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Das Olympische Bildungsmagazin

Was vom Tage übrig bleibt (57): Moskau 1980, Youth Olympic Day

Es gibt ein Leben abseits der Tour de France. Woran ich wegen des technischen Crashs bisher nicht erinnern konnte: In dieser Woche vor dreißig Jahren wurden die Olympischen Boykottspiele von Moskau eröffnet, mit Mischka und Leonid.

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Sagen wir’s vorerst mal so: Der Stil jener Tage unterscheidet sich doch etwas von jenem Stil, mit dem das IOC auf seine ersten Olympischen Jugendspiele hinweist, die vom 14.-26. August in Singapur stattfinden.

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Ich geh dann mal ans Brandenburger Tor, zum Youth Olympic Day.

Nachtrag, 26. Juli, ein erster Eindruck, taste mich langsam an das Thema heran:

BERLIN. Diesen Sommer hatte sich Lena Gohlisch etwas anders vorgestellt. Etwas normaler, darf man sagen, ein bisschen weniger aufregend. „Bis zum Frühjahr“, erzählt die Basketballerin aus Berlin, „hatte ich noch nie etwas von den Olympischen Jugendspielen gehört.“ Dann las sie einen Zeitungsartikel, fand es „toll, dass es so etwas gibt“, dachte darüber nach und, schwupps, einige Wochen später war sie selbst für die Jugendspiele qualifiziert. Im August fliegt sie mit 69 anderen deutschen Nachwuchssportlern zu den ersten Youth Olympic Games nach Singapur. „Wahnsinn“, sagt sie, natürlich. Und fügt brav an, sie wolle „Kontakte knüpfen und Leute treffen“ und „den olympischen Geist miterleben“. Was man so sagt mit sechzehn Jahren.

Die Geschichte der Lena Gohlisch ist typisch. Kaum jemand im deutschen Team hatte Singapur in der Jahresplanung. „Vergangenes Jahr zu Weihnachten“, sagt der Judoka Marius Piepke (17) aus Barsinghausen, „habe ich mir alles mögliche ausgemalt für 2010. Singapur war nicht dabei. Ich wusste nicht, dass es Jugendspiele gibt.“

Prominente wie die zweifache Schwimm-Olympiasiegerin Britta Steffen hatten sogar große Zweifel: „Als ich das erste Mal davon gehört habe, war ich total negativ eingestellt“, sagt sie. „Ich dachte: Mensch, jetzt fangen die schon so früh an, die Kinder zu verheizen.“ Die Skepsis habe sie nicht zwar aufgegeben, sagt Britta Steffen, doch das Programm mit all den Seminarangeboten habe sie halbwegs überzeugt. „Das könnte was werden. Aber nur, wenn es wirklich nicht nur um die Goldmedaille geht!“

Das Projekt Youth Olympic Games (YOG) wurde vor drei Jahren vom Internationalen Olympischen Komitee eingeführt. „Es ist ein Fingerzeig für die Gestaltung des olympischen Sports der Zukunft“, sagt IOC-Vizepräsident Thomas Bach. Für das deutsche Team hat Bach in seiner Eigenschaft als Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) die Losung ausgegeben: „Die Medaillenwertung interessiert mich nicht. Die Nationenwertung ist unwichtig.“ Ob DOSB-Leistungssportdirektor Ulf Tippelt das auch so sieht, der die deutsche Delegation als Chef de Mission anführt, wird man in Singapur erleben.

Die 14- bis 18-jährigen Sportler wollen in Singapur gewiss nicht nur am Kulturprogramm teilnehmen, nicht nur Seminare zur Dopingprävention besuchen, nicht nur den olympischen Helden Michael Phelps und Usain Bolt lauschen, die das IOC einfliegt. Die Sportler wollen auch gewinnen. Etwa der Ruderer Felix Bach, der zur Eröffnungsfeier die deutsche Fahne trägt. „Er ist extrem ehrgeizig“, sagt die viermalige Olympiasiegerin und heutige Trainerin Katrin Boron, „aber ich wünsche ihm auch, dass er in Singapur das Drumherum genießt.“

