Zum Inhalt springen

Das Olympische Bildungsmagazin

Peking, Tag 20

17.12: Ja, es ist spät geworden heute mit der ersten Notiz. Das Problem: Habe vergangene Nacht sechs Stunden geschlafen. Das waren eindeutig zwei bis drei Stunden zu viel. Habe meinen Körper damit überfordert. So ein olympischer Reporterkörper mag keine längeren Ruhepausen. Denn er versetzt sich dann in einen heimtückischen Stand-by-Modus und arbeitet nicht mehr so, wie er eigentlich sollte. Da die drei Bänke hinter mir im MPC schon mit schlafenden Indern, Kenianern und Chinesen – wenn ich richtig nachgeschaut habe – besetzt waren, musste die Tischplatte herhalten. Die Kollegen L und H waren so gütig, mir je einen Kaffee zu spendieren. Werde gleich mit dem nächsten nachlegen. Mal sehen, ob der Motor dann noch stottert.

17.15: Solche Probleme hat Usain Bolt natürlich nicht. Der ist immer auf Betriebstemperatur. Wie sagte Tobias Unger laut Sport-Bild? „Im Zwischenlauf hat sich Bolt nicht mal warmgelaufen. Der kam in Badehose und Joggingschuhen, hat eine Steigerung und einen Start gemacht, seine Spikes angezogen und ist dann die 100 Meter in 9,92 Sekunden gejoggt.“

17.22: Sportjournalisten sind nicht nur gern Fans, gerade wird in einer Ecke wieder mächtig geklatscht und gejubelt, auch ihre Tischmanieren lassen zu wünschen übrig. Ich weiß, andere Kulturen, Sitten und Bräuche, ich muss das verstehen. Ja wirklich? Was hier im MPC ganz offen gerotzt, gerülpst und gefurzt wird, ist doch äußerst gewöhnungsbedürftig. Aber wenn halt die Kulturen so sind. Kann aber auch sein, dass ich nach drei Wochen ein bisschen überempfindlich geworden bin.

18.45: Ist schon ein paar Minuten alt, die Meldung: Ludmilla Blonska (Ukraine, Zweite im Siebenkampf) ist gedopt. Sie war schon 2003 erwischt und zwei Jahre gesperrt worden. Ich habe sie im Wettkampf und auf der Pressekonferenz aufmerksam beobachtet. Sah klar nach Doping aus, die Züge, der Körper, deutlich vermännlicht. Habe aber leider kein Foto gemacht für meine Sammlung. Tut mir leid, das so drastisch zu formulieren. Aber nicht ich bin der Doper, sondern nur der Bote. Was ich eigentlich sagen will: Ein Beweis mehr, dass der gesunde Menschenverstand eben doch kaum täuscht. Man muss die Show hier nur aufmerksam verfolgen. Victor Conte äußert sich übrigens auch wieder aus dem Off.

19.33: Live aus dem Stadion. Fünf Hammer sind in Folge in den Käfig geknallt, auch der von Gold-Betty. Sitze heute wieder Aisle 211, Row 8, Seat 08, diesmal sekundiert von Kollegen L. Aber mir winkt ja eh niemand zu. Wer’s mag, Lektüre, mein Russen-Text in der SZ: „Ein Desaster. Schlecht. Unglaublich.

19.37: Bald läuft der Handyman. Wird er oder wird er nicht, das ist hier die Frage. Hat er Bock auf Weltrekord?

19.45: Die Deutsche Presse-Agentur titelt zum Fall Blonska: „Doping-Hiobsbotschaft“. Ich fass‘ es langsam nicht mehr. Was ist daran eine Hiobsbotschaft? Es ist gut so. Die Hiobsbotschaft ist, dass hier nicht viel mehr erwischt werden.

20.10: Kleines Puzzle: Wer Lust hat, kann in der IAAF-Kontrollliste 2007 (pdf) mal nach Jamaika-Rennern suchen und die Zahlen ins Verhältnis zu anderen Ländern und Kontinenten bringen.

