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Das Olympische Bildungsmagazin

Putins-Juniorpartner Thomas Bach lässt auch ukrainischen Sportlern Trauerflor verbieten #Sochi2014 @OezcanMutlu

joint-venture

Özcan Mutlu hat gerade via Twitter ein „Machtwort“ des IOC-Präsidenten Thomas Bach gefordert und dazu eine Agenturmeldung in der FAZ verlinkt, die so überschrieben ist: „IOC untersagt auch Ukraine Trauerflor“

Über die philosophische Tiefe und die politische Schärfe dieser knallharten Forderung nach einem „Machtwort“ ließe sich gewiss trefflich debattieren. Ich wollte es aber kurz machen und habe mir erlaubt, Mutlu via Twitter darauf hinzuweisen, dass der deutsche IOC-Präsident von der FDP doch längst sein „Machtwort“ gesprochen und den ukrainischen Sportlern (wie zuvor denen aus anderen Nationen) das Tragen von Trauerflor untersagt hat (was ein IOC-Sprecher mit 24 Stunden Verspätung bestreitet).

Mir soll hier nicht wieder ein Anwalt kommen, deshalb formuliere ich es nochmal so:

  • Bach ist als IOC-Präsident und oberster Hüter des olympischen Grundgesetzes, Olympische Charta genannt, verantwortlich dafür, dass es untersagt wurde. Würde er etwas anderes wollen und zum Beispiel derlei menschliche Gesten akzeptieren, könnte er es durchsetzen bzw erlauben.

Die Meldung zum neuerlichen Verbot von Trauerflor geht seit heute Vormittag um die Welt.

Vielleicht sollte man aber spätestens an dieser Stelle sagen, dass Özcan Mutlu Sportsprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen ist. Wahrscheinlich hat MdB Mutlu heute Nachmittag auch an der 3. Sitzung des Sportausschusses im Bundestag teilgenommen.

Ein Fachmann also.

Ich war n bisschen erschrocken und habe ihn gebeten, doch bitte seine Hausaufgaben zu machen. (Versuche gerade mir vorzustellen, wie Mutlu einen anderen IOC-Präsidenten heute wohl kritisiert hätte, der nicht aus Deutschland kommt, sondern wie Bachs Vorgänger aus Spanien oder Belgien oder … name it.)

So kamen einige Tweets zusammen. Mutlu meinte, ich sei ein Troll und wäre neidisch auf seine Position im Bundestag und würde ihn und seine Arbeit irgendwie anerkennen – oder was auch immer er gemeint hat. (Wer mag, kann alles in der Twitter-Timeline rechts nachlesen.)

Seine dumme „Neid“-Bemerkung plappert er übrigens nach. Denn derlei Unsinn habe ich öfter schon aus dem Sportausschuss gehört, wo sich die wenigsten MdB mit Argumenten gegen berechtigte und mit Fakten unterlegte Kritik wehren können. Da hat er also schnell gelernt von der GroKo.

Ich bot ihm kostenlosen Nachhilfeunterricht in Sportpolitik an. (Obwohl, kostenlos? Dieses Angebot will ich eher nicht aufrecht erhalten.)

Inzwischen hatte sich die unvermeidliche Grüne und Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth, gern als Maskottchen von Sportverbänden unterwegs (DFB), ebenfalls dazu entschlossen, knallharte Kritik am IOC zu üben – oder präziser, von jenem Mann, der für die Entscheidung zuständig ist und der in Sotschi als Wladimir Putins Juniorpartner agiert, knallhart zu fordern:

Thomas Bach muss dafür sorgen, dass diese skandalöse Entscheidung umgehend rückgängig gemacht wird.“

Ähnlich rigorose Forderungen der Großen Koalition oder der Linken sind mir nicht bekannt – habe auch keine Lust, danach zu suchen.

Aber das ist eine viel zu lange Einleitung zu einem Beitrag, der nicht viel mehr als eine Notiz sein sollte. Eine öffentliche Notiz, denn dieses Blog ist nicht nur mein Wohnzimmer, sondern auch ein feines Archiv der Sportpolitik. Daten und Fakten.

Weil also gewiss jeder von uns das Phänomen der Vergesslichkeit kennt – und das des Missverstehens – und weil auf der anderen Seite Heerscharen von PR-Leuten und Wahrheitsverdrehern unterwegs sind, wollte ich lediglich festhalten, dass das IOC unter dem Präsidenten Thomas Bach heute also auch potenziellen Trauerflor von ukrainischen Sportlern, die den Toten auf dem Euromaidan gedenken wollten (oder es zumindest überlegt haben, denn das ukrainische NOK hat gemäß eigenen Angaben eine Anfrage ans IOC gestellt), gemäß der Olympischen Charta, Artikel 50.3, als politische Propaganda gewertet hat.

