Zum Inhalt springen

Das Olympische Bildungsmagazin

The Times: Exklusive Qatar-Dream-Football-League-Geschichte war exklusiv erfunden

(c) Les cahiers du football

(c) Les cahiers du football

The Times hat am Sonntagabend eingeräumt, dass die dreiseitige vermeintliche „Exklusivgeschichte“ über die Dream Football League in Katar exklusiver Nonsens gewesen ist.

When we are wrong, we will hold our hands up. It’s the right thing to do. (…)

The Dream Football League (DFL) would turn into a journalistic nightmare.

Tony Evans, Fußballchef The Times

Wie es dazu kommen konnte?

So ziemlich alle Fragen bleiben in der Kolumne von Tony Evans unbeantwortet.

[Der Text war zunächst hinter der Paywall, sollte aber am Montag steht aber jetzt frei zur Verfügung stehen.]

Evans fabuliert stattdessen munter weiter über Katars Pläne, die vermeintliche Klasse seines Geschichtenerzählers Oliver Kay, benutzt die Vokabel „Entschuldigung“ nur einmal auf Twitter, nicht aber in der Zeitung …

… und bezeichnet diejenigen, die in modernen Medien Aufklärung herbei geschrieben haben, später als Trolle:

Ein eher typischer Vorgang im real existierenden (Fußball)journalismus also. Die Arroganz bleibt ungebrochen.

Vier Tage hat es gedauert. Es brauchte einen kleinen Shitstorm auf Twitter und wenige hartnäckige Blogger, um die vermeintliche Exklusivgeschichte der Londoner Times als das zu entlarven, was sie ist:

Bullshit.

Eklatantes Versagen von Journalismus.

Die Kurzfassung geht so (mit einigen wenigen Tweets und Links, viele weitere Links finden sich in meiner ersten Zusammenfassung):

Am 12. März veröffentlichte das französische Magazin „Les Cahiers du Football“ eine Satire zu einer angeblichen Dream Football League mit 24 der weltbesten Klubs alle zwei Jahre am Golf, in Katar und anderen Emiraten, wobei jeweils zwei Milliarden Euro Preisgeld zu verteilen wären.

Am 13. März veröffentlichte die Times drei Seiten „exklusiv“, verfasst vom Fußballreporter Oliver Kay. Keine „Info“ mehr als in „Les Cahiers du Football“ zu lesen war (aber mit ein bisschen fußballpolitischem Geschwafel vermischt). Vor allem aber mit der Grafik aus „Les Cahiers du Football“.

Am 13. März, wenige Stunden später, erklärten die französischen Redakteure via Twitter, dass die Dream Football League Story frei erfunden war. Oliver Kay verwahrte sich gegen die Darstellung, er habe eine Satire abgeschrieben und in eine heiße Geschichte übersetzt – seine Quellen seien „zu 175 Millionen Prozent“ andere gewesen. Times-Sportchefreporter Matt Dickinson, Fußballchef Tony Evans und einige andere sprangen ihm via Twitter bei und verteidigten Kay und dessen Story vehement.

Am 13. März, nachmittags, meldete sich via Twitter eine obskure Figur namens Rob Beal, der angeblich eine Berater oder was auch immer Firma in Paris besitzt, und behauptete, er sei die Quelle für die Times-Story gewesen, die stimmt und ganz heiß sei. [Inzwischen sind die meisten Tweets von Beal gelöscht.] Im Laufe der nächsten Tage trollte Beal, wohnhaft in Sheffield, nicht Paris, durch die Weiten des www, nun ist er still. Währenddessen dichtete Dickinson einen Blogbeitrag (nun hinter der Paywall :), um Kays Unsinn zu unterstützen.

Am 14. März legte die Times eine Geschichte nach mit einigen windigen angeblichen Reaktionen auf den DFL-Plan. Diese Geschichte ist wohl auch eher erfunden. Typischer he-said-she-said-„Nachrichten“journalismus.

Am 14. März lieferte “Cahiers du football” eine tolle Entgegnung mit dem wunderbaren Titel …

Ok, let’s admit it, true information can follow wrong information. Purely by chance, or as a trigger. A football club falsely linked to a player might get information about him, find him interesting and eventually sign him. Why not. But the case here seems much clearer.

