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Das Olympische Bildungsmagazin

Die Hartplatzhelden oder: Wem gehört der Fußball? Wem gehört der Sport? Wem gehören die Bilder?

… die Liste der Fragen ließe sich beliebig verlängern. All das wird am Donnerstag (28. Oktober) vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe im Fall der Hartplatzhelden verhandelt. Oliver Fritsch, Gründer des indirekten freistoß, der Hartplatzhelden und des direkten freistoß, hat einige Fragen angefügt:

Doch werden auch allgemeine, nennen wir sie, kulturpolitische Dinge verhandelt: Welche Macht, welche Monopolmacht gestehen Gerichte Sportverbänden zu? Wie sehr wird Freiheit im Internet eingeschränkt? Was sind und dürfen Medien heute? Wie geht man in Deutschland mit Innovation um, für die der Gesetzgeber noch keine Regeln geschaffen hat?

René Martens machte sich dazu kürzlich Gedanken:

Hartplatzhelden, SpendenaufrufIch fürchte, der BGH wird das Monopol der Sportverbände erweitern. Ich gehe vom Schlimmsten aus, wenngleich ich für und mit Oliver Fritsch und die Hartplatzhelden hoffe. Fritsch und sein Projekt haben weiter meine uneingeschränkte Solidarität.

Oliver Fritsch hat sich jüngst im indirekten freistoß in eigener Sache geäußert. Ich kann in der Sache (fast) jeden Satz unterschreiben. Darüber hinaus imponiert mir die Offenheit, mit der er den Sachverhalt und seine Versuche, Onlineprojekte und Onlinejournalismus zu finanzieren, einmal mehr erläutert.

Seine Geschichte, seine Standpunkte:

von Oliver Fritsch

Am 28. Oktober wird der Bundesgerichtshof den Fall Hartplatzhelden verhandeln. Es ist die letzte Instanz in der Frage, wer die Rechte an Videos von Amateurspielen besitzt. Doch werden auch allgemeine, nennen wir sie, kulturpolitische Dinge verhandelt: Welche Macht, welche Monopolmacht gestehen Gerichte Sportverbänden zu? Wem gehört der Fußball? Wie sehr wird Freiheit im Internet eingeschränkt? Was sind und dürfen Medien heute? Wie geht man in Deutschland mit Innovation um, für die der Gesetzgeber noch keine Regeln geschaffen hat? Wer zum ersten Mal von der Sache hört oder noch mal nachlesen will, schaue hier.

Lassen Sie mich bitte ein wenig ausholen, denn die ganze Sache hat auch mit dem indirekten freistoss zu tun: Den indirekten freistoss habe ich im Jahr 2001 gegründet, damals war ich noch Mitarbeiter an der Uni Gießen. Die Idee war, den Blick des kritischen Fußballfreunds auf die Qualitätszeitungen zu lenken. Die Meinungsmacht im deutschen Fußball haben in der Regel Bild, kicker und der Rest vom Stammtisch. Das war und ist mir zu einseitig, ich sah und sehe sogar bedenkliche Entwicklungen im kumpanenhaften und tendenziösen Sportjournalismus, man denke an die Kampagne der Bild-Zeitung gegen Jürgen Klinsmann vor der WM 2006. Den freistoss habe ich gegründet, weil mich etwas bewegt hat.

Das Projekt hat sich schnell verselbständigt. Zur WM 2002 wurde Spiegel Online Medienpartner, und der freistoss erblickte das Licht der Welt, fand Leser und Zustimmung, auch Kritik. Wenn ich einmal mit dem Newsletter später dran war, fragten manche Leser ungeduldig nach. Aus einem Hobby wurde eine Pflicht. Eine angenehme. Zwanzig Stunden die Woche, manchmal mehr, war mein Pensum. Die Tage, an denen der freistoss während letztlich sieben Jahren ausfiel, kann man an einer Hand abzählen (Sommer- und Winterpause ausgenommen).

