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Das Olympische Bildungsmagazin

Diebe im Gesetz

Tochtachunow, 2009, Screenshot Arte

Alimsan „Alik“ Tochtachunow, alias „Taiwantschik“ / Screenshot (c) Arte

Sieht so ein glücklicher Mensch aus? Alimsan Tochtachunow hat gut lachen. „Ich bin gut durchs Leben gekommen, ich habe das alles überlebt“, sagt er. Seit er dem italienischen Knast entronnen ist, daheim in Moskau festsitzt, die Stiftung des russischen Fußballverbandes leitet und sich ab und zu mit dem FIFA-Präsidenten Joseph Blatter trifft, hat er sein Vermögen um mindestens das Hundertfache gemehrt. Sagt Tochtachunow. Ich denke, zumindest in diesem Punkt gibt es wenig Grund, Taiwantschik nicht zu glauben.

Ganz im Gegenteil: Da er ohnehin schon im Baugeschäft in der Ukraine tätig ist, sollte man ihm jene Aufträge für die Europameisterschaft 2012, die er noch nicht hat, schleunigst zuschreiben – dann wirds auch mit der EM.

Wie sagte Alik so schön in der Dokumentation „Schattenreich russische Mafia“ (Dienstag, 11. Mai, 20.15 Uhr) auf Arte?

Wir werden gefragt und wir helfen. Das ist echter Respekt.

Respekt muss schon sein. Gerade in seiner Branche. Wer keinen Respekt zeigt, der ist schneller verscharrt, als sich Aliks Kontostand verdoppelt hat. Also ziemlich schnell. Nicht wenige seiner ehemaligen, sagen wir, Geschäftspartner, haben das Zeitliche gesegnet. Der Usbeke Alimsan Tochtachunow, Taiwantschik genannt, aber hat überlebt. Er ist einer jener drei Diebe im Gesetz, die der Dokumentarfilmer Alexander Gentelev porträtiert. Anders als Witali Demotschka und Leonid Macintosh Bilunow, die durchaus mit ihren Morden und Großgaunereien prahlen, behauptet Tochtachunow stets, kein Ganove zu sein.

Ich bin kein Krimineller. Ich habe Euch meine ganze Biografie erzählt. Ich bin ein guter und ordentlicher Bürger Russlands.

Als ordentlicher Bürger unterstützt er natürlich die Bewerbung Russlands um die Fußball-WM 2018.

Bilunow dagegen sagt offen:

Kämpfe und nimm es dir. Es ist umsonst. Du musst nur jemanden umbringen!

Und Demotschka meint:

In Chicago wurden die Leute damals lebend in den See geworfen. Bei uns nur die Leichen. Wir sind einfach humaner.

Allerdings, da bin ich sehr beruhigt, werden Herausforderer oder jene, die einfach nicht genug Respekt zeigen, heutzutage nicht mehr mit Lötkolben und Bügeleisen behandelt, wie ein Mafia-Anwalt in Gentelevs Film erzählt. Heute fügt man sich der Respektsperson schon eher. Und wenn doch nicht?

Eine Bombe. Der Mensch stirbt.

Diebe im Gesetz, der Begriff hat mir schon immer gefallen. Im Buch „Der olympische Sumpf“ habe ich mal versucht, den Begriff auch auf IOC-Mitglieder anzuwenden, ob nun Witali Smirnow, Schamil Tarpischtschew, Lee Kun Hee, Mohamad Bob Hasan oder Yoshiaki Tsutsumi. Viele dieser originalen russisch-usbekischen Diebe im Gesetz tummeln sich auch im Sport. Das hat viele Gründe.

Alik Tochtachunow sieht sich allerdings als Opfer bösartiger Medien und arglistiger Mafia-Ermittler. Anders als Alisher Usmanow (Präsident des Fecht-Weltverbandes, Mehrheitseigner an Arsenal London) oder Gafour Rachimow (Vizepräsident des Box-Weltverbandes und des Olympic Council of Asia/OCA), seine alten Kumpels aus Taschkent, die sich beide als Philanthropen verkaufen, kann Alik seinen Luxus leider nicht im Ausland zeigen. Taiwantschik darf Russland nicht verlassen, sonst gehts wieder ab in den Knast. Verdammtes Interpol.

Ich liebe Luxus, ich liebe Yachten, First-Class-Flüge, Geld ausgeben – aber sie lassen mich nicht!

Alexander Gentelev lässt Bilunow, Demotschka und Tochtachunow erzählen, wie aus Verbrechern kriminelle Autoritäten und aus diesen dann autoritäre Geschäftsleute werden. Der Film lässt einen die wahren Abgründe erahnen. Demotschka und Bilunow können einem Angst einflößen. Dagegen kommt Alik äußerst sympathisch rüber. Wenn man allerdings die Visage seines Assistenten Marek sieht, der die Geschäfte in der Ukraine leitet, fragt man sich unweigerlich, wie viele Leichen Marek wohl schon in Beton versenkt hat. Nein, Spaß ist das nicht.

Tolles Fernsehen, finde ich. Es gibt etliche gute Bücher über die Russenmafia, über Diebe im Gesetz und Oligarchen. Aber selten plaudern die Kameraden so frei heraus. Unbedingt ansehen, TV-Befehl:

  • „Schattenreich russische Mafia“,
    Dokumentation von Alexander Gentelev,
    Arte: Dienstag, 11. Mai 2010, 20.15 Uhr

Ein Zitat noch. Und es sprach Alimsan Tochtachunow:

Es gibt heute keine Kriminalität in Russland! Heute ist alles in Ordnung! Die alten Zeiten sind vorbei!