First step : the fake news is published here in the night from March 11th to March 12th, with a name („Dream Football League“), a picture, and figures completely made up by the writer. This has to be clearly understood: Les Cahiers‘ piece was published beforeThe Times‚ piece. A simple Google search will prove that.

Second step : March 13th, around 3:30 AM, The Times publishes exclusive information weirdly similar. Name of the project, date of launching, number of clubs participating (even on invitation), spending limits, and the same picture. An almost perfect match. Except that everyone in England is yet to realize that.

Shortly after the publication of the article, other British papers run the story. Opinion pieces on the topic appear and English-speaking journalists talk with each other on Twitter, saddened by the possibility of such a project. They are quickly warned by the usual Cahiers readers, especially by us, Christophe and Raphaël, who write on les Dé-Managers, a blog associated with Les Cahiers. We tell them that their exclusive is actually based on an entirely fictional article. At that moment, few of them take us seriously.

Der Hintergrund dieses Rob Beal war schnell aufgeklärt, wobei sich Richard Whittall, der das kanadische Blog Counter Attack auf The Score schreibt, besonders hervor getan hat. Seine Geschichten (für Montag hat er noch eine angekündigt):

Fußballchef Evans gestand also im Gespräch mit Whittall ein, dass Rob Beal Quelle (angeblich nur eine) von Kay/The Times gewesen ist. Beal hatte die Satire in „Les Cahiers du Football“ gelesen, aber nicht verstanden, und flink Kay angemailt und dem die Grafik geschickt …

Schon waren drei exklusive Seiten in einem Qualitätsblatt (ja, ich weiß: Murdoch …) von Weltrang gefüllt.

Nachtrag, 8.54 Uhr: Raphael Honigstein schreibt mir, Beal habe eventuell nicht das Original weitergereicht, sondern eine Story von Leuten, die bereits auf „Les Cahiers du Football“ hereingefallen waren:

Vorher hatte es aus der Times geheißen, es sei Wochen, wenn nicht gar Monate an der Geschichte gearbeitet worden.

Zwei Tage später veröffentlichte Evans dann seine Kolumne, wobei er in mehr als der Hälfte des Textes die Option offerierte, dass die DFL-Geschichte so unwahrscheinlich nicht sei, schließlich könne man Katar eine Menge zutrauen etc pp – erst im letzten Drittel seines Textes wurde er halbwegs konkret:

The warning signs — that no one had heard specific details of the DFL or seen its plans — were missed. In principle, the idea was possible. There were plenty to attest to that.

In reality, the story appears to have been invented and had just enough plausibility to be seductive.

Initially, The Times launched a strong defence of the story and the reporter. However, the paper also launched an investigation by its internal ombudsman.

Over the three days that followed the publication of the story, it appeared increasingly clear that Kay and the paper had been duped. And that the checks from the office in London had not been stringent enough in the rush to publication.

This is an unusual situation. Normally, when a story is disputed, lawyers become involved. Individuals and organisations demand retractions and writs are issued. Here, it did not happen. It would have been possible to ride out the storm, tell the world that time would vindicate the newspaper and allow memories of the furore to fade away.

But that is not how The Times does things. We value our reputation. There will be changes now to the way we operate, and an extra level of scepticism will be incorporated into our working practices.

But one thing will not change. If we get it wrong, we will hold our hands up and admit it.

Das Ende klingt gut. Und schon darf auch Oliver Kay nach viertägiger Auszeit wieder twittern:

Fein von der Times und Tony Evans.

Aber nicht genug.

Die Arroganz wird beibehalten.

So ziemlich alle Fragen bleiben unbeantwortet.

Transparenz sieht anders aus.

Und „Les Cahiers du Football“ wurde von der Times erneut nicht namentlich bedacht. Keine Erwähnung. Keine Offenlegung. Keine Entschuldigung.

Immer noch so tun, als beruhte diese Arbeit auf so etwas wie Recherche.

