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Das Olympische Bildungsmagazin

„Law & Order“ Olympia 2016: Rio vs. Chicago vs. Madrid vs. Tokio

Oh ja, es sind nur noch 24 Tage bis zur Entscheidung des IOC über den Gastgeber der Olympischen Sommerspiele 2016. Die Bewerber werden nervös. Die Geschichte, die gerade in Brasilien Schlagzeilen macht, stellt ein feines Vorbeben dar. Es geht um eine Folge „The glory that was“ aus der achten Staffel der TV-Serie „Law & Order: Criminal Intent“ – und also um die Olympischen Spiele 2016.

"The Glory that was" (#CI8016), episode premiere: June 14, 2009

Screenshot USAnetwork.com

In der Beschreibung des USA Networks heißt es dazu u.a.:

At the top of the show, a wealthy Belgian diplomat, Caroline Walters, is found murdered in Central Park. Nearby, a second body is discovered: a former secret service agent hired to protect Caroline Walters.

Nichols and Wheeler begin their investigation at the Belgian Consulate, where they meet high-profile security consultant, Jack Tayler. Tayler, it turns out, hired the now-dead agent meant to protect Caroline Walters. (…)

In the aria of the show, Nichols interrogates security consultant, Jack Taylor, who has branch offices throughout the world. Pulling on the strings that hold the tightly wound Taylor together, Nichols leads Taylor directly into a noose of self-incrimination. Taylor expected to win a security contract in Rio de Janeiro.

Caroline Walters, it turns out, was the vote he needed on the Olympic Site Selection Committee that would throw the Olympics to Rio.

Kurzfassung: Firma mit Geschäftsinteressen in Brasilien kauft die Stimme eines weiblichen IOC-Mitglieds aus Belgien, die dann in New York tot aufgefunden wird … Rios Bürgermeister Eduardo Paes gefällt diese Story überhaupt nicht:

Die beanstandete Folge von „Law and Order“ wurde in den USA auf im Olympiasender NBC schon im Frühsommer ausgestrahlt, auf USA kurz vor der Präsentation der Bewerber vor dem IOC in Lausanne. Vergangenen Donnerstag wurde die Folge in Brasilien gezeigt, am Tag nach Veröffentlichung des Evaluierungsberichts zu den vier Olympiafinalisten. Wenn ich richtig gesehen habe, geht es auf NBC am 25. September mit der nächsten Staffel weiter – eine Woche vor der Olympiavergabe in Kopenhagen. Das kann noch spannend werden.

Am vergangenen Mittwoch hat das IOC den Bericht seiner Evaluierungskommission veröffentlicht (98 Seiten, pdf). Dazu sollte man lesen:

Im Zwischenbericht, auf dessen Grundlage im vergangenen Jahr vier Finalisten nominiert wurden, verteilte das IOC wenigstens noch Punkte. Damals lag Tokio vor Madrid, Chicago, Doha und Rio de Janeiro. Weit abgeschlagen waren Prag und Baku – die genauso aussortiert wurden wie Doha, die Hauptstadt des Emirats Katar. Da Doha mit Infrastruktur punkten konnte, musste eine Notlüge her: Die Kataris wollten die Sommerspiele im Herbst austragen, was angesichts der klimatischen Bedingungen einleuchtete. Das IOC aber sagte: Der Termin im Oktober korrespondiere nicht mit dem Sportkalender und schmiss Doha raus.

In früheren Jahren haben Evaluierungskommissionen mitunter eine Art Schulnotensystem benutzt, um ansatzweise Ranglisten erkennen zu lassen. Doch die von der Marokkanerin Nawal El Moutawakel geleitete Arbeitsgruppe verzichtete darauf, was das gesamte Procedere fragwürdig erscheinen lässt. Denn schließlich sollen derlei Berichte die technischen Kriterien eindeutig beurteilen. Stattdessen dominieren meist sportpolitische Aspekte. Derartige Prüfberichte veröffentlicht das IOC seit 1993.

Nur selten gewannen die Kandidaten mit der laut Bericht besten Offerte. Es waren Sydney, Salt Lake City und Vancouver.

Wer die technischen Aspekte aus dem Abschlussbericht (der bereits vor dem IOC-Treffen und Präsentationen im Juni in Lausanne erstellt wurde) mit den sportpolitischen Strömungen und den Erfahrungen der vergangenen zwei Jahrzehnte zu verbinden versucht, könnte diese Rangliste aus dem olympischen Kaffeesatz lesen – allerdings ohne Gewähr, wie bei den Lottozahlen:

  1. Madrid
  2. Chicago
  3. Rio de Janeiro
  4. Tokio

In offiziellen Stellungnahmen sehen alle Bewerber ihre Angebote bestätigt und bedanken sich geradezu unterwürfig beim IOC für die Ratschläge und die Kritik.

