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Das Olympische Bildungsmagazin

Notizen von den Jugendspielen (II)

SINGAPUR. Was Sergej Bubka und Jelena Isinbajewa der Jugend so zu sagen haben:

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Ich komme doch weniger zu den Jugendspielen, als ich ohnehin befürchtet habe. Von Hotellobbys aus beobachtet sich das Treiben in den Stadien nicht ganz so gut. Aber Mann muss sich für bestimmte Themen entscheiden. Und wenn man so will, siegt bei mir die langfristige Recherche doch immer wieder über das Tagesgeschäft der schnellen Text-Produktion.

Was mich schon etwas nervt und worauf ich in den nächsten Tagen gern eingehen will, sind die Medaillenlisten dieser YOG, die ja nun doch von etlichen Medien geführt werden, etwa hier vor Ort täglich in der Singapore Strait Times (zumindest in der gedruckten Ausgabe, online habe ich das auf die Schnelle nicht gefunden), oder hier bei Wikipedia oder hier beim so genannten Insiderdienst Around the Rings.

Interessant war ein kurzer Besuch und die Diskussion im Workcamp der Deutschen Sportjugend im YMCA Singapur, gerade weil da da gewissermaßen Kulturen aufeinander prallten. Ich hoffe, dass ich die Jung-Kader und Jung-Reporter nicht zu sehr verschreckt habe :)

Im Programm des Workcamps, dessen Teilnehmer man in der Mannschaftsbroschüre findet, heißt es übrigens:

Im Rahmen der Workshopsessionen in den Kleingruppen werden die Teilnehmer je nach Zugehörigkeit zu den Bereichen junge Sportjournalisten, Nachwuchstrainer, Nachwuchsschiedsrichter und junge Führungskräfte der Sportverbände aufgeteilt und durchlaufen ein zielgruppengerechtes Programm. Die aufgeführten Themen Doping, Olympische Werte etc. werden mit allen Teilnehmern behandelt.

Im Einzelnen wird sich die Gruppe der Kampf- und Schiedsrichter mit den Themen Selbstreflexion und Persönlichkeitsentwicklung, Stressbewältigung sowie dem Konfliktmanagement Trainer/Athlet/Medien auch anhand besuchter YOG-Sportveranstaltungen beschäftigen.

Die Gruppe der Sportjournalisten wird sich mit Olympia und den daraus erwachsenden Zusammenhängen für den Journalismus beschäftigen. Hierbei wird u.a. die Geschichte und die Organisation der Sportgroßveranstaltung betrachtet. Ferner werden die Netzwerke des Sports (Zuschauer/Sportler/Funktionäre) aus Sicht des Journalismus, Sport als Ort des Betrugs und der konkrete Umgang damit sowie eine begleitete aktive Sportberichterstattung vor Ort er- und bearbeitet.

Die jungen Führungskräfte beschäftigen sich mit Verhandlungsführung, Kommunikation sowie Teamentwicklung. Praktisch soll anhand der Organisation der Spiele über die eigene Tätigkeit im Sport reflektiert werden sowie Ansatzpunkte für die weitere Entwicklung aufgezeigt werden.

Die Nachwuchstrainer werden sich mit den Beziehungen zwischen Trainern, Schiedsrichtern und Athleten auseinandersetzen. Ferner werden sich die Teilnehmer u.a. mit den Themen „von der Mannschaft zum Team“ sowie der Rolle des Trainers im Gesamtsystem Sport, insbesondere der Anerkennung, Stellung und Stile der Trainer – praktisch anhand besuchter Sportveranstaltungen – beschäftigen.

Einige Eindrücke dazu:

Da das hier gewissermaßen auch mein Privatarchiv ist, erlaube ich mir weiterhin, Texte zu hinterlegen, die ich für andere Medien produziert habe, etwa diesen, für Zeit Online („Ein bisschen Leistung soll schon sein“):

Begeisterung sieht anders auch – und hört sich anders an. „Na ja“, sagt also Shanice Craft (17), und es ist ein sehr lang gezogenes „na ja“. Bei den Olympischen Jugendspielen sei „die Konkurrenz nicht so groß, dafür geht es mehr ums Feeling und so“. Shanice Craft ist Diskuswerferin mit großen Ambitionen. Sie war im vergangenen Jahr Dritte bei der Weltmeisterschaft der unter Achtzehnjährigen – da ging es weniger “ums Feeling�, da stimmte die Konkurrenz. In der Mannschaftsbroschüre der deutschen Delegation wird die Frage gestellt „Was willst Du beruflich mal erreichen?“ Shanice Craft antwortete: „Bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen teilnehmen und eine Medaille holen.“

Gerade hat sie im Bishan Stadium unter den brennenden Strahlen der äquatorialen Sonne und vor einigen tausend Besuchern, zumeist Schulklassen aus Singapur, mit sechs Metern Vorsprung die Qualifikation gewonnen. Sechs Meter. Shanice Craft wird also am Sonnabend mit ziemlicher Sicherheit Jugend-Olympiasiegerin. Sie will eine Bestleistung aufstellen. Eines der vielen Kultur- und Bildungsseminare, die bei diesen ersten Youth Olympic Games angeboten werden, hat sie noch nicht gebucht. „Unsere Betreuer haben aber gesagt, es wäre schön, wenn wir da mal vorbei schauen könnten.“ Shanice Craft nimmt ihren Wettkampf sehr ernst. „Das machen doch alle hier, oder“, fragt sie. Die meisten schon.

