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Das Olympische Bildungsmagazin

„Sheikhs shake world game“: Katar traut man auch eine Dream Football League zu – nur stimmt die Geschichte überhaupt?

(c) Les cahiers du football

(c) Les cahiers du football – „exclusiv“ auch in der Times verwendet (ohne Erlaubnis)

Hat die Londoner Times einen Gag des französischen Magazins „Les cahiers du football“ zu einer „Exklusivstory“ aufgebauscht?

Das ist hier die Frage, die gewiss im Laufe des Tages beantwortet wird.

Denn die dreiseitige Geschichte von Times-Fußballschreiber Oliver Kay macht weltweit Schlagzeilen. (Ich kenne bisher nur diesen Anreißer, habe kein Times Abo. #paywall)

Demnach plant die Familie des katarischen Emirs Hamad ab 2015 im Sommer (!) alle zwei Jahre ein Großturnier der 24 besten Klubs der Welt. Preisgeld: 2 Milliarden Euro. In sechs Golfstaaten.

So stand es vor drei Tagen in „Les cahiers du football“:

So steht es heute in der Times (längst auch anderswo) und wurde gestern Nacht via Twitter angekündigt:

Da man den Kataris, dem Emir und den Seinen, die sich schon die WM 2022 und etliche andere Spielzeuge aus der Welt des großen Fußballs gekauft haben, alles zutraut, machte diese Times-Story geschwind die Runde.

Medien meldeten. Wissenschaftler kommentierten (manche verdienen schon jetzt gut an und in Katar). Die Branche hyperventilierte.

Desert storm. Dream football League. Konkurrenz zur Champions League. Sheikhs shake world game …

Undsoweiterundsofort.

Vor drei Stunden meldeten sich die Franzosen:

Seither gab es einige Wortwechsel zwischen ihnen und Oliver Kay …

… und die ersten – vorsichtig formuliert – Nachfragen, etwa auf Eurosport:

Qualitätsblättern wie dem Independent ist das relativ egal. Dort wird getitelt:

So kann man das natürlich auch sehen. Weil man, noch einmal, den Kataris halt alles zutraut.

Nur: Sollte sich die Story der Times als Ente herausstellen, die auf dem Joke von „Les cahiers du football“ basiert, nützt das allein dem Emir.

Denn alle Diskussionen und Recherchen, die soll es ja auch geben, zur Frage, wie Katar sich die WM 2022 (und vieles andere im Sportbusiness) erkauft hat, werden damit torpediert.

„Den Medien“ kann man ja sowieso nicht trauen, wird es heißen – ganz leichtes Spiel also für Mike Lee und all die anderen Spin Doktoren und PR-Abzocker, die in Doha ihre Millionen kassieren.

Die Times teilte inzwischen mit:

Schaun mer mal.

Es geht gleich weiter in diesem Theater.

15.06 Uhr: Erste Tweets vom Webchat mit Oliver Kay:

15.09 Uhr: Zwischenfazit.

Zu 175 Millionen Prozent reiner Zufall, die Geschichten: Die einen denken sich aus, was ein anderer kurz darauf enthüllt.

Raphael Honigstein meint dazu:

15.20 Uhr: Durchatmen! #LSR #Urheberrecht

Denn die Jungs aus Frankreich haben mir die Verwendung ihrer Grafik (s.o.) nachträglich gestattet:

15.51 Uhr: Vor einer Stunde, da hätte man es wirklich schon besser wissen können, steigt Sport-Bild natürlich voll drauf ein:

200 MIO. EURO FÜR JEDES DER 24 TEAMS: Milliarden-Projekt! Scheichs planen gigantische Klub-WM

Laut eines „Times“-Berichts soll die „Dream Football League“ 2015 erstmals ausgetragen werden

Kurz darauf twittert man einen neuen Beitrag des Independent, der sich schon ziemlich von dem oben verlinkten unterscheidet, ohne jedoch den eigenen Sport-Bild-Text auch nur mit einem Hinweis zur Fragwürdigkeit des Ganzen zu versehen.

[Nachtrag: Um 23.50 Uhr führt der Sport-Bild-Link ins Nichts, der Text wurde ohne Hinweis offline gestellt.]

