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Das Olympische Bildungsmagazin

Südafrika, Tag 19: FIFA one™

BUCCLEUCH. Kurze Info zum Plan heute: Will eine Zeitungsschau zum Abschneiden der Südafrikaner anbieten (am Nachmittag), dann aus dem Stadium Media Centre in Soccer City ein bisschen zum England-Spiel live bloggen.

Danach großer Live-Blog von der Pressetribüne zu Deutschland vs Ghana, schätze so ab 19 20 Uhr.

Dem Ernst der Lage und der Lage der Nation angemessen: viel ausführlicher als sonst. Vielleicht auch mal wieder mit dem Cover-it-live-tool – lange nicht gehabt.

Für zwischendurch: Ich habe die Geschichte über Kulula und die FIFA und Sepp the Dog nochmal für die Berliner Zeitung und die Stuttgarter Zeitung aufgeschrieben. Text anbei, verlinkt und mit einigen Dokumenten ergänzt wird später:

JOHANNESBURG. Es ist ein Kreuz mit den Markenrechten. Wo immer die knallharten Vermarkter des Fußball-Weltverbands FIFA einreiten und die Gesetze der WM-Gastgeberländer förmlich außer Kraft setzen, ist Vorsicht geboten. Die Herren vom Weltkonzern FIFA beschäftigen auch Heerscharen teurer Juristen, die schon vor vier Jahren in Deutschland zahlreiche vermeintliche und tatsächliche Fälle von Trittbrettfahrerei bei der Vermarktung geschützter WM-Symbole und Namen verfolgten. Da kennt die FIFA nichts, da wird brutalst nachgetreten, um im Fußball-Jargon zu bleiben.

So soll das Turnier nach dem Willen der Geschäftemacher aus Zürich „FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Südafrika 2010â„¢“ heißen. Dabei weiß doch jeder Normalsterbliche unter den Milliarden Erdenbürgern: Das Turnier heißt seit 80 Jahren Fußball-Weltmeisterschaft, so wie es Olympische Spiele heißt – und nicht etwa „IOC Olympische Spiele“. Es gibt kein Gesetz der Welt, das die Verbreitung eines über Jahrzehnte gewachsenen Begriffes verbieten könnte. In der täglichen WM-Berichterstattung, etwa in diesem Beitrag, muss niemand Rücksicht nehmen auf die verbalen Blähungen der FIFA-Juristen, die gern der Welt vorschreiben wollen, was sie zu tun und zu lassen hat.

Im Königreich FIFA gelten andere Regeln. Kaum eine Firma, die nicht zu den FIFA-Geschäftspartnern (Sponsoren, TV-Anstalten, Lizenznehmer) zählt, hat sich diesen wilden Regularien und Markenrechts-Beschränkungen bislang so brillant widersetzt wie Südafrikas Billigfluglinie Kulula nun schon seit Monaten. (Wenn sich überhaupt jemand widersetzt!) Es begann im März damit, dass Kulala, Tochterfirma von Comair, im März Zeitungsanzeigen veröffentlichte, die laut FIFA-Juristen die Begriffe „Südafrika“, „WM“ und „Vuvuzela“ und Abbildungen von WM-Stadien unrechtmäßig in einem bestimmten Zusammenhang verwendeten. Dabei hatte Kulula gar nicht von der Weltmeisterschaft oder der „FIFA Weltmeisterschaft“ gesprochen. Sich selbst bezeichnete Kulula als „inoffizielle Fluglinie des Sie-wissen-schon-was“. Dieses Turniers, von dem alle sprechen. Die FIFA-Markenrechtler erwirkten umgehend ein Verbot der Anzeige.

Kulula konterte mit einer modifizierten Anzeige, in der es hieß, es gäbe da so ein Event, nicht im vergangenen Jahr, auch nicht im kommenden Jahr, sondern irgendwann dazwischen. Dagegen konnten nicht einmal FIFA-Juristen vorgehen. Vergangene Woche warb Kulula nun ganz allgemein mit Billigflügen für Jedermann, mit einer Ausnahme: „Sepp Blatter – er kann umsonst fliegen“. Der FIFA-Präsident ging auf das Angebot nicht ein. Stattdessen meldeten sich Hundebesitzer aus Kapstadt, die ihren schwergewichtigen Boston Terrier Sepp Blatter getauft hatten. Kulula schaltete die nächste ganzseitige Annonce in der Sunday Times, eröffnete einen Twitter-Account für SepptheDog und eine Webseite (www.iamseppblatter.com). „Es ist offiziell. Sepp Blatter fliegt mit uns“, teilte die Airline in der Anzeige mit.