Das kann man nicht über die Jahre unbezahlt leisten. Zwar hatte ich kleine Einnahmen über Medienpartner und über Spenden, doch davon leben konnte ich nicht. Vielleicht erinnert sich noch der eine oder andere an meine Anregung, den Newsletter kostenpflichtig zu machen. Das war 2005, inzwischen scheint man zu wissen, dass die Pay Wall die Leserzahl reduziert, ein unbrauchbares Instrument ist. Ein Geschäftsmodell für Medien im Internet gibt es nicht. Selbst wenn der Journalist noch so fleißig, investigativ und renommiert ist wie der Blogger Jens Weinreich.

Die Idee mit den Hartplatzhelden kam mir in der Umkleidekabine, es war 2006. Ich war Spielertrainer bei der SG Reiskirchen/Niederwetz (damals Kreisliga Wetzlar), und wir diskutierten gerade beim Bier über das zurückliegende Spiel – und wie schade es ist, dass der siegbringende Freistoß nicht im Fernsehen zu sehen sein würde. Das Fernsehen interessiert sich für sowas nicht, doch es gibt ja das Internet. Bingo!

Zwei Freunde von mir, Steffen Wenzel und Thomas Ramge, waren von der Idee begeistert, und wir setzten sie mit Hilfe der Agentur Wegewerk um. Eine Alpha-Phase im Dezember 2006 verlief spaß-, arbeits- und erfolgreich. Und wir entschlossen, die Plattform auszuweiten. Einen Geldgeber oder Verlag im Hintergrund haben wir nicht, wir haben alles selbst gezahlt. Da eine fünfstellige Summe nötig wurde, haben wir sodann eine GmbH gegründet – und die Einlage für die Entwicklung der Website verbraten.

Das sage ich auch deswegen, weil es Gegenstand der Klage des Württembergischen Fußballverband ist. Er wirft uns kommerzielles Interesse und Ausbeutung vor, im Rechtsjargon: unlauteren Wettbewerb. Ist schon seltsam, meine Mutter sagt mir seit Jahren, ich soll endlich was vernünftiges machen, und der DFB stellt mich als Abzocker hin. Ja, mein persönliches Ziel war und ist es, mir mit meinen Fußballplattformen, mein Leben zu finanzieren. Vielleicht sogar mal eine Redaktion. Soll ich das nun ein Geständnis nennen?

Seit Oktober 2008 arbeite ich halbtags für die Sportredaktion von Zeit Online. Das ist ein toller Job und eine sehr gute Adresse. Seitdem kann ich jedoch den indirekten freistoss nicht mehr wie zuvor bespielen. Weil er aber weiterleben soll, lasse ich das andere machen. Die Jungs machen das gut. Und sie sollen das auch nicht unentgeltlich tun, auch wenn wir keine branchenüblichen Honorare zahlen können. Aber was wir haben, geben wir. Das war schon bei den Hartplatzhelden so, auch da gab es freie Sportredakteure, die honoriert wurden. Vielleicht weiß das niemand, aber Hartplatzhelden macht Arbeit, alle Videos werden gesichtet, einer Jury vorgelegt, die meisten kommentiert und bewertet, getwittert auf Facebook verteilt. Jemand hier, der das nicht als redaktionelle Arbeit begreift?

Der indirekte freistoss, gegen den es übrigens auch rechtliche Einwände gibt, und Hartplatzhelden sind gegensätzliche Projekte: ein textbasiertes, ein bildlastiges. (Dem Branchenmagazin Berliner Journalisten habe ich zu diesem Thema vor gut einem Jahr Rede und Antwort gestanden.) Es sind meine Projekte, meine Babys. Beide sollen weiterleben, ich sehe nicht ein, auf eins zu verzichten. Es ist ohnehin schwer genug, sich im Internet zu finanzieren. Warum soll ich mir vom DFB vorschreiben lassen, was ich tun und lassen darf?