16.27 Uhr: Interessant, was ESPN wohl aus dem Chat mit Kay berichtet:

Kay then wrote on his Times webchat on Wednesday: „Cahiers du Football was absolutely not the source of my story — 100 per cent, 1,000 per cent, 175 million per cent. I have copious amounts of handwritten notes, as well as e-mails and texts, that would confirm this. Would I really risk my reputation on something like this? No.

„I’ve spoken to the original source again twice today and to several other important figures who are keen to add their input. Still nothing on the record, which is a frustration. But there is more where this came from, which should tell you that, no, this didn’t come from some „satirical“ French website.“

„Spoken to the original source …“

„Les cahiers du football“ meint er nicht.

Das bringt mich, ermuntert von einem Kollegen, der Ähnliches vermutet, doch auf einen Gedanken. Flink nachgefragt bei Blatters langjährigem Berater, der englischen Football Writern schon oft behilflich war und sein Zeug an den Mann gebracht hat – der übrigens einst auch die Sepp-Blatter-Kolumne in der FIFA-hörigen Financial Times organisiert hat (etc pp).

17.30 Uhr: Die Kollegen von der Times sind unerbittlich. Sie stehen zu ihrer, nun ja, Geschichte – darf man das so sagen?

Matt Dickinson, The Times Chief Sports Correspondent, schreibt:

A bloated bastard of a competition that football does not need in a country that no one wants to visit? A pointless, air-conditioned contrivance played for a bank vault of cash? Yup, that’s not hard to imagine.

As Oliver Kay wrote in his thoroughly depressing report about Qatari plans for a Dream League, when you have bought the sacred front of Barcelona’s jerseys and the World Cup itself, it is not a great leap for a Sheikh and his cohorts to think that Manchester United might be seduced to play matches, and pay off debts, even in the furnace of a Doha summer. (…)

Every month, the football world snuggles up closer to Qatar through a friendly match involving Brazil, England, Uruguay or Spain; a conference among the top executives from the European clubs; a training camp by United and many others.

The message from sport to the Qataris has been that anything is possible if they come up with the money. So we might look at plans for a Dream League and think it all sounds far-fetched – but it is not hard to see how, sitting on all that wealth in Doha, they think they could make it happen.

Ja.

Schon.

Aber das ist jetzt nicht die Frage.

18.07 Uhr: Nicht, dass ich den Emir und seine Bande noch in Schutz nehme, aber dieses Statement der Qatar Football Association kann ich sogar nachvollziehen.

With regard to the story published in today’s edition of The Times newspaper concerning a ‚Dreams Football League,‘ the Qatar Football Association and other Qatari football entities can categorically confirm that we have no involvement in any such initiative and has heard nothing to suggest such a concept is genuine.

Andererseits: gerade wenn die QFA das abstreitet, müsste Mann es glauben.

18.36 Uhr: Ein gewisser Bob Beal meldet sich per Twitter (beschreibt sich dort als: „British fella. Media advisor European Football Conseiller de relations avec les médias/foot“) und sagt, er sei die „Quelle“.

„Factual story“.

Schaun mer mal.

23.40 Uhr: Who the fuck is Rob Beal? Keiner meiner Bekannten und Freunde, die im internationalen Fußballbusiness arbeiten und die ich auf die Schnelle kontaktieren konnte, hat je von ihm gehört.

Ein Lügner und Hochstapler?

Interessant ist dieser Text von Richard Whittall auf „the Score“ und die Diskussion:

Währenddessen verteidigen die Times-Leute ihre Geschichte weiter und die Nachrichtenagenturen greifen das auf, Reuters beispielsweise:

23.52 Uhr: Peter und Stevie Hargitay haben mir natürlich nicht geantwortet. Jean Francois Tanda und einer Kollegen der Times hat Hargitay geschrieben, ich sei ein Idiot.

23.58 Uhr: Oliver Kay hat einen halben Tag nicht getwittert, schreibt aber eine weitere Geschichte mit dem Titel:

00.05 Uhr: Der Idiot verabschiedet sich für heute. Genug Zeit damit verplempert anstatt etwas zu verdienen.

Nö. Noch eine Notiz, 00.38 Uhr: James Corbett fasst die Ereignisse perfekt zusammen:

31 Gedanken zu „„Sheikhs shake world game“: Katar traut man auch eine Dream Football League zu – nur stimmt die Geschichte überhaupt?“

  1. Hm. Ich werte das mal als logischen Versuch der Kataris, übers Spendieren von Einnahmen für die Clubs für etwas Ausgleich bezüglich der Financial Fair Play-Regeln der UEFA zu sorgen – bei den Clubs, die sie noch nicht anderweitig sponsern ;)

    Lustige Geschichte. Times-Schreiber wird der Kollege wohl die längste Zeit gewesen sein, wenn das ein Hoax ist.