Ziemlich umständlich, die Formulierung, ich weiß.

Aber inzwischen hat es die Welt ja begriffen.

Nur einige Fans nicht.

Aber das ist nun mal nicht zu ändern. Fakten bleiben Fakten.

Als Thomas Bach zur Eröffnung der IOC-Session vor zwei Wochen in Sotschi übrigens  jene Politiker kritisierte, die aus diversen Gründen nicht zu den Winterspielen kommen, als er darüber lästerte, dass manche abgesagt hätten, ohne Einladungen erhalten zu haben, wurde das als erstaunlich offensive Rede interpretiert. Indes, das zeigt sich seither immer klarer: Es fiel dem Adidas-Liberalen bloß leicht, für Heiterkeit im Saal zu sorgen und das Gefühl im Wahlvölkchen, dass da vorn ein selbstbewusster Präsident stehe, der dem IOC international Gehör verschaffe und es noch besser positioniere in einer Welt, die nur zu dumm ist, das segensreiche Wirken des Olympiakonzerns zu begreifen.

Es fiel  Bach vor allem deshalb leicht, weil Wladimir Putin im Raum war. Und ihm derlei Worte einmal mehr das Wohlwollen Putins sicherten, der ihn schließlich mit ins Amt gehievt hatte.

Mehr dazu: kommende Woche. Nun endgültig.

Die armselige Politik Bachs und des IOC wird inzwischen gar in Medien gebrandmarkt, die dem IOC und seinem neuen Boss, der von seinen Herolden (auch im Journalismus) als Reformer verkauft wird, traditionell nicht antagonistisch gegenüber stehen. In der Zeitung Die Welt beispielsweise. Oder in der FAZ. Dort schreibt Evi Simeoni:

Wer sich nicht dem Verdacht des Wortgeklingels aussetzen will, darf aber nicht, wie Thomas Bach, vor den Vereinten Nationen und bei der olympischen Eröffnungsfeier Grundsatzreden halten – und sich wegducken, sobald die Sache konkret wird. Zumindest eine inhaltliche Stellungnahme ist das IOC den Aktivisten schuldig, die nichts anderes machen, als auf die nackte Wahrheit zu deuten: dass diese Winterspiele eine rücksichtslose Machtdemonstration Wladimir Putins darstellen. Bach sollte sich der Verantwortung stellen.

Denn wer schweigt, der duldet.

Es ist aber schon mehr als Schweigen. Es ist aktives Gestalten. Womit ich wieder am Ausgangspunkt dieses Beitrages wäre und beim grünen Sportsprecher Mutlu, der vom IOC-Präsidenten ein „Machtwort“, nun ja, „fordert“.

Hat Bündnis 90/Die Grünen eigentlich noch eine Sportpolitik?

Oder haben die Bündnisgrünen nur noch den DOSB-Generaldirektor Michael Vesper?

* * *

Dieser Beitrag ist mir besonders wichtig:

Ich habe es ganz harmlos mit dem Florett versucht. Aber es braucht wohl doch den Säbel.

* * *

Nachtrag 1:

Nachtrag 2:

Muss man solche Politiker ernst nehmen? Sportfunktionäre lachen da nur.

Nachtrag 3, 20.02.14, 8.50 Uhr:

Wenn ich die ersten Tweets aus einer IOC-Pressekonferenz in Sotschi richtig lese, dann hat IOC-Propagandachef Mark Adams gerade behauptet, die Mitteilung des ukrainischen NOK, die seit einem Tag weltweit Schlagzeilen macht, wonach den Ukrainern vom IOC Trauerflor verboten worden, stimme nicht. Das IOC habe nichts verboten.

Aber darf man dem IOC-Kommunikationsdirektor glauben, der bisher alle diffizilen Themen in Sotschi, etwa die Verurteilung von Jewgeni Witischko, abgeschmettert hat, weil diese Themen angeblich nichts mit den Olympischen Spielen zu tun hätten – darf man ihm also glauben?

