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Das Olympische Bildungsmagazin

Monopoly 2016

In ein paar Stunden wählt das IOC-Exekutivkomitee im Athener Hilton Hotel die Finalisten im Wettbewerb um die Olympischen Sommerspiele 2016 aus. Die Entscheidung fällt dann auf der 121. IOC-Session am 2. Oktober 2009 in Kopenhagen.

Es treten an und verabschieden sich heute auch gleich wieder (wie vor vier Jahren Leipzig in der ersten Runde): Die tapferen Sportkameraden aus Aserbaidschan mit ihrer Hauptstadt Baku und die Hobbybewerber aus Prag. Baku und Prag sind nicht ernst zu nehmen. Beide betrachten ihre „Bewerbung“ vor allem als touristische Promotion.

2016 Applicant City Logos 'Baku 2016' & und 'Prag 2016'

Ohne Chance auf den Finaleinzug: Die 2016er Bewerbungen aus Baku und Prag.

Mitunter dienen Bewerbungen, gerade die aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, aber auch als veritables Mittel der Geldwäsche. Anzeichen dafür gibt es viele. Vor einigen Jahren hat dies ein schwedischer Staatsanwalt, der sich mit Olympiabewerbungen beschäftigte, sogar mal laut ausgesprochen:

Geld rein, Geld raus, und alles unter dem Deckmäntelchen Olympischer Spiele.

Nun zu den ernsthaften Kandidaten, die möglicherweise allesamt in die Finalrunde kommen. Vielleicht aber sortiert das IOC von diesem Quintett noch ein oder zwei Anwärter aus. Man weiß es nicht genau. Die Regularien sind auch unter Jacques Rogge alles andere als transparent.

Nachdem vor einem Jahr in Guatemala die Öl-Oligarchen aus Putins Reich die Winterspiele 2014 gekauft haben, sind erstmals Ölscheichs vom Persischen Golf am Start. Olympiabewerbungen waren schon immer ein Milliarden-Monopoly. Mit den Kataris wird es nun besonders lustig. Geld spielt dort keine Rolle. Man hat es – und man weiß es auszugeben.

Dabei kann man – um die Themen Geld und Moral mal außer Acht zu lassen – trefflich darüber streiten, ob es vielleicht doch Gegenden auf diesem Planeten gibt, in denen keine Spiele ausgetragen werden sollten: Die Antarktis und die Steinwüste von Katar wären da sicher erste Kandidaten.

2016 Applicant City Logos der Bewerbungen aus Madrid, Rio und Tokio

Sicher im Finale (aber hier und heute kein Thema): Madrid, Rio de Janeiro und Tokio.

Mit den Bewerbern aus Madrid, Rio und Tokio werde ich mich später mal befassen. Zunächst zu Chicago, dem Favoriten der InsiderDienste.

Die olympischen Fachverbände und die Vereinigung Nationaler Olympischer Komitees (ANOC) setzen die Amerikaner gehörig unter Druck. Es geht ums Geld, was sonst. Ich habe gestern morgen im Hotel Divani Caravel mit Chicagos Bewerberchef Patrick Ryan gesprochen und folgende (für diesen Blog natürlich überarbeitete) Geschichte für einige Zeitungen geschrieben:

ATHEN. Wenn es darum geht, die Vorzüge seiner Stadt zu loben, ist Patrick Ryan um keinen Superlativ verlegen. Seine Botschaft ist ambitioniert und schlicht zugleich. Denn sie lässt sich in einem Wort zusammenfassen: „Weltklasse“. Darunter macht es Ryan kaum. „Weltklasse“ sei in Chicago so ziemlich alles, sagt Ryan, Chef des olympischen Bewerbungskomitees: Architektur, Kultur, Natur und Sport. Glaubt man Ryan, dem Gründer und CEO des Versicherungskonzerns Aon, dann kann es im Jahr 2016 nur einen Ausrichter der Sommerspiele geben: Chicago.

Dumm nur, dass sich noch sechs andere Städte für Olympia interessieren. Tokio, Rio de Janeiro, Doha (Katar), Baku (Aserbaidschan), Madrid und Prag sind Chicagos Konkurrenten. Am Mittwoch trifft das IOC-Exekutivkomitee in Athen eine Vorauswahl der Finalisten. Prag und Baku werden aussortiert, vielleicht sogar eine weitere Stadt. Chicago aber, das ist klar, wird dabei bleiben bis das Internationale Olympische Komitee (IOC) im Oktober 2009 in Kopenhagen abstimmt. „Chicago“, sagt Ryan, „ist der ideale Marktplatz für die olympische Bewegung.“

Marktplatz ist ein gutes Stichwort. Denn rund um Chicagos Offerte wird gefeilscht wie auf einem orientalischen Basar. Die Bewerbung ist von der Diskussion um die olympischen Marketingeinnahmen überschattet. Die 35 olympischen Weltverbände und die Vereinigung der Nationalen Olympischen Komitees (ANOC) wollen die Amerikaner schröpfen.

Anfang der achtziger Jahre, als das IOC mit der Kommerzialisierung der Olympischen Spiele begann, wurden mit dem amerikanischen NOK (USOC) Sonderkonditionen ausgehandelt. Der Vertrag wurde zuletzt 1996 angepasst und galt lange als Geheimsache: Das USOC erhält 12,75 Prozent der amerikanischen TV-Erlöse und 20 Prozent aus dem IOC-Sponsorenprogramm TOP. Im Olympiazyklus 2005-2008 werden rund 364 Millionen Dollar an das USOC überwiesen – mehr als an alle anderen NOK’s zusammen. Von 2009 bis 2012 darf das USOC sogar 450 Millionen erwarten.