Interessant: Brasiliens Präsident Lula verkündete einen Pakt mit Spaniens König Juan Carlos. Demnach werden sich die Latinos gegenseitig unterstützen, sollte es einer der Bewerber auf der IOC-Session im Oktober nicht ins Finale schaffen. Nun hat Lula auch mit Sarkozy paktiert. Sollten die Stimmen zwischen den Wahlgängen tatsächlich in der gewünschten Richtung wandern, kann das entscheiden!

Sebastian Coe, der Sieger vor vier Jahren in Singapur, glaubt, das Rennen ist knapper als 2005.

Einige inhaltliche Schwerpunkte:

MADRID: Die Offerte kompakter Spiele hat die IOC-Kommission im Grunde überzeugt. 23 von 33 Sportstätten seien bereits vorhanden, Probleme könne es beim Bau des Olympiastadions und der Kanu-Anlage geben.

Die Kommission kritisiert aber, dass die spanische Doping-Gesetzgebung nicht mit dem Welt-Anti-Doping-Code der WADA harmonisiert. Sportminister Jaime Lissavetzky behauptete, man sei auf bestem Wege, dies bis Oktober zu klären. Es geht vor allem um Fragen der Meldepflicht und nächtliche Dopingkontrollen.

Inzwischen hat der spanische öffentlich-rechtliche Rundfunk übrigens die Olympiarechte für 2016 erworben. Die von der SamaranchDynastie unterstützte spanische Hauptstadt bleibt Favorit.

RIO DE JANEIRO: Neben dem obligatorischen Hinweis auf die Sicherheitslage rügt die IOC-Kommission das Transportsystem und mangelnde Hotelkapazitäten. Die Fußball-WM 2014 könne helfen, Infrastrukturprobleme zu lösen, andererseits sei die Vermarktung zweier Mega-Veranstaltungen schwierig. In Südamerika fanden noch nie Olympische Spiele statt.

Es fällt auf, dass im Evaluierungsbericht viel Platz verwendet wird, um die Idee Olympias für den Subkontinent zu beschreiben. Ein Hinweis auf Rios Chancen? Die Allianzen mit Spanien und Frankreich scheinen aussichtsreich zu sein.

CHICAGO: In Fragen der Infrastruktur und Nachhaltigkeit schneidet die Stadt hervorragend ab. Erstaunlich auch, wie jetzt auch bekannt ist, dass für die Bewerbung 73 Millionen Dollar aus privaten Mitteln akquiriert wurden.

Allerdings machen Chicago die fehlenden staatlichen Bürgschaften zu schaffen. Das IOC verlangt von allen Bewerbern, sämtliche finanzielle Risiken zu übernehmen und eventuelle Verluste der Organisationskomitees auszugleichen. Chicago aber kann bisher nur eine Garantie von 750 Millionen Dollar bieten und „präsentiert dem IOC ein Risiko“, wie die Kommission notiert. Solche Botschaften kommen im Wahlvölkchen nie gut an.

Chicagos Bewerberchef Pat Ryan versprach, das Problem bis Oktober zu lösen.

TOKIO: Die Bewerbung wird mit einer Bemerkung regelrecht abgekanzelt: Einige Sportstätten, die von den Japanern als existierend bezeichnet werden, müssen „tatsächlich erst gebaut werden“, heißt es in dem Bericht.

Was mir sonst noch auffiel: In den vom IOC in Auftrag gegebenen Umfragen gehen die Zustimmungsraten in Bewerberstädten und Ländern leicht zurück. Dafür steigen die Zahlen der Olympiagegner, wenngleich bescheiden.

28 Gedanken zu „„Law & Order“ Olympia 2016: Rio vs. Chicago vs. Madrid vs. Tokio“

  1. Also von „Law & Order: Criminal Intent“ startet am 25. September keine neue Staffel, sondern von „Law & Order“. Das hast du nicht richtig gesehen und auch recht munter vermischt, weil „Law & Order: Criminal Intent“ ist ein Ableger von „Law & Order“, von dem es auch noch ein paar mehr Ableger gibt. Alles ganz kompliziert und hier in Deutschland ist es einfacher, weil die eine Serie (hauptsächlich) als „Law & Order“ ausgestrahlt wird und die andere Serie als „Criminal Intent – Verbrechen im Visier“.