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48 Gedanken zu „Putins-Juniorpartner Thomas Bach lässt auch ukrainischen Sportlern Trauerflor verbieten #Sochi2014 @OezcanMutlu“

  1. Du stellst aber auch Ansprüche!!!

    Wenn noch nicht mal die FAZ begreift, welches Komplettpaket Putin mit diesen Spielen vom IOC erworben hat (und einen putzigen Appell an Bach für angemessen hält), wie soll das dann der sportpolitische Anfänger Herr Mutlu verstehen???

    Der ja eigentlich nur FAZ nachplappert ;)

  2. Ukrainische Athleten treten nicht mehr an. Sieht nach verlässlicher Quelle aus:

    http://en.pravda.com.ua/

    21.52 Ukrainian Olympians: „We, members of the National Olympic team of Ukraine: Matsotska Bohdana and Matsotskiy Oleh are deeply indignant at recent actions of President of Ukraine Viktor Yanukovych. Instead of negotiations to resolve the conflict at Maidan ( we had a hope for while leaving to the Olympic Games in Sochi) he sank the latest hopes of Ukrainians in blood, thus breaking with the eternal principle of the Olympic Games – the Peace during the Olympics.
    In solidarity with the fighters on Maidan barricades and protests against the bandit – the president and his grovelling government, we refuse further performance at the Olympic Games in Sochi 2014.
    An imperishable memory of fallen heroes of Ukraine for freedom!
    Glory to Ukraine and its Heroes!“

  3. Auch wenn sie es sich wegen des Waffenstillstands nun anders überlegen; sie müssten ja allein wegen Propaganda nun ausgeschlossen werden.

  4. Wie schwer und nahezu unmöglich es ist, Sport und Politik zu trennen, zeigen auf tragische Weise die dramatischen Ereignisse in der Ukraine. Da sich keine der Seiten um Zurückhaltung oder etwa Einhaltung getroffenen Vereinbarungen bemüht, läuft der Konflikt weiter aus der Hand.
    So wie anderswo, wo im Namen von Demokratie und Menschenrechte neue Märkte mit Gewalt und Waffen acquiriert werden, wird auch im Fall der Ukraine das backfire mit aller Wucht die Bürger und nationalen Volkswirtschaften des Westens treffen. Aber Hauptsache Aldi, Lidl & Co. können bald ihre Supermärkte in Kiew und Lviv öffnen und Adidas und Nike versorgen die ukrainische Bevölkerung mit hochmodischen Sportschuhen. Wo wir wieder beim Sport wären. Was soll´s ? Seit 5.35 Uhr wird in Kiew schon wieder geschossen. Die in der Nacht die Besitzer gewechselten 1.500 Schusswaffen nebst 1000.000 Schuß Munition werden dabei sein.
    Das waren noch Zeiten als die Waffen zu den olympischen Wettkämpfen ruhen durften. Unsere heutige Zivilisation ist da leider auch schon weiter.

  5. Darf ich an den Kaukasuskrieg 2008 erinnern? Während der Olympischen Spiele in Peking. Eine der Hauptrollen hatte – Olympiagastgeber Putin.

  6. Ich verstehe die Aufregung um den Tweet von Ö. Mutlu nicht. Vielleicht hat er einfach nicht mitbekommen, dass Bach sich schon dazu geäußert hat. Ist das so schlimm? Daraus abzuleiten, dass Mutlu anders reagiert hätte, wenn der Ioc-Präsident kein Deutscher wäre … wie das?

  7. @ Geert H

    1) Das IOC/Bach haben Stellung bezogen – in dem sie konsequent Trauerflor verbieten als „politische Propaganda“. Das ist ein Fakt. (Das machte schon zu Beginn der Spiele weltweit Schlagzeilen.) Das darf man wissen als „sportpolitischer Sprecher“ einer Bundestagsfraktion und Mitglied des Sportausschusses im Bundestag.

    2) Ich leite nicht ab, ich frage.

    Du bist nicht aufgeregt und findest nichts dabei, wenn jemand, der eine derartig wichtige Position in der deutschen Sportpolitik einnimmt (quasi Kontrolleur der GroKo-BMI-Sportpolitik), öffentlich so agiert.

    Ich bin auch nicht aufgeregt. Ich schüttele nur den Kopf und stelle es dar.

  8. Gerade die furchtbare Propagandaschlacht um die Ukraine zeigt, dass es im Grunde ein erstrebenswertes Ziel ist, politische Propaganda von den Spielen zu verbannen.

  9. Das hört man dann immer. Also belassen wir es bei den Spielen bei Putins Propaganda und der IOC-Propaganda. Schon klar.

    Als ob es dazwischen nichts gäbe.

