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Das Olympische Bildungsmagazin

Werbepause: die WM der Sportartikelkonzerne

JOHANNESBURG. Eine Kleinigkeit für zwischendurch – bis ich gegen 20.30 Uhr ein bisschen die Partie Ghana vs Uruguay blogge. Diese Geschichte habe ich für SpOn gedichtet und nun fürs Blog aufgehübscht (und korrigiert, in der ersten Fassung sind mir zwei Fehler unterlaufen, hoffentlich findet niemand noch einen).

Der Pensionär redete sich in Rage. Zu kommerzialisiert sei der Fußball, schimpfte er, die jungen Leute seien heutzutage zu sehr aufs Geld fixiert. Zu seiner Zeit, sprach also Eusébio da Silva Ferreira, sei alles besser gewesen. Sie hätten sie sich auf das Spiel konzentriert, damals vor viereinhalb Jahrzehnten. Eusébio, 1942 in Mosambik geboren, war für Portugal Torschützenkönig der Weltmeisterschaft 1966 in England. Neun Treffer erzielte er damals. Seine legitimen Nachfolger, die besten Torschützen der Endrunde 2010, haben bislang vier Mal getroffen: Der Spanier David Villa, der Argentinier Gonzalo Higuaín, die im Viertelfinale noch dabei sind, und der Slowake Robert Vittek, für den das Turnier bereits beendet ist.

Was den alten Helden Eusébio und die aktuellen Stars eint: Sie alle werden von Adidas als Werbefiguren vermarktet. Insofern relativiert sich die Kritik, die Eusébio in Johannesburg bei einem PR-Termin des Sportartikelkonzerns aus dem fränkischen Herzogenaurach vorbrachte.

Wen hat Eusébio gemeint? Doch wohl kaum Profis aus dem eigenen Stall? Für Adidas läuft es derzeit glänzend. Den verletzungsbedingten Ausfall eines Werbeträgers, Michael Ballack, kompensiert man durchaus lässig. Lionel Messi (Argentinien), David Villa oder Bastian Schweinsteiger könnten zum besten Spieler des Turniers gewählt werden; Thomas Müller hat Chancen auf den Titel des besten jungen Spielers. Statistiker sagen, dass die Hälfte aller Tore in Adidas-Schuhen geschossen wird. Im Viertelfinale ist Adidas mit vier Teams vertreten und wird, da sie gegeneinander spielen (Deutschland gegen Argentinien, Spanien gegen Paraguay) zwei Mannschaften im Halbfinale haben. Das Halbfinale wird von je einem Team von Nike (Niederlande) und Puma (Uruguay oder Ghana) komplettiert.

Dies war die Ausgangslage zu WM-Start:

  • Adidas (12 Teams): Deutschland, Spanien, Südafrika, Argentinien, Frankreich, Dänemark, Japan, Mexiko, Griechenland, Slowakei, Paraguay und Nigeria.
  • Nike (10 Teams, inklusive der Tochterfirma Umbro): Brasilien, Niederlande, Portugal, Australien, Serbien, die USA, Südkorea, Slowenien und Neuseeland. Dazu England (Umbro).
  • Puma (7 Teams): Ghana, Kamerun, Algerien, Elfenbeinküste, Schweiz, Uruguay und Italien.
  • Brooks (1 Team): Chile.
  • Legea (1 Team): Nordkorea.
  • Joma (1 Team): Honduras.

Für Adidas sind Fußball-Weltmeisterschaften immer Heimspiele. Adidas ist von jeher Sponsor des Weltverbandes FIFA, ist traditionell mit der FIFA verbandelt: Präsident Blatter wurde Mitte der siebziger Jahre als damaliger FIFA-Direktor sogar von Adidas bezahlt. Exekutivmitglied Franz Beckenbauer ist damals wie heute wichtiger Adidas-Werbeträger. Die Firma genießt stets Exklusivrechte, stellt den WM-Ball (über den auch diesmal reichlich gespottet wurde) und rüstet die Schiedsrichter aus. Gegenüber des FIFA-Hauptquartiers hat Adidas eine Ausstellungshalle gemietet und führt dort Legenden wie Eusébio vor.