22.12: Finde gerade meinen Kommentar vom Noch-Weltrekord Michael Johnsons 1996 in Atlanta. Absurd aktuell:

Michael Johnson – Ikone des modernen Sports in goldenen Schuhen. Die Pulverisierung des 200-m-Weltrekords um 32 Hundertstel erreicht Dimensionen, die mit den mysteriösen Bestmarken der Florence Griffith-Joyner aus dem Jahr 1988 vergleichbar sind. „Flojo“ verschwand damals so schnell von der Bildfläche, wie sie gesprintet war. Michael Johnson will nun bis zum Jahr 2000 abkassieren. Es heißt, Johnsons Manager Brad Hunt könne jetzt 175.000 Mark Startgeld für seinen Klienten verlangen.

Ganz klar, Doping? Es gibt keine Beweise. Es ist aber auch nicht viel über die Umstände der Fabelzeit bekannt. „Vier, fünfmal“ sei er in diesem Jahr zur Dopingkontrolle gebeten worden, hat Johnson gesagt. Von wem, wo, wann, mit welcher Vorwarnzeit – diese entscheidenden  Angaben bleiben ungeklärt. Anderes weiß man definitiv: So sind die harten und teuren Modedrogen HGH (Wachstumshormon) und EPO von den Dopingkontrolleuren noch nicht nachzuweisen. So hat Don Catlin, der Leiter des Kontroll-Labors in Atlanta, eine Woche vor den Spielen auf einem Kongreß für klinische Chemie in London von den neusten Tricks der Doper berichtet. Bekannt ist auch, daß das amerikanische Olympiakomitee USOC ein zunächst groß angekündigtes Trainingskontrollprogramm vor Olympia abgeblasen hat. Angeblich, weil das Geld dafür fehlt. Dabei ist das USOC das reichste NOK der Welt, weil es den größten Teil der Fernseh- und Sponsorenmillionen der olympischen Bewegung erhält.

Der Dopingexperte Prof. John Hoberman von der Universität Texas sagt, Doping sei im amerikanischen Profisport „nur ein lästiges Problem, das durch gezielte Public Relations klein geredet werden kann“. Johnson weiß ein ganzes Heer von Öffentlichkeitsarbeitern hinter sich: Die PR-Strategen seines Sponsors Nike, der größten Sportartikelfirma der Welt, und den Fernsehsender NBC.

„You are unbelievable“ – Du bist unglaublich – dröhnte es unmittelbar nach dem Weltrekordlauf durch das Olympiastadion, während Michael Johnson auf NBC schon über seine „historische Tat“ ins Schwärmen geriet. Auf der Pressetribüne rieben sich indes tausende Menschen verblüfft die Augen: 1-9-3-2.

„Glaubt was ihr wollt“ hat ihnen Michael Johnson an diesem wundersamen Abend noch gesagt. Ein Freibrief für alle Skeptiker? Glauben muß man dem Wunderläufer wirklich nicht.

22.54: Ich sage jetzt mal nichts. Habe gerade einen ersten Text geschrieben und versendet und schaue jetzt mal, was unser Wunderläufer in der Pressekonferenz zu sagen hat. Es waren 52 Hundertstel Vorsprung, der größte in der olympischen Geschichte. Bis später. Die Nacht wird wieder kurz. Gut so, siehe oben.

23.51: Sitze im Saal, Reihe eins. Noch ist er nicht da. Tanzt noch irgendwo und gibt Fernsehinterviews. In neun Minuten hat er Geburtstag.

04.11: Bolt wollte doch noch nicht Geburtstag feiern. Macht er erst in ein paar Stunden, nach Kingston-Time. Er war ziemlich aufgedreht, aber angenehmer als nach den 100 Metern. Nur das: „My name is Bolt. Lightning Bolt.“ Wie’s aussieht, wird ihn sein Coach bald ernsthaft die 400 Meter rennen lassen. Irgendjemand sagte, alle drei Weltrekorde – 100, 200, 400 – hätte noch niemand gehalten. Kann das jetzt nicht bis 1800-undwas prüfen, seit ich Leichtathletik gucke, stimmt es jedenfalls. Als Gute-Nacht-Lektüre von mir noch einige Links, mit Links werde ich ja leider sparsamer, notgedrungen.