Zumindest jene, die sich bei den europäischen Trials in Moskau für Singapur qualifizieren mussten. 33 Jugendliche durfte der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) nach Moskau schicken. Sechzehn sind nun in Singapur. Die Hochspringerin Melina Brenner (17) aus Wipperfürth zählt auch dazu. Sie macht einen neugierigeren, verträumteren Eindruck, wirkt noch nicht so professionell-fixiert wie Shanice Craft. Aber sie spricht sehr reflektiert.

„Doping“, sagt sie zum Beispiel, „ist für mich ein absolutes No-Go!“

Es ist erst ihr dritter Wettkampf im Ausland. Im Frühjahr gab es einen Länderkampf in Italien, die Ausscheidungen für die Jugendspiele in Moskau – und nun Singapur. Das sei alles sehr aufregend, sagt Melina Brenner, die Eröffnungsfeier, das Olympische Dorf, die vielen Nationen, die Stadt, Asien und überhaupt.

Es fällt nicht leicht, sich auf den Wettkampf zu konzentrieren. Zumal, anders als sonst, wenn der DLV so genannte Disziplintrainer oder sogar die Heimtrainer mit auf Reisen schickt, die sechzehn Leichtathleten diesmal nur von drei Trainern betreut werden. „Damit muss ich klar kommen“, sagt Melina Brenner. Sie ist froh darüber, dass auch ihre Eltern im Urlaub in Singapur sind. Die Ablenkung ist groß. Die Neugier ebenfalls.

„Das ist ein anderer Wettkampf, als man ihn normalerweise hat“, sagt Ulf Tippelt, der Leistungsportdirektor des Deutschen Olympischen Sport-Bundes (DOSB). Dann doziert er ein bisschen: „Ich persönlich bin der Meinung, für den leistungssportlichen Werdegang eines Athleten ist das eine hervorragende Erfahrung. Da muss man sich drauf einstellen.“

Auch für Funktionäre wie Ulf Tippelt ist es eine neue Erfahrung. Schließlich ist Tippelt nicht als Bildungswart beim DOSB angestellt, sondern als oberster Medaillenplaner. Er habe aber keine Excel-Charts mit Medaillenstatistiken im Arbeitskoffer, anders als unlängst bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver. Es gebe keinerlei Vorgaben, versichert Tippelt. Allerdings berichten einige Fachverbände von fordernden Telefonaten mit der DOSB-Zentrale im Vorfeld der Jugendspiele. „Es kann nur Anrufe gegeben haben, um zu sehen, wo sich die Verbände etwas ausrechnen“, sagt Tippelt. „Aber wir haben um Gottes Willen keinen Leistungsdruck oder Erfolgsdruck ausgeübt!“ Man wollte nur sicherstellen, dass die Ehrengäste und der DOSB-Präsident Thomas Bach die richtigen Wettkämpfe besuchen. „Wenn unser Präsident kommt“, sagt Tippelt, wäre es doch schade, wenn dort gerade kein Deutscher im Finale steht.“

Ein bisschen Leistung soll schon sein. Aber nicht zu auffällig, wenn’s geht. Denn angeblich sollen diese Jugendspiele ja vor allem ein Erziehungs-, Bildungs-, und Kulturprogramm sein. So wünscht es sich Jacques Rogge, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), der Vater des Projekts. Das IOC leistet sich ein 300 Millionen Euro teures Experiment mit 3.600 Kindern und Jugendlichen aus 204 Nationen. Mit allen olympischen Insignien – Fahnen, Hymnen, Medaillen, olympisches Feuer. Mit diesen Jugendspielen wurde das olympische Portfolio des IOC erweitert. Auch darum geht es: Um die Marke. The Brand. Mit allen Risiken und Nebenwirkungen.

Zur Eröffnung gab es eine mitreißende Show in einem schwimmenden Stadion in traumhafter Atmosphäre, viel Pyrotechnik, ein Medley populären Liedguts aus mehreren Jahrzehnten. Kinder tanzten und lachten. Die Macht der Bilder. So wirkt Olympia. Auch Rogge ist ein Verführer. Man kann ihm vieles nachsagen, aber eines gewiss nicht: Naivität. Irgendwann wurde ein überdimensioniertes Märchenbuch in die Arena gefahren, dem ein junger Boxer entsprang, der gegen den Teufel ankämpfte, mutig und fleißig blieb – und schließlich das Böse besiegte. Ständig flimmerten Mangas über die Großbildschirme – Bilder von Umweltkatastrophen, Kriegen und der Zerstörung des Regenwaldes. Gemeinsam lässt sich eine bessere Welt erschaffen – das ist die Botschaft, die man glauben kann oder nicht.

