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Das Olympische Bildungsmagazin

Ein Vize-Premier für Sotschi

Am Anfang, im vergangenen Jahr auf der IOC-Session in Guatemala, standen einige Versprechen. Es sprach also Wladimir Putin:

Das Wahlvolk hat kassiert entschieden. Und inzwischen ist das Projekt Sotschi erwartungsgemäß gefährdet, was das IOC natürlich nicht zugeben wird. Russlands Präsident Dmitri Medwedjew hat gestern gehandelt: Er ernannte Dmitri Kosak (links im Bild), den Minister für Regionalentwicklung, zum stellvertretenden Premierminister, zu einem von acht Stellvertretern Putins (wenn ich richtig gezählt habe). Ein Vize-Premier mit einer Aufgabe: Die Winterspiele 2014 in Sotschi stattfinden zu lassen.

medwedew + kozak 14.10.2008

Krisensitzung?

Es wird eng. Es wird knapp. Nur der Termin steht bislang: 7. bis 23. Februar 2014. Bis dahin müssen noch ein Hafen, Autobahnen und Eisenbahnstrecken gebaut, ein paar Berge gefräst, die Nordkaukasus-Region befriedet und, auch das, etliche State of the Art Sportstätten errichtet werden. Kleinigkeiten also.

Es ist nicht wirklich eine Überraschung, dass Kosak Olympiaminister wird. Er hat einst in Leningrad dieselbe, nun ja, Law School würde man heute sagen, besucht wie KGB-Mann Putin und Medwedjew. Kosak wird weniger der Kaste der Silowiki, sondern den Liberal-Technokraten oder Ziviliki Medwedjews zugeordnet. Aber wer kann da schon trennen. Kosak jedenfalls hat mit Judoka Putin und Medwedjew und dem russischen Sportminister und Fußballpräsidenten Witali Mutko und einigen anderen in den neunziger Jahren in St. Petersburg unter Anatoli Sobtschak gedient. Er gehört zu Putins Auserwählten. Als Medwedjew noch Stabschef des Präsidenten Putin im Kreml war, war Kosak, natürlich, auch Medwedjews Stellvertreter. Später war er des Präsidenten Putins Abgesandter in der Kaukasus-Region. Er ist ein Mann für schwere Fälle.

Wladimir Putin, der sich anschickt, den olympischen Weltsport auf Jahre zu dominieren und mit seinen Figuren zu regieren, hat dem IOC im Juli 2007 eine Menge versprochen. Nicht nur 12 Milliarden Dollar Investitionen, nicht nur keine Staus für IOC-Mitglieder in Sotschi. Wladimir Putin muss sein Gesicht wahren. Jedes Versprechen aber muss er nicht halten. An jenes etwa, dass Sotschis Bewerbungschef (und jetzige Organisationschef) Dmitri Tschernytschenko damals abgab, kann sich ohnehin niemand mehr erinnern außer einigen trottligen Journalisten, die mitschreiben:

Bis 2014 hat unser Präsident allein fünf Milliarden Dollar für den Bau von 4.000 Sportstätten in Russland garantiert, darunter 750 Eishockey- und 750 Schwimmhallen.

Als ich im August in Peking Russlands NOK-Sprecher Gennadi Schwets darauf ansprach, staunte der nicht schlecht und sagte trocken: „Was man so verspricht. Ich höre das zum ersten Mal. Die Milliarden könnten wir gut gebrauchen.“

Wer könnte die nicht gebrauchen in Zeiten wie diesen, wo es sogar Oligarchen nicht mehr so ganz dicke haben: Oleg Deripaska jedenfalls, der ganz wichtig ist für Sotschi und die Pläne Putins, der auch schon einige hundert Millionen Dollar dort angelegt hat, dieser Deripaska also – der reichste Russe laut Forbes – hat etliche Milliarden verloren in den vergangenen Wochen. Weshalb er Anteile am kanadischen Autozulieferer Magna und am deutschen Baukonzern Hochtief abstoßen musste. In Österreich, wo Deripaska sich in die Strabag eingekauft hat (übrigens zu einem Zeitpunkt, als Salzburg gegen Sotschi kandidierte) ist man besonders an Sotschi interessiert. Denn die Strabag, der größte Baukonzern, erhofft sich nach dem Auftrag zum Bau eines Flughafenterminals weitere olympische Aufträge. Doch die Ausschreibungen verzögern sich. (Warum eigentlich Ausschreibungen? In Russland?)

Und nun auch noch die blöde Finanzkrise, die Deripaska in Schwierigkeiten bringt. Ohne Deripaska würde Strabag kaum Aufträge bekommen. Also musste Strabag-Chef Hans-Peter Haselsteiner gemeinsam mit der Raiffeisen-Holding dem guten Deripaska einen Kredit in Höhe von 500 Millionen Euro gewähren, damit der sein Strabag-Aktienpaket behalten kann. Zuvor hatte Haselsteiner gern mal den Russen ein Ultimatum gestellt, damit die mit ihrem Masterplan voran kommen. Jetzt ist Kosak ja da, vielleicht klappt’s bald mit den Plänen.

