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Das Olympische Bildungsmagazin

Zum „Forschungsprojekt Dopinggeschichte“

Das Forschungsprojekt Dopinggeschichte, das hier im Blog bereits seit Oktober diskutiert wird, ist umstritten. Auch Ausschreibung und Vergabe des Projektes, das laut DOSB/BMI Bahnbrechendes leisten soll, sind umstritten und nicht eben transparent. Merkwürdig zudem, dass die Propaganda die dubiosen „Ehrenerklärungen“ als Bestandteil dieses „wissenschaftlichen“ Projektes wertet. Um die Diskussion mit Argumenten zu erschweren – hier der Brief, den Professor Gerhard Treutlein am 5. November 2008 an den Direktor des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp), Jürgen Fischer, geschrieben hat:

Betr.: Forschungsprojekt Dopinggeschichte (vgl. Ausschreibung Oktober 2008)

Sehr geehrter Herr Fischer,

nach reiflicher Überlegung habe ich mich dazu entschlossen, keinen Antrag zu stellen. Nachfolgend werde ich die Gründe für meine Entscheidung aufführen, die Sie bitte der entsprechenden Kommission und den Gutachtern zur Kenntnis bringen wollen.

Folgende Negativerlebnisse mit dem BISp liegen meiner Entscheidung zugrunde:

  • So genannte „Gutachten“ der Herren Keul und Klümper zum Manuskript unseres Forschungsprojekts von 1971 – 1974 (Pfetsch et al.) (nachzulesen bei Singler/Treutlein 20074, S. 357 – 384), für die sich nie jemand entschuldigt hat, trotz mehrerer Aufforderungen durch mich.
  • Ablehnung von zwei Forschungsanträgen 1991 und 1992 zum Doping in der DDR und der BRD (zum zweiten Antrag wurde mir von einem Referenten des BISp bestätigt, dass er gut war) – Ergebnis des Vorhabens, das dann vorwiegend auf privater Basis finanziert wurde, sind die Veröffentlichungen von Singler/Treutlein (2000,2001), Arndt/Singler/Treutlein (2004) und Knörzer/Spitzer/Treutlein (2006).
  • Nichtbeantwortung von 2 Schreiben an den BISp-Direktor Dr. Büch (mit der Bitte der Möglichkeit der Einsichtnahme in Forschungszwischen- und Endberichte zu genehmigten Forschungsvorhaben der Sportmediziner Keul, Kindermann, Hollmann, Liesen (Schreiben vom 1.2. und 1.8.2000).
  • Aktivitäten des Herrn Dr. Müller-Platz gegen meine Person – er dürfte wohl immer noch der Hauptverantwortliche des BISp für die Dopingthematik sein. Er hat während seiner Amtszeit bei der Aufgabe der Aufarbeitung der westdeutschen Dopinggeschichte aus meiner Sicht völlig versagt.
  • Nichtumsetzen von relevanten Informationen (z.B. durch Dieter Quarz und Ralf Meutgens) in Forschungsaufträge.
  • Fehlende Umsetzung der Ergebnisse von Forschungsprojekten in Aufträge zur Umsetzung in Praxisrelevanz.
  • Ablehnung meines Antrags im November 2007 zur Erhebung der Präventionsaktivitäten in Deutschland zwischen 2004 und 2007. Vor diesem Hintergrund sehe ich die Formulierung eines Antrags und das Ausfüllen von vielen Formularen als Zeitverschwendung an. Ich habe aber auch inhaltliche Probleme.
  • Im Prinzip enthalten die Bücher von Berendonk, Bette/Schimank, Meutgens und Singler/Treutlein alle wesentlichen Fakten. Erkennbare Konsequenzen wurden daraus nicht gezogen; der deutsche Sport und auch die Politik haben weiter agiert, als sei nichts gewesen oder nichts bekannt. Es steht von daher kaum zu erwarten, dass das Ergebnis einer weiteren Forschungsarbeit zu deutlicheren Konsequenzen führen würde.
  • Von den 45 Zeitzeugen, die Andreas Singler und mir zur Verfügung standen, ist ein Teil bereits verstorben. Während Sportlerinnen und Sportler unserem Eindruck nach recht ehrlich geantwortet haben, war dies aus unserer Sicht umso weniger der Fall, je höher die Funktion des Zeitzeugen im deutschen Sport. Hier wurden meist nur wohlformulierte und oft nichtsssagende Floskeln geäußert. Warum sollte dies Jahre später anders sein oder wo sollen bisher nicht benutzte Dokumente auftauchen?
  • Zeitzeugen, die etwas aussagen könnten, wie z.B. Prof. Dr. Clasing, Prof. Dr. Steinbach, Prof. Dr. Kindermann, Prof. Dr. Hollmann, Prof. Dr. Liesen (oder Kristin Otto zur Frage der Integration in Gesamtdeutschland nach der Wende) werden dies nicht im nötigen Umfang tun, geschweige denn Ärzte wie Dr. Heinrich, Dr. Huber, Prof. Dr.Schmidt u.a.m.. Warum sollten sie auch, wo sie dies schon in der Vergangenheit nicht getan haben. Wo sollen also neue Erkenntnisse herkommen?
  • Interessant wäre ja schon, wer solche in der Zwischenzeit schon fast sporthistorischen Figuren wie Clasing, Huber, Kindermann, Hollmann u.a.m. in entsprechende Gremien befördert hat, die entweder sich in der Dopingbekämpfung engagieren sollten oder über Forschungsanträge, die aus unserer Sicht eher zu staatlich geförderter Dopingforschung geführt hat. Darüber dürfte es im Zweifelsfall keine aussagekräftigen Protokolle geben oder der Zugang wird verweigert werden, oder noch besser: Entsprechende Unterlagen wurden vernichtet. Als Erstes könnte das BISp ja die Unterlagen zu den Testosteron-Forschungsprojekten der 80er Jahre offen legen.

Es bleibt also die Frage: Was ist der Sinn dieses Forschungsvorhabens und welches Ergebnis wird angestrebt?

Wir haben es mit der gleichen Problematik zu tun wie bei der Aufarbeitung der Geschichte des Sports im Dritten Reich: Einigermaßen emotionslos wird eine Aufarbeitung erst nach dem Tod wesentlicher Akteure und einer Neubesetzung wesentlicher Gremien und Funktionen durch unbelastete Leute möglich sein; dann fehlen aber erst recht die relevanten Zeitzeugen. Und schriftliche Dokumente dürften dann kaum zusätzlich zu finden sein.

Vor diesem Hintergrund schlage ich eine Abwandlung des Forschungsauftrags vor: Herstellung einer Synopse der oben genannten Bücher und Formulierung von Vorschlägen, wie die Dopingproblematik – auf der Grundlage der Kenntnisse aus der Vergangenheit – in Zukunft angegangen werden soll (vgl. hierzu auch das Gutachten von Singler und Treutlein für die Bundestagsstelle für Technologiefolgenabschätzung im letzten Jahr). Für eine solche Aufgabe kommen nur ausgewiesene Experten in Frage, die auch über die nötige Zeit verfügen wie z.B. Andreas Singler, Giselher Spitzer oder Ralf Meutgens. Ohne diese bereits vorliegende Kompetenz könnte die Umsetzung des ausgeschriebenen Auftrags in einer Geldverschwendung münden.

Mit freundlichen Grüßen!

Prof. Dr. Gerhard Treutlein

111 Gedanken zu „Zum „Forschungsprojekt Dopinggeschichte““

  1. Pingback: Notizen vom Sportausschuss (11): “eine besondere Art Mensch” : jens weinreich

  2. Daniel Drepper für das ZDF: Das befleckte Symbol – Trotz Kritik finanziert der deutsche Sport ein fragwürdiges Projekt

    Hat [das BISp] über die Bewerbungen einfach alleine entschieden und sich über die Gutachten mehrerer Experten hinweggesetzt?
    […]
    Zusätzliche Brisanz erhält die Vergabe durch die vom BISp ausgewählten Forscher. Erhalten haben das 500.000-Euro-Projekt die beiden von den Gutachtern negativ bewerteten Bewerbungen aus Münster und Berlin gemeinsam. Das dubiose: In Berlin profitiert mit Elk Franke ein Professor, der das Projekt selbst mit angeschoben und die Ausschreibung maßgeblich entwickelt hat.