04.28: Kurze Pause – demnächst mehr in diesem Theater.

108 Gedanken zu „Peking, Tag 20“

  1. Ein Wort zu den oben erwähnten Manieren im MPC. Tja: It’s a man’s world. Oder anders gefragt: Wieviele Sportredakteurinnen hat, um ein beliebtes Beispiel zu nennen, die SZ noch mal? Wie hoch ist der Prozentsatz bei der FAZ? Nicht mal das IOC schafft die von Samaranch 2000 vorgegebene 10%-Quote.
    Wobei hoffentlich bei den Raffkes im Raffles die Tischmanieren besser sind …

  2. kli, ich meine die quote wurde 1996 vorgegeben und lautete 20 prozent. anita defrantz, so bescheiden sie auch agiert, hat daran kürzlich auf der 120. session erinnert und – wenn ich es richtig mitbekommen habe – sogar eine weitere resolution beschließen lasse. aber: das löst doch nicht das rülpsproblem unter den berichterstattern.

  3. Seh ich genauso. Man hört ja, dass Frauenklos zum Teil schlimmer aussehen sollen, als die der Männer. Aber das ist ja nicht das Thema :-)

    Unger hört sich richtig verbittert an, liefert der SportBild auch schön boulevardgerechte Sprache: „Die springen auf ihrer Insel rum, wie sie wollen, denen passiert nichts.“

    „Nette“ Wortwahl, auch wenn ich ihn grundsätzlich verstehe. Kann man eigentlich auf einen Bolt-Weltrekord wetten?

    Hab mal selbst nachgeschaut: Bei Bwin ist die Quote auf einen Bolt-Sieg 1,03…auf einen Weltrekord „immerhin“ 1,35. An sich ne sichere Anlage :-)

    Schön auf die Wette: 200 metres – Men – Winner (without Usain Bolt) ;-)

  4. Die chinesischen Hockey-Damen stehen im Finale. Damit ist China nur noch im Baseball, Reiten, Triathlon und Modernem Fünfkampf ohne olympische Medaille. Gibt es da bei diesen Spielen noch Chancen, Herr Weinreich? Triathlon ist ja durch …

  5. @ James Tobin: habe ich von muskeln gesprochen? es gibt viele anhaltspunkte, die ein gesamtbild ergeben. sitz‘ ihr mal gegenüber, dann wirst du möglicherweise anders urteilen.

  6. @Trebor
    Ich finde, das sieht immer noch recht weiblich aus. Halt ein Körper dem man regelmäßigen Sport ansieht, aber mit ’ner vernünftigen Hantelbank im Keller und 2-3/Woche joggen, da liegt das durchaus im Bereich des Möglichen ;-)

    Und mal ganz ehrlich: Der Herr Unger kann ja gerne frustriert sein ob Bolts Leistung und ihm ein lustiges Inseldasein bescheinigen, aber wer sich als weisser Mitteleuropäer seinen sportlichen Schwerpunnkt auf den 100m Sprint legt, der hat doch auch nicht alle an der Waffel.

  7. @ James Tobin: Schliesse mich Deiner Meinung an, denn ich finde es ebenfalls zu einfach hinterher über die gedopten Sportler mit Häme zu urteilen und hinauszuposaunen, man hätte es eben schon vorher gewusst. Wenn dem so wäre, dann würde ich gerne eine detaillierte Liste von all den Doping-Athleten sehen – und zwar vorher, nicht im Nachhinein. Ansonsten sind Berichte über Phelps, Steffen und Co nicht ernst zu nehmen.

  8. @@“aber wer sich als weisser Mitteleuropäer seinen sportlichen Schwerpunnkt auf den 100m Sprint legt, der hat doch auch nicht alle an der Waffel“.

    was ist das denn für ein argument?