Lena Gohlesch spielt Street-Basketball – drei gegen drei – gegen die USA, Angola, Weißrussland und Singapur, und sie ist gespannt darauf, wie sich das eine mit dem anderen verbinden lässt: Sport mit Kultur und Bildung und Party. Erstmals organisiert das IOC eine, nun ja, Bildungsveranstaltung. Dazu hat man sich Rat geholt, etwa bei der Pfadfindervereinigung, wie Thomas Bach berichtet: „Die haben mehr Erfahrung in solchen Dingen, die sprechen die Sprache der Jugend.“ Sein olympischer Boss, IOC-Präsident Jacques Rogge, pflegt zu sagen, er werde den Jugendlichen keine Vorträge halten: „Sonst schlafen die ein.“

Derzeit gibt Rogge aber viele Interviews zu den Jugendspielen, die sein olympisches Vermächtnis sein sollen. Zunächst einmal geht es darum, die Botschaft in die Welt zu senden und Aufmerksamkeit zu generieren. Der Fackellauf mit Stationen auf fünf Kontinenten (Berlin, Dakar/Senegal, Mexiko-Stadt, Auckland/Neuseeland, Seoul/Südkorea) soll dazu beitragen. In allen Orten wird eine kleine Show produziert, die Bilder bietet man den TV-Stationen kostenlos an, so wie auch das Material von den Youth Olympic Games im August. Die Promotion-Tour quer über den Planeten begann am Freitag mit der Entzündung er olympischen Flamme in Olympia, wie bei den richtigen Olympischen Spielen auch. Am Sonnabend gab es den Youth Olympic Day vor dem Brandenburger Tor, Lena Gohlisch war dabei eine Hauptrolle zugedacht: Sie durfte mit der Fackel eine Feuerschale entzünden. Bei der Gelegenheit traf sie ihr Idol Dirk Nowitzki und holte sich ein Autogramm. Die Jugendspiele, so viel steht fest, haben sich für Lena Gohlisch schon jetzt gelohnt. Zumal: Als erwachsene Basketballerin ist die Wahrscheinlichkeit, jemals Olympia zu erleben, ziemlich gering.

Das IOC lässt sich die Spiele eine dreistellige Millionensumme kosten. So werden die Reisekosten für alle 3.600 Sportler, für Trainer und Offizielle komplett beglichen. Insider sprechen von Gesamtkosten bis zu 400 Millionen Dollar, inklusive Promotion und Organisation vor Ort. Da kommen die jüngsten Sponsorenverträge mit den amerikanischen Konzernen Dow Chemical und Proctor & Gamble gerade recht. „Ich kenne die genauen Zahlen nicht“, sagt IOC-Vize Bach. „Doch egal, wie viel es ist, was wir für die Jugendspiele ausgeben. Es ist eine Investition in die Zukunft. Und die ist jeden Cent wert.“

Der Beitrag erschien in der Berliner Zeitung und in der Frankfurter Rundschau.

17 Gedanken zu „Was vom Tage übrig bleibt (57): Moskau 1980, Youth Olympic Day“

  1. schon angekommen? Rahmenprogramm so naja.hab dich noch gar nicht beim basketballspielen gesehen…

  2. smas, hättest Dich mal melden sollen. Trebor hat mich gefunden, war ja auch nicht schwer, in der Nähe der VIP-Tribüne beim Ablichten von Kati und Willy und beim IOC-Mitglieder zählen. habe mich gefreut, Trebor kennenzulernen, hätte Dir auch gern guten Tag gesagt. Beim nächsten mal.

  3. Also so ganz erschließt sich mir der Sinn der Olympischen Jugendspiele nicht. Also was ich seh ist, dass man sich „volksnäher“ machen will und wohl auch noch paar Euro verdienen?

    Aber kann einer der Experten mir erklären (vielleicht auch der Hausherr) was das IOC damit sonst noch bezweck außer seinem üblichen „die Taschen vollmachen“?