Am Montag war es soweit. Flug MN 322 von Kapstadt nach Johannesburg hatte einen leibhaftigen Sepp Blatter an Bord. Airline-Chef Gidon Novick überreichte dem Vierbeiner persönlich das Ticket, der Hund durfte sogar kurz im Cockpit sitzen und trollte sich dann in die Holzklasse. Kulula beweist, wie man einem Weltkonzern mit Ideen, ein bisschen Mut und frechen Sprüchen beikommen kann. Die FIFA schweigt betreten. Dabei wird das Thema doch täglich in den Medien aufbereitet und findet mittlerweile weltweit Verbreitung. Kulula steht ist im ungleichen Wettstreit mit den Marketing-Strategen und Juristen der FIFA als moralischer Sieger da. Die FIFA und Präsident Blatter werden als geldgeile Trottel beschrieben, die nicht einmal Spaß verstehen.

Dabei läst Blatter doch seit knapp zwei Wochen twittern und tut so, als ob er moderne Kommunikationsmittel versteht. Stellt mir alle Fragen, ich beantworte sie, so gut es geht, ließ er in einem der ersten Tweets mitteilen. Inzwischen wurde einige Male auf alte Mitteilungen von ihm verlinkt, etwa in der hoch aktuellen und brisanten Schiedsrichterdiskussion. Viel mehr liefern die Kommunikationsarbeiter der FIFA nicht, die ihre Hilflosigkeit gegenüber Kritik und hartnäckigen Kampagnen seit Jahren dauerhaft unter Beweis stellen, egal in welcher Besetzung. Denn, ja, gerade im Kommunikationsbereich heuert und feuert Sepp Blatter mit beeindruckend-absurder Penetranz.

Vielleicht hat Blatter das Kulula-Angebot ja auch ausgeschlagen und versäumt, Humor zu beweisen, weil ihm Kulula anders als der FIFA-Sponsor Emirate Airlines kein First-Class-Ticket angeboten hat. Das muss es aber sein, um den FIFA-Präsidenten zu locken. Denn in Südafrika fliegt Blatter mit seiner Entourage – zu der meist mindestens eine Assistentin, ein Assistent, eine FIFA-Direktorin und sein alter Kampfgefährte Walter Gagg zählen – viel komfortabler. Gemäß Recherchen der Schweizer Handelszeitung hat die FIFA für den Zeitraum vom Mitte Mai bis Mitte Juli zwei Langstrecken-Privatjets gemietet. Anders als etwa die von Ottmar Hitzfeld geführte Schweizer Nationalmannschaft sind Blatter & Co. nicht im Linienflieger, sondern mit Business-Jets angereist.

Über die Kennzeichen „FIFA one“ und „FIFA two“ macht man sich in Südafrika längst lustig. So Blatter sich einst als Generalsekretär im präsidialen Wahlkampf das Kürzel JSB in Anlehnung an John F. Kennedy zulegte, muss es jetzt eine FIFA Airforce One sein. Darunter macht es der Friedensnobelpreisträger in spe nicht mehr.

Die Maschinen, eine Falcon 7X und eine Global Express XRS, stehen ständig bereit. Insgesamt soll die Miete weit mehr als zwei Millionen Frankren verschlingen, mindestens 1,5 Millionen Euro. Eine der Maschinen ist übrigens auf einen Eigentümer in der Karibikinsel Tortola zugelassen. Tortola, Teil der britischen Jungferninseln, ist ein klassisches Steuerparadies. Nicht wenige Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees und Firmen aus dem FIFA-Dunstkreis haben dort Konten.

Eine frische Nachricht: Wenigstens den Streit um die holländischen Bier Babes hat die FIFA beigelegt. Gerade gekommen, die Pressemitteilung:

Joint statement by Bavaria N.V. and FIFA

Tuesday 22 June 2010

Bavaria N.V. and FIFA have today reached a settlement agreement, which means that all parties have agreed to drop any claims and also not to make any further comments related to this matter.

The Bavaria N.V. has agreed to fully respect the integrity of FIFA’s commercial programme until the end of the year 2022.

“We are happy to go home and that the situation has been resolved�, said the two young women Ms Barbara Castelein and Ms Mirte Nieuwpoort.

Both parties will not disclose any details related to this matter.


17 Gedanken zu „Südafrika, Tag 19: FIFA oneâ„¢“

  1. Dass Blatter den Nobelpreis will, weiss ich inzwischen. Wie hoch aber sind seine Chancen? Denn das klingt doch recht absurd.