Auch für Puma, den ungleichen Bruder aus Herzogenaurach, ist das Turnier eine Art Heimspiel. Denn Puma-Chef Jochen Zeitz, der eine Farm in Kenia besitzt, hat die Marketingstrategie seiner Fußballsparte ganz auf Afrika ausgerichtet und sogar das Firmenlogo, den Puma, mit einer Afrikakarte ersetzt. Drei der vier afrikanischen Puma-Teams sind allerdings schon ausgeschieden. Nike – nach Umsatz weltweit die Nummer eins vor Adidas, im Fußball knapp hinter den Deutschen die Nummer zwei – kann derzeit nur zweifelhafte Erfolge verzeichnen. Zwar jagte man Adidas gerade zwei WM-Teams ab und stattet künftig die Franzosen und Südafrikaner aus. Doch beide Mannschaften enttäuschten bei der WM mit am meisten.

Eigentlich hatte Nike einen glänzenden WM-Auftakt. Denn der vom Oscar-Preisträger Alejandro González Iñárritu produzierte WM-Werbespot „Write the future“ wurde geradezu hymnisch gelobt.

[youtube idLG6jh23yE nolink]

Mehr als 18 Millionen Mal wurde das Video bislang auf Youtube abgerufen. Dagegen kommt Adidas mit dem Ruheständler Zidane und auch sonst doch sehr gewöhnlich daher.

[youtube a2QYP1dENRw nolink]

Um es komplett zu machen, hier noch Pumas „Journey of Football“:

[youtube vAX1UCpLBoA nolink]

Doch der Erfolg des Nike-Dreiminüters von Iñárritu relativiert sich nach den ersten WM-Wochen. Zu früh wurde über den vermeintlichen Erfolg Nikes im Bereich Social Media und den Segen des Viralen Marketing fabuliert. Denn jetzt, da die WM in die entscheidende Phase geht und sportlich abgerechnet wird, verkehrt sich alles ins Gegenteil. „Write the future“? Nike wird nur noch ausgelacht. Millionen Menschen spotten über die Auftritte der Nike-Ikonen.

Dumm gelaufen: Sieben Profis lichtete Alejandro González Iñárritu für seinen Spot ab. Einer wurde im letzten Moment aus dem WM-Aufgebot gestrichen (Brasiliens ehemaliger Weltfußballer Ronaldinho). Fünf andere erlebten in Südafrika sportliche Desaster: Didier Drogba in Maßen, vor allem aber Fabio Cannavaro, Titelverteidiger und bester Spieler der WM 2006, Franck Ribery, Wayne Rooney und Cristiano Ronaldo. Von den Nike-Helden hat es nur der Robinho ins Viertelfinale geschafft – da war nun Endstation.

Nachdem das Marktforschungsinstitut Nielsen zu WM-Beginn eine Analyse veröffentlichte, wonach Nike im Bereich Social Media doppelt so viel Aufmerksamkeit generiert wie Adidas und auch mehr als alle anderen WM-Sponsoren, konterte Adidas-Chef Herbert Hainer noch während der Vorrunde mit einer optimistischen Umsatzprognose: Statt 1,3 Milliarden Euro im Fußballgeschäft, das etwa ein Siebtel des Konzernumsatzes ausmacht, rechne man für 2010 nun mit 1,5 Milliarden. Adidas wird auch in diesem Jahr im Fußball-Business knapp vor Nike liegen. Die Amerikaner bleiben insgesamt weltweit die Nummer eins, sie setzen mehr als dreizehn Milliarden um, Adidas rund elf Milliarden.

Und, ganz frisch, inzwischen steht Adidas, laut Nielsen auch wieder viel besser da – ganz vorn, vor Ambusher Nike.