  10. Oh, Piti, das kann ich Dir leider nicht schenken: Mit Deinem Kommentar #11 folgst Du der IOC-Linie und wertest Trauerflor (Kanada, Norwegen, Ukraine) als politische Propaganda gemäß Olympischer Charta?

    Das war 2004 und 2008 (unter Rogge) übrigens kein Problem. Ich hatte die Bilder von Schwazer und Gille in einem anderen Beitrag verlinkt bzw eingestellt:

    http://www.jensweinreich.de/2014/02/13/daniela-iraschko-stolz-ioc-should-care-more-about-human-rights-and-laws-elections-of-olympic-hosts-sochi2014/

  11. WSJ: Mit der Ukraine lebt der alte Ost-West-Konflikt wieder auf

    Der russische Präsident Wladimir Putin hat versucht, die Olympischen Winterspiele in Sotschi zum Schaufenster seiner sanften Seite als Machtpolitiker zu machen. […] Doch die dramatischen Szenen der blutigen Gewalt auf den Straßen von Kiew drohen die Glaubwürdigkeit der Bilder von der internationalen Freundschaft als Illusion zerplatzen zu lassen.

  12. Das IOC und der große Vorsitzende sollten jetzt schon klarstellen, daß jedwede Trauerbekundundung ob eventuellen Ablebens in der „IOC-Familie“ mit lebenslanger Sperre – noch drastischer als ein Dopingvergehen – bestraft wird.

    Und in der ARD ist’s wie immer lustig wie im Mutantenstadl. Könnte man den Happy Dance nicht mal vorziehen? Mir wäre gerade danach.

    Einfach nur noch ekelhaft.

  13. Was für ein großartiger Beitrag von Bernard-Henri Lévy in der FAZ – ein wahrhaft ergreifender Appell. Aber waren die letzten Olympischen Spiele nicht irgendwie alle „obszön“ und „absurd“? Sind Obszönität und Absurdität nicht zwei der wesentlichen Eckpfeiler des IOC…?

  14. Gewiss. Finde allerdings, unter Umständen kann man sich darauf einlassen – auf die Spiele. Unter derartigen Umständen eher nicht.

  15. Piti, mein Freund: „Propagandaschlacht“??? Da gibt es eine wirkliche mit Dutzenden Toten.

    Das hätte ich Dir übrigens gern heute gemailt (hätte ich eine Adresse), nach einem Deiner letzten Kommentare hier: New York Times Review of Books: Fascism, Russia and Ukraine.

    Und was Propaganda angeht, da können DDRler ein paar Muster anbieten: 17. Juni 53 – „faschistischer Aufstand“. Und Herbst 1989 (aus meinem Leben), als es es plötzlich hieß: „In Leipzig marschieren die Rechten.“ Letzter Trick der SED. Hat Linke ja heute im Bundestag wiederbelebt.

    (Ohne jetzt in die Spezifika des ukrainischen Nationalismus und seine Wurzeln einsteigen zu wollen. Aber ein Stichwort: Holodomor.)

  16. Ich hätte fast gesagt, Özcan Mutlu ist Angehöriger sportferner Schichten – Informationselektroniker, Dipl.-Ing. der Nachrichtentechnik, Bildungsaussschuss-ler… aber er ist ja auch noch Mitglied im BSC Rehberge. Das ist wohl auch seine Qualifikation als Sportsprecher. Und nach dem Eindruck dieses Tweetwechsels mit Dir zu urteilen, würde ich sagen, er macht darin ungefähr einen so kompetenten Eindruck wie der Webmaster des BSC

  17. ARD-Voting mit äußerst bescheidener Fragestellung:

    Streit um ukrainischen Trauerflor – stimmen Sie ab!

    Das IOC hat Recht. So sind eben die Regeln bei Olympischen Spielen.

    Das IOC könnte schon etwas mehr Fingerspitzengefühl zeigen und die Augen zudrücken, auch wenn die Charta das Tragen eines Trauerflors verbietet.

    Die ukrainischen Sportler sollten dem Beispiel der norwegischen Langläuferinnen folgen und mit Trauerflor starten – auch wenn’s verboten ist.

  18. @21 Tja, so ist es halt bei der ARD: Das System wird nicht in Frage gestellt. Ob das nun die Charta ist, die eigene Orgastruktur oder der Rundfunkbeitrag. Oder der Happy dance.