  2. @ Geert H: Ich finde, das sollte man dennoch immer wieder sagen. Zumal viele Leute dafür werkeln, Lobbyisten aus Sport und Politik. Und zumal ich einer der wenigen bin, die mit Blatter persönlich darüber gesprochen haben.

    @ Julia: Flattr-Button gibt es nicht automatisch, versuche das nur dann einzubauen, wenn ich meine, wirklichen Mehrwert geboten zu haben. Aber wenn Du so nett fragst. Voilà. Ansonsten gibt es immer einen Button in der Sidebar, der Mittelspalte könnte ich auch sagen.

  3. Ich finde, der Button macht auch dann Sinn, wenn ich mir eigentlich eine Zeitung hätte kaufen müssen, um genau diesen Text zu lesen. ODer ist das nur der verquere Gedankengang eines Zeitungsmenschen? Egal, jetzt steht jedenfalls da schonmal eine „1“.

  4. @jens
    du weißt aber schon, dass sich das menschliche gehirn schwer damit tut, auch noch meta-daten zu assoziationen zu speichern. selbst negationen verschwinden gerne in der erinnerung. am ende hinterlässt du durch dein unermüdliches mahnen in den gehirnwindungen dieser welt also nur die verknüpfung: sepp — nobelpreis. wenn er den also eines tages tatsächlich erhalten sollte (was der fußballgott, oder wer auch immer da zuständig ist, verhindern möge!) wirst du das also zu einem gewissen teil auch auf deine kappe nehmen müssen…

  5. @ cf: Ja. Das Los eines Journalisten. Ich sage ja auch immer: Ich leiste mehr für die so genannte olympische Bewegung als manch einer sehr wichtiger Sportfunktionär. Denn ohne Typen wie mich wüsste niemand, was Institutionen wie ANOC, Sport Accord, AFC, CAF und andere sollen und bedeuten, ja nicht mal, dass sie existieren.

  6. @villa
    na da soll die fifa aber noch einmal von gleichen maßstäben sprechen. wenn ich mir anschaue, wofür der eidgenosse behrami vom platz gestellt wurde — und ich meine: diese rote karte hält die fifa ja richtig, schließlich waren die schiri-leistungen bisher „exzellent“. und villa watscht seinem gegenspieler mit absicht eine und kommt mit einem lauwarmen verweis auf einen „reflex“ davon?

    (und nein, in der fifa-disziplinarkommission sitzt kein spanier. aber interessant: da ist generell kein einziges land vertreten, dass schon mal irgendwas gewonnen hat, stattdessen fußballerische großmächte wie der kongo, die kapverden, hong kong, fidschi und österreich.)

  7. Wen’s interessiert: Der Sepp und der Bill sitzen bei Slowenien vs. USA in Port Elizabeth Seite an Seite und plaudern über dies und das.

  8. Und vielleicht plaudern sie ja auch darüber, dass den US-Amerikanern schon wieder ein reguläres Tor aberkannt wurde…

  9. @JW: Lange Unterhosen heute Abend nicht vergessen ;-)

    Stimmt schon, wenn sich ein Team bisher wirklich verschaukelt fühlen kann, dann sind es die USA. „Punkte zuwenig aus dem Slowenien-Spiel und heute auch ein Tor (was aber wirklich schwer zu schiedsen war) nicht anerkannt bekommen und wohl gleich „Unbesiegt“ beim Heimflug. Wobei die USA gegen Algerien auch Chancen „ohne Ende“ liegen gelassen hat.

    Nebenbei, gute Leistung von Stark bei SVN-ENG finde ich.

  10. Da hat Sepp aber Glück gehabt. Wenn die USA hier wegen zwei aberkannten regulären Toren ausgeschieden wären, statt verdienter Gruppensieger zu werden, hätte die Parole von den „exzellenten Schiedsrichterleistungen“ noch alberner gewirkt. Da hätte er sich wohl noch einige giftige Fragen zur Verweigerung von technischen Hilfsmitteln gefallen lassen müssen, zumal in den USA kaum jemand versteht, wo das Problem mit dem TV-Beweis liegen soll.

    Zum Thema „schwer zu schiedsen“ (#12): Eigentlich sagt die Regel doch, dass im Zweifelsfall für den Stürmer entschieden werden soll (bei gleicher Höhe). Das wird aber fast immer andersrum gehandhabt, weil die Schiedsrichter mehr Ärger von den Reportern kriegen, wenn sie ein Abseitstor anerkennen als wenn sie ein Nicht-Abseits abpfeifen.

  11. Pingback: Sponsorspiegel 24.06.10 « sportinsider

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