Die Aktienkurse der Konzerne aber können sich dem allgemeinen Trend nicht entziehen und stehen leicht unter Druck. Adidas startete bei knapp 38 Euro ins WM-Jahr, stand Anfang Mai bei 45 Euro und steht aktuell bei knapp 40. Nike starte im Januar bei 45 Euro, entwickelte sich vor der WM prächtig, um aktuell wieder nachzugeben bei derzeit 53 Euro. Auch Puma gibt nach und liegt derzeit bei 212 Euro, Anfang Mai waren es noch 264.

Die Tendenz ist nicht neu. Denn mögen die Umsätze im Fußball-Segment in WM-Jahren auch stets steigen, die Börse reagiert darauf nur mäßig, keinesfalls mit jenen Feuerwerken, die Analysten und Branchendienste stets vorhersagen. Die historische Wahrheit lautet: In den WM-Jahren 1998, 2002 und 2006 stagnierten die Kurse von Adidas und Nike meist oder gingen teils beträchtlich zurück. Puma dagegen konnte seit 2002 stets reüssieren, was wohl aber eher der Ausrichtung als Lifestyle-Marke geschuldet war.

Im Fußballgeschäft brachte sich Puma dementsprechend mit viel diskutierten Outfits ins Gespräch. 2002 trat Kamerun in ärmellosen Trikots an, zwei Jahre später beim Afrika Cup in Einteilern. Parallel zu dieser Lifestyle-Ausrichtung wurden die Kameruner sportlich immer schwächer. Trotz begnadeter Einzelspieler sind sie als Team nur noch zweitklassig, haben sich 2006 nicht einmal mehr für die WM qualifiziert, flogen bei ihren letzten drei WM-Auftritten stets in der ersten Runde raus, gewannen nur eins von neun Spielen.

Das ist die andere Seite der Medaille. Darüber sprechen die Konzerne nicht gern.

Fußball trifft Lifestyle. Man zeigt die Trikots auf den Straßen. Davon profitieren alle Konzerne. Allein Adidas hat 2010 mehr als doppelt so viele Replica-Shirts abgesetzt (6,5 Millionen) als im WM-Jahr 2006. Fußball ist noch immer ein Wachstumsmarkt für die Ausstatter, für die es während Olympischer Spiele viel schwerer ist, etwas zu verdienen. Der Grund scheint simpel, wie Adidas-Chef Herbert Hainer kürzlich in der Zeitschrift „Capital“ erklärte:

„Wer kauft schon das Trikot eines Langläufers oder Hammerwerfers?“


24 Gedanken zu „Werbepause: die WM der Sportartikelkonzerne“

  1. damit der text möglichst schlecht zu finden ist, hat SpOn ihn im wirtschaftsteil versteckt.
    der erfolg des Nike-spots liegt, glaube ich, weniger an den fußballern, sondern am song.

    @JW: du bist von einer beängstigen produktivität. geht es dir gut? kannst du noch bis zum ende der WM?

  2. Ihopewehavealittlebitlucky

    Kleiner Hinweis: „genießt“ muß es heißen, mit scharfem s. Das macht den Inhalt des Artikels aber nicht schlechter.

  3. Martin Sommerfeld

    @4:
    Der Erfolg des Nike-Spots liegt ganz einfach darin, dass er ziemlich gut ist. Ein richtiger Kurzfilm von hoher Qualität. Mit wahnsinnig passend eingesetzter Musik, einer dicken Portion Selbstironie etlicher Beteiligten (siehe Cannavaro, Rooney, Ronaldinho). Einfach gut inszeniert.

    Wie der Adidas-Spot mit den zwei kleinen Jungs die sich ihr Traumteam zusammenträumen vor ein paar Jahren. Der hatte natürlich klugerweise die Sicherheit mit den Fussballlegenden Beckenbauer und Platini eingebaut.

    Dass sie Sportler beim aktuellen Spot wirklich alle ausscheiden ist nun tatsächlich Pech, spricht aber überhaupt nicht gegen den Film von Iñárritu. :-)

  4. @Jens: wenn Du dem Link „eine Analyse veröffentlicht“ folgst, und dort die Erhebung von Nielsen liest, dann stellt sich vielleicht die Frage, in was für einer Einheit „Buzz*“ gemessen wird.

