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Das Olympische Bildungsmagazin

Lösung für die FIFA? Kollektiv-Rücktritt der Führungsclique!

(Unmittelbar vor meiner Abreise nach London habe ich für das St. Galler Tagblatt einen Kommentar zur FIFA-Familie geschrieben. Das Machwerk in ursprünglicher, voller Länge.)

In der Diskussion über den Fußball-Weltverband (FIFA) gibt es zwei Kernthesen. Die eine lautet: Die FIFA ist ein florierendes Milliardenunternehmen. Die andere besagt: Die FIFA ist ein Konstrukt aus Lügen, Korruption und kriminellen Machenschaften.

These Nummer eins ist so lange nicht bewiesen, wie nicht alle Bücher der FIFA geöffnet und von Kriminalisten überprüft werden. Jene Firmen und Personen, die bisher Atteste ausstellten, sind tendenziell unglaubwürdig, weil sie zu lange mit der FIFA und deren Führungscrew gemauschelt haben. Die Zürcher Welt ist klein. Zu klein mitunter. Man kennt sich. Man schätzt sich, oder besser: man schätzt das Honorarbudget des Partners.

These Nummer zwei ist dagegen gerichtsfest belegt, nicht erst seit der Veröffentlichung der Einstellungsverfügung aus dem ISL-Korruptionsprozess am 11. Juli 2012, die weltweit Schlagzeilen machte. Im täglichen Sprachgebrauch ist die FIFA völlig zurecht zu einem Synonym für eine nach mafiosen Strukturen organisierte Fußballfamilie geworden, die im Grunde nur die eigene Rechtsprechung akzeptiert, worauf Präsident Joseph Blatter stets hinweist. Joseph Blatter alias Don Vito Corleone.

Diesen katastrophalen Ruf hat vor allem Blatter zu verantworten. Seit 1975 steht er im Sold des Verbandes, zunächst als Direktor (anfangs von der Firma Adidas seines Freundes und ISL-Gründers Horst Dassler bezahlt), ab 1981 als geschäftsführender Generalsekretär und seit 1998 als allmächtiger Präsident, dessen Gehalt und Boni nicht öffentlich sind. Blatter ist die FIFA, das stimmt. Blatter ist aber nicht etwa der Segen der FIFA, sondern der Fluch des Weltverbandes.

Dass all jene, die jahrzehntelang mit ihm gekungelt haben, schwer korrupt sind und Dutzende Millionen anhäuften – die Herren Havelange, Teixeira (beide Brasilien), Warner (Trinidad), Grondona (Argentinien), Blazer (USA), Leoz (Paraguay), Makudi (Thailand) und andere -, während Blatter noch keine Schwarzmillionen nachgewiesen wurden, macht es nicht erträglicher. Das macht Blatter nicht etwa zu einem moralischen Menschen. Es gibt verschiedene Definitionen der Korruption, juristische, theologische, wirtschaftswissenschaftliche … und moralische. Für den Sportbetrieb ausreichend ist jene Definition, die Transparency International anbietet: Korruption ist der Missbrauch von anvertrauter Macht zu privatem Nutzen oder Vorteil.

Wer wüsste das besser als Blatter?

Der größte Feind der Korruption ist, natürlich, die Transparenz.

Wer wüsste das besser als Blatter?

Korruption und Transparenz sind zwei ungleiche Brüder. Sie sind es noch immer in der FIFA.

Blatter hat dieses System geprägt wie kein anderer. Der schreckliche Ruf der FIFA ist mit Dutzenden Millionen Franken, die Blatter in leicht durchschaubare PR-Aktionen (etwa die 20 Millionen Euro Spende an Interpol), in Lobbyisten (Aloys Hirzel), Propagandisten und Wahrheitsverdreher der Kommunikationsabteilung (da wechseln die Verantwortlichen beinahe jährlich) investiert, nicht zu korrigieren. Die Verpflichtung des einst renommierten Compliance-Experten und Strafrechtlers Mark Pieth trug auch noch keine schmackhaften Früchte.

Pieth bemüht sich zwar nach Kräften, seine teure Arbeit schönzureden, doch schaut man sich etwa die Besetzung der so genannten Ethikkommission an, die Blatters Exekutivkomitee Anfang dieser Woche absegnete, so kommt man arg ins Grübeln. Denn von den fünfzehn Mitgliedern sind nur die Kommissionschefs Hans-Joachim Eckert (Deutschland, Boss der Gerichtskammer) und Michael Garcia (USA, Boss der Ermittlungskammer) sowie Jack Kariko (Papua Nueguinea) und Ronald Jones (Barbados) neu hinzugekommen. Alle anderen gehörten schon der von Blatter handverlesenen Ethikkommission an, manche genießen einen recht zweifelhaften Ruf.

Joseph Blatter hat lange Jahre gelogen, er beugt noch immer die Wahrheit, wenn er nach Veröffentlichung der ISL-Einstellungsverfügung etwa behauptet, es habe keine strafrechtliche Handhabe gegen die Millionenkassierer Havelange und Teixeira gegeben. Falsch. Im Dokument der Staatsanwaltschaft steht eindeutig und ausführlich, dass das Delikt „Veruntreuung“ und „ungetreue Geschäftsbesorgung“ sehr wohl mit langjähriger Freiheitsstrafe zu ahnden gewesen wäre. Aber die FIFA und die beiden korrupten Funktionäre haben sich mit einem 5,5-Millonen-Deal freigekauft.

Es wird besonders in der Schweiz gern das Argument angeführt, es sei das Verdienst des ewigen Präsidenten Blatter, aus der FIFA, nach der Rechtsstruktur ein Verein, einen globalen Konzern gemacht zu haben. Die Frage aber ist, worin die außergewöhnliche Leistung bestehen sollte, aus einem weltweiten Monopol, den umfassenden Rechten an der Fußball-WM (und anderen, kleineren Weltmeisterschaften), einen anständigen Erlös zu erwirtschaften?