  2. Mann mag es sich kaum vorstellen. Und Mann kann sich kaum vorstellen, dass die Franzosen sich kurz zuvor exakt das ausgedacht, was andere exklusiv recherchiert haben. Wobei ich relativ sicher bin, dass sich in Katar gar nicht viel recherchieren lässt. Da sind fast immer Spin-Doktoren am Werk.

  3. Also zu 175 Millionen Prozent reiner Zufall: Die einen scherzen, was ein anderer kurz darauf enthüllt:

  4. Die einzige Erklärung für Kein-Hoax wäre offenbar, dass der Emir sich der Phantasy-Story aus den „Cahiers“ angenommen hat, weil er die Idee so großartig fand ;) Dass er bzw. seine Spin-Diktoren dann noch dazu das von den „Cahiers“ erfundene Logo für die „Dream League“ übernommen haben. Dann wurde dieses Logo der „Times“ zugespielt, die es gleich mal abgebildet hat … ;)

    Also: Man muss echt vorsichtig sein mit Witzen über Qatar – die haben das Potenzial, Realität zu werden. @ Olympische Winterspiele 2022

  5. An die Winterspiele musste ich auch denken.

    Wer weiß, vielleicht hat irgendjemand in Katar den Hoax gelesen, für wahr gehalten und an Herrn Kay weiter geplaudert?

  6. Mal was anderes Jens: Die Werbung für den DVCK e.v. – automatisch geliefert oder persönlich ausgesucht? Ich frage nur aus Interesse.

  7. Automatisch. Ich weiß nicht, was Du meinst. Gestern hat Google eine FIFA-Werbung ausgeliefert, das fand ich lustig. Irgendwas zum Interactive World Cup. Mit FIFA Logo.

  8. Nur: Sollte sich die Story der Times als Ente herausstellen, die auf dem Joke von ”Les cahiers du football” basiert, nützt das allein dem Emir.

    Denn alle Diskussionen und Recherchen, die soll es ja auch geben, zur Frage, wie Katar sich die WM 2022 (und vieles andere im Sportbusiness) erkauft hat, werden damit torpediert.

    “Den Medien” kann man ja sowieso nicht trauen, wird es heißen – ganz leichtes Spiel also für Mike Lee und all die anderen Spin Doktoren und PR-Abzocker, die in Doha ihre Millionen kassieren.

    Habe die sich aus dieser Beobachtung automatisch ableitende Verschwörungstheorie erst jetzt geparsed bekommen. Hui, das wäre natürlich extrem elegant.

  9. Hihi… FIFA-Werbung. Ich meinte das hier. Ich war doch kurz erschrocken (bis mir einfiel, dass ich bei Dir den adblocker ausgeschaltet habe).

  10. Ach, so weit will ich nicht mal gehen.

    Kann viel einfacher sein. Lies mal den letzten Teil meines Eintrags.

    Rein theoretisch: Ein Spin Doctor liest die Geschichte in Französisch, begreift oder begreift nicht, was dahinter steckt, macht sich gegenüber einem Football Writer wichtig, der schnappt das auf – und schon hat man Schlagzeilen.

    Aber so ist es bestimmt nicht gelaufen. Du weiß, dass ich nichts von derlei Theorien halte. Von Verschwörungstheorien schon gar nicht.

  11. Hm, also ich bekomme nur Werbung für „Russische Singels“ (sic), direkt neben dem Konterfei von Putin. Wahrscheinlich von ihm persönlich ausgesucht.

  12. Also, ich möchte bitte noch wissen, wo das ganze Geld aus Qatar jetzt hingeht, wenn nicht in die Dream League ?

  13. Hat schon jemand bei Mazher Mahmood nachgefragt, ob er nicht aus Versehen diesmal den falschen Scheich gegenüber Oliver Kay gespielt hat?