Alle Journalisten machen Fehler, behaupte ich einmal. Und zwar jeden Tag. Mir passiert das jedenfalls ständig. Blogge ich, korrigiere ich die Fehler, sobald ich sie erkenne oder mich jemand darauf hinweist. Sind es Kleinigkeiten wie Zahlendreher oder Rechtschreibfehler, wird darauf meist nicht im Text hingewiesen – bei allen größeren Fehlern aber mache ich Ergänzungen quasi mit Datumsstempel und weise meist zusätzlich in den Kommentaren darauf hin. Dies mal zwischendurch. Und schreibe ich für Zeitungen oder Spiegel Online, schicke ich per Email Korrekturen, manchmal nerve ich die Kollegen sehr, wenn ich drei Fehler gefunden habe oder darauf von Lesern hingewiesen worden bin.

Aber hier geht es um etwas mehr. Nicht um Unachtsamkeiten in der Hektik des Tagesgeschäfts.

Ich habe es vor einigen Tagen schon gesagt: Ab sofort wird jede Meldung über die Umtriebe der Neureichen aus Katar, oft genug mit Korruptionsgerüchten garniert, doppelt und dreifach mit Vorsicht zu genießen sein.

Ab sofort wird jede Rechercheleistung etwa zur von Korruptionsgerüchten und vielen Indizien überschatteten Vergabe der WM 2022, entwertet bzw hat es viel schwerer auf dem Markt.

Denn die fürstlich entlohnten PR-Herolde und Wahrheitsbeuger auf der Payroll des Emirs haben nun leichteres Spiel. Man wird stets an die Ente der Times erinnern.

Diese Geschichte erzählt aber auch ein weiteres Kapitel darüber, wie die Fußballbranche, die so genannten Football Writer und der Fußballjournalismus überhaupt tickt und ticken.

Windige Agenten, Glücksritter, Lügner, Hochstapler (wie Rob Beal) tummeln sich in diesem Geschäft gemeinsam mit professionellen Weißwäschern aus der PR-Branche, mit Klein- und Großganoven, Geheimdienstlern und allerlei anderen Typen. Sie alle füttern und beeinflussen Fußballjournalisten – und konkurrieren mit den, sagen wir, seriösen Playern in diesem Geschäft, die auch alle ihre Agenda und Interessen haben.

Jeder, der sich in diesem Metier versucht, geht solchen Typen mal auf den Leim, mal bleibt er clever und standhaft. Immer wieder muss man sich selbst befragen und überprüfen. Daily business. Ich weiß, wovon ich rede. Einiges ist Handwerk. Vieles Gespür. Manches Glückssache. Den Interessenvertretern kann sich niemand völlig entziehen.

Was mich bei Kay und der Times allerdings besonders wundert: Die haben nicht mal gegoogelt, sonst wären sie in Windeseile auf den Fake in „Les Cahiers du Football“ gestoßen. Die waren offenbar ziemlich gierig auf die schnelle Schlagzeile.

Oder, kaum zu glauben, die haben’s gesehen und nicht als Satire verstanden.

Eines ist außerdem extrem wichtig: Es gibt eine Tendenz, nicht nur in angelsächsischen Qualitätszeitungen, dass von den o.g. windigen Typen Geschichten lanciert und zu Schlagzeilen werden, die kaum überprüft werden. Es ist ein hyperventilierendes Business – besonders anfällig für äußere Einflüsse. Recherche kommt da meistens zu kurz. Insofern ist der Reinfall, den die Times erlebt hat (und den sie mit halbgaren Darstellungen überstehen möchte), schon wieder typisch.

Es werden sich heute gerade aus dem angelsächsischen Raum noch einige Kenntnisreiche äußern – und vielleicht andere Beispiele bringen. Denn hinter vielen Geschichten, die heiß gekocht werden, verbirgt sich oft genug – NICHTS. Maximal schlechte Satire.

Die Grundfrage, wie Medien mit eigenen Fehler umgehen und wie nachvollziehbar sie diese aufarbeiten, kann natürlich erneut diskutiert werden.

Die Times jedenfalls hat nur einen Bruchteil dessen eingeräumt, was längst in zahlreichen anderen Medien (weniger in Altmedien, sorry, die hielten meist zu den Kollegen, als vielmehr in Blogs und auf Twitter) entschlüsselt worden war.