    Grad in der WP gelesen: „Teilnahmeberechtigt sind jugendliche Sportler im Alter von 14 bis 18 Jahren.“ Damit hat man ja auch eine Überschneidung mit dem Mindestalter der Olympischen Spielen. Für mich als Laie sehr seltsam was das alles so. Da bin ich fast froh das ich dem Massensport, oder eher den Sport für die Masse der Zuschauer immer mehr abschwöre und schon aus Prinzip die Großereignisse nicht anschaue.

  4. @ Ari: Um diese Fragen wird es hier in den kommenden Wochen natürlich auch gehen. Das sind einige der zentralen Fragen. Im Vergleich zu 2007, als das Projekt durchgepeitscht und beschlossen wurde (dazu findest Du einige Live-Berichte von damals hier im Blog), hat sich doch einiges getan. es braucht schon etliche Beiträge und auch die Anschauung vor Ort, um das Projekt zu beschreiben. Die Welt muss nun damit leben, wie, das werden wir diskutieren.

  5. @Ari: Die Taschen vollmachen ist aus meiner Sicht das Hauptdenken. Man versucht einen Markt zu bedienen, der immer anspruchsvoller wird. Eine Kundschaft, der es nicht mehr genügt ‚Höher, Schneller, Weiter‘ zu sein. Sondern, ‚Jünger und Attraktiver‘. Es mag an der Grenze zum Perversen sein, aber mir scheint es, als wäre es ein Ziel immer jüngeren Athleten dabei zusehen zu können, wie sie sich verausgaben.

    Finanziell gesehen schlägt das IOC zusammen mit den lokalen Verbänden und den Sportverbänden mehrere Fliegen mit einer Klappe. Mehrere Übertragungen, mehr Geld von den Fernsehveranstaltern. Größeres Potenzial meine Ikonen aufzubauen, die ich über einen noch längeren Zeitraum hinweg zu Werbepartnern machen kann.

    Aber auch ideell habe ich eventuell einen kleinen Vorteil. Schau dir einen vierzehnjährigen Turner an. Würdest du ihm glauben, dass er Doping betreibt? Jugend steht in vielen Kulturen für Unschuld, Unerfahrenheit, aber auch Schönheit, Stärke usw. Das ideale Spielfeld von Funktionären einen sauberen, interessanten Sport demonstrieren zu können (oder, sich mit ihm präsentieren zu können).

    Die Schattenseiten – und ich hoffe, der Hausherr wird sich diesen annehmen – allerdings: Natürlich habe ich weitaus höheres Potential an Stimmenkauf bei den Bieterstädten. Da sich die Vergabe der Ausrichterstädte noch nicht im Fokus aller Medien befindet, kann ich so prima ein paar Interessen durchbringen. Ähnlich wie bei der Vergabe der Sommer- und Winterspiele dürften Leute entscheiden, die von dem Ausrichten einer Veranstaltung keine Ahnung haben (waren es nicht auch afrikanische IOC-Mitglieder die über Sotchi entscheiden durften?) So kann man sich fragen, warum zum Beispiel Singapur ausgewählt wurde. Eine künstlich aufgebaute Stadt, die jegliche Güter wie Nahrungsmittel und Energie importieren muss. Für Athleten wohl ein sehr unbequemer Ort mit hoher Luftfeuchtigkeit und Temperaturen um die 30 Grad auch nachtsüber. Allerdings ein Paradies für hochklassige Touristen. Ich glaube, es gibt nicht viele andere Orte weltweit, wo die Dichte an Luxushotels und Einrichtungen so hoch ist. Zum Glück hat man im April das zweite Casino eröffnet. Sonst würden sich Funktionäre und Freunde von ihnen unnötig langweilen müssen.

    Doch die Ausrichterwahl ist nur eine Seite. Natürlich setze ich junge Menschen noch viel früher dem Druck aus, unbedingt siegen zu müssen. Dem Ideal eines perfekten Athleten zu entsprechen. Eine Frage, die ich mir stelle. In Singapur gibt es die Todesstrafe auf Drogenmissbrauch. Egal ob Tourist oder Einheimischer. Erhängen ist usus, wenn man mit Kokain oder Cannabis erwischt wird. Kümmern sich die lokalen Behörden auch um die Athleten, oder bleibt das in der Familie des Sports, wie gehabt? Zum Glück führt der Landweg von China nach Singapur nur durch äußerst vertrauensvolle Länder.

