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Das Olympische Bildungsmagazin

live aus Rio (15): Hexenschuss beim Lichtausmachen

BARRA DA TIJUCA. Die traurige Nachricht des Tages, natürlich, das Ausscheiden von Robert Harting. Tut mir wirklich leid. Heutzutage erklärt sich jeder selbst seinen Followern und Kunden, da braucht es fast kein zwischengeschaltetes Medium mehr. Harting auf Facebook, derzeit 4.600 aufmunternde Gesten und 652 Kommentare.

Da kämpft jemand zwei Jahre. Dann das.

„Im Innersten bin ich noch Sportler“, sagt er. Und spricht über die nächsten zwei Jahre. 2018 gibt es die EM in Berlin.

Hexenschuss beim Lichtausmachen. Was soll ich sagen: Vorgestern Nacht, kein Witz, habe ich es gar nicht mehr zum Lichtschalter geschafft, sondern bin in Klamotten auf dem Bett eingeschlafen, bei voller Beleuchtung. Besser so, was hätte einem Untrainierten auf dem Weg zum Lichtschalter passieren können, wenn sogar ein Olympiasieger die Aufgabe nicht unfallfrei bewältigt.

Ein Irrsinn, oder? So etwas entzieht sich jeder seriösen Planung. Da muss es halt der kleine Harting reißen.

Herr Holle wollte vorhin in den Kommentaren wissen, ob im IOC-Hotel schon Freudenfeuer gesichtet wurden. Nun, ich war zu diesem Zeitpunkt einige Stunden im Windsor Marapendi, dem IOC-Hotel hier in Barra. Kann wahrheitsgemäß zu Protokoll geben: Habe weder Freudenfeuer noch ein Freudenfeuerwerk gesichtet.

Es tut mir leid, ich konnt‘ nix mehr machen.

18.44 Uhr: Muss noch zwei große Texte schreiben. Nebenbei deshalb nur einige Notizen heute. Gehe nachher bestimmt zu den Schwimmfinals.

Angelique Kerber im Tennis-Finale, sehe ich gerade. Vorhin lief hier Fußball. Deutschland im Halbfinale, die Amerikanerinnen mit einem historisch zu nennenden Viertelfinal-Aus im Elfmeterschießen gegen Schweden. Fünfmal gab es zuvor Frauenfußball bei Olympia, fünfmal waren die USA im Finale, viermal gewannen sie.

21.27 Uhr: Geht doch. Wenigstens einmal beim Schwimmen. Jetzt muss ich nur noch rauskriegen, wann Dagmar Hase und Franziska van Almsick schwimmen, so wie 1992 auf dem Montjuic. Ein Begrüßungskommando haben die Brasilianer auch gestellt, sehr freundlich, aber nicht dass jemand auf eine Idee kommt, da tanzt so ein gelbes Vieh mit …

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22.00 Uhr: Nach Ewigkeiten mal wieder Christoph Becker (@c_h_w_b) getroffen, der hier für die FAZ alles gibt, vom Sonnenaufgang bis unmittelbar vor dem Sonnenaufgang – täglich. Und weil ich nun mal am Bassin sitze, erneuter Lesebefehl für die beste und vor allem sportpolitischste Schwimm-Webseite des Planeten:

Eyglo Gustafsdottir auf der 1 hat sich nicht etwa im Euro-Überschwang umbenannt, die Dame heißt wirklich so. Aber das erste Gold des Abends geht wohl an Ungarn, an Katinka Hosszu.

Denkste. Einmal vorn auf 200 Metern – als es drauf ankam: Maya Dirado aus den USA mit dem Anschlag sechs Hundertstel vor Hosszu, Hilary Cadwell aus Kanada auf drei. Island auf acht.

22.08 Uhr: Mir ist hier viel zu viel Musik. Finde, da kann schwer Stimmung, so rechte Stimmung aufkommen, die mitreißt. Die Musik überdröhnt alles.

Dagmar Hase ist nicht mehr dabei, hat mir Christoph Becker vorhin verraten. Dafür entdecke ich jetzt über 100 Meter Schmetterling einen guten alten Bekannten, der mindestens so lange dabei ist wie Big M. Es ist Laszlo Cseh. Ich erinnere mich dunkel, von der WM 2003 in Barcelona mal was Größeres über ihn geschrieben zu haben. 2-0-0-3.