  9. Martin Sommerfeld

    JW: Ich fass’ es langsam nicht mehr. Was ist daran eine Hiobsbotschaft? Es ist gut so. Die Hiobsbotschaft ist, dass hier nicht viel mehr erwischt werden.

    Amen.

  10. @ haidhauser & philipp: ohne hier den oberlehrer zu spielen, solltet ihr mal ein wenig in die historie der frau blonska gucken. ja und was das persönliche urteil in der nackten wirklichkeit angeht, kann ich da nur zustimmen. by the way…die geschichte mit der hantelbank ist geschenkt.

    p.s. blogautor jw verfolgt blonska schon seit langem kritisch, wie sein von ihm geführtes ressort im august ’07 zeigt:
    http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2007/0828/sport/0090/index.html

  11. *hüstel*

    Die russische Hochsprung-Olympiasiegerin sieht nach einhelliger Meinung aller anwesenden Familienmitglieder aus wie ein Transvestit.

    Ich will ja nix sagen aber je mehr sich diese „Frauen“ schminken, desto unglaubwürdiger wird es.

    Ich war ja fast enttäuscht, dass sie noch eine weibliche Stimme hatte im Interview…

  12. @Trebor: Ist die Ironie nicht angekommen? Bei solchen Fotos kann man sich ja schon fast die Tests sparen…

  13. Um noch mal auf den Spruch „don’t mix politics with games“ zurückzukommen:

    http://www.heise.de/newsticker/Olympische-Spiele-Keine-genehmigten-Aktionen-in-Protestzonen–/meldung/114530/from/atom10

    „In Peking droht zwei Rentnerinnen Arbeitslager, weil sie in einer der drei eigens dafür ausgewiesenen olympischen „Protestzonen“ demonstrieren wollten[…]“

    Schön, es gibt Protestzonen (veg); unschön: man darf trotzdem nicht demonstrieren.

    Was das mit Olympia zu tun hat?

    Generalsekretär der Pekinger Olympia-Organisation: „Ich glaube nicht, dass dies wahr ist“. IOC-Sprecherin Giselle Davies erklärte, ihr sei der Fall nicht bekannt: „Die Spiele können nicht für alles eine Heilung sein.“

    Nein, Heilung hat auch keiner erwartet :-/

    Beste Grüße, Josch.

  14. @ phillip und james tobin: ich muss damit leben, wenn ich mich hier schon so oute, als großmaul bezeichnet zu werden. schade, dass ich über blonska nichts geschrieben habe. an anderern stellen habe ich mehrfach in diesem blog an andere olympische geschichten und figuren erinnert, über die ich im laufe der jahre geschrieben habe: smith de bruin, poll, kenteris, daneljan und andere. gestern gerade nochmal den herrn gousis-gousas, oder wie er auch immer heißt, erwähnt.
    das hier sollte nie ein doping-blog werden und wird es auch nicht. ich hatte nur lust genug, die irrungen und wirrungen und den wahnwitzigen journalistischen ablauf auf dem raumschiff olympia zu dokumentieren. ich habe dabei auch etliche fehler dokumentiert, meine eigenen. nur, und jetzt kommt doch das großmaul durch, scheint es doch so zu sein, dass die grundrichtung der beschreibung dieser irren szene seit einigen jahren nicht ganz in die sackgasse führt. das war hoffentlich verschachtelt genug formuliert. im moment bin ich ein bisschen genervt. wir können ja auch über anderes diskutieren. fürchte bloß, nach dem lauf von bolt geht wieder alles von vorn los.
    nee, ich fürchte es natürlich nicht. ich amüsiere mich. ich amüsiere mich sogar prächtig im blog und angesichts der vielen tollen kommentare und links, die hier erscheinen.

  15. Übrigens gibt es auch Sportler mit gesundem Menschenverstand:

    Blonska was labelled a cheat by British number one heptathlete Kelly Sotherton after taking silver in the world championships last year.
    Sotherton, who took bronze in that tournament, questioned the validity of her world championship medal in an event won comfortably by Sweden’s Carolina Kluft.
    ‚I think you can see by the reactions from the other athletes that we are not interested when she is there, we don’t support cheats,‘ said Sotherton at the time.
    ‚She has cheated once, who says she is not cheating again?‘ she added.