Vor drei Jahren, als das IOC Rogges Plan genehmigte, gab es in Deutschland lauten Protest: Der DLV kündigte einen Boykott der Jugendspiele an. „Man kann nicht alles machen, nur weil es politisch gewünscht wird“, schimpfte der damalige Chefbundestrainer Jürgen Mallow. „Wir haben befürchtet, dass sich das sportliche Wettrüsten in immer frühere Altersbereiche vorverlagert“, erinnert sich der damalige DLV-Vizepräsident Eike Emrich, Sportwissenschaftler an der Universität des Saarlandes. „Wir haben befürchtet, dass es schon bei Kindern und Jugendlichen nur um Medaillen, Nationenvergleiche und Rekordergebnisse geht, dass sich sportliches Handeln allein an der Steigerung von Leistung ausrichtet.“ Dies widersprach dem Erneuerungskurs des DLV.

Nun stellen die Leichtathleten als olympische Kernsportart wie selbstverständlich die größte Abordnung unter den 70 deutschen Sportlern in Singapur. Das liegt einerseits daran, dass das Programm der Jugendspiele verfeinert und manche Ängste genommen wurden, so steht etwa Doping-Prävention im Programm. Andererseits sind auch im DLV, Mallow und Emrich haben ihre Funktionen inzwischen abgegeben, Opportunisten am Werk. Und der vom IOC-Vizepräsidenten Bach geführte DOSB hat den Leichtathleten energisch klargemacht, dass ein Boykott nicht infrage kommt.

Von derlei sportpolitischen Hintergründen wissen Melina Brenner und Shanice Craft nichts. Müssen sie auch nicht. Sie erleben gerade aufregende Tage in Singapur, vielleicht die aufregendsten ihres Lebens. Und Shanice Craft ahnt, dass sie sich doch sehr freuen wird, wenn sie am Sonnabend gewinnt. Ein WM-Titel gegen härtere Konkurrenz würde für sie zwar mehr zählen. Aber, nun ja:

„Es ist schließlich eine internationale Goldmedaille.“

Singapur ist die Chance. Wer weiß schon, ob sie so einen Moment noch einmal erlebt.

12 Gedanken zu „Notizen von den Jugendspielen (II)“

  1. Wann wäre denn mit Ergebnissen der „langfristigen Recherche“ aus Hotellobbys zu rechnen?
    (Falls damit nicht die ohnehin in zahlreichen Medien thematisierten Anstrengungen der Olympiabewerber gemeint sind.)

  2. Hätte gerne eine IOC Erklärung/Stellungnahme zum Thema:

    „von der Mannschaft zum Team“

    Gibt es also auch Sprachkurse, ja?
    „heute haben wir english….morgen werfe ich den Speer“

  3. @Jens #4: Nö, eigentlich gar nicht, ich finde nur, man sollte das raufschreiben und kommunizieren, was es ist. Und nicht von Bildungsprogrammen zu reden, etc.

    Aber vielleicht ist mein Problem auch einfach, dass wir in unseren westlichen Ländern die erwähnten Bildungsprogramme schon mit mittlerweile 10-13 Jahren erlernt haben dürften. Aber junde einkasernierte Sportler aus China oder Nordkorea schon die sozialen Medien wie Twitter oder Facebook noch kennenlernen müssen, sollten, dürfen.

    Das ist nett vom IOC aber irgendwann wird es ihnen auf die Füsse fallen, wenn die gleichen Sportler dann bei der großen Olympiade starten (wo es dann wieder um Medaillien und dessen Spiegel gehen darf). Da wollen die dann auch Twittern und im Web posten, dürfen es aber plötzlich nicht mehr. Hhhmmmmm. Irgendwie heuchlerisch.

  4. Ach, enrasen, mir ist gerade nicht nach einer Diskussion in dieser Form bzw nach solch nervenden Spitzfindigkeiten. Fakt ist, es stimmt nicht, wenn Du behauptet haben solltest (so lese ich es), sie dürften bei den richtigen OG nicht „twittern und im Web posten“. Aber das ist nur eine Kleinigkeit. Fakt ist, dass man diese Jugendspiele aus der Ferne natürlich in Grundsatztexten verdammen kann, ohne sich das Treiben genauer anzuschauen. Ich habe mich für einen anderen Weg entschieden. Fakt ist natürlich auch, dass das nicht jedem gefallen muss.

    Verworrener geht es momentan leider nicht.

  5. War spitz formuliert und gemeint. Aber nach Singapur komme ich nicht, um mir das Treiben anzusehen. Ich gebe zu, dass ich mich nicht vergewissert habe ob das Twittern erlaubt war/ist/sein wird. Ich hatte soetwas in Erinnerung (speziell zu Peking).

    Zumal sich die Bildungsmöglichkeiten auch nicht nur aufs „Networking“ beschränken in Singapur. Das habe ich verstanden.

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