    Zitat:

    „% Share of Official and Competitor Buzz*“

    (*Share of online buzz across the 10 sponsors/partners with a global footprint and two of their major competitors in English language messages related to the World Cup from May 7 – June 6 2010)

    Ich hätte auch „Kann man das essen“ schreiben können, aber das hättest Du noch weniger verstanden (ist aber ein Internet-Meme über Dinge, bei denen sich eine Person fragt, was überhaupt gemeint ist).

    Es ist lustig gemeint gewesen. Hits sind ja diese Größe, in der die IVW gerne die Reichweite von Webseiten misst, und diese werden (siehe Niggemeier) künstlich hoch getrieben. Dabei zählen eher Dinge wie Verweildauer und Visitors anstatt dieser künstlichen Größe. „Buzz“ ist

    Ach und „Buzz“ bedeutet „Brummen“, darüber hab ich auch lachen müssen. Von wegen Vuvuzela ^^;

  5. Gegenüber des FIFA-Hauptquartiers hat Adidas eine Ausstellungshalle gemietet und führt dort Legenden wie Eusébio vor.

    Das machen die mit ihrem Werbepartner? finde ich nicht ok

  6. Man zeigt die Trikots auf den Straßen.

    Was ich persönlich an Nicht-Spieltagen und beim nicht Sport treiben eher als proletenhaft empfinde.

    Da bin ich vermutlich durch Aufenthalte in England geprägt, wo der Working Class Boy seine Working Class durch eben jenes Tragen des Jerseys seiner Mannschaft zu allen unpassenden Gelegenheiten demonstriert.

    Nun ja. Es gibt noch Steigerungen. Demnächst rollt wieder die Apotheke auf zwei Rädern los. Das motiviert eine neue Welle von Hobby-Radfahrern in fiesen Plastik-Wurstpellen auf deutsche Straßen. Man muss schon ein ganz merkwürdiges Bewusstsein (ist Doping mit ganz üblem Zeug im Radsport schon ganz unten angekommen?), um sich in sowas auf die Straße zu trauen.

  7. Verdammt – Nike hat Adidas auch Südafrika abgejagt. Na das wird in Herzogenaurach für rauchende Köpfe gesorgt haben ;-) Nike sollte in seine Spots wieder „King Eric“ einbauen – der kommt, trotz Karriereende, immer noch besser als Ronaldo. Und jetzt da die Amis auch Frankreich unter Vertrag haben würds eh passen. Vielleicht rettet „le roi“ ja die Ehre der equipe tricolore – beach soccer spielt er ja glaube ich noch…

  8. Also kommt Oranje solange weiter bis Nike am Sontag noch schnell einen Robben Spot zeigt? Gibt es einen solchen?
    Oder reicht schon das die Gruppe Focus aus den Niederlanden kommt, um den Fluch noch zu erfüllen?? *g*

  9. Das Irre ist doch, daß die Werber von Nike tatsächlich dachten, Nike trage mit seinen Produkten auch nur irgendwas zu diesem Sport bei. (Gilt natürlich auch für Adidas und Puma)
    Nur postet Puma ja auch nicht an jeder Ecke, das die Größten fast alle Puma-Schuhe getragen haben – auch Eusébio (!), Maradona, Cruyff, Pele, Matthäus, …

    Wirtschaftlich betrachtet wird es aber so bleiben, daß Nike das Spiel besser beherrscht – was da heißt: Stelle für 4€ her, verkaufe für 250€ – und vom Gewinn läßt du die Ronaldos dieser Welt erzählen, daß deine bunten Schuchen die Besten sind. Millionen glauben diesen Schrott – Nike beherrscht DAS Spiel am Besten.

  10. @micheal: es gibt ja noch andere Robben *g*
    ernsthaft, geht Vereinsvertrag vor Nationalmanschaft und/oder gibt es einen anderne Niederländer der bei einen von Nike ausgerüsteten Verein spielt?

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