  16. @ jens: nein, so isses ja nicht, als grossmaul hab und will ich niemand bezeichnen. aber, wie beschrieben, man sollte vorsichtig mit vokabeln à la „krankhaft“ u. ä. bleiben, genauso wie bei bewertungen von dopingfällen.
    deinen riecher und deine recherchen respektiere und schätze ich im gesamten sehr. und diesen kommentar schreibe ich absichtlich noch kurz vor knapp oder besser kurz vor bolt, damit die d-diskussion um den wunderknaben keine rolle spielt. und ebenfalls amüsiere ich mich prächtig und pfundig über den blog und die kommentare.

  17. Er hat immerhin menschliche Züge gezeigt. War ja scheinbar richtig ausgepumpt nach dem Finale. Und hat beim Rennen sogar die Zähne zusammengebissen. Was war da los?

  18. Auf Eurosport wird soeben vermeldet, dass er die Zeit bei 1m/s GEGENWIND lief, was ja nochmal eine Runde heftiger ist. *Kopfschüttel*

    Mal eine kurze Frage:
    Ist es eigentlich „normal“, dass die 200m-Zeit auf 100m gerechnet schneller ist als der 100m-Rekord? Bolt läuft 19.30, was theoretisch ja 9.65 auf 100m wären. Ich kenn mich da nun nicht aus, aber eigentlich sollte die Zeit doch eher langsamer werden oder?

  19. Die zweiten 100m läuft er ja nicht mehr aus dem Stand, sondern mit Anlauf, und die beginnende Erschöpfung gleicht das noch nicht wieder aus (besonders mit den richtigen Vitaminen :)

  20. @eagel Das ist glaub ich bei Staffeln auch so. Man darf die Beschleunigungsphase am Start nicht vernachlässigen, die hat man bei 2* 100 m natürlich doppelt.

  21. Ich weiß gar nicht, wer mich mehr nervt: die rasenden Fans (naiv), der posende Weltrekordler (frech) oder die Spieleveranstalter (blind, geldgierig, egozentrisch?), die das alles hier zulassen.

    Ja, Bolt hat sich richtig verausgaben müssen. Und so gewaltig war der Vorsprung auch nicht. Und den Weltrekord hat er auch fast nicht gebrochen.

  22. Also nicht bös‘ sein, aber das ist doch lächerlich. Es ist ja nicht so, dass hier jemand jedes mal, wenn jemand erwischt wird, nachträglich schreibt: „Ich habe es seit dem 1. 7. 1998 geahnt. Damals ist mir aufgefallen, dass … „.

    Der überwältigende Großteil der Diskussionen hier wird über Sportler geführt, die NICHT positiv getestet werden. Über Anhaltspunkte, akribisches Sammeln von Beobachtungen, um den Nebelmaschinen und Verschleierungstaktiken doch ein Schnippchen schlagen zu können.

    Und dieses hanebüchene Argument erst: „Ich möchte eine Liste von allen gedopten Sportlern sehen“. Das erinnert fatal an den guten alten Kritik-Totschläger: „Dann präsentiere mir ein besseres Konzept.“

    Nein, man muss nicht gleich das „bessere Konzept haben“ um Kritik üben zu dürfen. Um die Vorstellungen der großen Reißbrett-Akrobaten zu kritisieren, muss man nicht an der selben Selbstüberschätzung kranken und „fertige“ Weisheiten präsentieren.

    Und genauso wenig ist es notwendig (bzw., umgekehrt gedacht – genauso lächerlich ist es) wenn jetzt der Ruf nach einer „detaillierten“ (also bitte, geht’s noch?) Liste aller Junkies. Um mich zu wiederholen: Nicht bös‘ sein, aber das ist lächerlich.