    Ich bin gespannt auf die Beiträge. Viel Glück und Erfolg, Jens!

  6. ich hätte dich auch gern kurz begrüßt, mich vorgestellt und von herrn drepper grüße ausrichten lassen. aber nachdem ich dich beim fotographieren des strahlemanns mit dem regenschirm entdeckt hatte, war das ziel erreicht… ;) kurz noch vom herrn nowitzki ein erinnerungsfoto, und danach musste meine begleitung weiter unterhalten werden.
    standen übrigens rechts in der ersten reihe. sehr spontan. kurzer blick auf deine hp: „ich bin dann mal auf dem weg…“ und schon war die suche eröffnet.
    einen schönen sonntagabendgruß wünscht
    smas

  7. @ Andreas: Eine schöne Zusammenfassung. Muss man mehr wissen? Habe mich gefragt, ob man tatsächlich den Vorwurf des Geldscheffelns erheben sollte. Mir fällt kein Land im näheren Umkreis ein, bei dem weniger Geld „verschwinden“ würde. Und dann würde ich mir als Funktionär aus die Stadt aussuchen, in der man am besten „Shoppen“ kann. Da ist Singapur ideal.

  8. @Jens: Ein toller Artikel. Gerade die Meinungen der jungen Sportler sind sehr gut aufbereitet. Die jungen Männer und Frauen wollen also den olympischen Geist miterleben und ihr bestes geben, Thomas Bach und Jaques Rogge ihnen eine Party liefern, wie sie Fähnlein Fieselschweif noch nicht erlebt hat. Wenn ich raten dürfte, wette ich es gibt tolle Bilder der Athleten aus dem Zoo, im Chinesischen Viertel und aus dem Singapore Flyer heraus. Ich hoffe, Michael Phelps wird die Abstinenz vom süßen Rauch während seines Aufenthaltes gut überstehen ;) Schön auch Britta Steffens eingenordete Meinung zu hören. Mich würde interessieren, welche Seminare ihre Zweifel beinahe ausräumen konnten.

    @nocheinjurist: Ich weiß nicht, wie viel des Geldes verschwindet. Allerdings baut man in der Marina Bay – also dem Kern des ausbaubaren Tourismus- und Vergnügungsviertels – sowieso wie wahnsinnig. Ich kann mir gut vorstellen, dass gerade die Infrastruktur ihren späteren Sinn haben wird. Und vielleicht ja auch mögliche Änderungen an den Stadien und Hallen. Schließlich sind z.B. die Tribünen und die Boxengassen für die Formel-1 förmliche Tourismusmagnete, wenn man sich in die Wärme und Luftfeuchtigkeit traut um Beton ohne Coffee-Corner sehen zu wollen.
    Als Shopping-City ist Singapur wohl in der Tat eine der besten Städte. Ich war heute Abend (also gerade eben) in einer Gegend, die dem New Yorker Times Square oder die Pariser Champs-Élysées in den Schatten stellt. So viele internationale Marken, Starbucks, Fast-Food-Ketten. Und alles bequem durch wohlklimatisierte Verbindungen zu erreichen. Wahnsinn! Vom traditionellen Asien sieht man sehr vereinzelt und sehr versteckt etwas. Gut versteckt und nicht so einfach zu erreichen. Ich bin gespannt ob es den Kindern auch gezeigt wird.

    Gute Nacht.

  9. @ Andreas: Mein Eindruck von Singapore war, dass es so etwas wie eine europäische Stadt ist. Ab von den Einkaufsmöglichkeiten – alles funktionert, alles pünktlich, alles sauber. Alles geregelt, weshalb auch das Preisniveau an Europa heranreicht. Sentosa. Einheimische lassen Gastarbeiter machen, wollen sie aber nicht in Quartieren in der Innenstadt unterbringen. In Wasserreservoirs angeln Bewohner Fische, die in Malaysia gezüchtet oder gefangen wurden. Man kann sich dort ziemlich zu Hause fühlen.

  10. @ jw: Kontakte knüpfen, Leute treffen, olympische Geister miterleben — wollen Sie das nicht auch?

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