27 Gedanken zu „Diebe im Gesetz“

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  5. @Jens

    Danke für den Tipp. Das Konterfei sagt alles. Hier ist einiges zu erwarten. ;)

    „МогучаÑ? волÑ?, великаÑ? Ñ?лава
    Твоё доÑ?тоÑ?нье на вÑ?е времена!.“ fällt mir da spontan ein.

    Wenn der Sport weltweit zunehmend in die Hände solcher Schattenkrieger gerät, brauchen wir uns doch über die kleinen Miesetäter nicht zu wundern.
    Oder darf der Sport mit verschiedener Moral agieren ?

    Da geh ich dann schon lieber – wie am Sonntag – zum Pferderennen, wo ich weiß, dass die russische Mafia anwesend ist. Ich gewinne 2 Euro und sie gewinnt, ganz gleich wer verliert. ;)

  6. Pingback: Tweets die Diebe im Gesetz : jens weinreich erwähnt -- Topsy.com

  7. Die Sendung nennt sich in meinem EPG übrigens

    Diebe im Gesetz
    Dokumentarfilm Deutschland 2008
    (Thema: Schattenreich russiische Mafia)

    Also nicht erschrecken, wenn in der Ãœbersicht auf den ersten Blick ein anderer Titel auftaucht als das hier vom Hausherrn zu schauen befohlene.

  8. @ Thomas: Ende April hat Arte den Titel kurzfristig umbenannt. Sollte erst „Diebe im Gesetz“ heißen, dann „Die Ehre der Diebe“. Im eigenen Arte-Programm – oben verlinkt – ist es aber als „Schattenreich russische Mafia“ ausgeschrieben. Da kann man mal sehen, welche Verwirrung es auslöst, wenn so ein Titel kurzfristig geändert wird.

    @ philip: Weil ich mir als Journalist die DVD bestellt habe. Habe es sogar dreimal gesehen, weil es mich interessiert und ich durchaus beeindruckt war. (Tut mir leid, Dein Kommentar musste erst freigeschaltet werden, ich hatte das heute Mittag übersehen.)

  9. Das sollte jetzt keinesfalls eine Beschwerde sein, vielmehr ein Hinweis für iritierte Leser ;-)

    und was die zeitliche Einordnung der Umbenennung angeht: ich hab das beim Setzen des Timers (Danke für den Hinweis!) im Recorder gesehen, also kein toter Bam weit und breit.

    die ARD.de-Redaktion kennt das übrigens auch (noch) unter diesem (von dir auch als Überschrift gewählten) Titel.

  10. Pingback: boote

  11. Ja, das macht Sinn. Wahrscheinlich kam die DVD dann direkt von ARTE und deren Hoffnung auf eine positive Kritik war gleich mit eingepackt.
    Auf jeden Fall werde ich es mir heut abend anschauen. (Kein Problem…)

  12. Nimms Dir ruhig auf und schaus Dir zweimal an. Wie selbstverständlich die Kameraden über Morde und andere Kleinigkeiten reden, ist wirklich erstaunlich. Manches schnallt man erst beim zweiten oder dritten Mal. Darin liegt die Stärke des Stücks. Zusammenhänge werden kaum beleuchtet.

  13. um das verwirrspiel um den titel zu einem ende zu bringen — für die arte-mediathek hat man sich nunmehr für die variante die ehre der diebe entschieden.

    für alle die es nicht live ansehen konnten oder wollten oder noch eine kopie für das private archiv braucht — der film ist für die nächsten 7 tage hier abrufbar (wahlweise auch ohne den umweg über die arte-website direkt als wmv-stream).

  14. Warum hat dieser Putin-Doppelgänger „Demotschka“ nach angeblichen so vielen Jahren Knast keine einzige Tätowierung auf seinem Körper? Selbst die Finger waren blank und in der Sauna sah man auch keine Sterne auf den Knien. War die Tinte alle in seinen Jahren oder erzählt er doch nur Märchen?

  15. Danke für diesen schönen Hinweis – der war für mich (insbesondere auch wegen der Verlinkung auf den hochinteressanten Wikipedia-Artikel D. i. G.) sehr wertvoll, und special thanks an cf für die Links zu den Video-Konserven dazu (so kam sogar ich als fernsehabstinenter Nichtfernseherbesitzender doch noch an die begehrte, dann sogar befehlsgemäß bereits 2x konsumierte „Lektüre“)!

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  18. Heute Abend (22:45 Uhr) übrigens als *tada* Die Ehre der Paten in der ARD.
    Wäre ja auch langweilg geworden, wenn die nicht einen neuen Namen ausgewürfelt hätten ;-)

  19. Pingback: Jens Weinreich

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  21. @ ralf:

    Prjadkin … verweist darauf, dass ihn die Ethikkommission des russischen Verbandes freigesprochen habe. Für den Journalisten Andrej Suchotin, der den Fall mit aufgedeckt hat, ist das kein Wunder:

    „Es gibt keine unabhängigen Nachforschungen, keine kompetenten Organe…“

    wie hoch ist wohl die restlebensdauer dieses journalisten einzuschätzen?

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