  23. @Eagle-F1: Das erklärt sich durch die Start-Beschleunigung, die man bei einem 100m Rennen miteinrechnen muss. Bis die Jungs auf ihren 36-37km/h sind dauert das halt. Und diese Zeit ist dann das entscheidende, was die schnellere Zeit über die 200m ausmacht. Kompliziert formuliert, aber eigentlich klar.
    Würde mich mal interessieren, was die allerschnellste Laufstrecke ist: 142,5678m oder so vielleicht?!

  24. Martin Sommerfeld

    Lol, nochmal Gold für Jamaika… OR..

    Also wenn bei denen nicht bald der große Knall kommt, dann fress ich nen Besen.

  25. @Wesemann: Johnson hat sich im BBC-Studio gemeinsam mit Colin Jackson über den Weltrekord gefreut. Kameras zeigten wie beide beim Zieleinlauf hochgesprungen sind und sich abgeklatscht haben.

  26. Ok, danke für die vielen Antworten.
    Daran hatte ich gar nicht gedacht, ist aber natürlich absolut logisch.

  27. @ jens weinreich

    Ein bißchen Kritik und das war noch nicht mal böse gemeint, musst du Dir gefallen lassen. Und von mir wird es jetzt kein Wort mehr zum Thema Doping geben (zumal ich ja von über 70 % Dopingquoten augehe). Apropos gibt es die Möglichkeit an die Liste der Sportler zu kommen, die eine Ausnahmegenehmigung für Astmaspray beantragt haben – insbesondere würde mich dies im Marathon laufen, Triathlon und Radsport interesseiren?!?

    @ all
    Welche Leistung ist höher einzuschätzen Phelps oder Bolts (auch wenn man Sie nur begrenzt vergleichen kann) ?

  28. @ dominik S: lieber dominik s, mir scheint, du hast meinen kommentar in den falschen schlund bekommen. lies ihn nocheinmal durch. ich werde nicht böse werden, aber deine vorwürfe, mit deftiger sprache aufgepeppt, nicht kommentieren.

  29. Martin Sommerfeld

    An die Ausnahmegenehmigungen kommt bislang niemand in der Öffentlichkeit ran, es sei denn ein Athlet erzählt das freiwillig.

    Wir wissen ja bis heute nicht was Lance Armstrong so alles nehmen „durfte“.

  30. @Wesemann: Sah für mich echt aus, allerdings gibt es für Studioanalysten noch keine Dopingtests bzgl. ihrer schauspielerischen Leistungen. Aber warum sollte er sich auch groß ärgern. Es ändert sich ja nichts an seinen Status. Er wird ja nicht plötzlich ein weniger begehrter Gast sein.

    Donovan Bailey war ja dann eben auf EUROSPORT auch ganz happy.

  31. interessant, der johnson-artikel. war mir gar nicht bewußt, daß hgh damals schon aktuell war.

    bolt: ohne worte.

  32. @Wesemann

    Die Freude ist echt (vermute ich mal). Er meinte schon nach dem 100m Weltrekord, dass der Sport durch Bolts wieder an neuer Glaubwuerdigkeit gewinnen wuerde nach den harten letzten Jahren. Er scheint es eher so zu sehen, dass Bollt dem Sport wieder eine neue Kredibilitaet verleiht und er selber (Michael) dadurch auch indirekt profitiert. Denn wer wird schon gerne mit einem schmutzigen geschaeft in Verbindung gebracht.

  33. @ Martin Sommerfeld

    Danke. Ich hatte gehört, dass in Syndey (Olympia 2000) die Asthma-quote der Triathleten angeblich bei bei 70 % lag.