Sponsoren, Ausrüster, Vermarkter und Fernsehanstalten stehen Schlange, um mit der FIFA ins Geschäft zu kommen. Es ist kein Kunststück, in dieser komfortablen Konstellation alljährlich eine Milliarde einzunehmen. Dazu wären zehntausende überdurchschnittliche Studenten der Betriebswirtschaften in der Lage.

Streng betriebswirtschaftlich geführt, würde die FIFA vielleicht sogar kostengünstiger arbeiten. Denn Dutzende Millionen an Bestechungsgeldern des einstigen Marketingpartners ISL sind der FIFA ja letztlich entgangen, weil sie auf Privatkonten landeten. Die FIFA hat vor einigen Jahren wegen absolut entlarvenden, ganovenhaften Verhaltens auch rund 100 Millionen Dollar Schaden erlitten, weil mit zwei Kreditkarten-Multis gleichzeitig Verträge abgeschlossen wurden.

Hauptverantwortlich dafür waren Blatter und der einstige Marketingmann Jerome Valcke, den Blatter daraufhin feuerte, um ihn ein halbes Jahr später als Generalsekretär einzustellen und zu behaupten, Valcke sei nie gefeuert worden. Aus jenem Prozess vor einem New Yorker Distriktgericht ist eine wunderbare FIFA-interne Email erhalten, die sagt: Wie, verdammt noch mal, können wir es nur so aussehen lassen, als habe die FIFA noch einen Funken Geschäftsethik.

Diese Frage ist aktueller denn je.

Seit langem schon werden die intransparent hohen Aufwendungen in der Administration und die Boni für Führungskräfte öffentlich kritisiert. Detail-Informationen darüber, wie viel Geld Blatter bekommt, welche Boni an ihn, an Manager und Mitglieder des Exekutivkomitees ausgezahlt werden, verweigert die FIFA nach wie vor. Wer also versucht, den Schleier der Propagandashow dieser Woche zu lüften, wird leicht bemerken, dass sich noch nicht wirklich etwas geändert hat in der FIFA.

Chefermittler Michael Garcia hat viel zu tun. Er muss sofort gegen Blatter, den FIFA-Finanzchef Grondona und dessen märchenhaften Auslandskonten, und gegen etliche andere ermitteln. Wird er das? Darf er das?

Präzise betrachtet gibt es aber nur einen Weg zum Besseren: Den absoluten Neubeginn. Die komplette FIFA-Führungsriege muss zurücktreten und wirklich unabhängigen Ermittlern ihre Archive öffnen. Nur der Rücktritt des Präsidenten, des kompletten Exekutivkomitees, des Generalsekretärs und des juristischen Direktors, der maßgeblich mit verantwortlich für zahlreiche Desaster ist, kann einen Funken Glaubwürdigkeit entzünden.

Es wird ja wohl in der mehr als 300 Personen umfassenden FIFA-Administration, in den sechs Kontinentalföderationen und den 209 Nationalverbänden einige unbelastete, kenntnisreiche Profis oder Ehrenamtler geben, die den Laden übergangsweise übernehmen. Jede andere Lösung ist inakzeptabel.

7 Gedanken zu „Lösung für die FIFA? Kollektiv-Rücktritt der Führungsclique!“

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  2. Joseph Blatter alias Don Vito Corleone.

    Jens, das passt gerade gut zu zwei Fragen, die sich mir seit einiger Zeit stellen (selbstredend bin ich keineswegs beleidigt, wenn Du mir die Antwort teilweise oder ganz verweigerst):

    – Es ist mittlerweile mehr oder weniger Konsens, dass (nicht nur) die FIFA nach mafiösen Strukturen organisiert zu sein scheint, um es vorsichtig auszudrücken. Und nicht erst seit Goijman wissen wir auch, dass Sportfürsten nicht zwingend weniger Skrupel- und Erbarmungslosigkeit aufweisen als ihre feudalistischen Vorfahren.

    Hast Du Dich noch nie bedroht gefühlt? Oder potentiell bedroht?

    Muss ja kein Pferdekopf im Bett sein. Gerade dem Freiberufler kann man ja auch durch die Blume der Bürokratie so manche Liebeserklärung zusenden.

    – Wie hast Du als ausgewiesener Ko-Autor und Waffenbruder von Andrew Jennings es eigentlich geschafft, nicht zur persona non grata im IOC oder sonstwo zu werden (wer die doppelte Verneinung sauber löst bekommt mein kleines Latinum, kaum gebraucht)? Soweit ich das sehe, schießt man zwar gerne hier und da mal eine verbale Spitze gegen Dich ab, respektiert Dich jedoch weitgehend als Interviewpartner und Journalist. Wie schafft man das? Kompromatkoffer im Keller?

  3. sternburg, ich habe die Geschichte doch immer mal erzählt, in den Kommentaren, und irgendwann in einem halben Beitrag. Lies mal, ich finds lustig.

    Die Kurzfassung: Die Ethikkommission hat mich zur Persona non grata erklärt, einstimmig. Aber als der Beschluss zur Ratifizierung dem Exko vorgelegt wurde, hat Blatter das Ding im Papierkorb verschwinden lassen und nicht auf die Traktandenliste gesetzt. Hat er mir selbst gesagt :)

  4. Huch, das ist mir entgangen. Und ja, ich find’s auch lustig – und habe es mir auch in etwa so vorgestellt. Die Frage lautet allerdings: Wieso?

    Und außerdem war das eher die Bonusfrage zur ersten.

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