  3. Die Inzucht passt irgendwie zum Thema :(

    Nachfrage, vielleicht bei Daniel Drepper, der ja hier gelegentlich mitliest: Ist das rechtlich zulässig, dass ein Wissenschaftler, in diesem Fall Elk Franke, der eine Ausschreibung entwirft (mit einem 40-seitigen Konzept, wie Sie seinerzeit hier gebloggt haben) und bestimmt nicht unhonoriert, sich dann erstens bewirbt für selbst formulierte Anforderungen, und zweitens auch noch den Zuschlag bekommt? Oder ist das sozusagen ein juristisches Desiderat im ansonsten ja durchaus geregelten Wissenschaftsbetrieb?

  4. @ha: Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Vielleicht können die Juristen im Blog mehr dazu sagen. Es scheint aber wohl kein Einzelfall zu sein. Tut mir leid, dass die Antwort so lange gedauert hat und dann noch so nichtssagend ausfällt ;)

  5. Daniel Drepper für ZEIT online: Kritik am Bundesinstitut – Obersten Sportwissenschaftlern droht das Aus

    Sollte das BISp die Vorwürfe nicht aufklären, könnte es im schlimmsten Fall geschlossen werden. „Ziel der Begutachtung durch den Wissenschaftsrat war es, Institute, die negativ evaluiert werden, notfalls auch zu schließen“, sagt Hagemann.
    […]
    Veraltete Strukturen, Steuerverschwendung, Selbstbedienungsmentalität: Bis zu 75 Prozent der Fördermittel von jährlich etwa zwei Millionen Euro sprachen die Mitglieder der entscheidenden Gremien sich selbst zu, hieß es im Gutachten des Wissenschaftsrates.
    […]
    Obwohl das Sportinstitut die am härtesten kritisierte Einrichtung war, schickte es nur magere eineinhalb Seiten nach Berlin.

  6. @ Daniel Drepper: Auch ein Schelm, wer Boeses dabei denkt, das der Zeit-online-Artikel einen Tag vor der geplanten Veroeffentlichtung des Berichtes erschien ;-)

    Koennte es sein, dass ein gewisser Anteil Neid anderer Forschungseinrichtungen bei der Bewertung der Ausschreibung eine Rolle gespielt hat? Als einziger Ausweg bleibt wohl — Geld, das eine Forschungseinrichtung aus Guenden von „Interessenverquickung“ nicht mehr ausgeben darf, wird auch keiner anderen Einrichtung fuer, sagen wir, drei Jahre zur Verfuegung gestellt.

    Zum juristischen: Es wird im Zuwendungsrecht hoffentlich Vorschriften geben, die solche Vorgaenge verhindern koennen, ich kenne mich da aber nicht aus. Eine Straftat koennte es nur dann sein, wenn man eine Absprache nachweisen kann (Beguenstigung/Bestechung?). Das Problem bei diesen Taten ist, dass es keine Opfer als Zeugen gibt und man auf den („anscheissenden“) Neid der Mitbewerber angewiesen ist.

    Es bleiben (jetzt wird es abstrakt!), wenn keiner auspackt, nur Indizien, um Absprachen oder eventuelle kickbacks zu beweisen. Als Gegenargument steht im Wissenschaftsbetrieb wohl immer, dass durch eine zunehmende Spezialisierung auf vielen Gebieten einfach sehr wenige Bewerber mit passenden Konzepten und Erfahrungswerten unterwegs sind und es deshalb in der Natur der Sache liegt, dass dieselben Leute immer wieder mit denselben Leuten…. Das ist aehnlich wie bei Bundesliga-Trainern, wo der hie Geschasste ja auch mal schnell zum naechsten auf Besseung hoffenden Verein wechselt, oder bei Themen wie Stasi- oder anderer Geheimdienstberichterstattung.

    Es ist ansonsten nicht verwunderlich, dass derjenige, der die Ausschreibung entwirft (und von der Herangehensweise wissenschaftlich ueberzeut ist), dann auch das passendste Angebot macht. Denn er haelt es wissenschaftlich ja fuer richtig, was er vorschlaegt, und hat sicher die passenden Antworten. Im kleinen Zirkel geritten, mag das ganze sogar in sich stimmig sein.

  7. @nocheinjurist: Der Zeit-Artikel ist am Donnerstag, also einen Tag nach der Absage im Haushaltsausschuss (der am Mittwoch tagte), erschienen. Zur Neid-Frage: Welche Ausschreibung meinen Sie? Die Ausschreibung des Doping-Projektes?

  8. Pingback: Was vom Tage übrig bleibt (41): “Dream Chasers” : jens weinreich

  9. @ Daniel Drepper:

    Im verlinkten Artikel ergibt sich der Eindruck, er sei vor der Absage erschienen. Anders haette Herr Hagemann kaum darauf reagieren koennen, dachte ich mir unbefangen beim Lesen

    …Doch einen Tag vor der geplanten Bekanntgabe des Berichtes hat Hagemann die Veröffentlichung abgesagt. Er müsse erst die auf ZEIT ONLINE erhobenen Vorwürfe gegen das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) prüfen, lautete seine Begründung….

    Ja, es ging um jene Ausschreibung. Mich interessierte, wer vielleicht sonst die Ausschreibung durchgefuehrt haette. „Cui bono?“ hiess das wohl frueher mal.

  10. @ nocheinjurist: Ah, ok. Mit den angesprochen Vorwürfe sind diejenigen aus den beiden vorhergehenden Beiträgen gemeint (im Text verlinkt).

  11. @ Daniel Drepper: Keine Vorwuerfe. Und es war ja die Meinung von Juristen gefragt. Versuche es ann nochmal: Wer haette ihrer Meinung nach wahrscheinlich davon profitiert, wenn nicht das BISp den Auftrag erstellt und vergeben haette?

  12. @ nocheinurist: Kein Problem. Ich bin mir nicht sicher, ob man das so betrachten kann, da das BISp die einzige Bundeseinrichtung zur Förderung der Sportwissenschaft ist. Ich wüsste also nicht, ob solch ein Auftrag derzeit von einer anderen Einrichtung hätte vergeben werden können.

    Der Hauptkritikpunkt an dem Projekt ist meiner Meinung nach aber auch die Unsinnigkeit der erneuten Forschung – denn die möglichen Ergebnisse des Projektes sind zum großen Teil ja bereits öffentlich. Hätte man eine Zusammenfassung dieser Veröffentlichungen angestrebt, wären sicherlich die unten im Text genannten Experten passende Kandidaten gewesen. Diejenigen, die sich fast alle nicht auf das Projekt beworben haben.

    Danke im Übrigen für die juristischen Erläuterungen!

  13. Auch die Philosophen sind unmittelbar gefordert, wenn es um Doping geht: „Da wird sehr oft unreflektiert mit moralischen Kategorien operiert“, sagt Asmuth, „wie in kaum einem anderen gesellschaftlichen Bereich.“ Und spätestens die Moral ist ja ein philosophisches Thema. Handelt ein Sportler, wenn er bestimmte Medikamente einnimmt, unmoralisch? Verstößt er gegen ethische Grundsätze?

    http://www.taz.de/1/sport/artikel/1/das-optimierte-gehirn/

    Es ist ein Gemeinplatz zu behaupten, der Sport sei ein Spiegelbild der Gesellschaft.2 Diese Aussage ist ebenso suggestiv einleuchtend wie irreführend. Es hängt nämlich viel von der Perspektive ab, von dem Vergleichspunkt, unter dem man den Sport betrachtet. Zumindest zweierlei lässt sich einwenden: einmal verhindern die besonderen Sportregeln ein solches Abbildungsverhältnis; dasselbe gilt andererseits für die Tatsache, dass der Sport als ein Subsystem der Gesellschaft betrachtet werden muss.3 Der erste Aspekt betont die Spezialisierung des Sports in der Gesellschaft, der zweite die Subordination unter das gesellschaftliche Ganze. Spezialisierung und Subordination werden aber durch die »Spiegel«-Metapher oder durch eine Abbildungstheorie nicht erfasst.

    http://www.translating-doping.de/interaktion/zielgruppen/43/162

  14. Herbert,
    dass Sie mal etwas zitieren, das auch ich zitiert hätte ;-)

    Und ich finde, man kann es auch umgekehrt sagen: In keinem Bereich der Gesellschaft ist „Doping“ öffentlich so geächtet wie im Sport. Aus gutem Grund. Der Gedanke, der im zitierten Text vielleicht fehlt, aber es ist auch nicht ganz das Thema – woher Doping, historisch betrachtet, in den Sport gekommen ist. Aus einem anderen Teilbereich der Gesellschaften: aus den Armeen. In den Ersatzkrieg, den olympischen.
    Auch das sagt etwas darüber, wie schief die Theorie ist, dass Doping, weil im HLS verbreitet, sich gesellschaftlich verbreitet.

