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Das Olympische Bildungsmagazin

Was vom Tage übrig bleibt (68): Haste mal ne Spritze?

Bevor das ganovenhafte neue Leistungsschutzrecht verabschiedet wird, flink noch eine Lese-Empfehlung, die ungestraft und abmahnungsfrei abgegeben werden kann:

Michael Reinsch hat in der FAZ ein sensationelles Interview mit der suspendierten Langstreckenläuferin Simret Restle-Apel veröffentlicht, die sich eine Epo-Spritze aus einem fremden Kühlschrank aus einer Packung mit vermeintlichem Vitamin-Komplex in den Hintern gejagt haben will, weil es ihr schlecht ging. So weit die Kurzfassung, wenn ich das alles richtig verstanden habe.

Simret Restle-Apel sagt übrigens auch:

Aber meinen Sport liebe ich so sehr, dass ich jeden umbringen würde, der mich gedopt hätte.

Ich habe das Interview gestern schon auf Facebook empfohlen und hatte damit begonnen, die ellenlange Liste der dämlichsten Doping-Ausreden (verseuchte Pirogen / Hähnchen / Rindfleisch / Zahnpasta / Bonbons / Salbe / Avocados / Potenzmittel / Tee / Vitaminpräparate / Appetitzügler, falsche Diätpläne, Mischwesen, asthmakranke Hunde und zuviel Sex) zu verlängern. Aber die erspare ich mir und uns – und belasse es beim Link zu faz.net, das Interview ist atemraubend genug.

13 Gedanken zu „Was vom Tage übrig bleibt (68): Haste mal ne Spritze?“

  1. Fand das Interview auch großartig und sensationell.
    Aber doch schöner: so kurz vor Olympia der zweite OSP mit Doping-Usancen. Das ist nur nicht so lustig, ich weiß ja ;-(

  2. Ich würde wahnsinnig gerne irgendwas geistreiches bemerken. Aber mir fällt beim besten Willen nichts ein.

    Aber ich habe gleichfalls sehr gelacht.

  3. Irgendwie schade, dass die Sache nicht vor einem deutschen Sportschiedsgericht landet:
    „Es war der Athletin nicht zumutbar, in diesem akuten medizinischen Notfall starker Blutungen die Unterscheidung zwischen Vitamin-B12-Spritzen und anderen zu treffen. Sie konnte der alten Frau, die ihr uneigennützig Hilfe aus dem Kühlschrank angeboten und sie bereits mehrfach mit Ibuprofen versorgt hatte und die aufgrund multipler Leiden als medizinisch besonders versiert gelten konnte, vertrauen. Es wäre ebenso sachfremd zu erwarten, dass die von starken Blutungen behinderte Athletin nach einer Wanderung noch den Weg in den Keller auf sich nimmt und ihren Ehegatten konsultiert, statt sich selbst Linderung zu verschaffen. Vielmehr kann man die bekannte Wirkung von Vitaminkomplexen gegen Blutungen als der Athletin geläufigen Stand der Allgemeinbildung voraussetzen, so dass der Athletin diese Sofortmaßnahme zugebilligt werden muss.
    Objektiv handelt es sich zwar um Doping, jedoch … „

  4. Ich vermisse bei der Aufzählung der Doping-Ausreden ein ganz wichtiges Mittel: die ZAHNPASTA von Langstreckenläufer Dieter Baumann…. Bitte noch einfügen!
    Ansonsten: es ist schon ein Stück aus dem Tollhaus des sportlichen Wettbewerbsbetrug das auf Anhieb in der Rangliste einen vorderen Platz erreicht.
    Mit freundlichen Grüßen
    scanplus60 aus Duisburg und Fan von H. FiSo, DLF – Du erinnerst Dich?

  5. Ehrlich gesagt, ich halte die Geschichte für glaubwürdig. Leistungssport und gesunder Menschenverstand sind bis zur letzten Konsequenz (also bis in die Weltspitze) nicht vereinbar. Man muss nicht nur im übertragenen Sinne verrückt sein, um sein Leben dem Spitzensport zu widmen. Wer alle Tassen im Schrank hat (oder ernstzunehmende andere Optionen, etwas aus seinem Leben zu machen), wählt einen anderen Beruf als den einer Langstreckenläuferin.