Ich habe das immer gesagt: Geht es den Hartplatzhelden gut, geht es dem indirekten freistoss gut. Wenn wir vor dem BGH gewinnen, kann ich mich womöglich auch wieder mehr um den freistoss kümmern, vielleicht sogar ja mehr als Spielertrainer denn als Trainer. Für mich persönlich geht es am Donnerstag in Karlsruhe um gut 20.000 Euro, für meine Kompagnons um eine ähnlich hohe Summe. Vielleicht kommen wir noch mal mit einer Spendenbitte auf Sie zurück.

Liebe Grüße

Oliver Fritsch

18 Gedanken zu „Die Hartplatzhelden oder: Wem gehört der Fußball? Wem gehört der Sport? Wem gehören die Bilder?“

  1. Ohne hier den Spielverderber spielen zu wollen, hat Oliver Fritsch eine Frage nicht gestellt: Warum begeben sich Vereine ihrer Vermarktungsmöglichkeit und legen sie in die Hand von Verbänden, die a) nicht dafür zahlen, und b) sie nicht nutzen, also letztlich nichts damit anfangen?

    Nach der Regionalliga-Reform sollen die Viertligisten kein Fernsehgeld mehr erhalten. Das ist nicht schön, sollte aber (kein Geld, keine Exklusivität von Rechten) dazu führen: Jede Fernsehkamera ist willkommen. Auch der Verein könnte drehen – und das Video anschließend den Hartplatzhelden zur Verfügung stellen.

  2. Im Prinzip hat er das ja erwähnt – und unter den Begriff Monopol gestellt. Auch diese Fragen, die Sie da nennen, sind im Laufe dieser langen Auseinandersetzung oft genug gestellt worden. Für mich ganz zentral. Und eben ganz unten von praktischer Bedeutung. Denn wenn ich es richtig verstehe, ist es ja so: Wenn ich beim nächsten Punktspiel meines Sohnes in der Bambini-Klasse wie andere Eltern auch mit aushelfe, den Transport übernehme, Sachen wasche, teilweise mit coache, habe ich gemäß DFB et. al dennoch kein Recht, über Bilder von diesem Spiel frei zu verfügen.

    Mein Verständnis von dieser komplexen Auseinandersetzung (die bisherigen Urteile kann man, glaub ich, bei OF nachlesen) ist doch, dass die Verbände/Monopole einen Riegel vorschieben, um zu verhindern, dass künftig jemand Millionen mit den TV-Bildern der Spiele der G-Junioren aus der Barnimliga macht.

    Ich finde, man darf das durchaus auf diese Ebene herunterholen und es grundsätzlich beschreiben bzw diskutieren, so wie Hartplatzheld Oliver das getan hat:

    Doch werden auch allgemeine, nennen wir sie, kulturpolitische Dinge verhandelt: Welche Macht, welche Monopolmacht gestehen Gerichte Sportverbänden zu? Wem gehört der Fußball? Wie sehr wird Freiheit im Internet eingeschränkt? Was sind und dürfen Medien heute? Wie geht man in Deutschland mit Innovation um, für die der Gesetzgeber noch keine Regeln geschaffen hat?

  3. @nocheinjurist: Als Jurist sollten Sie sich die Mühe machen, die Satzungen der Verbände zu lesen. Insbesondere des Württembergischen, der sich als Planierraupe betätigt. Dort steht nichts davon, dass die Organisation von irgendjemandem per Statut und Abstimmung das auschließliche Recht erworben hat, das zu tun, was sie jetzt vorantreiben. Der Satzungsparagraph, auf dessen Basis der Rechtsstreit läuft, lautet: man habe – im Binnenverhältnis zu den Vereinen – das Recht, „für Fernseh- und Hörfunkübertragungen von Verbands- und Freundschaftsspielen … Vergütungen … für die Vereine treuhänderisch zu vereinnahmen und an diese zu verteilen“. Mehr nicht. Kein Fußballer und kein Verein im WFV ja je eine Erklärung unterschrieben, die dem Verband irgendwelche weitergehenden Rechte überträgt. Wenn das der Fall wäre, gäbe es gar nichts zu diskutieren.