  15. @ha

    Vllt. bin ich näher an Ihrer Grundauffassung als Sie meinen. Ich trage hier auch nicht jede Nuance des Beitrages. Das Projekt finde ich jedoch sehr interessant, auch wenn es in der Öffentlichkeit zurzeit nicht diskutiert werden wird. Aber darüber kann man bestimmt vieles Gemeinsamkeiten entdecken. Auch das, was Asmuth schreibt,kann man wegwischen oder man kann es considern.

    Wenn ich etwas seit der Anwendung des Internets für den Austausch von Meinungen und Positionen gelernt habe, dann das: Schneller und konsequenter kann man sich auseinanderreden. Missverständnisse haben leichteres Spiel, da Nuancen nicht selten untergehen. Gemeinsamkeiten werden kaum gesucht. „Nettigkeiten“und „Labels“ sind schnell verteilt. Kompromisse werden kaum gemacht. Und noch schlimmer,durch die Anonymität hängt man auf Gedeih und Verderb von der Gesprächskultur und/oder gar der – bereitschaft des anderen ab. Außerdem macht Anonymität argwöhnisch, leichtfertig und eitel.
    Da oft kaum moderiert werden kann,in den Foren sind die Mods sehr oft überfordert, kann es von einem post zum anderen sofort zum clash kommen, obwohl das von keiner Seite jemals die Absicht gewesen war. Vertrauen schaffen und gute Absichten nachzuweisen, ist im Interent eine Kunst, die nur wenige beherrschen. Trotzdem ist es das Medium, ohne Zweifel.

  16. Friedhard Teuffel im Tagesspiegel: Spritzen vom Masseur – Die späte Aufarbeitung des westdeutschen Dopings

    Gerhard Treutlein findet die Ergebnisse seiner Forscherkollegen durchaus interessant, bezweifelt aber, dass noch ein großer Wurf kommt. „Im Sport gibt es keine Archivordnung. Vieles ist schon weggeworfen worden.“ Ein Hauptkritikpunkt am Projekt ist jedenfalls, dass es viel zu spät kommt. Bedeutende Zeitzeugen sind inzwischen verstorben, etwa der langjährige Olympiaarzt und Freiburger Sportmediziner Joseph Keul, der die Vergabe von Anabolika befürwortete. Treutlein bemängelt, dass die Forscher in ihren Berichten nicht weitere Namen von Dopern nennen: „Es sind Figuren der Zeitgeschichte.“

  17. Das Ende der Unschuld ?

    Hoffentlich war´s das nicht.

    Es wäre an der Zeit, die Ergebnisse des Projekts als Grundlage einer angemessenen und balancierten Betrachtung der Dopinghistorie in ganz Deutschland zu verwenden. Die DDR hat ja schon regelmäßig ihr Fett weg bekommen. Jetzt wäre eigentlich die alte BRD dran. Aber besser wäre, wenn die Sachlichkeit dabei überwiegen würde. Hysterie hat noch nie geholfen, auch wenn sie einigen – wie man durch die letzten 20 Jahre miterleben durfte – sportpolitisches Vergnügen bereitet.

  18. „Wir wollen keine Skandalisierung einzelner Personen.“

    Keine Skandalisierung. Nein. Um Gottes Willen nicht. Da haben schon die anderen herhalten. Eine erbärmliche Selbstgefälligkeit.

  19. Herbert,
    ist ja wirklich putzig, wir wollen keine Einzelpersonen skandalisieren;-)
    Aber nein auch, sowas machen wir doch nicht,würde mir auch kein Beispiel einfallen;-)

  20. @ Walter

    Man steht da eben drüber. Doping ist ja auch nicht so schlimm. Gab es ja überall. Auch in der DDR. Insofern ist man da in guter Gesellschaft ? Rege dich nicht auf. Man kann solche Fragen auch ohne Emotionen und sehr sachlich wie u.a. bei Jan Ullrich und Claudia Pechstein diskutieren. Die Anfänge der Dopingberichterstattung über deutsche Athleten fanden ja noch aus den Gräben des kalten (Sport)krieges statt. Die sind ja nun zugeschüttet. Insofern freuen wir uns doch auf eine angemessene Betrachtung von Doping in Deutschland. Das wolltest du doch auch immer so ? Oder ?

    ;) ;) ;)

  21. Herbert,
    ich rege mich doch nicht auf, ich liebe diese exorbitante Sachlichkeit in der Dopingberichterstattung.;-)
    Ein bißchen hat aber auch Peter Sloterdijk Recht:

    SPIEGEL: In Italien und Spanien hält man nicht viel vom deutschen Anti-Doping-Kampf.

    Sloterdijk: Dort gehört die katholische Tradition der fröhlichen Selbstzerstörung zur Volkskultur. Die Italiener können es einfach nicht fassen, dass da oben im Norden schon wieder protestantische Barbaren ihr Unwesen treiben. Die glauben im Ernst, wir sind verrückt geworden. Doch Italiener und Spanier sind Angehörige einer Kultur, in der die Abspaltung des Scheins vom Sein zur populären Metaphysik gehört. Die Deutschen, speziell die protestantischen, wollen dagegen die Wörter und die Dinge wieder zur Deckung bringen. Wir sind, glaube ich, die einzige Nation auf der Welt, wo man an ehrliche Neuanfänge glaubt. Wir bleiben unberechenbar, 1945 wurden wir demokratisch, 2007 dopingfrei.

    http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,564072-2,00.html

  22. @Walter

    Sollten in der (Sport)Medienwelt bei uns denn wirklich die Protestanten die Deutungshoheit und das Sagen haben ? Ich glaub´s denn nicht. Also sind die Katholiken auch zu anderen Betrachtungsweisen als der Abspaltung des Scheins vom Sein fähig. ;)
    Im Rede stehenden Fall liegen die Gründe für die Bewußtseinsspaltung doch eher in der Herkunft des politischen Grabens, aus denen das kriecht.
    Mal ernsthafter. Mein Misstrauen in die Unabhängigkeit gewisser Kommissionen, Vereine und Strukturen wird dadurch nur wieder stärker.
    Hinzu kommt, dass mir zu viele, die sich sonst unabhängig und sofort in der öffentlichen Debatte zu Wort melden, mit „no comment“ glänzen. Man wird doch wohl da nicht etwa befangen sein ?

    Prof. Treutlein hat vieles schon vorausgesehen und es scheint Bestätigung zu finden.

    Im Prinzip enthalten die Bücher von Berendonk, Bette/Schimank, Meutgens und Singler/Treutlein alle wesentlichen Fakten. Erkennbare Konsequenzen wurden daraus nicht gezogen; der deutsche Sport und auch die Politik haben weiter agiert, als sei nichts gewesen oder nichts bekannt. Es steht von daher kaum zu erwarten, dass das Ergebnis einer weiteren Forschungsarbeit zu deutlicheren Konsequenzen führen würde.

    Während Sportlerinnen und Sportler unserem Eindruck nach recht ehrlich geantwortet haben, war dies aus unserer Sicht umso weniger der Fall, je höher die Funktion des Zeitzeugen im deutschen Sport. Hier wurden meist nur wohlformulierte und oft nichtsssagende Floskeln geäußert. Warum sollte dies Jahre später anders sein oder wo sollen bisher nicht benutzte Dokumente auftauchen?

    Oder ist man doch in der Lage, eine Wende zu vollziehen ?

