : jens weinreich

  10. …gibt es die Antwort des BMI auf die kleine Anfrage der SPD auch irgendow als PDF oder ähnliches zum nachlesen?

  11. Pingback: Bundestags-Sportausschuss schließt Medien aus: Mdb wollen sich nicht beim iPad-Spielen beobachten lassen … : jens weinreich

  12. Pingback: Was vom Tage übrig bleibt (65): BT-Grüßausschuss, PR-Ergüsse von Sepp Hosni Ben Ali Blatter : jens weinreich

  13. Michael Reinsch in der FAZ: London Calling: Den Rückblick zum Ausblick machen

    Der deutschen Mannschaft sagen die Volkswirte einen weiteren Niedergang voraus: minus 7,32 Prozent, das bedeutet: 38 Medaillen, drei weniger als in Peking. 2008 war das deutsche Team mit 41 Medaillen nicht nur hinter den Erwartungen der Sportfunktionäre, sondern auch hinter der sozio-ökonomischen Prognose zurückgeblieben. Auch das wirft Fragen auf: Muss ein Fördersystem, das mit Eliteschulen und Sportkompanien eine Vielzahl von athletischen Karrieren ermöglicht, nicht mehr Ertrag abwerfen als nach den Parametern von Wirtschaft und Gesellschaft zu erwarten?

  14. Pingback: #London2012 (XXVI): Die Mutter aller Zielvereinbarungen und die Hofschranzenkultur von DOSB und BMI : jens weinreich

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  16. Pingback: Rasanter Einspruch gegen die DOSB/BMI-Allianz: Der Tischtennis-Bund (DTTB) verlangt ein transparentes Fördersystem : sport and politics

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