Es ist mitten in der Nacht. Ich denke, dass ich mich am Montag weiter und vielleicht ein bisschen sinnvoller dazu äußern werden und die Texte und Links des Tages ergänze. Deshalb vorerst mal drei Buchstaben:

8.34 Uhr: Ich habe bereits Kleinigkeiten ergänzt und korrigiert.

10.50 Uhr: Inzwischen steht die gesamte Kolumne von Evans frei zur Verfügung, ist bereits oben verlinkt.

Frankreich (Les Cahiers du Football) meldet sich auch:

Ich finde aber, falls ich das noch nicht klar genug gesagt haben sollte: Es geht weniger um Typen wie Beal, als vielmehr um die Frage, wie Journalisten mit denen umgehen sollten und ihre Arbeit machen.

27 Gedanken zu „The Times: Exklusive Qatar-Dream-Football-League-Geschichte war exklusiv erfunden“

  1. Hahaha. Genau, besuchen sie uns! Wir haben zwar kein Wort in dieser seltsamen Sprache verstanden, aber wir werden hier erwähnt, das kann ja nicht schlecht sein.

  2. Und wann entschuldigen Sie sich bei mir, Weinreich? Ihr dreckiges Geschätz, ich sei möglicherweise die Quelle für den TIMES Käse gewesen, mag Ihnen wohl in das verdrehte Weltbild passen, ist aber erwiesenermassen genauso bescheuert, wie die Story selbst. Natürlich wird eine linke Type wie Sie sich hüten, je eine Entschuldigung für eine schmutzige und frei erfundene Lüge zu formulieren, was nicht überrascht. Ihre Art, Anschuldigungen frohgemut hochzurülpsen, und das Gerülpse denn auch noch als bare Münze an den Mann bringen zu wollen, hat nur eine Parallele: den Kranken aus Penrith. Frei erfunden, sich auf Ihren Dreck beziehend, hat Ihr Busenfreund Jennings wie üblich abgeschrieben (wie so häufig wieder von Ihnen), und den selben Dreck verbreitet. Empfehle, dass Ihr beide die abgesetzten Medikamente dringend wieder einnehmt, um Eure kollektive Paranoia zumindest etwas einzudämmen. Sie sind ein trauriger Schwätzer Weinreich.

  3. Wie meistens nimmt es Peter Hargitay, langjähriger Berater des FIFA-Präsidenten und Spin Doctor im Gewerbe (ehemals tätig für Union Carbide nach Bhopal), nicht so genau mit der Wahrheit.

    Hargitay ist einer derjenigen, vor denen ich in vielen Texten warne, auch dort oben.

    Er schreibt nun in #4:

    Ihr dreckiges Geschätz, ich sei möglicherweise die Quelle für den TIMES Käse gewesen, mag Ihnen wohl in das verdrehte Weltbild passen, ist aber erwiesenermassen genauso bescheuert, wie die Story selbst. Natürlich wird eine linke Type wie Sie sich hüten, je eine Entschuldigung für eine schmutzige und frei erfundene Lüge zu formulieren, was nicht überrascht.

    Was ich dagegen getan habe, wie bereits im vorherigen Beitrag erwähnt, ich habe Hargitay und seinen Sohn am 13. März via Twitter gefragt, ob sie aufklären können:

    Eine Antwort habe ich persönlich nicht erhalten. Nur den Hinweis, auch den hatte ich bereits öffentlich gemacht, ich sei ein Idiot.

    Ein Idiot, ein trauriger Schwätzer, eine linke Type, der Lügen erfindet und rülpst, um genau zu sein.

    Voilà Peter Hargitay! Well done. So kennt man sie.

    Dummerweise hat ihnen der „Kranke aus Penrith“, als den Sie Andrew Jennings bezeichnen, mit seinen wahren Geschichten über die Jahre einigen Ärger bereitet und sogar einige Jobs verbaut, wie etwa den bei der FA während der WM-Bewerbung.

    Wer mehr über Peter Hargitay wissen möchte, lese direkt bei Andrew Jennings.