  23. @herbert
    in der beurteilung der nicht erwünschten „skandalisierung“ (durch nennung von ross & reiter) sind wir uns wohl einig. ich finde jedenfalls auch, dass schon allein der mögliche eindruck, dass mit den freiheitlich-demokratischen dopern anders umgegangen wird als mit ihren „kollegen“ im osten, der glaubwürdigkeit und akzeptanz des gesamten forschungsprojekts schaden könnte.

    (wenn du jetzt noch mit dem notorischen geplenke aufhören würdest… ;-) )

  24. @ cf

    Wir sind uns einig. Das war schon schwer, aber es hat sich gelohnt. Ehrlich.
    Der Plenk-Hieb wäre nicht notwendig gewesen. Aber gerne, da habe ich wieder etwas gelernt. ;)

  25. Grit Hartmann für dradio.de: Verschwiegene NS-Vergangenheit – Die bundesdeutsche Sportmedizin und ihre historische Kontinuität

    Brustmann und Kohlrausch sind nur zwei von vielen Protagonisten der westdeutschen Sportmedizin mit ungebrochenen Karrieren über mehrere Systeme. Die Berliner Forschungsberichte deuten solche Linien allenfalls zaghaft an. Wofür die Kontinuitäten stehen, ob sie mit den Anfängen des Dopings in Verbindung zu bringen wären – diese Frage wird gar nicht erst aufgeworfen.
    […]
    Die Freiburger Schule, verbindet man sie denn mit Reindell, beginnt sicher nicht mit der „Stunde Null“. 1940 habilitierte sich Reindell im Breisgau mit einer Arbeit über das Sportlerherz – ein Begriff, den der Professor prägte. 1942 übernahm er die Leitung der Sportmedizin an der Universität. Reindell ist überdies – nach Heiss und Grebe – der dritte Mediziner mit NS-Vergangenheit, der es zum Präsidenten der Sportärzteschaft brachte. Ab 1963 amtierte er zwei volle Jahrzehnte. Oberster Olympiadoktor war er zwischen 1952 und 1972.

  26. Also haben nicht die beauftragten Wissenschaftler aus Berlin die Kontinuitäten der wichtigsten Sportmediziner von NS zur Bundesrepublik herausgefunden, sondern es war die Recherche von Grit Hartmann für den DLF. Ich habe das doch richtig verstanden, oder?

  27. FAZ-Kommentar von Anno Hecker: Doping kennt keine Grenzen

    Ein Blinder, wer anhand der vielen Informationen keine Linie erkennen wollte. Der organisierte Sport hat sich häufig mit Hinweis auf die dünne Aktenlage vor Konsequenzen drücken können. Das ist nicht verwunderlich. Denn bis heute sitzen „Kinder“ der Anabolika-Generation in Sportverbänden. Die Ergebnisse der Studie, um deren komplette Veröffentlichung noch gerungen wird, dürften daran leider nichts ändern, aber zu einer Verständigung beitragen.

    Michael Reinsch in der FAZ: Staatlich gefördertes Doping

    Tagesspiegel-Kommentar von Friedhard Teuffel: Doping Ost, Doping West

    Ein westdeutscher Leichtathletiktrainer hat einmal gesagt, dass die kriminelle Energie zum Dopen im Westen höher gewesen sein muss. Denn es war eine weit ungezwungenere Entscheidung als in der DDR, wo ein Nein zum Doping mit Repressionen verbunden war. Moralisch gesehen kann sich das westdeutsche Doping daher nicht über das im Osten stellen.

    Friedhard Teuffel im Tagesspiegel: Rückhalt von ganz oben

    Und unklar ist auch, was eigentlich mit den Namen der des Dopings beschuldigten Trainer, Sportmediziner und Funktionäre geschieht. Werden sie in der Studie benannt oder anonymisiert? „Was ist wichtiger: Das Bundesdatenschutzgesetz pauschal anzuwenden?“, fragte Spitzer. Oder die Geschichtsschreibung?

  28. In Kürze mehr zum Staatsdoping in der alten BRD.

    Ich bin ja gespannt, ob sich die bekannten Protagonisten gegen DDR-Doping jetzt auch äußern oder einfach nur schweigen. Aber dann braucht man mit ihnen auch nicht mehr zu reden, da ihre bisherigen Motive so etwas von desavouiert sind. Oder ging es etwa lediglich um den sauberen Sport ?
    Die gesamte Diskussion zur Hall of Fame erscheint jetzt unter einem ganz anderen Licht.

    Hämisch sollte man bei den letzten BiSp-Enthüllungen nicht sein. Jedoch eine gewisse Genugtuung, dass man nicht so blöd war, wie man behandelt worden ist, schon. Wie vielen ostdeutschen Sportler wurde Unrecht getan ???
    Da kann man nur hoffen, dass das Gleiche nicht ihren westdeutschen SportkameradInnen geschieht.

  29. @ Herbert:

    Aus dem ND-Kommentar:

    [Die Studie der Sporthistoriker aus Berlin und Münster] bietet […] offenbar neue Anhaltspunkte und Beweise, die der offiziellen Darstellung widersprechen, dass Doping in der DDR staatlich systematisiert betrieben wurde, in der ehemaligen BRD jedoch lediglich privat. Ersteres stimmt immer noch, war wahrscheinlich zuerst da und ist mit den gestrigen Nachrichten kein Stückchen akzeptabler geworden, doch Letzterem wird jegliche Argumentationsgrundlage entzogen.

  30. MZ-Kommentar von Christian Elsaeßer: Zerstörter Mythos

    [Die Studie] zerstört einen Mythos, der über Jahre im deutschen Sport aufrechterhalten worden ist, den Mythos vom guten Westen und bösen Osten. Weil dieses bagatellisierende Bild nun nicht mehr aufrechterhalten werden kann, könnte diese Studie zum Fundament einer echten Aufarbeitung der dunklen Kapitel deutscher Sportgeschichte werden.

  31. @Raqlf

    Du missverstehst mich. Ich habe ersteres nie gut geheißen, mich jedoch stets gegen eine einseitige unangemessene Verurteilung, teilweise sogar Ausgrenzung, gewendet. Und übrigens. Wer hier was zuerst gemacht hat, ist doch auch nicht so klar, wie es kolportiert wird.
    Die bislang gelaufenen Aufarbeitung war jedenfalls unehrlich und nicht klug. Es wäre interessant zu erfahren, wie die und überhaupt viele der bekannten Akteure, wenn es gegen Doping im Osten ging, sich jetzt positionieren.
    Meine Vermutung ist, dass man sich in der Thematisierung zurückhält. Da die evtl. Aufarbeitung ja sicherlich – bis auf die bekannten Namen ( verstorben, pensioniert)- nicht mit großartiger Benennung von Roß und Reiter erfolgen wird., wird es nie so persönlich wie im Osten werden.
    Fest steht, dass auch im Westen die Politik ihre Hände im Spiel hatte und sich jetzt mal äußern müsste. Auch, um die ganze Diskussion – die bislang vor allem auf Kosten der ostdeutschen Sportler betrieben wurde – mal angemessen und vom Kopf auf die Füsse zu stellen. Und das hat mit etwaiger Rechtfertigung gar nichts zu tun.
    Aber ich bin realistisch genug, um zu begreifen, dass man da vllt. auf verlorenen Posten steht.

  32. Thomas Kistner in der SZ: Stille Verabredung

    Die Studie von Historikern aus Berlin und Münster sorgt für die neue Aufgeregtheit, darin liegt ihr Hauptverdienst. Inhaltlich ist für Experten wie Dopingforscher Werner Franke ‚kaum was Neues‘ dabei. Er verweist lieber darauf, dass diese Aufklärung im Sport nun mit gehöriger Verspätung betrieben wird.

  33. taz-Kommentar von Markus Völker: Wieder keine Einzeltäter

    Michael Krüger im taz-Interview: „Chancengleichheit der Westathleten“

    Es gibt jetzt die Tendenz, Personen aus Datenschutzgründen zu schwärzen. Aber dazu besteht kein Anlass, wie ich finde. Es gibt da gar keine großen Geheimnisse. Alle Namen haben bereits in der Zeitung gestanden. Hier werden keine Persönlichkeitsrechte verletzt.