Die Strabag hat übrigens im Januar 2008 eine strategische Partnerschaft mit Siemens geschlossen. In der Presseerklärung heißt es:

Wien, 10. Jänner 2008. Siemens CEO Peter Löscher und STRABAG CEO Hans Peter Haselsteiner haben eine Absichtserklärung unterzeichnet und bewerben sich um die Ausführung von ausgewählten Großprojekten, die im Rahmen der Vorbereitung zu den 22. Olympischen Winterspielen in Sotschi errichtet werden.

Die anstehenden großen Projekte wie zum Beispiel Ausbau der Sportstätten, Aufbau des Olympischen Dorfes, Errichtung von Hotelanlagen, Ausbau der Infrastruktur und Kommunikationsnetze etc. werden in naher Zukunft seitens der russischen Regierung ausgeschrieben.

Die voraussichtlich ersten Projekte, für die sich die beiden Unternehmen gemeinsam bewerben, sind ein Eisenbahnprojekt, die Errichtung ein Zementwerkes im Rahmen des Joint Ventures mit Basel Cement, die Erweiterung des Flughafens Adler, Bau von Kraftwerken sowie eines Seehafens. STRABAG hat in Hinblick auf die Tätigkeiten in Sotschi durch den kürzlich erfolgten Kauf der kroatischen Hafenbaufirma „Pomgrad inzenjering“ sowie einer Beteiligung am Hamburger Wasserbauspezialisten Möbius bereits spezielle Kompetenz in dieser Nische erworben. Das Volumen der kurzfristig ausgeschriebenen Aufträge für die Region Sotschi wird von STRABAG auf € 1 Mrd. geschätzt.

Siemens? War da nicht was? Ich weiß jetzt gar nicht, ob das UDIOCM (für alle unregelmäßigen Blogleser: das Unpolitischste Deutsche IOCMitglied, alias Thomas Bach, DOSB-Präsident und IOC-Vize) im Januar 2008 noch seinen fürstlich dotierten Vertrag mit dem Siemens-Konzern unterhielt. Ich weiß also nicht, wie sich die „vielfältigen Lebenssachverhalte“ damals gestalteten. Siemens – Strabag – Geschäft mit Olympischen Spielen, das fällt mir nur auf. Ist interessant, nicht wahr? Mehr aber auch nicht, denn am Ende wird es sein wie immer: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die Dinge stehen in keinerlei Zusammenhängen, das ist mal klar.

Mein Gott, womit ich meine Nächte verbringe! Verflixt kompliziert, diese transnationalen olympischen Geschäfte. Man könnte sie echt besser begreifen, wenn es Zusammenhänge gäbe. Aber trösten wir uns wenigstens damit: Es bleibt spannend.

11 Gedanken zu „Ein Vize-Premier für Sotschi“

  1. Zusammenhänge, wo? Du fabulierst über Sachen, die nicht da sind! Es gilt immer noch der alte Satz: Wen interessiert, ob in China ein Sack Reis umfällt. Es hat keine Auswirkung/Zusammenhang zu anderen Dingen der Welt. Und den Zusammenhang mit dem Schmetterlingsschlag und dem Sturm muss ein Utopist wie Darwin erfunden haben!

    Es gibt keine Zusammenhänge. Punkt!

  2. Haselsteiner ist übrigens mit seinem Politprojekt in Österreich, dem Liberalen Forum (http://de.wikipedia.org/wiki/Liberales_Forum), bei den jüngsten Nationalratswahlen recht deutlich am Einzug ins Parlament gescheitert.
    Die gesellschafts- und wirtschaftspolitisch liberale Partei dürfte trotz guter Chancen (schwächelnde Grüne) nicht zuletzt über die fragwürdigen Kontakte seiner Protagonisten (Parteichef-EADS; Haselsteiner-Deripaska) gestolpert sein.
    Die Raiffeisenbank, Mutter der Raiffeisenholding, steht traditionell der ÖVP, der großen Wahlverliererin, nahe.

  3. die Medwedjew-Putin-Allianz scheint ja immerhin noch zu funktionieren. bin mal gespannt, ob Medwedjew irgendwann zu großen Machthunger entwickelt und es zur Kollision kommt (würde ich drauf wetten) oder ob die weiterhin kooperieren. zumal es rußland in den nächsten jahren nicht immer so gut gehen dürfte wie jetzt: die rohstoffpreise fallen ja jetzt schon und dürften bei einer weltweiten rezession auch nicht so schnell wieder steigen. und dann verschwinden noch ein paar russische milliarden mehr im nichts. und vielleicht streiken dann irgendwann auch die oligarchen.
    gewagte prognose: sotschi könnte das (klein-)afghanistan putins werden. oder medwedjews.

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