  4. Odd but no surprise. Your modus operandi never changes: to reassure people of your bs, you refer to the severally convicted conman Jennings (as opposed to me, and no matter how he twists it, the only one convicted of ANYthing between the two of us is he). And he lovingly refers back to you. Lovely. Like that, you can perpetuate the loop of lies you created. Here’s another one: That conman in Penrith KNOWS that it was US who declined to work w the FA. But he perpetuates the lie. He ALSO knows that I worked in financial PR for Carbide TWO YEARS before the catastrophe. And that I quit OVER Bhopal: that too he twists and lies about. I could go on for ages but it is not worth it. You never asked me anything about the Times. Show me the email if you hv one. You are a liar Weinreich. But no worries : still a long way to go until you reach Jennings‘ level of truth perversion. Btw: how much money was he paid by the Bahraini to smear me? You don’t know? How odd. Some journalism that: smear people for money. Have you joined that club too?

  5. Pingback: «Dream Football League’: «Times’ gesteht Versagen ein | Konzerne.ch

  6. @ Erbloggtes: Oh ja. Bin nicht mal sicher, ob die Football Writer da wirklich voran schreiten – oder nicht doch eher die Politikjournaille.

    @ cf: Psst! Nicht reizen! Du siehst ja, jetzt schreibt er gar in Englisch und wird nicht etwa gelassener.

    @ P Hargitay: Zwei einfache Fragen. Fragen, ok.

    1) ECN ist doch neuerdings in Zypern registriert, oder?
    2) Was ist da eigentlich jetzt mit ECN-Konten auf der so firmenfreundlichen Insel?

  7. Wie sagten meine Großeltern noch so schön? „Wer schreit, hat Unrecht.“
    Man könnte auch sagen: „Wer schreit, hat’s nötig.“

  8. Pingback: The Story So Far — March 18th The Times of London retracts the DFL story | Counter Attack | Blogs | theScore.com

  9. Pingback: Webperlen: Der Postillon, Monitoring-Tools, Flickr mit Hashtags und ein Smartphone im Kochtopf

  10. Apropos „nötig haben“: [Sorry, ich bekomme meine Fassungslosigkeit gerade nicht adäquat ausgedrückt]

  11. Pingback: Links anne Ruhr (19.03.2013) » Pottblog

  12. … ähm, #4 und #7 sind real? WTF? Ist das ungefiltertes Spin-doctor-ism? Da dreht sich ja so einiges um.

  13. No fake, ferenc_j. Wir sind hier nicht in der Dream Football League.

    Das ist real existierend. Dazu gab es noch einige Email ähnlichen Inhalts.

    Das sind so die kleinen Freuden des Tagesgeschäfts, wenn man sich in diesem Business versucht. Journalisten, die stören, sind elende kleine Würmer.

  14. Pingback: Die Blog- & Presseschau für Dienstag, den 19. März 2013 | Fokus Fussball

  15. Hmm, also ich finde der Text, so klasse aufgebaut und erhellend er ist, geht mir doch teils etwas selbstgefällig vor allem mit der „klassischen Presse“ ins Gericht und zielt auch etwas sehr darauf ab.
    Ich jedenfalls finde, die Times hat sehr deutlich erklärt, wie die Story zustande kam:
    Eine Quelle, zu der Evans sich über einen längeren Zeitraum hin Vertrauen aufgebaut hat, lieferte ihm den Anstoß, es kursiere eine Idee zur „Dream Football League“ (Über die Abkürzung „DFL“ könnt ich mich ja den ganzen Tag beömmeln) in Quatar. Daraufhin telefonierte er in Kleinarbeit namhafte Vereine ab. Und hier kommt ins Spiel, was sie selbst ja schon im ersten Artikel so richtig bemerkten: Quatar traut man viel zu. Im Ergebnis erhielt Evans dann eben nicht nur klare Dementis, sondern auch Aussagen von Vereinen, sie hielten das Projekt für realistisch, hätten aber kein Interesse an einer Mitwirkung.
    Das Problem bei der Sache war eben, die „Quelleninformation“ war das abgucken bei einer unbekannten französischen Seite, die eine Satire nicht verstanden hatte und weiter verwertete, und zwar konnte natürlich kein Verein die erfundene Geschichte bestätigen, allerdings ließen sich einige, weil man Quatar eben so viel zutraut, ein ganz klares Dementi aus – im Zweifelsfall weil sie vermuteten, Evans als Journalist habe seinerseits bereits weiterführende Infos zu der Geschichte.