    Boris Herrmann in der SZ: Frischluft im Gesäß

    [Spitzer und Krüger] haben im Rahmen ihrer Forschungsarbeit unter anderem wegen der „Aktion Luftklistier“ bei der Schwimmverbands-Präsidentin Christa Thiel einen Zugang zum DSV-Archiv beantragt. Thiel ist als Vizepräsidentin des Deutschen Olympischen Sportbundes formell sogar eine der Auftraggeberinnen der Studie, die der DOSB angeblich mit großem Erkenntnisinteresse verfolgt. Der Antrag auf Einblick ins DSV-Archiv wurde trotzdem abgelehnt.

  34. Im Kontext der Freiburger wie auch der aktuellen westdeutschen Aufklärung fällt auf: Großzügige Verjährungsfristen sind eingetreten, und die meisten Akteure längst weg vom Fenster. Dass es plötzlich wunderbar klappt mit der wissenschaftlichen Nachlese, verrät nur, dass alle zeitnahen Versuche bisher stets verhindert worden sind. Und Widerstände sind auch noch am aktuellen Vorgang zu erkennen: Etwa, falls Dopingtäter am Ende aus Datenschutzgründen anonym gehalten werden. Das werden die Athleten registrieren, die soeben mit Datenschützer-Hilfe gegen das moderne, in jede Intimsphäre eindringende Kontrollsystem ankämpfen. Es wird spannend.

    Thomas Kistner hat Recht. Dazu braucht man kein Verschwörungstheoretiker zu sein. ;-)

  35. MOZ: Vizechef des Bundestags-Sportausschusses lehnt parlamentarische Untersuchung des Dopingsystems in Westdeutschland ab

    „In bestimmten technischen Sportarten war es gar nicht möglich, an der Weltspitze zu sein, ohne ein Mittel genommen zu haben.“ Erst Mitte der 70er Jahre sei überhaupt über Doping-Testverfahren beraten worden, erklärte [Joachim Günther,] der sportpolitische Sprecher der FDP. Er glaube daher nicht, dass das Dopingsystem neu bewertet werden müsse. Es habe in diesem Bereich vor der Wende „kaum wesentliche Unterschiede zwischen Ost und West gegeben“.

    Martin Beils in der RP: Die rheinische Doping-Historie

    Der Leverkusener Leichtathletik-Chef Strauss erkennt im Wesentlichen nur Vermutungen und sehr weit gefasste Vorwürfe. Zur Behauptung, dass bis zu 90 Prozent der Werfer mit Anabolika gedopt gewesen seien, sagt der Jurist: „Ich weiß nicht, wie die Historiker zu solchen Zahlen kommen.“

    Michael Reinsch in der FAZ: Doping als Familiensache

    Die Untersuchung des Mediziners Gerd Reinhard von 1977 wurde unterschlagen, weil sie Gefahren von Anabolika-Doping belegte, bis hin zum Krebsrisiko. Der Kölner Sportmediziner Wildor Hollmann, erster Gutachter der Arbeit, ignorierte sie; das BISp, das sie finanzierte, hat sie bis heute nicht publiziert.
    […]
    Bei einer Dopingkontrolle schon 1974 während der deutschen Hallen-Meisterschaft der Leichtathleten in München sollten zehn Sportler getestet werden. Einer rannte davon; von den übrigen neun waren sechs positiv; fünf Kugelstoßer und ein Hürdensprinter.

  36. WAZ-Kommentar von Reinhard Schüssler: Die bittere Doping-Wahrheit

    Dass diese Studie bisher nicht das Echo auslöste, das sie verdient, darf durchaus auch den Medien angelastet werden. Deren eher zurückhaltende Reaktion ist der gewiss nicht unbegründeten Vermutung geschuldet, die Öffentlichkeit sei wohl der ganzen Doping-Problematik überdrüssig.

    Marcel Reinold (Universität Münster) im ND-Interview: Wie förderte die BRD Doping?

    Reinhold: Es gibt aber strukturelle Mechanismen, die für Doping begünstigend wirken. So werden leistungsstarke Disziplinen stärker gefördert als leistungsschwache. Das bietet einen indirekten Dopinganreiz.

    ND: Diese Art der Förderung gibt es noch heute.

    Reinhold: Genau. Und zumindest in den 70er Jahren wurde vernachlässigt, dass bestimmte Disziplinen eindeutig dopingbelastet waren. Wenn der Staat dem Sport eine starke Autonomie zusichert und gleichzeitig die Förderung am internationalen Spitzenniveau orientiert, etwa mit der Nominierungsrichtlinie Endkampfchance, misst er mit Maßstäben, die unter Doping zustande kommen.

  37. Aufschlussreich sind vor allem im Spitzer-Papier die folgenden Passagen (unter 3. Ergebnisse in Thesenform, S. 16 und 17):

    * Im Gegensatz zur ersten Phase stieg der Anpassungsdruck gegen Verweigerer (des Dopings), der nach Interviews mit Trainer und Aktiven jener Phase zugleich als Selektionszwang zu deuten ist. Aufstieg und Positionsbewahrung in der nationalen Spitze sollte Dopingpraktiken erzwingen.

    * Dopingverweigerer gingen nicht an die Öffentlichkeit, weil sie annahmen, dort nicht gehört zu werden, … Verweigerer kamen so in die Situation des dopingbedingten „Drop-out“, oder sie wurden von durch Doping leistungsstärkeren Konkurrenten verdrängt.

    * Zugleich machen die Interviews klar, dass das Verbot der Ananbolika-Anwendung bei Frauen und Minderjährigen, das in staatlich finanzierten Forschungen des BiSP immer betont wurde, vor Ort trotz des vorhandenen Unrechstbewusstseins unterlaufen wurde.

    * Die Grundsatzerklärung von 1977 bot anerkennungswerte Argumente gegen pharmakologische Leistungsbeeinflussung, die mit der Freigabe ärztlich indizierter „Substitution“ jedoch wieder unterlaufen wurden, damit war eine Sprachreglung geschaffen für den Wiedereinzug von Dopingsubstanzen in den Leistungssport.

    * Die Dopingforschung verlief äußerst vertraulich, wenn auch erstaunlicherweise in normalen Schreiben und Vermerken. Der Kreis der Mitwisser war jedoch groß: Im Sport die Spitzen des DSB und NOK, der BA-L, das BISP und über die Anwesenheit der BMI-Vertreter auch das Ministerium als Fachaufsicht des BISP.

    Zur Problematik unvollständiger Quellen ist im Papier u.a. vermerkt:

    Wir konnten durch das Entgegenkommen des Auftraggebers in großem Umfang Einsicht in seine Akten nehmen, obgleich Bestände lückenhaft sind. Es konnten für diese Periode von fast zwei Jahrzehnten jedoch nur auffällig wenige, im Zwischenlager des Bundesarchivs noch vorhandene Akten des BMI eingesehen werden….
    Es tun sich mithin viele archivalische Lücken in sensiblen Bereichen auf. Da es den Anschein hat, dass noch 2007 wichtige Bestände kassiert wurden, fordern wir, die noch vorhandenen Bestände zu versieglen und nur für Forschungszwecke freizugeben.