„Das ist nicht fair“, sagt der Schweizer Denis Oswald, Chef der Vereinigung der 28 Sommersportverbände (ASOIF) und IOC-Exekutivmitglied. „In den achtziger Jahren kamen fast alle TOP-Sponsoren aus den USA, jetzt sind es gerade noch zwei oder drei.“

Präzise betrachtet sind es sechs von zwölf IOC-Sponsoren: Coca-Cola, Kodak, Johnson & Johnson, Gneral Electric, McDonald’s, Visa.

Doch wenn es ums Geld geht, argumentiert selbst ein Jurist wie Oswald nicht immer faktenorientiert. Ob zwei, drei, sechs oder sieben ist letztlich egal: Die Amerikaner haben die gesamte Sportwelt gegen sich.

Manch Funktionär, etwa das dänische IOC-Mitglied Kai Holm, sagt laut, was alle denken: Wenn das USOC nicht auf einen Teil seiner Einnahmen verzichtet, hat Chicago keine Chance. Spricht man Pat Ryan darauf an, wird er leise und einsilbig. „Das hat mit der Bewerbung nichts zu tun“, sagt er. Was natürlich nicht stimmt. Denn die Bewerbung ist das perfekte Druckmittel für alle, die sich größere Stücke vom olympischen Kuchen erhoffen.

Oswald führt die Rebellion an, er ist auch Chef des Ruder-Weltverbandes. Anfang März hatte er einen Brandbrief an seine Kollegen verschickt. Die USOC-Überweisungen seien „moralisch nicht länger zu akzeptieren“, schrieb Oswald. „Wir brauchen eine faire Lösung. Und zwar bald“, sagt er in Athen.

Er gehört gemeinsam mit dem Mexikaner Mario Vázqez Rana, Chef der Vereinigung der 205 NOK, und IOC-Marketingchef Gerhard Heiberg zur kleinen Arbeitsgruppe, die sich mit dem USOC einigen soll. Warum aber sollte das USOC freiwillig Geld abgeben, wenn doch ein Kontrakt existiert? „Die Amerikaner behaupten, der Vertrag sei unbefristet“, sagt Oswald. „Aber Europa kennt man so etwas nicht. Wir müssen da eine friedliche Lösung finden.“

Chicagos Bewerberchef Ryan verweist auf die Verantwortlichkeit des USOC: „USOC-Präsident Peter Ueberroth hat klar gemacht, dass das Problem recht bald gelöst wird“, sagt er. Wann genau? „Sehr bald.“

Ueberroth aber, der sich olympisch unsterblich gemacht hat, weil er mit den Sommerspielen 1984 in Los Angeles Profit machte, kann nicht zaubern. Sein USOC, geplagt von Jahrzehnten der Misswirtschaft, braucht jeden Dollar. „Wenn wir jetzt anfangen zu feilschen und hier und da ein paar Prozente verschieben, ist niemandem geholfen“, sagt er. „Wir können aber den Kuchen verdoppeln. Dann haben alle mehr davon.“

Wie das gehen soll? Erstmals seit Jahrzehnten wird um Sommerspiele gebuhlt, ohne dass die amerikanischen Fernsehrechte schon vergeben wären. Der Olympiasender NBC zahlt für 2010 (Winterspiele in Vancouver) und 2012 (Sommerspiele in London) rund 2,2 Milliarden Dollar. NBC wünscht sich nach den Quoten-Desastern von Athen (2004) und Turin (2006) endlich wieder Spiele in der eigenen Hemisphäre: mit Live-Übertragungen zur Primetime – und nicht mit zeitversetzten Konserven.

Ueberroth dreht den Spieß also um: Das IOC und die Sportverbände könnten die Rechnung an den amerikanischen Konsumenten weiterreichen. Man müsste nur NBC bedienen und Chicago zur Olympiastadt machen. Doch ob das dem Rest der Welt gefällt?

Gestern Abend hat sich die Diskussion etwas zugespitzt, wie Phil Hersh in der Chicago Tribune berichtet:

Ich kann nicht recht verstehen, wie der IOC-Präsident eine solche Aussage treffen kann:

A clear indication the USOC is willing to find a solution and not refusing a solution could be very good for Chicago. It would not have a negative impact [if there were no such sign], but this sign could have a positive impact.

Normalerweise müsste man sagen: Das ist Erpressung – und somit ein Fall für die IOC-Ethikkommission.

Wie auch immer, Denis Oswald spricht von einer kurzfristigen Lösung und einer langfristigen. Inzwischen hat mir ein anderer Präsident eines Weltverbandes Zahlen genannt: 30 Millionen Dollar mehr für die Sportverbände.

Das ist eine schöne runde Summe, die Sinn macht: Denn im Programm der Sommerspiele sind derzeit 28 Sportarten – zwei weitere hätte man gern dabei (auch wenn das IOC 2007 in Guatemala gerade beschlossen hat, es solle bei 28 Sportarten bleiben). Bliebe also eine schöne Million für jeden. Andererseits: Was sind schon 30 Millionen für das USOC? Sollte man deshalb die Bewerbung Chicagos opfern?

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