    Ist das tatsächlich so schlimm, wie Sie es teilweise machen? Es ist peinlich für die Times, aber sie hats ja jetzt auf sich genommen. Und das müsste sie gar nicht tun, egal wie viele Shitstorm-Besserwisser, von denen es viele nun wirklich nicht besser wissen, auf den Zug aufspringen und sich als gefühlte Internet-Elite an den Beschuldigungen beteiligen. Muss man Evans den Vorwurf machen, er habe nicht über google erstmal überprüft, ob seine Primär-Quelle nicht eigentlich von einer obskuren französischen Seite im Internet abgeschrieben hat, die einen Witz nicht verstanden hat? Der Weg den die Story genommen hat, ist eher typisch für die obskuren Verwurstelungen die das Netz teilweise anbietet, als ein Fall von schlechtem Journalismus, finde ich. Und natürlich ein fußballpolitisches Lehrstück.

  16. @ Aleks: Dann ist es mir in der Nacht nicht richtig gelungen, meine Botschaft rüberzubringen. Ich habe versucht, fair mit Kay & Co umzugehen. Vor allem mit Kay.

    Die Beeinflussung von Interessengruppen, um es völlig wertneutral zu sagen, ist ein riesiges Problem. Davon ist beispielsweise die komplette Politikberichterstattung infiziert, mehr noch als das Sportbusiness.

    Damit müssen Journalisten klarkommen. Ich habe niemanden verdammt, habe die Schwierigkeiten nur ganz kurz umrissen und mich einbezogen mit meinen Irrungen und Wirrungen. Schauen Sie sich die Kommentare an, da äußert sich ein Vertreter dieser Interessengruppen. Er ist jetzt nicht mehr wichtig, aber dieser Mann hat weite Teile der UK Presse in Sachen FIFA/Sportpolitik lange Zeit beeinflusst und seinen Mist gestreut.

    Zu Kay kurz, da liegst Du etwas falsch: Er kann nicht in mühevoller Kleinarbeit Leute abtelefoniert haben. Dagegen spricht der Zeitraum der beiden Veröffentlichungen (24 Stunden), Richard Whittall hat das am Beispiel von ManU (ich glaube, es war ManU) auch längst widerlegt, die von Kay erst am Nachmittag nach CdF-Hoax und also unmittelbar vor Fertigstellung der Times-Exklusivseiten kontaktiert worden sind.

    Da lügt die Times (Evans) offensichtlich, wenn in seinem Text, der eine Entschuldigung sein soll, noch immer von Monaten (korrigiere mich bitte) die Rede ist. Nonsens.

    Muss man Evans den Vorwurf machen, er habe nicht über google erstmal überprüft, ob seine Primär-Quelle nicht eigentlich von einer obskuren französischen Seite im Internet abgeschrieben hat, die einen Witz nicht verstanden hat?

    Ja. Google ist nur ein Beispiel. Jede andere Suchmaschine auch :) Ja, man muss ihm den Vorwurf machen. Er hätte die Option einer Kolumne gehabt (oder welche Form auch immer, betrachtender, kleinerer Text / auch gern größerer Text, in dem er dann aber seine „Recherche“ und seine offenen Fragen mit den Lesern teilt), aber er hat sich für eine Sensationsstory „exklusiv“ entschieden. Das ging nach hinten los. Und das ist ja letztlich das Gute am Journalismus. Journalisten werden oft als Besserwisser/Klugscheißer/Mäkelheinis verdammt. Nur: Ihre Arbeit lässt sich (manchmal) eben doch messen: Meistens hinterher, beim Wahrheitscheck gewissermaßen. Hier ging es sehr schnell.

    Der Weg den die Story genommen hat, ist eher typisch für die obskuren Verwurstelungen die das Netz teilweise anbietet, als ein Fall von schlechtem Journalismus, finde ich.