  19. Die Situation in der Ukraine und Russlands Interessen dort sind eine ganz andere Konstellation als die zwischen Putin und dem IOC. Das eine scheint ganz gut unter Kontrolle (OK, reine Vermutung – ich warte noch auf das Buch). Beim anderen mischen sich EU und USA als Wirtschaftskonkurrenten und indirekt als potentielle militärische Mächte ein. Mit ganz unterschiedlicher aber gleichermaßen erschreckender Ignoranz, wie ich finde.

    Wenn in diesem Kontext Putin-bashing betrieben wird, und davon gibts reichlich, empfinde ich es meist als heuchlerisch und einseitig.
    Was mich dann aber noch am meisten ärgert ist, wenn berechtigte und fundierte Kritik in so einer öffentlichen Diskussion populustisch verwaschen, oder einem gar eine solche Motivation unterstellt wird. Kompliziert.

    In diesem Sinne: Halt die Ohren steiff!

  20. @Matze

    Ich halte mich schon die ganze Zeit zurück, mal von den Regenbogenfarben abgesehen. Versuche mich darauf zu konzentrieren, wovon ich ein ganz bisschen Ahnung, im besten Fall ein wenig Wissen habe. Alles andere sauge ich auf und maße mir auch im Büchlein, dass mächtig durcheinander gewirbelt wird, nicht an, eine umfassende globale und regionale politische Einschätzung zu geben.

    Sotschi und die Ukraine und Putin und das IOC – im großen Bild aber gehört das alles schon irgendwie zusammen und darf auch zusammen beschrieben/notiert werden.

    Lies mal das, bitte:

  21. ich sehe Putin in der Ukraine einfach weit mehr in der Defensive – was keinesfalls als Rechtfertigung für die dortigen Handlungen zu verstehen ist, die eh von Janukowitschs Regierung ausgehen und nicht direkt von Putin. Die Abhängigkeit der Ukraine von Russland ist auch nicht größer als die unsere von den USA, oder noch eher die der meisten EU-Länder von Deutschland.

    Die angeblich pro-Europäische Protestbewegung wird hierzulande als demokratisch verklärt dargestellt, obwohl da einerseits unwidersprochen militante Nazis mitmachen, und die Mehrheit einer Partei folgt, die ebenfalls durch Korruption auffiel und von Oligarchen geleitet wird/wurde (Timoschenko wird hier ja fast als Lichtgestalt dargestellt, ähnlich wie im unsäglichen Fall Chodorkowski).

    Ich kann die Menschen gut verstehen, die an dem autoritären System verzweifeln. Nur besteht die Opposition mit Klitschko, dem Timoschenko-Nachfolger und dem Naziboss aus drei Eimern Scheisse, unterschiedlicher Güte… Die Öffnung zur EU wird sinngemäß als „blühende Landschaften“ versprochen. Da werden sich wohl noch ein paar wundern, die jetzt ihr Leben riskieren..

    Der EU geht es um die Durchsetzung von Konzerninteressen auf die Rohstoffe und Wirtschaftszweige in der Ukraine, daher wird gegen Russland gemobbt als wäre die Anti-Mensch Politik dort exklusiv. (Wer lässt nochmal x-tausend hilflose Menschen jedes Jahr sehenden Auges im Mittelmeer verrecken, nachdem man mit der eigenen Finanz-, Wirtschafts- und Agrarpolitik in Afrika täglich einen neuen Massenmord anrichtet? Achja, das ist ein Friedensobelpreisträger, der darf das..)
    Daneben hat die USA eine eigene Agenda aus demselben Motiv.

    Erschreckend übrigens, mit welcher Selbstverständlichkeit diese Kräfte von aussen auf einen souveränen Staat mit gewählter Regierung einwirken und das Land für diesen Stellvertreter(handels)krieg missbrauchen.

    Bei allem Verständnis das ich für Proteste gegen kriminelle und korrupte Regierungen habe, sehe ich hier eine Gemengelage, die echt kompliziert ist, und in der die einseitige Kritik an Russland und somit an Putin viel zu kurz greift.

    Ehrlich gesagt glaube ich, dass viele Politiker der EU und USA unheimlich neidisch auf Putin sind. Dessen vergleichsweise Allmacht und Durchsetzungsvermögen selber zu besitzen wird doch auch hier unverblümt angestrebt (Überwachungsstaat/Geheimdienste, TTIP als Blankoscheck für Konzerninteressen, „Reformpakete“ der Austeritätspolitik welche Elend erzeugt und Armut manifestiert, Milliardenstützen der Banken am Parlament vorbei, Krieg in aller Welt um Ressourcenzugriff und Exportmärkte zu sichern, usw.), anstatt wirklich unsere immerhin verfassungsgemäß demokratische-bürgerrechtliche Gesellschaftsform gegen solche Bestrebungen zu schützen.

