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Das Olympische Bildungsmagazin

Das intransparenteste Unternehmen der Welt

Zugegeben, die Überschrift ist ein wenig übertrieben. Denn das Internationale Olympische Komitee (IOC) ist nach einer Studie des One World Trust ja nur Schlusslicht von 30 untersuchten Organisationen und Unternehmen.

Aber ein passendes Schlusswort für dieses Jahr, das dem IOC („some elements of answer“) den Journalistenpreis „verschlossene Auster“ bescherte, ist es allemal. Die dem britischen Parlament nahestehende Stiftung One World Trust setzt das IOC im „Global Accountability Report 2008“ auf den letzten Rang.

Von den 30 geprüften Organisationen kommen NATO, IOC und IAEA ihrer Verantwortung am wenigsten nach

Viele der weltweit einflussreichsten Organisationen, sei es im Privatsektor (TNC), seien es Zwischenstaatliche (IGO) oder Nichtstaatliche (NGO), werden ihrer Verantwortung gegenüber den Menschen, die sie direkt beeinflussen, nicht gerecht. Dies geht aus der heute veröffentlichten Studie des One World Trusts, einer weltweit bekannten Denkfabrik, hervor, die sich mit angemessenem Umgang der globalen Verantwortlichkeit (The Global Accountability Report) befasst.

Zu einer Zeit, in der bedeutende weltweite Herausforderungen wie die Finanzkrise, das Leben der Menschen, Unternehmen und ganzen Volkswirtschaften rund um den Globus beeinflussen, erreicht keine der 30 im Bericht geprüften Organisationen – darunter z.B. auch die Investment Bank Goldman Sachs – eine über 80% liegende Punktezahl, wenn sie nach den vom One World Trust Kriterien bewertet werden.

Dieses Niveau, so der One World Trust, weise darauf hin, dass Reformen zur besseren Verantwortlichkeit nur unzureichend durchgeführt werden. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) erhielt die niedrigste Gesamtpunktezahl mit 32%, dicht gefolgt mit 33% von der Internationalen Agentur für Atomenergie (IAEA), die die friedliche Nutzung von nuklearer Energie fördert, und der NATO, die für mehr als 70% der weltweiten Rüstungsausgaben verantwortlich ist, mit 36%. (…)

Aus der Pressemiteilung des One World Trust

Der One World Trust legt, ähnlich wie die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International, jährlich seinen Prüfbericht vor. In diesen Berichten werden je zehn Internationale Re­gie­rungs­orga­ni­sa­tionen, Nicht­re­gie­rungs­orga­ni­sa­tionen (NGO) und Wirtschaftskonzerne analysiert. Dazu zählten in den vergangenen Jahren etwa der Europarat, Interpol, Greenpeace, Human Rights Watch, die WHO, Microsoft, Toyota, RWE und Coca-Cola. In diesem Jahr wurden unter anderen die Nato, Unicef, das UNHCR, Transparency International, Goldman Sachs, Deutsche Post World Net, Halliburton und Unilever geprüft.

In der Sportsprache würde man von einer desaströsen Niederlage sprechen. Das IOC ist, zehn Jahre nach Ausbruch des existenzgefährdenden Bestechungsskandals, (immer noch) einsames Schlusslicht in einem Modernen Vierkampf, der die Unternehmen unter vier Aspekten analysiert: Transparenzfragen, Mitbestimmung, kritische Selbsteinschätzung und Umgang mit Beschwerden.

Das IOC verfolge keine transparente, auf Offenlegung zielende Politik, hält die Studie fest. In der Transparenz-Kategorie schneidet sogar der Rüstungskonzern Halliburton besser ab als der Olympia-Konzern aus Lausanne, der im kommenden Vierjahreszyklus (2009-2012) fast 5 Milliarden Dollar umsetzt. Kritisiert werden die unzureichenden Kontrollmöglichkeiten der IOC-Mitglieder und der so genannten Aktionäre der olympischen Bewegung, zu denen auch Nationale Olympische Komitees, die 35 olympischen Weltverbände, Athleten und Sponsoren zählen. Moniert wird zudem die extreme Machtfülle des IOC-Präsidenten Jacques Rogge und seines Exekutivkomitees.