    Ohne „eher“. Beides. Ich sage: Eher von journalistischen Grundfehlern.

    Und natürlich ein fußballpolitisches Lehrstück.

    Absolut. Und ein journalistisches Lehrstück. S.o. meine Eingangsbemerkungen.

  17. @#4/#5

    Zu Kay kurz, da liegst Du etwas falsch: Er kann nicht in mühevoller Kleinarbeit Leute abtelefoniert haben. Dagegen spricht der Zeitraum der beiden Veröffentlichungen (24 Stunden), Richard Whittall hat das am Beispiel von ManU (ich glaube, es war ManU) auch längst widerlegt, die von Kay erst am Nachmittag nach CdF-Hoax und also unmittelbar vor Fertigstellung der Times-Exklusivseiten kontaktiert worden sind.

    Mehr noch: ManU wurde erst für die absurde Folgestory kontaktiert, nachdem die vermeintliche Exklusiv-Geschichte erschienen war und um sie zu stärken – als der Club, der die „Opposition“ gegen die Dream League anführe. Whittall hat aufgedeckt, dass die Times für die erste Story weder bei PSG noch QSI angefragt hatte, angeblich die „main mover“ hinter der DFL. Es ist völlig offen, ob da überhaupt bei irgendeinem Club angefragt wurde, zitiert wird kein einziger, nur eine Reihe „private sources“ …

    Kann mich noch an Zeiten erinnern, in denen es ein No-Go war, (Exklusiv-)Geschichten ohne eine einzige zitable Quelle und /oder verfügbares Dokument zu veröffentlichen wie von der Times praktiziert. In diesen Zeiten (und so lange her ist das nun auch wieder nicht) galt dergleichen eindeutig als schlechter Journalismus ;)

  18. Gut, ein Dokument lag ja anscheinend durch den Informanten Beal (inzwischen foodpic-twitternd) nebst Aussage vor.
    Ich bin allerdings so oldschool, dass ich denke, eine Recherche braucht auch noch eine zweite Quelle und die wäre wirklich mühelos einholbar gewesen.
    De Times versuchte erfolglos nachzureichen, monatelange Investigation ist natürlich glatt gelogen.
    Eine „Beeinflussung von Interessengruppen“ durch -wie schreibt man das, so? – katarrische Einflussnehmer behalte ich mal im Hinterkopf, finde es aber etwas überzogen.
    Eher die Fortsetzung von Transfergerüchten auf anderer Ebene (zufälligerweise/ebendrum hat sich Mertesacker zu Transfers heute geäußert). Zeilenfüllender Journalismus eben.

    Das Fehlen der Frage nach der Belastbarkeit der Spieler/der Praktikabilität eines solch erweiterten Modus ist für mich allerdings ein wirklich kollektives Versagen.

  19. @ mik: Ich hab nicht von katarischem Einfluss gesprochen, sondern grundsätzlich von Interessengruppen, die auf Journalisten einwirken.

  20. Gerader der letzte Punkt, den mik anspricht, habe ich auch beim Lesen der Artikel gedacht. Angenommen alle „Fakten“ zur DFL würden stimmen, müsste es doch Times-Anspruch sein, sich kritisch mit dem Vorhaben auseinander zu setzen, oder?

  21. Pingback: Mit Augenmaß | Hamburg ist grün-weiß

  22. @JensWeinreich

    Mensch, ein toller Beitrag!
    Wie es scheint, ist es um die Recherchequalität bei King Rupert’s britischer Vorzeige-Gazette nicht zum Besten bestellt. Klar kann man einem Hoax auf den Leim gehen. Dann sollte man es aber auch schnell einräumen, und sich nicht so cocky geben, wie die TIMES-Kollegen nach dem Auffliegen der Geschichte mit ihrem lächerlich unprofessionellen Lügengebäude. Welcher Leser überspringt dafür gern eine Paywall?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

What they say
"I give a shit on you!
I shit on German media!"
Husain Al-Musallam
President World Aquatics
and Co-Conspirator #3
coming soon
fund journalism
FIFA Watch
best of