    Ich kann in diesem Kontext nicht Russland oder Putin kritisieren ohne das üble Foulspiel und die verlogene Meinungsmache der EU ebenfalls zu nennen.

  22. @stefan
    Testosteronhaltige Gleitcreme für die Kufen vielleicht? Klingt natürlich erstmal einigermaßen unwahrscheinlich — aber du musst bedenken: so ein Risiko bemisst sich ja aus Eintrittswahrscheinlichkeit × potentieller Schaden. Und ohne Rodler würde unser zarte Medaillenspiegel nunmal endgültig zum Scherbenhaufen.

    (Und auf die Kraftausdauerklassiker mit Brettern und Kufen kann ja jeder kommen!)

  23. Da hat die einstige Regierungspartei der Grünen ja einen wahrlich kompetenten Mann in Sachen Sportpolitik in Berlin installiert. Wie sensitiv er auch die „Debatte“ über den Kurznachrichtenkanal Twitter führt. Ein Lehrbeispiel für Kommunikationsprofessoren.

    Das mit dem Trauerflor ist bezeichnend.

    @matze: Chodorkowski war ja einst Berater von Putin. Da war Putin noch nicht Präsident von Russland. Die Personalie von Michail Chodorkowski kann auch nicht losgelöst von Roman Abramowitsch gesehen werden. Einst waren beide durch cleveres, bauernschlaues, manchmal hart an der Grenze der Legalität und Grauzonen nicht großräumig umfahrend, geschicktes Vernetzen, unternehmerische Power, intensiver Einsatz der Ellenbogen und schnelles Agieren in der Jelzin-Ära zu einem Vermögen in Milliardenhöhe gekommen. Geschickte Auslegung der Thematik Steuer inklusive. Während Roman Abramowitsch aber immer sehr genau wusste wer Herr über die russischen Gefängnisse ist, wollte Chodorkowski gar eigene politische Wege bestreiten und Alternativen zur Nomenklatur aufbauen. Das ging dann gar nicht. Während Abramowitsch Chelsea kaufte und mit Mineralwasser feierte, nebenbei mit Putin über die Möglichkeiten eines Sponsorings in der Hauptstadt Russlands sprach und siehe da: Nach kurzer Überlegung sponserte der Vollwaise Roman Abramowitsch gleichzeitig ZSKA Moskau, gab Firmenbeteiligungen wie von Putin gewünscht – freiwillig ab, gab es für Chodorkowski den Weg in die Unfreiheit. Russland ist nicht mit zwei oder drei Zeilen zu beschreiben.

    Es ist ein Land, was in der Regierungszeit vom alkoholgehandicapten Boris Jelzin fast zerfiel, ausländische Konzerne sich neben den Oligarchen die Filetstücke sammelten. Es erinnerte mich damals immer an die Zeit der Prohibition in Amerika.

  24. @stefan
    warum läuft die eigentlich nicht in der staffel?

    @Matze
    Na, ich weiß ja nicht. Dass Timoschenko und Chodorkowski hierzulande in die Nähe von Lichtgestalten gerückt werden, würde ich jedenfalls nicht unterschreiben. Und dass unter den Demonstranten auch Nazis sind wurde zumindest mir in den Medienberichten nicht verschwiegen. Da wurde nämlich durchaus differenziert, während du es ja der Einfachheit halber vorziehst, gleich die ganze Opposition im Klo zu versenken.

    Dass Staaten (und -bünde) Interessen (auch wirtschaftliche) haben und diese zu wahren versuchen, ist jetzt nicht so die Überraschung und auch kein Skandal. Aber wenn hier jemand von außen massiv Einfluss auf die gewählte Regierung eines souveränen Staates genommen hat, dann war das ja wohl „Putin“. Oder wie würdest du es nennen, wenn kurz vor der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens kurzerhand die Schokoladenimporte aus der Ukraine blockiert werden — so „als kleiner Vorgeschmack“ auf die Zeit nach der Unterzeichnung.

    Und: kein aufrechter Demokrat kann eine absolute Machtfülle anstreben. Von daher bin ich auch überzeugt, dass der von dir postulierte Putin-Neid hierzulande allenfalls ein Randphänomen sein dürfte.