Joseph Schooling aus Singapur. Ja da schau her. Big M Zweiter vor Chad Le Clos. Ach, was erzähle ich: Big M., Le Clos und Cseh gemeinsam in 51,14 auf zwei. Eine Goldene, drei Silberne. Passiert auch nicht jeden Abend.

Schoolings Eltern über ihren Liebling:

Beim Schwimmen ist es übrigens auch nicht ausverkauft. Schätze, da gibt es mindestens 1.000 freie Plätze. Schwimmen ist bei Olympia eigentlich (sonst) immer high demand und kaum verfügbar. Wer aber heute noch überlegt, für morgen Finaltickets zu erstehen, wird es leider mit dem Flug nicht mehr schaffen. Wer grundsätzlich mal Olympia sehen möchte und zufällig ein paar tausend Euro übrig hat, dem kann ich nur empfehlen, sich schleunigst in den Flieger zu setzen. Eine Woche lang könnte derjenige für wenig Geld jeden Tage mehrere Top-Events besuchen. So leicht wird das nie wieder.

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An dieser Stelle muss ich aber wieder einwerfen, dass der Herr Andrada vom ROCOG im Grunde ständig berichtet, wir würden optischen Täuschungen unterliegen. 85 Prozent aller Tickets seien verkauft, mindestens.

War bzw ist bei der Leichtathletik heute nicht anders, mir knallt es gerade einen Bericht des Guardian über das brasilianische Desinteresse und die leeren Ränge herein:

Und gleich hat Katie Ledecky den Weltrekord (800). Sie liegt fast eine halbe Bahn vorn. 8:04,79. Zwölf Sekunden Vorsprung. Sarah Köhler mit 23 Sekunden Rückstand auf acht.

22.41 Uhr: Was ich wie immer ganz schwer verkraften (oder vielleicht besser: was ich sehr gern mag), unabhängig von der Frage, ob man denen da unten trauen kann, sind natürlich diese Siegerehrungen, wenn bei den Mädchen die Tränen fließen, Maya Dirado gerade die Hymne herzzerreißend mitsingt und danach ihrem Freund in die Arme fällt, während Hilary Caldwell aus Kanada mit ihren Eltern heult. Hach, da bin ich ganz gern nah am Wasser gebaut. Eigentlich, das weiß der Thommy nur nicht, sind Typen wie ich die perfekte Zielgruppe für jede Art von Olympic Channel. Schön schnulzig. Schön dramatisch. Erst leiden, dann gewinnen oder zumindest glücklich werden. Damit kann man mich kriegen.

Eigentlich.

Wenn das nicht meine siebenten Sommerspiele wären und ich nicht schon zu viele Lügen live miterlebt hätte. Deshalb: Mitfühlen und kritisches Betrachten, es lässt sich kombinieren. Da bin ich sicher.

22.48 Uhr: Nebenan in Rio liegt Weltmeisterin Christina Schwanitz im Kugelstoßen auf sechs. Nur Sechste, darf man das ungestraft sagen? Anyway, was mich fasziniert: Das Infosystem hat sich noch ein bisschen verbessert. Klasse Angebot, möchte aber auch sein im sogenannten Informationszeitalter:

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22.56 Uhr: Ser Miang Ng, Chef der IOC-Finanzkommission und gewesener Präsidentschaftskandidat, lässt sich die Siegerehrung für Schooling nicht nehmen. Big M, De Clos und Cseh springen gemeinsam aufs Podium. Nett.

Das wars hier übrigens schon. Ich breche meine Zelte schon wieder ab. Das ging zackzackzack.

Nun muss ich arbeiten.

00.40 Uhr: Marta verschießt den Elfmeter, ich fass es nicht – aber Australien auch. Nicht dass Brasilien im Mineirão schon wieder …

Frankreich draußen. USA draußen. Deutschland drin. Kanada drin. Schweden drin.

Brasilien legt nach Martas Fehlschuss dreimal vor.

Und Brasilien drin. Die Matildas verabschieden sich.

Und ich auch.

2 Gedanken zu „live aus Rio (15): Hexenschuss beim Lichtausmachen“

  1. Schwanitz sechste, da muss sie dann also 4-8 Jahre warten, bis sie eine Medaille kriegt.
    Der deutsche Kanuslalom-Trainer liegt nach einem Taxiunfall mit Schädel-Hirn-Trauma im KKH. Also bloß aufpassen! Und wir drücken ihm die Daumen.

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