  14. Mal schnell mit Wikipedia-Hilfe überschlagen:
    – 1971 das größte Gasfeld der Welt gefunden, Qatar-Anteil 900TCF oder 25,5 Bio. m³
    – derzeitiger Marktwert ca. 7.000 Mrd. € (oder 3.600 Jahre Dream Football League)
    – 111.000 Einwohner hatte Qatar im Jahr 1970
    – macht €65 Mio je Einwohner

    Mal ehrlich: Wenn jeder einzelne Einwohner von Bremerhaven €65 Mio. im Lotto gewinnen würde und alles was sonst so Spaß macht, gekauft und ausprobiert ist, dann würden sich dort doch auch ein paar Kumpels zusammentun und so ein Spektakel veranstalten wollen, oder?

    Ich halte diese Gedankenspiele – und mehr ist es ja wohl erst einmal nicht – aufgrund der bisherigen, äußerst aggressiven Fußball-Dominanzstrategie (Kauf von Einzelpersonen, Vereinen, Nationalmannschaften, -verbänden) Qatars für absolut glaubwürdig. Vielleicht war es auch nur ein Testballon Qatars, um die Stimmung gegenüber dem Land in der europäischen Fußballwelt zu testen. Bin gespannt wie es weitergeht.

  15. Pingback: Die Blog- & Presseschau für Donnerstag, den 14.März 2013 | Fokus Fussball

  16. @18
    Der Times-Mann hat gestern auch behauptet, Details der Dream League wollten deren Ideengeber „im April“ öffentlich machen, irgendwann in den nächsten sechs Wochen.

    Sieht etwas danach aus, als ob die Times hofft, ihre sands of change würden von den sands of oblivion verschlungen. Wer fragt schon noch nach dieser Story in sechs Wochen?

  17. Warum eigentlich die ganze Zeit „Mann“? Überkompensation? Oder hat es ne Vorgeschichte die ich nicht kenne?

  18. Ist eine Angewohnheit, mehr nicht (so wie andere alles klein schreiben und oder keine Kommas setzen). Wenn Mann dahinter gleich eine Überkompensation, schönes Wort, vermutet, geht man eventuell etwas zu weit.

  19. Oh. Ich denke drüber nach, den Quatsch zu lassen. So wie ich jetzt über das Thema Überkompensation nachdenke.

  20. Ich wusste einen Moment lang nicht, ob ich über die Geschichte lachen oder weinen sollte. Ich hab mich dann fürs Lachen entschieden. Köstlich, einfach nur köstlich.

  21. Ich mache das Fass nicht nochmal auf (denke ich momentan), trage nur einige Tweets und Links nach.

    Zuerst einen kurzen Gedankenaustausch mit dem Erfinder der DFL-Story (ohne Quelle, er hat es als Satire einfach so erfunden!):

    Dazu ein hoax (sagt man so?), also aufpassen, liebe Times!

    Und einige Links:

    1) Jérôme Latta, Redakteur von „Cahiers du football“ in seinem Fußballblog auf Le Monde:
    «Dream Football League»: le mauvais rêve du Times

    2) eine tolle Entgegnung auf „Cahiers du football“ mit dem wunderbaren Titel …
    Times New Roman

    3) Richard Whittall (oben bereits einmal verlinkt) hat sich des Themas noch zweimal angenommen, hoch interessant sind die Kommentare zur „Quelle“ der Times:

    Why the Times/DFL debacle shouldn’t get buried under the next news cycle
    The final word (for now) on the Times story on the Dream Football League

  22. Pingback: Das Wunder von Katar | Konzerne.ch

  23. Das Beharren der „Times“ bis hin zum absurden Nachfolgestück halte ich ja für noch faszinierender als die Ursprungs-Peinlichkeit. Wirft aktuell Fragen zum Unterschied zwischen „seriösen“ Medien und katholischer Kirche auf.
    Antwortversuch: Der Papst hält sich definitiv nicht für Gott? Noch dümmer: Was wird das erst, wenn solche Blätter 2000 Jahre alt werden?

  24. Grundsätzlich traut man den Scheichs eben alles zu. Vielleicht kommt ja jetzt einer von denen auf die Idee, die Ente wäre doch keine so schlechte Sache. Irgendwie müssen die ja auch im Financial Fairplay ihre Milliarden loswerden.
    Gruß
    Die kölsche Ziege

  25. Pingback: The Times: Exklusive Qatar-Dream-Football-League-Geschichte war exklusiv erfunden : sport and politics

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