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Das Olympische Bildungsmagazin

Die Barrieren des Jürgen Emig

Barrieren eines investigativen Sportjournalismus -- Jürgen Emigs Dissertation von 1987

Jürgen Emigs Dissertationsschrift

Mehr als drei Jahre hat es gedauert von der fristlosen Entlassung von Dr. Jürgen Emig bis zu seiner Verurteilung heute morgen am Landgericht Frankfurt am Main. Emig, langjähriger Sportchef des Hessischen Rundfunks, wurde wegen Untreue und Bestechlichkeit zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Fünf Monate dieser Strafe werden als verbüßt anerkannt – wegen des langen Verfahrens. Sein ehemaliger Geschäftspartner Harald Frahm wurde zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und einer Geldstrafe verurteilt.

  • Ein sehr gutes Jürgen-Emig-Spezial bietet faz.net. Der FAZ-Medienteil hat den Fall von Beginn an umfangreich beschrieben. Lohnenswert nachzulesen.
  • Für die Recherchen zum Fall Emig wurde Frank Thonicke (Hessische-Niedersächsische Allgemeine Zeitung) 2006 mit dem „Wächterpreis der Tagespresse“ ausgezeichnet. Das Protokoll seiner journalistischen Arbeit, eine Chronologie der Geschichte, eine Verflechtungsgrafik und einiges mehr, teilweise auch die Berichterstattung über den Prozess sind im Dokumentationszentrum Ans Tageslicht nachzulesen.

Von dieser verdienstvollen Webseite, die Johannes Ludwig ins Leben gerufen hat und mit Studenten betreut, habe ich auch das oben stehende Cover der Doktorarbeit von Emig aus dem Jahr 1987 geklaut. Der soeben verurteilte Top-Journalist der ARD schrieb einst:

Die Ware Sport wirft also hohen Profit ab. Die Abhängigkeiten zwischen Sport und Geld als Synonym für Medien, Markt und Werbung sind vielfältig und oft nur schwer durchschaubar. Dies alles kann nur über eine simple marktwirtschaftliche Erkenntnis funktionieren. Das Geschäft wird erst dann profitabel, wenn die (oft vom Verbraucher gar nicht als solche erkannte, weil geschickt verpackte) Ware auch verkauft wird, gleich über welchen Umweg auch immer.

13.52 Uhr: In der Zusammenfassung schreibt AP (u.a. hier nachzulesen):

[Dieses Zitat habe ich am 11. März 2012, 13.20 Uhr, nach anwaltlicher Aufforderung gelöscht.

Der von dapd beauftragte Anwalt Peter C. Richter von der Hamburger Kanzlei „ksp. Rechtsanwälte“ behauptet dreieinhalb Jahre nach Veröffentlichung dieses Beitrages, ich hätte gegen das Urheberrecht verstoßen und sendet mir dazu eine Kostennote in Höhe von 463,07 Euro. Dazu später mehr.]

Und wieder rein damit am 13. März, 22.01 Uhr:

(…) Dem Hessischen Rundfunk warf der Richter mangelnde Kontrollen und Versäumnisse vor. Dies wirke sich auch strafmildernd für Emig aus. Der Sender habe zudem selbst die von Emig an den HR weitergeleiteten Sponsorengelder, die sogenannten Beistellungen, „nicht rechtmäßig abgewickelt“. Der Sender hätte nach Auffassung des Gerichts im Abspann von Beiträgen auf das Sponsoring hinweisen müssen, dies aber nicht getan. Gleichwohl sei der Sender nicht Täter, sondern Opfer. Ein „System HR“ habe man nicht finden können, betonte Erhard. „Man mag von einem System Dr. Emig sprechen“, erklärte der Richter.

Eine besondere Bedeutung komme den Taten Emigs zudem deshalb zu, weil er als Redakteur eines öffentlich-rechtlichen Senders „Amtsträger im strafrechtlichen Sinn“ war, wie Erhard weiter ausführte. Insofern sei ihm eine besondere Verantwortung für eine unabhängige Berichterstattung zugekommen. Als strafmindernd berücksichtigte das Gericht unter anderem den „finanziellen und beruflichen Zusammenbruch“ Emigs, sein weitgehendes Teilgeständnis sowie seine Lebensleistung für den HR. Die lange Dauer des Verfahren wurde ebenfalls strafmildernd gewertet, so dass der für die festgestellten Straftaten theoretisch mögliche Strafrahmen von bis zu elf Jahren laut Erhard auf die verhängten zwei Jahre und acht Monate sehr stark zusammengezogen wurde. (…)

Besonders die Argumentation des Richters, öffentlich-rechtliche Redakteure seien „Amtsträger im strafrechtlichen Sinn“, gefällt mir gut.