    An einen Sturm der Entrüstung, vor allem medial, über den Umgang mit der eigenen (Doping)Vergangenheit bei gleichzeitiger Verurteilung, sowohl strafrechtlich als auch öffentlich moralisch-ethisch, des ehemaligen Konkurrenten DDR ist nicht zu denken. Scheinheiligkeit, Heuchelei, weiterer Verlust der Glaubwürdigkeit und andere Charakterisierungen, die ich mir hier lieber spare, fallen mir da spontan ein. Jeder soll selbst beurteilen, ob er sich hat täuschen lassen oder Teil der Täuschung war und ist.
    Wenn schon, dann wäre eine gemeinsame und und gleichberechtigte Aufklärung und Aufarbeitung der Dopingpraktiken im wiedervereinigten deutschen Sport angemessen gewesen. Der Sieger hat aber die billige Masche bevorzugt, sich der überlassenen Archive des Verlierers bedient, sie teilweise sogar ins Ausland gebracht und dann auf Teufel komm raus vor allem gegen einzelne Sportler genutzt. Datenschutz und Schutz der Persönlicheitsrechte, die jetzt gefordert werden, kamen dabei den „Aufklärern“ nicht in den Sinn. Statt dessen wurde nicht vor Generalverdacht, Verleumdungen und Beleidigungen Halt gemacht.
    Ein weiteres schönes Kapital des deutschen Sports – wohlgemerkt nach der Beendigung des kalten Krieges – darf aufgeschlagen werden. Wahrheit und Gerechtigkeit im deutschen Sport sind leider auch nur selektiv.
    Oder ich täusche mich und darf bald eine TV- Dokumentation über Doping in der „alten“ BRD von vllt. Hajo Seppelt in den ÖR unter dem Titel „Doping und Sühne“ sehen. Das könnte mich dann schon wieder ein wenig versöhnen. ;-)

  38. anstoss-gw.de: Auch bei uns gab es Staatsdoping

    Schäuble ist nicht vorzuwerfen, was er gesagt hat, sondern dass er nicht die Hintergründe bekennt und nicht zu der Schuld steht, die nicht er persönlich (seine Aussage ist in Anbetracht der Verhältnisse im Grunde sehr verantwortungsvoll), sondern Sportpolitik, große Politik und die Medien auf sich geladen haben, aber seit Jahrzehnten nur auf dem Sport und den Sportlern abladen.
    […]
    Keul, Kirsch, Daume, sie sind längst tot. Aber es leben noch viele damals tonangebende Menschen, es existieren Institutionen und Medien, die nie ihre Schuld bekannt haben. Sie werden es auch nie tun. Schuld sind immer nur die anderen.

  39. Anno Hecker in der FAZ: Gesamtdeutsches Dopen

    Sind diese Leute heute wirklich davon überzeugt, ein junger Sportler könne ohne Stoff bei Olympia gewinnen?
    […]
    Langfristig werden nur eine bessere Kontrolle, die Ausweitung von Präventionsmodellen und effektive juristische Verfolgung zum Erfolg führen. Der hätte einen Preis: Er kostete Geld – und Medaillen.

  40. Ralph Hartmann in Ossietzky :
    Freiheitlich-demokratisches Doping

    Die Forschungsstudie »Doping in Deutschland« hat mittlerweile so viel Staub aufgewirbelt, daß sich in Kürze auch der Sportausschuß des Bundestages sowie das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) mit ihr befassen sollen. Und der Präsident des sächsischen Landessportbundes, Eberhard Werner, nimmt offenbar Schäuble beim unbedachten Wort und fordert eine Gleichbehandlung von Ost und West bei der Aufarbeitung der gesamtdeutschen Doping-Vergangenheit: »Ich bin zufrieden, daß nun gewissermaßen Chancengleichheit bei der Aufklärung der Doping-Vergangenheit beider deutscher Staaten herrscht.«

    »Chancengleichheit«, »gemeinsame Aufarbeitung der Dopingfälle in Ost und West« – das hört sich gut an, es klingt nach später, wenn auch sehr später Einsicht. Aber wie wird die »Gleichbehandlung« aussehen? Die jahrelange Diffamierungskampagne gegen den überaus erfolgreichen Breiten- und Leistungssport östlich von Elbe und Werra ist nicht vergessen. Sie war ein wesentlicher Bestandteil der Politik zur »Delegitimierung« der DDR, wie sie der damalige Justizminister Klaus Kinkel (FDP) auf dem Deutschen Richtertag 1991 gefordert hatte.

    Welches Ausmaß allein die Strafverfolgung in Sachen »Doping in der DDR« erreichte, kann man in der äußerst informativen Schrift des ehemaligen Staatssekretärs für Körperkultur und Sport, Professor Günter Erbach, »Der DDR-Sport lebt – trotz fortgesetzter Verleumdungen« nachlesen. Er konstatiert, »daß im Ergebnis der fast zehnjährigen polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen und Verfolgungen – nach bisheriger Übersicht – gegen circa 900 bis 1000 Personen Beschuldigungen erhoben, in neun Prozessen gegen 21 Angeklagte Urteile gesprochen und durch Strafbefehle weitere 34 Personen zu Bewährungs- und Geldstrafen verurteilt wurden. »Die Zeit wird kommen … dann wird der politische Charakter dieser Strafverfolgung noch deutlicher zutage treten.«

    Diese Zeit ist dank des Forschungsprojektes »Doping in Deutschland« schneller als von den einen erhofft und von den anderen befürchtet gekommen. Allerdings wäre es eine Illusion, auch nur einen Moment anzunehmen, daß die des Dopings Beschuldigten im Westen gleichermaßen verfolgt und drangsaliert würden wie die im Osten oder daß letztere gar, weil es laut Schäuble »Unterschiede hier nicht geben darf«, rehabilitiert werden. Noch immer gilt der Spruch des römischen Komödiendichters Terentius: »Duo cum faciunt, non est idem – wenn zwei das gleiche tun, ists nicht das gleiche.« Es ist eben ein Unterschied, ob Doping in einem freiheitlich-demokratischen Rechts- oder in einem Unrechtsstaat betrieben wurde.

  41. Michael Krüger im Interview (13.10.): Historiker spricht über Doping im Ost-West-Vergleich

    Skeptiker wie Professor Werner Franke glauben, dass Ihre Studie bis zur Veröffentlichung noch abgemildert werde, dass Stellen geschwärzt oder gestrichen werden.

    Das glaube ich nicht. Und sollte es aus politischen Gründen wirklich dazu kommen, würde ich nach dem wissenschaftlichen Ethos handeln, und das ist der Wahrheit verpflichtet.

  42. Gerald Müller in der TA: Doping im Westen beschäftigt Thüringen

    Franke fordert gegenüber TA, dass Heinz-Jochen Spilker öffentlich „tätige Reue“ zeigt und die „faktische Wahrheit nennt“. Davon würde er abhängig machen, ob dieser weiter das Amt des LSB-Vizepräsidenten ausüben könne.

    incl. der Stellungnahme des LSB, Kommentaren von Landespolitikern und einem online-Kommentar von Prof. Dr. Gerhard Treutlein…

  43. Ein offener Umgang mit Dopingvergehen in der Vergangenheit ist notwendig. Gleichzeitig muss es in unserem Gesellschaftssystem aber auch möglich sein, deutlich sichtbare Veränderungen im Denken und Handeln zu registrieren und anzuerkennen, zumal wenn es um ein ganz anderes berufliches Spektrum geht.

    Ein schöner Satz aus der Stellungsnahm des LSB Thüringen. Das man da nicht früher drauf gekommen ist ? Oder gilt das nur für Westdeutsche ? Ein Schelm, der Arges dabei denkt.

  44. Gut verstecktes Interview im „Spiegel“:
    Rotwein im Kofferraum Sportarzt Heinz Liesen über Doping im Kalten Krieg, Ohrfeigen bei Olympia und den Appetit von Fußballern

    Liesen: Eines Morgens traf ich August Kirsch, den Präsidenten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, im olympischen Dorf. Er packte mich und sagte: „Toll, wie das funktioniert. Das brauchen wir auch.“ Ich erwiderte, das sei nicht zu verantworten, ohne vorher die Reaktion der Athleten zu untersuchen. Da schrie Kirsch mich an, ich wolle dem westdeutschen Sport Medaillen verwehren. Dann hat er mir links und rechts eine geknallt. Ich stand da wie ein dummer Junge.

    SPIEGEL: Ein Schlüsselerlebnis?

    Liesen: Sicherlich. Einerseits wusste ich ja, dass Kirsch mit meinem Chef in Köln, Wildor Hollmann, Tennis spielt und Einfluss hat. Auf der anderen Seite hat es mein Bewusstsein geschärft, was man als Sportmediziner mitmachen darf – und was eben nicht.

    SPIEGEL: Warum haben Sie 1987 ausgerechnet Hartmut Riedel, einen der führenden DDR-Sportärzte, nach dessen Flucht an Ihr Paderborner Institut geholt?

    Liesen: Riedel hatte wichtige Arbeit geleistet. Er hatte nachgewiesen, dass man keine hohen Anabolika-Dosierungen braucht, wie sie in der DDR üblich waren. Er konnte belegen, wie man Nebenwirkungen verhindert, ohne an Leistungsfähigkeit einzubüßen. Ein seriöser Mann, der die Gesundheit der Athleten in den Mittelpunkt stellte.