    Ach ja, danke für den Hinweis, was ich mir heute Abend oder morgen mal anschauen kann und ich hoffe auf Madrid (nicht weil es dann besser konsumierbar ist, sondern wegen 2018), kann aber noch nicht sooo dran glauben.

  2. Was ist mit 2018?
    Sollen die Spiele da nach Pyeong Chang gehen?

    Was die Serie, wie auch immer sie nun heisst, zeigt das doch ganz gut, wie da so gearbeitet wird…

  3. Eine Frage an diejenigen, die sich schon intensiver mit diesem Thema auseinandergesetzt haben:

    In der Regel werden die Spiele doch nicht zwei mal hintereinander an den gleichen Kontinent vergeben. Wieso hat dann Madrid nun überhaupt so gute Chancen, „nur“ wegen Samaranch?

  4. @ Dirk: Nicht nur wegen Samaranch. Dahinter steht ein ganzes Stimmenpaket. Madrid hätte schon vor vier Jahren fast gewonnen. Regeln gibt es bei der Vergabe Olympischer Spiele kaum, jedenfalls keine kontinentalen. Nimm die Entscheidungen seit 1981, als in Baden-Baden die Kommerzialisierung der Spiele beschlossen wurde. Die Kontinente:

    Nordamerika (Winter 88)
    Asien (Sommer 88)
    Europa (Winter 92)
    Europa (Sommer 92)
    Europa (Winter 94)
    Nordamerika (Sommer 96)
    Asien (Winter 98)
    Australien (Sommer 00)
    Nordamerika (Winter 02)
    Europa (Sommer 04)
    Europa (Winter 06)
    Asien (Sommer 08)
    Nordamerika (Winter 10)
    Europa (Sommer 12)
    Europa (Winter 14)

    Für Kontinente gilt: Südamerika war noch nie dabei. Die USA haben seit Beginn der Kommerzialisierung nie so lange auf die Spiele warten müssen wie derzeit. Viermal hintereinander auf einem Kontinent (London, Sotschi, Madrid, München) wäre im modernen Olympismus ein Novum. Pyoengchang hat gegen Vancouver (2010) und Sotschi (2014) jeweils knapp verloren. Es gibt keinen vernünfigen Grund, die Offerte der Koreaner (die viel investiert und ständig nachgebessert haben) erneut abzuweisen.

  5. @jw

    Danke für die Antwort.

    Wenn man Sommer- und Winterspiele gemeinsam betrachtet, ist tatsächlich keine Regel zu erkennen. Bei einer reinen Betrachtung der Sommerspiele sieht es dagegen anders aus, die sind seit den 50er Jahren nie in direkter Folge auf einem Kontinent gewesen.

    Auch wenn ich die Werbekampagne Madrids sympatisch finde (tengo una corazonada) und beste Erinnerungen an Barcelona habe … ich kann mir fast nicht vorstellen, dass direkt nach London Madrid kommen sollte.

    Aber ich kenn mich ja auch nicht mit Poilitik aus.

  6. Es gäbe schon einen vernünftigen Grund, Südkorea erneut abzuweisen: Wintersport hat einen viel kleineren TV-Markt als die Sommerspiele und die Wettkampfzeiten in Ostasien sind Gift für diesen europäisch dominierten Markt.
    Nordamerika interessiert sich – Übertreibung ist die Mutter der Veranschaulichung – nur für Eiskunstlauf und Eishockey und diese Hallensportarten könnte man noch timen. (Zumal die NHL wohl ernsthaft überlegt, ob sie nach Vancouver weiterhin zwei Wochen Pause macht, um sich ihre Spieler für eine Idee kaputtschlagen zu lassen.)

    Sind denn die TV-Rechte für 2018 schon verkauft, Jens?

    Bei allen Probe-Weltcups und -Weltmeisterschaften in Pyeong Chang war bisher zudem zu sehen, dass das Interesse des koreanischen Publikums ein klein wenig sparsamer ist als es die Bewerbungsvideos suggerieren. Das muss das IOC natürlich nicht abhalten, aber wenn man an die Macht der Bilder glaubt, weiß man, dass das Produkt letztendlich wenig strahlend sein dürfte.

    Die Vergaben nach Vancouver und Sotschi (ich Ossi schreibe das wie früher, hihi!) haben gezeigt, dass es eine Pro-Korea- und eine Kontra-Korea-Fraktion zu geben scheint. Entweder sie schaffen es in der ersten Runde oder sie schaffen es nicht, weil sich die ausgeschiedenen Städte mit den Gegnern Pyeong Changs verbünden.