    Nach außen kann ein Verband solch einen vermessenen Anspruch nur mit Hilfe der Gerichte durchsetzen. Was ihm in zwei Instanzen bekanntlich auch gelungen ist. Die Gerichte wiederum interpretieren das UWG und ein paar Präzedenzurteile auf eine Weise, die hanebüchen ist.

    Das hat andere Verbände mutig gemacht. Die untersagen inzwischen den Mitgliedsvereinen, eigene Videos hochzuladen. Auch das ohne eine satzungsrechtliche Rechtfertigung. Einfach nur per ordre mufti. Die nächsten, die an die Kandarre genommen werden, sind die Lokalzeitungen, die für die von ihnen selbst hergestellten nachrichtlichen Videobilder Lizenzen bezahlen sollen. Das ist die Stoßrichtung der Funktionäre. Die Hartplatzhelden sind nur „road kill“ auf dem Weg zur Durchsetzung eines Machtanspruchs.

  4. na, dann, auf, Funktionäre in den Vereinen (!), ändert die Verbandssatzungen und holt Euch das Recht zurück, Eure Bilder zu verwerten, indem Ihr dieses Recht so ausdrücklich in die Satzungen aufnehmt. Gerichte entscheiden nur nach Normen. Sind sie unklar — stellt sie klar! Würde mich nicht wundern, wenn sich die Richter selbst wundern, welche Rechte sich mündige Bürger so alle nehmen lassen. Wie gemerkt, ohne dass im konkreten Fall die Kreisligisten irgendeinen Vorteil davon haben, dass jemand „treuhänderisch“ für sie tätig ist. Hartplatzhelden 21.

  5. Pingback: Wem gehört der Fußball? | Ruhrbarone

  6. Hallo Ingrid,

    ich will nicht zu weit ausholen, aber für mich bleibt es eine Frage der Selbstverwaltung der Betroffenen, und Ihre Frage am Ende könnte vllt. auch lauten „Und welcher Verein glaubt das?“

    Ich denke weiterhin, dass sich Vereine per Verbandssatzung das Recht vorbehalten sollten, vom Verband angebotene Vermarktungsverträge abzulehnen bzw als nicht-exklusiv festzulegen. Im Ergebnis bin ich für freie Verfügbarkeit möglichst vieler Informationen.

  7. Wenn die Initiatoren von hartplatzhelden.de als Gründer nicht „reich“ werden wollten, aber ein ihrem Arbeitseinsatz angemessenes Auskommen erzielen wollten – warum haben sie dann keine gemeinnützige GmbH „zur Kommunikation der Ideale im Amateurfussball“ gegründet, verdammte Axt?
    Das wäre so ein eleganter Weg gewesen – bzw. könnte es noch sein. Die Gewinne von hartplatzhelden.de (so sie sich denn irgendwann einmal materialisieren) kämen dem Amateurfussball zugute, die Angestellten bzw. Geschäftsführer bekämen vorher ein angemessenes (!) Gehalt und Spenden wären sogar steuerlich abzugsfähig.
    Und kein DFB und kein BGH könnte gegen die Hartplatzhelden angehen, ohne sich selbst lächerlich zu machen!

  8. Pingback: Ein Sieg in Karlsruhe zählt dreifach « Das Hartplatzheldenblog

  9. Mal ne andere Frage: Wem stehen eigentlich die Verwertungsrechte an meinen Urlaubsbildern zu? Natürlich dem Reiseveranstalter, oder?

  10. Pingback: â€¦And Justice for All « Der vierte Offizielle

  11. Herr Weinreich, ihre Prognose ist nicht eingetroffen. Und das freut mich sehr, auch wenn ich nichts gegen Sie habe :-)

  12. Hans, wo ist das Problem? das war keine Prognose, sondern Angst und Aberglaube. wenn ich das Schlechteste annehme, kann ich überrascht werden. Nun ist alles bestens!

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