  34. Und die Jamaican Boys haben auch Erklärungen. Gewisse Schnittpunkte mit Unger:

    Jamaicanman Aug 20, 2008 3:20:58 AM Report To those who are implying that the Jamaican athletes are doped up do not know the history of Jamaica in the Olympics. We are a small country but we are insane about track and field. Every school in Jamaica no matter how small, has a sports day where children compete. This happens from kindergarten. Track and field is huge in Jamaica and our high school annual meet is where American coaches swarm to find athletes for their colleges. Have you lot ever heard of The Penn relays where Jamaica high school athletes have dominated for so many years? This is why the Americans introduced college athletes to try and stifle the Jamaican dominance. How about all those years when American athletes were all pumped up and Jamaica had to settle for second or third? Its only now that the freak athletes are either locked up, retired or exiled that our boys and girls can shine and show what the sport is all about. Long may they stay pure without the American influence …

  35. n. könig (zdf): „…und ihr in jamaika seid alle clean champions?“
    m. walker: „oh (breitgrins von walker), wir sind alle clean champions!“

  36. Habe ich richtig gehört, dass Frau Walker ihre eigene Bestleistung um fast eine Sekunde verbessert hat? Das nenne ich mal, auf den Punkt fit.
    Der alte olympische Rekord wurde übrigens von einer Griechin namens Fani Chalkia gehalten…

  37. Huch? Hat die jamaikanische Zahnspange auch noch Hautunreinheiten in größeren Maße? Kommt ja vor, bei jungen Menschen.

  38. Warum zeigt das ZDF jetzt die Aufzeichung eines BB-Spiels, wo es bei Lobinger etc. grad um die Wurst geht?? Ich Poschmanns Adrenalin schon zu hoch??

  39. Bin für Einführung von Zahnspangen-Ausnahmegenehmigungen im Sport … und für Clearasil-Verteilungsboten der Wada.

  40. Gerade noch mal die Zeitlupe von Bolt in menschlichem Tempo verfolgt, der hat nur auf die elektronische Zeitnahme geschaut, was am Ende zu einer schönen Verrenkung führte, erst dann sein Jubel.
    Tragisch Spearmon, der lief noch lange nach der Disqualifikation mit der Fahne im Glauben die Bronzene gewonnen zu haben herum. „Wir“ wussten es, Dank Eurosport, schon längst.

  41. @ Philipp
    @ James Tobin

    Schön, dass es noch Menschen gibt, die sich nicht an dieser allgemeinen Dopingverschwörung beteiligen. Oder anders gesagt: Mann, seid ihr NAIV. Für euch sind korrupte Politiker wahrscheinlich auch nur außergewöhnliche Minderheiten und jeder dahingehende Verdacht Teil einer Hetzkampagne. Und DAX-Manager bekommen ihre Millionensaläre tatsächlich wegen ihrer erbrachten Leistungen…

    Philipp, du willst gerne eine detaillierte Liste von all den Doping-Athleten sehen – und zwar vorher? Voilá, hier ist sie: http://results.beijing2008.cn/WRM/ENG/BIO/Athlete/A.shtml

  42. @ james tobin: stecke ich doch weg. bin nur manchmal mädchenhaft. schon vorbei. an dogfood übrigens: danke für den zahnspangenhinweis. sitze jetzt im pressekonferenz-raum. bolt post noch irgendwo in den katakomben. das schild für zahnspange-darling steht schon. mal sehen, wann bolt kommt – in 23 minuten nach peking-zeit hat er 22. geburtstag. vielleicht gibts torte für beifall spendende journalisten. oder rum.

  43. Aus irgendeinem komischen Grund gehen mir seit heute morgen (US-Zeit) solche Begriffe wie „Anfangsverdacht“ und „reasonable suspicion“ nicht mehr aus dem Kopf. Das eine Wort findet man in der deutschen Strafprozessordnung. Die andere Wendung im Vokabular des amerikanischen Rechtswesens. Es geht mir nicht aus dem Kopf, weil mir nicht in den Kopf will, dass diese Stemmeisen des Ermittleralltags nicht konsequent im Sport eingesetzt werden. Ab wieviel Millionen Dollar Prämiengewinn und unter falscher Flagge eingefahrener Sponsorenkohle ist Betrug eigentlich justiziabel?

  44. @Jürgen Kalwa
    Nach deutschem Recht ist Sportbetrug nicht justiziabel. Vorschlag abegelehnt zugunsten der harmlos-zahnlosen Änderungen im Antidoping-Gesetz. Und Anfangsverdacht? Ja, mit dem beginnen doch angeblich die so zahlreichen „intelligenten“ Kontrollen der Verbände … Und selbst wenn’s die tatsächlich gibt, fehlen intelligente Analyseverfahren. Mittlerweile sprechen Wissenschaftler von außerhalb ja von „Steinzeitwissenschaft“ unter Wada-Regie.