28 Gedanken zu „Die Barrieren des Jürgen Emig“

  1. Das Cover vom Emigs Dissertation zeigt die Computergraphik „Return to Square“ von Masao Koomura und Kunio Yamanaka und stammt aus dem Jahr 1968. Falls es jemanden interessiert …

  2. Pingback: Was vom Tage übrig bleibt (37): Journalismus und Interessenskonflikte, USOC und Chicago 2016 : jens weinreich

  3. Diese Passage aus dem BGH-Urteil bzw. hier aus der dazugehörigen Pressemitteilung ist extrem wichtig:

    Der 2. Strafsenat hat insbesondere die Auffassung des Landgerichts bestätigt, dass die verantwortlichen Redakteure der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als Amtsträger im strafrechtlichen Sinne anzusehen sind, weil sie „bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung … wahrnehmen“ (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB). Deshalb finden auf sie die Bestechungstatbestände der §§ 332, 334 StGB Anwendung. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind als Anstalten des öffentlichen Rechts institutionalisiert. Sie finanzieren sich durch eine Gebührenpflicht, die ohne Rücksicht auf die Nutzungsgewohnheiten der Empfänger allein an den Teilnehmerstatus anknüpft. Mit der Sicherstellung der unerlässlichen Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunkprogrammen erfüllen sie eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks steht dieser Bewertung nicht entgegen. Zwar folgt aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Rundfunkfreiheit, dass die Rundfunkanstalten dem staatlichen Einfluss entzogen oder höchstens einer beschränkten staatlichen Rechtsaufsicht unterworfen sind. Dennoch handelt es sich bei der Erfüllung des sog. „klassischen Rundfunkauftrags“ nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um eine öffentliche Aufgabe der Bundesländer, die diese ihrerseits den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zugewiesen haben, weil sie ihn wegen des Gebots der Staatsfreiheit nicht unmittelbar wahrnehmen können. Dem entspricht es, dass auch das Bundesverfassungsgericht die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ungeachtet ihrer Staatsfreiheit als Träger mittelbarer Staatsverwaltung gewertet hat.

    Da hat Mohren richtig gehandelt, einen Deal anzustreben und nicht das BGH-Urteil abzuwarten.

  4. FAZ: Emig soll Schadensatz in Millionenhöhe zahlen

    Der frühere Sportchef des Hessischen Rundfunks (HR), Jürgen Emig, muss seinem ehemaligen Arbeitgeber mehr als 1,1 Millionen Euro Schadenersatz zahlen. Das Arbeitsgericht Frankfurt gab mit diesem am Mittwoch verkündeten Urteil der Zahlungsklage des Senders statt, wie Gerichtspräsident Frank Woitaschek berichtete (AZ 3 Ca 3/10).

    Der Sender wollte von dem heute 65 Jahre alten Journalisten allerdings 1,78 Millionen Euro Schadenersatz haben.

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  9. Hochinterssant. 1,1 Mio Euro, die mit der ARD-Pension verrechnet werden.

    Frage: Wie hoch sind derlei Pensionen (aus Gebührengeldern) für öffentlich-rechtliche Amtsträger?

  10. Und unter welchen Umständen kann man so etwas aberkennen? Oder geht das nicht bei den ÖR-bedürfnisbefriedigenden Anstalten, sondern ist nur bei einem zurückgetretenen Bundespräsidenten der Überlegung wert?

    Hab auch mit dem Kopf geschüttelt …

  11. WDR:

    Die Aufwendungen für die Altersversorgung (ohne die o. g.
    Zuführungen zur Altersversorgungsrückstellung) und die
    Altersteilzeit betreffen die vom wdr zu leistenden Zahlungen
    an ehemalige wdr-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter
    in Form von Rentenzahlungen, Beihilfen und Unterstützungen
    sowie die voraussichtlichen Aufwendungen für die
    Altersteilzeit und liegen mit insgesamt 76,2 Mio. Euro auf
    Vorjahresniveau
    (+ 1,0 Mio. Euro).

    http://www.wdr.de/unternehmen/service/infomaterial/pdf/unternehmen/121220_WDR_Budget2013_screen.pdf

  12. Pingback: Der ‚arme‘ Emig – Reaktionen der modernen Meinungsmacher…

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