  25. IOC-Kommentar: „Der Fall hat aber nichts mit Olympia zu tun!“

    Nada-Kommentar: „Alles geben, nichts nehmen. Außer bei Olympia.“

  26. Ha: bei 140 Zeichen hat leider Dein Name als Quelle nicht mehr reingepasst:

    Aber wir können das heute gern noch ausbauen.

    Dafür gibt es gleich zwei Beiträge, an denen sich jeder beteiligen kann.

  27. Forschungsprojekt: „Systemisches Doping“. „Bisher jedoch keine Aktenfunde, sondern nur Zeitzeugenbericht(e).“

  28. @cf: Die EU hat die Ukraine auch erpresst, nur konnte sie noch keinen Hahn abdrehen oder soziales Elend erzwingen wie in Griechenland und woanders, sondern nur drohen „wenn Du das machst, ist hier aber Ende Gelände“.
    Ist die Ukraine aus EU-Sicht schon Handelsmasse? Bzw „was erlauben Strunz!!“

    Wenn Die EU von Demokratie spricht, ist das angesichts der eigenen Leistungen, viele Bürger- und Menschenrechte abzubauen oder zu ignorieren (siehe die Flüchtlingspolitik, die Tolerierung offenen Rassismus/Antisemitismus in Ungarn, dem geplanten TTIP, den Geheimdienstskandalen) nur Schönsprech für die aggressive Neokon-Wirtschaftsagenda oder Totalüberwachung.
    In Sachen Überwachung läuft man Putin hinterher, tut aber so als sei nur er der böse während hier alles tutti sei.
    In Wirtschaftsfragen will man dieselbe Ausbeutung (die „blühende Landschaften“ lassen grüßen), nur dass Russland laaange vorher da war.
    Ich sehe hier zwei Lager, die sich um ein Land streiten, und kann keines davon gutheissen.

    Und dass Kriege geführt werden weil es um Handelswege und Rohstoffe geht, hat zwar einem Bundespräsident das Amt gekostet, unser amtierende Präsi fordert das sogar regelmäßig.

    Wie schnell die Grenzen des erträglichen hier verschoben werden..

    Ich kann viele Ukrainer sehr, sehr gut verstehen. Die sind zurecht wütend und empört und haben berechtigte Forderungen. Nur ist die Führung der Mehrheits-Opposition mit ihrer Vorgeschichte kaum glaubwürdig (ok, aber immer noch besser als der Rest, insofern relativiere ich meine Klokritik ein wenig), Klitschko spielt eh keine grosse Rolle, ausser bei uns im TV.

    Und in Anbetracht der dritten, leider sehr tatkräftigen Oppositionsgruppe, ziehe ich ein Putin-gelenktes Regime jederzeit vor.

    Versprochen: Letzter Beitrag von mir an dieser Stelle, ich sah grad oben wieder das Blog-Motto. Ahem. Ich freu mich schon viel zu dolle auf das Dopingerklärwochenende das womöglich noch zu Fremdschäm-Katastrophen ungeahnten Ausmaßes führen könnte.

  29. Matze, ohne das Thema weiter strapazieren zu wollen: Mir genügte gestern abend der Blick von Timo in die Menge auf dem Maidan, auf die sich die Milliardärin ja so gefreut hatte, und es wurde omniklar, dass jetzt ein Akt folgt, der hoffentlich nicht gewaltsam – obwohl der Bodyguard hinter Timo nicht gerade vertauenserweckend und samtig dreinschaute -, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenso chaotisch verlaufen wird, wie das leider so blutige Vorspiel. Wer die Nachfolger der Bandera-Werwölfe aus den Karpaten in sein demokratisches Gehege eingliedern muss, ist sicherlich in nahezu aussichtsloser Position. Der Olympiasieger Klitschko ließ sich gar nicht erst blicken, wußte er doch, dass nicht er, sondern ein Vertrauter von Timo erst einmal Präsident wird.
    Wenn man dann noch den obercoolen Rehn die Finanzspritze der EU verkünden sehen durfte, war klar, sie wissen schon wieder einmal nicht, was sie tun. Und vor allem sie überblicken es nicht. Weder ein EU – Politiker, noch – und das ist noch schlimmer – ein ukrainischer Politiker von Format weit und breit, der in der Lage wäre, es zu richten. Wir können uns nach einer bereits gescheiterten ukrainischen Demokratieauslegung auf eine weitere freuen. Aber Timo wird ja noch genügend volle Konten haben, um mindestens die Gesetze beschließen zu lassen, die s i e braucht. Dazu reicht ein halbes Jahr.
    Die EU wird mit Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Kosovo, Lettland, Griechenland und bald der Ukraine immer demokratischer und wirtschaftlich stabiler. Vllt. organisieren ja in Kürze die entlassene rumänische Securitate und der bald gefeuerte ukrainische Geheimdienst die Wohnungseinbrüche an der deutsch-polnischen Grenze im Geiste der europäischen Idee gemeinsam. Die Isländer sind die einzigsten, die es bislang scheinbar bemerkt haben, wie die Erosionen in der EU voranschreiten. Aber wir können ja nach Reykjavik ziehen. ;)