  7. @ Arnesen: 2018 ist meines Wissens nach noch nichts verkauft in den wichtigen Märkten. Wir haben ja erstmals seit 1995 die Situation, dass die Spiele vergeben werden, ohne dass es in den USA bereits TV-Abschlüsse gibt (USA-Networks bzw. NBC zahlen immer noch rund die Hälfte des gesamten TV-Kuchens, aber der Anteil sinkt, was sich bei Chicago 2016 wieder ändern könnte).

    In Europa reden sie ja jetzt gerade über 2014/2016. Deutschland ist noch offen. Auch in Europa ist das neu (erstmals ja Einzelvermarktung pro Land), zuletzt hatte seit 1995/1996 im Gefolge der Wahnsinnsverträge mit NBC auch die EBU immer Spiele im Paket gekauft – langfristig. Das ist vorbei.

  8. „Offerte der Koreaner (die viel investiert und ständig nachgebessert haben)“

    wo genau investiert? hüstel, hüstel.

  9. Die Rangliste der Favoriten aus dem von Ralf hier verlinkten Handelsblatt-Artikel (Seite 2) ist, ich sag mal, interessant. Auffällig finde ich in der Liste vor allem, dass Tokio noch auf 2 gesehen wird (komische „Experten“ da) und dass Madrid so heruntergestuft wird, u.a. weil „erst 1992“ in Spanien Spiele waren. Bei Chicago allerdings wird zwar erwähnt, dass 1996 in den USA Spiele waren, aber da fehlt der negative Unterton inkl. „erst“.
    Klar weiß ich, dass die USA nicht so ist wie Spanien, aber arg zusammengestrickt finde ich sowas schon. Deshalb finde ich die Liste auch nicht wirklich überzeugend.

    Und noch eine letzte Anmerkung zu der Law & Order CI-Folge: „The glory that was“ ist die 08. Episode der 08. Staffel. Sämtliche Bezüge zu Vorkommnissen an einem 08.08. sind bestimmt rein zufällig gegeben.

  10. @ gua: 8.8. – sehr aufmerksam! Du wirst noch ein sportpolitischer Experte, pass bloß auf! Bin gespannt, ob jemand fragt, was es mit den 8en auf sich hat.

    Zur Handelsblatt-Rangfolge: Im Zweifel glaube ich mir selbst, weißt Du doch.

  11. Jens, wieso muss ich aufpassen? Ist das inzwischen so mafi familios, dass man Angst haben muss, dass einen Nachts ein paar Schiedsrichter geschickt werden, wenn man zu viel weiß?

  12. Sorry. Jetzt macht der 8er-Beitrag wieder Sinn :) Hatte mich schon gewundert, dass ausgerechnet Du nicht drauf kommen solltest …

  13. und ich dachte, die 88 sei besonders bei leuten mit gelegentlichen versteifungen im rechtem arm beliebt. (womit wiederum der weg zu samaranch senior gar nicht sooo weit wäre)

    die dpa hat gestern übrigens mehr oder weniger chicago abgeschrieben und stattdessen rio zum offiziellen geheimfavoriten erklärt. stichwort: gleiche zeitzone wie die staaten (tv-gelder!!1!elf) und dazu noch schöne mädels bilder.

  14. Ich meinte schon die Eröffnungsfeier. Dass die NBC-Leute von dem „88-jähriger speist am 8.8.08“ was wussten, glaube ich nun doch nicht und ich wusste davon auch nichts mehr (man kann sich ja nicht alles merken).

  15. Nun reist Obama also doch persönlich nach Kopenhagen. Weiß er mehr als wir? (Vermutlich) Sind Chicagos Chancen irgendwo im Hintergrund wieder gestiegen?

  16. Pingback: Von A-Promis, Dichtern, First Ladies, olympischen Werten und Lieblingsrussen : jens weinreich

  17. Falls es noch jemanden interessiert: Heute Abend (schon) um 20:15 Uhr ist die hier angesprochene CI-Folge bei einem deutschen privaten Sender zu sehen. ;)

  18. Pingback: shonX Deutschland

  19. Frage zu dem Laterpay-System: Ich kann den Artikel nach Kauf (und nachdem ich ein Laterpay-Konto angelegt habe) dennoch nicht in Gänze lesen. Woran kann das liegen?

  20. Johannes, entschuldige bitte, habe den Kommentar eben erst gesehen. Funktioniert es mittlerweile? Wenn nicht, dann mach bitte Screenshots und maile es mir. Ich leite das sofort an LaterPay weiter.

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