  45. #73, schade, dass die heutige Sportausschusssitzung durch die Entscheidung von CDU/CSU und FDP vom 26. Oktober 2011 nicht-öffentlich war. Ich hätte mir die politische Beratung im Ausschuss sowie die Expertise der Sachverständigen heute gerne vor Ort angehört.

  46. # 73

    Und wieder der Versuch auf Zeit zu spielen. Das ist ja an Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten. Peinlich, lächerlich, skandalös und was noch ?

  47. Das ist nicht der Versuch eines Zeitspiels, sondern das ist schlichtweg Altherren/damen-Fußball, der im Sportausschuss gespielt wird!

    Was wäre bei einem derartigen Tagesordnungspunkt „Zwischenbericht des Dopingforschungsprojektes“ alles möglich gewesen, z.B. die Einladung der Zeitzeugen:
    – Ferdi Tillmann (CDU, Sportausschussvorsitzender 1980 bis 1994),
    – Wilhelm Schmidt (SPD, Initiator der Kleinen Anfrage der SPD im Jahre 1991),
    – Manfred von Richthofen (DSB-Vizepräsident, leitende Funktion in Kommissionen ab 1991),
    – Klaus Gerster (CDU, 1991 Leitder der AG Inneres und Sport der Bundestagsfraktion von CDU/CSU und Initiator eines wichtigen Briefwechsels mit dem BMI).
    – damalige BMI-Beamte.

    Dieser Sportausschuss agiert völlig geschichtslos und ist weitgehend kompetenzfrei.

  48. Walter, ich muss dir widersprechen. Sie wissen ganz genau, was sie tun. Sie glauben nur, dass es keiner merkt.

  49. Herbert,
    hast du gesehen ? Claudia auf dem Podest ;-)

    Habe ich verpasst, dass sich schonmal einzelne Teilnehmer an ihrer Einzelverfolgung entschuldigt haben? ;-)

  50. Walter, wenn man das Agieren des Sportausschusses mit Geschichtslosigkeit und Kompetenzfreiheit erklären kann, muss sich ja der Souverän berechtigte Sorge um die Integrität seines Parlaments machen.

    Bertolt Brechts Äußerung erscheint zeitlos:
    „Es ist klar aus allem, daß Deutschland seine Krise noch gar nicht erfaßt hat. Der tägliche Jammer, der Mangel an allem, die kreisförmige Bewegung aller Prozesse, halten die Kritik beim Symptomatischen. Weitermachen ist die Parole. Es wird verschoben und es wird verdrängt. Alles fürchtet das Einreißen, ohne das das Aufbauen unmöglich ist.“

  51. Walter, nein hab ich auch verpasst.
    Klasse, Claudia. Mit 0,08 sek. hinter der Niederländerin Mariska Huisman Zweite und damit bereits die 3. Silbermedaille in Astana. Da gab es ja vor Monaten sogar welche im Sportausschuss des Deutschen Bundestages, die meinten, man müsse ihr die Sportförderung streichen, weil sie zu alt sei. Ob die sich jetzt schämen ? … Ich glaube leider nicht. Sie sinnen auf Gegenmassnahmen. ;- )

    Leider sieht man an den Erfolgen allerdings auch, dass ihr echt zwei Jahre geklaut worden sind.
    Als ich gestern mit einem Sportjournalisten über ihren Fall sprach, war ich hinterher erleichtert, dass es auch in dieser Branche noch Leute gibt, die keinen gestörten Blick bekommen, wenn ihr Name fällt.

    http://www.zeit.de/news/2011-11/27/wintersport-pechstein-bei-massenstart-premiere-auf-platz-zwei-27123602

  52. @#85, danke. Du erinnerst Dich sicher auch noch an die 50. Sitzung des Sportausschusses in der letzten Wahlperiode am 9. April 2008. Kurzerhand wurde DOSB-Ehrenpräsident Manfred von Richthofen als „Person der Zeitgeschichte“ in den Ausschuss eingeladen, um seine Einschätzung im Vorfeld der OS von Peking zu geben.

    Das war ein gutes Beispiel dafür, dass ein selbstbewusster Ausschuss(vorsitzender) immer Wege für sachgerechte und öffentlichkeitswirksame Lösungen finden kann.

  53. Grit Hartmann für den DLF: „Nicht zu rechtfertigen“ – Sportmedizin-Professoren streiten um Dopinghistorie

    Kürzlich befürwortete [Heinz Liesen] in einem Interview erneut die Freigabe von Testosteron.

    „Wenn Sie mich nach Liesen fragen, muss ich ganz klar sagen, mit dieser Position hat er keinen Platz mehr in der organisierten Sportärzteschaft. Und ich glaube, er sollte schleunigst zurücktreten, ansonsten werden junge und ältere Kollegen zusammen fordern, dass er ausgeschlossen wird.“
    […]
    [Wilfried Kindermann] ist noch immer bestvernetzt im Sport, sitzt im Aufsichtsrat der Nationalen Anti-Doping-Agentur. Er trägt erneut die These vor, der Effekt von Testosteron sei „nicht nachgewiesen“.
    […]
    Kindermann verweist […] auch darauf, dass die Ergebnisse der Berliner Historiker noch nicht vom Projektbeirat geprüft sind. Das deutet auf ein Tauziehen hinter den Kulissen. Eigentlich sollten die brisanten Berichte im Februar veröffentlicht werden. Zu hören ist, dass vor allem der Deutsche Olympische Sportbund Bedenken hat.

  54. Pingback: Bedeutender Schlag gegen Doping-Händler in

  55. bisp.de: „Doping in Deutschland…“ – Ergebnispräsentation

    Flyer: Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation

    Die letzte Projektphase behandelt die Zeit von 1990 bis heute und wird am Dienstag, dem 6. November 2012, im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung in Berlin zusammen mit ersten Schlussfolgerungen von der Projektgruppe der WWU Münster öffentlich präsentiert. Die Projektgruppe von Herrn Professor Strang hat sich im März 2012 aufgelöst und im Nachgang die aktive Teilnahme an der Veranstaltung abgesagt.

  56. Öffentliches Symposium
    Probleme gesamtdeutscher Aufarbeitung am Beispiel der Aufarbeitung von Doping in Westdeutschland
    der Arbeitsgruppe „Aufarbeitung und Recht“
    im Studien- und Forschungsschwerpunkt „Medienrecht“
    der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
    am 8. November 2012 in Frankfurt (Oder)

    14.15 Uhr bis 14.45 Uhr
    Doping in Westdeutschland – Resultate eines Forschungsprojekts
    Ref.: Prof. Dr. Giselher Spitzer, Berlin/Frankfurt (Oder)
    […]
    15.15 Uhr bis 16.15 Uhr
    Merkwürdigkeiten der Aufarbeitung von Doping in der Bundesrepublik Deutschland – Förderung und Verhinderung wissenschaftlicher Forschung zum Einsatz von Doping in der Bundesrepublik Deutschland
    Ref.: Mathias Hausding, Märkische Oderzeitung, Frankfurt (Oder); David Schraven, WAZ-Mediengruppe, Essen; Daniel Drepper, WAZ-Mediengruppe, Essen

  57. Eben noch aufgelöst, jetzt wieder vereint: die Berliner Forschungsprojektgruppe.

    Comeback oder Gegenveranstaltung?

  58. Man kann Daniel Drepper und Mathias Hausding nur danken, dass sie sich mit gründlicher Recherche diesem Eklat gewidmet haben.
    Eigentlich gibt es nichts mehr zu kommentieren, wie feige sich der deutsche Sport aus der Aufklärung der eigenen Dopingvergangenheit verabschieden will. Mit Kompetenzentzug der Forscher, Kooperations- und Mittelverweigerung und gar Androhung der Zurückzahlung von 200.000 EURO sowie unüberwindbaren Datenschutzforderungen – also das ganze Programm – will man den Mantel des Schweigens darüber stülpen.

    “Ich hätte diese und andere Bevormundungen als einen massiven Eingriff in die Autonomie der Forschung empfunden”, schreibt auch Karl-Heinrich Bette nach Prüfung der Auftragsdatenverarbeitung des BISp. “Mir ist kein sportpolitisches Projekt bekannt, das mit vergleichbar hohen juristischen Hürden umstellt wurde.” Offensichtlich gebe es große Ängste im organisierten Sport, “dass Erkenntnisse publiziert werden könnten, die aus Sicht der Auftraggeber besser im Verborgenen bleiben sollten.”