  30. Noch mal Thema Bob: Manuel Machata wurde vom Bobverband gesperrt, weil er seine Kufen (bzw. die Kufen, die ihm von jemand anderes zur Verfügung gestellt wurden) an einen Russen weitergab, der dann damit Olympiersieger wurde. Er habe gegen „nationales Interesse“(!) verstoßen.
    Passender Kommentar dazu in der FR.

    Nun wäre es falsch, den deutschen BSD-Funktionären reaktionäres Kirchturmdenken zu unterstellen. Ihnen ist auf die Bob-Pleite in Sotschi, dieser nationalen Schande, nur nichts anderes eingefallen, als von eigenem Versagen abzulenken. Der Verband hat Manuel Machata ins Schaufenster gestellt, um sich dahinter zu verstecken. Dabei hat der nur sein Eigentum verhökert. Dass daraus eine nationale Angelegenheit gemacht wird, deutet darauf hin, dass es im Eiskanal von Sotschi zu schweren Erfrierungen des Denkvermögens gekommen ist

    Gut, sein Eigentum war es wohl nicht, wie man hier im Interview lesen kann.

    Ich möchte weiterhin meinen Beruf ausüben und das machen, was ich liebe: Bob fahren. Ich habe mir einen Anwalt genommen.

    Diesen sprichwörtlich kalten Kriegern mit ihrem Elitesport müsste man mal ganz schnell die Mittel entziehen! Da müssen mal Köpfe rollen.

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  33. Özcan Mutlu auf der Mitgliederversammlung der Berliner Grünen, für einen sicheren Listenplatz werbend (laut Tagesspiegel):

    In den vier Jahren im Bundestag habe er „unentwegt (…) gegen Korruption im Sport national und international gekämpft“.

    Sein letztes Auftreten in diesem Theater ist jetzt gut drei Jahre her. Aus dem Stehgreif wüsste ich jetzt nicht, wann ich diesen Namen nochmal im Kontext der Sportpolitik vernommen hätte. Muss irgendwie an mir vorbei gegangen sein.

    An den Grünen-Mitgliedern allerdings auch. Die haben lieber jemanden gewählt, der in letzter Zeit nachweislich etwas bewegt hat.

  34. @sternburg: Deinen letzten Satz

    An den Grünen-Mitgliedern allerdings auch. Die haben lieber jemanden gewählt, der in letzter Zeit nachweislich etwas bewegt hat.

    verstehe ich nicht ganz. Mutlu wurde von den Berliner Grünen immerhin auf Listenplatz 4 gewählt (siehe: https://gruene.berlin/nachrichten/berliner-gruene-waehlen-landesliste-zur-bundestagswahl-2017).
    Ob das ein sicherer Listenplatz hängt natürlich vom Wahlergebnis ab. Bei der letzten BT-Wahl gabs jedenfalls 4 Sitze für die Berliner Grünen – davon kamen 3 (wegen Ströbeles Direktmandat) über die Landesliste. Mutlu stand damals auf Platz 2. Das war natürlich „sicherer“.

  35. @Radoteur: Ich verstehe Deine Frage nicht ganz.

    Zwei ist besser als Vier. Insbesondere angesichts der derzeitigen Umfragewerte. Von jemanden, der einerseits medial und bundesweit so präsent ist wie Mutlu und der andererseits „unentwegt (…) gegen Korruption im Sport national und international gekämpft“ hat, würde man mehr erwarten.

    Mehr ist das nicht. Außer natürlich etwas Übertreibung, viel hämisches Nachtreten und ein wenig außer Acht lassen, wie unberechenbar sich die Grünen-Basis gewöhnlich beim Umgang mit profilierten Vertreten ihrer Partei zeigt. Alles in allem also ein kleiner, höchst unsportlicher Gag am Rande. Aber ich bin ja auch nicht der Hausherr und muss mich an so Quatsch wie journalistische Grundprinzipien halten.

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