Der One World Trust hat beispielsweise die IOC-Ethikkommission untersucht:

While the existence of the IOC Ethics Commission is good practice, it has several key limitations.

First, it provides no protections such as confidentiality and non-retaliation, for staff or others who may wish to bring forward allegations.

Second, the Ethics Commission lacks independence. The IOC President appoints all members subject to Executive Board ratification and has sole authority to review cases before referring them to the Ethics Commission, which cannot initiate investigations on its own.

Third, the Commission is composed of nearly half IOC members, a conflict of interest in a group whose primary function is to investigate and sanction IOC members.

Fourth, the IOC Ethics Commission lacks any capacity to provide remedies to injured parties as a result of IOC or IOC member failures to comply with the Code of Ethics.

Finally, the IOC Ethics Commission does not provide a clear reporting channel for complaints to be made.

Zum ersten Mal wurde 2007 eine Sportorganisation in die Liste aufgenommen: Der Fußball-Weltverband Fifa belegte den letzten Platz unter den Nicht­re­gie­rungs­orga­ni­sa­tionen. In diesem Jahr wurde die Fifa vom IOC abgelöst. Im Vergleich zum vorjährigen Schlusslicht Fifa, das seit einigen Jahren Finanzberichte vorlegt, präsentiert das IOC der Öffentlichkeit noch immer keine Bilanzen seiner Geschäftstätigkeit.

Gemäß der Rangliste ist die Internationale Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen (IFOAM) das transparenteste Unternehmen des Jahres 2008. 24 Firmen und Organisationen haben sich an der Analyse beteiligt und zusätzliche Informationen übermittelt. Sechs Unternehmen kooperierten nicht mit der Stiftung. Dazu zählten die Nato, Deutsche Post World Net und, natürlich, die Sportkameraden vom IOC.

Aber im kommenden Jahr wird gewiss alles besser. Und transparenter.

14 Gedanken zu „Das intransparenteste Unternehmen der Welt“

  1. Auch die UCI führt mal wieder vor Augen, wie Transparenz funktioniert. Irgendwann „zwischen den Jahren“ wurden mal wieder ein paar zum Teil mehrere Monate alte Dopingurteile veröffentlicht…

  2. @Ralf: Interessante Liste, Danke (auch für die regelmäßigen guten anderen Links)! Sollte jeder Weltsportverband verpflichtend führen müssen. Die WADA sollte dann diese Daten zu einer „Welt-Dopingfall-Datenbank“ stricken, um den Grad der „Doping-Durchseuchung“ einer Sportart/ Nation transparent zu machen. Könnte für die Doping-Fahndung (Identifikation von Risikonationen und -Sportarten)auch hilfreich sein. Insofern finde ich die UCI hier einmal vorbildlich.

  3. @ Herr Holle: Die Idee mit der „Welt-Dopingfall-Datenbank“ ist sicher gut, meines Wissens müssen die internationalen Verbände ihre Dopingfälle aber ohnehin an die WADA melden. Oder reagiert die WADA jeweils auf Pressemeldungen, wenn sie Einspruch gegen bestimmte Entscheidungen erhebt?

    Und wenn die UCI hier als „vorbildlich“ bezeichnet wird, kann ich dies nicht kommentarlos stehen lassen. Früher wurden Dopingfall-Entscheidungen als „gewöhnliche“ Pressemitteilungen veröffentlicht. Heute gibt es „nur“ noch die oben verlinkte Excel-Tabelle, die vermutlich kaum jemand kennt. Aktualisierungen, die nur alle paar Monate stattfinden (wenn die Fälle schon niemanden mehr interessieren!), werden nirgendwo angekündigt.

    Entsprechende Tabellen werden übrigens auch von vielen anderen Verbänden geführt:

    International Weightlifting Federation (IWF): List of competitors suspended

    International Association of Athletics Federations (IAAF): Sanctioned Athletes

    Fédération Internationale de Natation (FINA): Antidoping

    etc.

    Zumindest die IAAF informiert zeitnah über „ihre“ Sünder, weswegen es auch die meisten ertappten Leichtathleten in die Medien „schaffen“…

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