    Nun verlangt das BISp, dass die Berliner Forscher für jeden einzelnen Namen juristisch begründen sollen, warum dessen Veröffentlichung unerlässlich ist. Die Forscher weigern sich, dies zu tun. Sie sehen die Freiheit der Wissenschaft gefährdet.

    Was mich lediglich noch interessieren würde, ist, wie hoch Einfluss und Druck der Politik auf diesen massiven Versuch der Vertuschung sind.

  59. Ja, zum Beispiel. Ich kann wenig zu den genauen Einflüssen sagen. Aber ganz grundsätzlich ist klar: Das BISp wird zu 100 Prozent vom BMI finanziert. Die machen nichts, was dem BMI nicht gefällt.

  60. Schließe mich der Fraktion derer an, die diese Präsentationen mit Spannung erwarten – und auch dem Beifall für Daniel Drepper + Kollegen dafür, dass sie versucht haben, diese verworrene Sache ausgewogen darzustellen.

    Dass man davon ausgehen kann, dass BMI/BISp und DOSB Schwierigkeiten hatten mit dem, was die Berliner schon in den letzten, wirklich beeindruckenden Zwischenberichten zutage gefördert haben – das sehe ich auch.
    Überzeugt hat mich dabei, dass sämtliche Beteiligte (Berliner und Münsteraner – Michael Krüger ist ja für derartige Kritik nicht bekannt) bzw. der von Drepper als „neutraler Experte“ befragte Karl Heinrich Bette von gänzlich unüblichen Datenschutzanforderungen bzw. außergewöhnlich hohen juristischen Hürden sprechen. Ein probates Mittel, um unliebsame Sachverhalte zu unterdrücken bzw. daran Beteiligte herauszuhalten. Allerdings wäre Genaueres dazu, wo diese Anforderungen das wissenschaftlich Übliche überschreiten, hilfreich – denn ein gewisses Maß an Berücksichtigung von Persönlichkeitsrechten ist üblich.
    Grundregel: Es gelten Sperrfristen, bin nicht sicher, ob 30 Jahre. Ansonsten muss der Betroffene in die Namensnennung einwilligen oder – hier wird es schwer interpretationsanfällig – die Namensnennung ist für die Darstellung von Forschungsregebnissen zur Zeitgeschichte unerlässlich und überwiegt die Datenschutzbelange.
    Beispiel dafür, was da noch so alles eine Rolle spielen kann, zuerst natürlich die Quellenlage: der Umgang mit Stasi-Mitarbeitern. Ein Verdacht reicht zur Nennung des Klarnamens nicht bzw. zieht mit einiger Garantie juristische Gefechte nach sich; eine unterschriebene Verpflichtungserklärung hingegen gilt als Beleg und (in der Regel) als Freibrief zur Veröffentlichung.
    Heißt: Einige Beispiele wären nützlich, um nachvollziehbar zu machen, welche ungewöhnlichen Anforderungen das BISp (meint selbstverständlich das BMI) formuliert hat. Präzise: Ist die Vereinbarung zur „Auftragsdatenverarbeitung“, die die Berliner vor der Vorstellung ihrer letzten Zwischenberichte (im September 2011, da wurden noch Namen genannt) unterschreiben mussten, eine, die speziell für dieses Forschungsprojekt formuliert wurde?

    In den Darstellungen beider Seiten tauchen Widersprüche auf, deren Aufklärung nützlich zur Bewertung dieses Eklats wäre:

    1) BISp/DOSB behaupten, eine Fertigstellung des Berliner Abschlussberichts sei nicht zu erwarten, deshalb werde die Rückforderung von 200.000 Euro geprüft. Auch Drepper schreibt: „Große Teile der letzten Projektphase, der Jahre 1990 bis 2007, sind bis heute nicht bearbeitet.“ Berliner behaupten, ein 800seitiger Abschlussbericht sei ans BISp gegangen.
    Erklärt sich u.U. damit, dass BISp einen Abschlussbericht, der den Umgang mit Persönlichkeitsrechten nicht geklärt hat, nicht als solchen akzeptiert?

    2) Zur Kenntnis nehmen muss man, dass BISp den Forschungszeitraum verlängert hat – das spricht erstmal nicht gegen Aufklärungsinteresse. Für 2010, schreibt Drepper, hat Berlin 10.000 Euro Nachschlag verfallen lassen bzw. „nicht verbraucht“. Wie es dazu kam, bleibt ein bisschen unklar – in der Wissenschaft gibt es eigentlich Wege, derartige bürokratische Formalien zu umgehen.

    3) BISp behauptet, die Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt würden sukzessive in diversen Zeitschriften veröffentlicht. Berliner behaupten, sie dürften nichts veröffentlichen.

    Aus einer Antwort von BISp-Direktor Fischer auf meine Anfrage, schon im April 2012, damals machten erste Gerüchte von der Auflösung der Berliner Forschungsgruppe die Runde, die Berliner wollten sich aber noch nicht dazu äußern:

    Der Transfer von Forschungsergebnissen wird seitens des BISp grundsätzlich und damit auch für dieses Forschungsprojekt gefordert. Auch die Forschergruppen der HU Berlin und der WWU Münster nehmen diese Aufgabe sehr ernst, da die Veröffentlichung der Studienergebnisse in ihrer alleinigen Verantwortung liegt. Die Zeitschrift „Sportwissenschaft“ hat z.B. ein Sonderheft „Doping“ in Vorbereitung, in dem beide Forschergruppen jeweils zwei Beiträge eingereicht haben. Zusätzlich sind bereits mehrere Beiträge für weitere wissenschaftliche Zeitschriften eingereicht worden und befinden sich dort derzeit im Review-Verfahren …

    Sieht nach Lektüre des Drepper-Beitrags für mich danach aus, als habe das BISp nicht die Wahrheit gesagt, denn danach „dürfen die Forscher nichts veröffentlichen, was nicht vom BISp abgesegnet ist“.

    4) BISp und Humboldt-Uni behaupten, die Berliner hätten ihre Teilnahme an der Präsentation „im Nachgang abgesagt“. Giselher Spitzer hätte dort gern seine Ergebnisse präsentiert. Also scheint die Forschergruppe auch den Rückhalt der eigenen Uni vermisst zu haben?

    5) Die Rolle des wissenschaftlichen Beirates – aus dem z.B. Gerhard Treutlein relativ früh unter Protest ausgeschieden ist – finde ich spannend. Denn sie sagt u.U. Übergeordnetes zum Zustand der Sportwissenschaft in Deutschland.

    Abschließende Anmerkungen:
    Die neuen und brisanten Erkenntnisse, die die Berliner im Herbst 2011 in ihren Zwischenberichten präsentiert haben, lassen Behauptungen von DOSB /BISp / BMI, die darauf abzielen, die Forscher wissenschaftlich zu diskreditieren, als durchschaubares und ziemlich übles Ablenkungsmanöver erscheinen. Das wird hoffentlich nicht ziehen.

    Das Ergebnis, dass der gesamte Zeitraum ab 1990 unbearbeitet bleibt – und allein der Vereinigungsprozess hat ein bezeichnendes Licht auf die ausgeprägte Dopingtoleranz des west- und dann bundesdeutschen Sports geworfen -, ist natürlich bedauerlich. Wessen Interessen das bedient, ist auch klar.

  61. Alles muss nun nicht verlinkt werden. Der Kommentar erzählt nichts, was nicht schon tausendmal erzählt worden wäre. Kommentatoren wie diesem sei Recherche empfohlen – und Aufklärung.

  62. RBB-Kulturradio: Zum Nachhören: Doping in Deutschland

    Di 06.11.2012 09:10
    […]
    Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft stellt am 6. November 2012 in Berlin eine Studie zum Doping im deutschen Sport ab 1950 vor. Allerdings wurden die Forschungen darüber, inwieweit Sportfunktionäre und öffentliche Stellen über Doping Bescheid wussten, im März vorzeitig abgebrochen. Warum das so ist, weiß der Journalist Daniel Drepper, der die Doping-Forschung begleitet hat.

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