    Ich habe beim Lesen des Interviews an keiner Stelle lachen können. Die meisten Sportler, die „oben“ ankommen wollen, würden wirklich ALLES für den Erfolg tun. Die glücklichen von denen haben Menschen um sich, die sie am gröbsten Unsinn hindern bzw. dafür sorgen, dass niemand davon erfährt. Die Simret Restle-Apels fallen durchs Raster und kriegen dann noch den Spott ab – dabei bräuchte sie Hilfe. Oder Selbsterkenntnis. Eher beides.

    Alte Geschichte, aber die Mentalität / Verrücktheit von Leistungssportlern hat Gerhard Steines am eigenen Beispiel wunderbar dokumentiert: http://www.anstoss-gw.de/index.php/category/sportleben/

  6. Weil Leistungssportler oft das Gefühl haben, ihnen stünde nur ein Weg frei (Dopingfalle, strukturelle Zwänge), genau deshalb plädieren wir für eine duale Karriere und sagen: Vernachlässigt auf keinen Fall eure schulische und berufliche Entwicklung zugunsten des Leistungssports – wer zwei Standbeine hat, hat mehr Entscheidungsmöglichkeiten. Und deshalb haben wir z.B. am letzten Wochenende für Juniorbotschafter für Dopingprävention der dsj in Frankfurt eine Ausbildung zum Instruktor zum Heidelberger Kompetenz-Training begonnen, eine Einführung in Möglichkeiten, seine mentale Stärke zu erkennen und zu steigern sowie in der Lage zu sein, in Versuchungssituationen nein sagen zu können. Medikamentenmissbrauch und Doping sind Eingeständnisse, für das Erreichen von angestrebten (oft überhöhten) Zielen zu schwach zu sein und deshalb die chemische Keule einzusetzen, oder zu bequem und deshalb zur Vermeidung von viel Anstrengung Abkürzungen zu suchen.

  7. genau deshalb plädieren wir für eine duale Karriere und sagen: Vernachlässigt auf keinen Fall eure schulische und berufliche Entwicklung zugunsten des Leistungssports – wer zwei Standbeine hat, hat mehr Entscheidungsmöglichkeiten.

    Ja, und dafür braucht der Sportler aber mehr Zeit als jeder normal Auszubildende oder Studierende. Die Frage wäre doch gleich: Wer finanziert das ? Vereine können es wirtschatflich nicht und Sponsoren wollen das sicher nicht ? Über staatliche Förderprogramme könnte man mal nachdenken. Beim Bund läuft es ja bereits so.
    Eigentlich wäre das aber eine vortreffliche Begleitung des Antidopingkampfes für alle, die sich für Deutschland den sportlichen A**** aufreisen und weltweites Ansehen schaffen.
    Vllt. bedarf es nur mal eines Modellversuchs. Erfahrungen gibt es ja, alte wie neue.

  8. ‚tschuldigung. Habe in meiner Wortmeldung vergessen, das Personalpronomen „wir“ einzufügen. So ist das ja komplett unlesbar!

  9. Ich glaube nicht, das Leistungssport zu betreiben und gleichzeitig eine berufliche Ausbildung zu absolvieren, wirklich funktionieren kann.
    Die Zeit wird dazu nicht ausreichen. Ich bemerke es ja schon bei mir selber, wie viel Zeit mein nur als Hobby ausgeübter Sport mich kostet, und wozu ich nach halbwegs ernsthaften Trainingseinheiten noch in der Lage bin. Zum wirklichen Lernen komplexerer Stoffe reicht es dann nicht mehr, sich Ausruhen und dem Körper und Geist Ruhe gönnen, ist dann angesagt. Um Leistungssport zu betreiben, denke ich, muß man dafür Leben, und das Vollzeit.

  10. @ Chris

    Ja, meinte ich ja. Die für den normal Sterblichen angesetzten Ausbildungs- und Studienzeiten reichen nicht aus. Man könnte ja mal unter den ggw. aktiven Leistungssportlern, die sich einer derartigen Doppelbelastung aussetzen, eine Umfrage bzw. Erhebung machen.

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