    Weiß hier eigentlich wer, was aus der geplanten Kooperation der Wada mit Interpol geworden ist?

  45. Ich gucke mir gerade Bilder von jamaikanischen Läuferinnen an.
    Während es für Melaine Walker von 2008 ausschließlich Zahnspangen-Bilder gibt (z.B. http://tinyurl.com/6hfwhv ), schien früher eine derartige Zahnbehandlung nicht nötig gewesen zu sein ( z.B. aus dem Jahr 2006: http://osaka2007.iaaf.org/photo/gallery.html#40300 ). Da sie in diesem Zeitraum an der University of Texas war, erscheint das Hinauszögern der Zahnbehandlung aus finanziellen Gründen („arme Verhältnisse in Jamaika“ o.ä.) nicht wirklich glaubhaft.

    Aber kann natürlich Zufall sein. Frauen die im Alter mit 25 sich plötzlich Zahnspangen einsetzen. Shit happens.

  46. @ oddevold: coole liste – danke. interessanterweise wurde am anfang der dopingspiele immer von dem unwort des jahres „unschuldsvermutung“ geschrieben. mittlerweile, ein paar tage, weltrekorde und dopingfälle später, blasen beinahe alle ins gleiche horn. naivität haben wir doch alle genügend – sonst würde kein einziger von uns die wettkämpfe mehr ansehen, oder?

  47. Mal eine dumme Frage: Wie kommt ein solch riesiger Vorsprung wie der von Bolt zustande und kann er als Argument pro oder contra Doping gewertet werden?
    Wenn davon auszugehen ist, dass in bestimmten (oder auch fast allen) Disziplinen die überwiegende Zahl der Sportler gedopt ist, welche Rolle spielt dann das Doping für die Überlegenheit eines einzelnen Sportlers gegenüber der Konkurrenz? Hat er Zugang zu Wundermitteln oder sind die Sportler durch das gemeinsame Doping wieder weitgehend auf einem Level und der Gewinner am Ende doch wieder eine überragender Athlet?

  48. @ jürgen kalwa: mir ist das auch nie aus dem kopf gegangen. ich dachte immer, beim geld könne man sie kriegen. wettbewerbsbetrug, wettbewerber betrogen und sponsoren und der staat mit seiner sportförderung. aber auch das will, wollte und wird (fast) niemand wollen.

  49. Nachtrag zu meinem Kommentar den man noch nicht sehen kann, weil er noch in der Moderation steckt…

    Keine Zahnspangen-Bilder auffindbar von Sherone Simpson, Kerron Stewart und Shericka Williams, den anderen weiblichen Medaillenträgern Jamaikas. Gut, bei Fraser isses offensichtlich.

    Die 100m/Hürden-Läuferin Brigitte Foster-Hylton (Sechste geworden), aus dem gleichen Klub kommend wie viele andere jamaikanische Leichtathletinnen, u.a. oben erwähnte Walker und Fraser (mvptrackclub.com), ist zwar aktuell zahnspangenfrei, aber von 2005 bis 2006 sah das noch anders aus.
    (z.B. http://tinyurl.com/6jwn8u ).

    Die Saison-Bestzeiten von Brigitte Foster-Hylton zeigen in den beiden Jahren keine größeren Sprünge.

  50. Martin Sommerfeld

    Das mit dem Sponsoren betrogen sagt sich immer so leicht, ich bin da skeptisch. Wenn Sponsoren in bekanntermaßen verseuchte Sportarten investieren, dann gehen sie erstens von vornherein bewusst ein gewisses Risiko ein. Zweitens hat der Sportler sein Muss bereits erfüllt, wenn er später erwischt wird.

    Die Telekom z.B. hat doch jahrelang von Ullrich profitiert, die können sich doch nicht hinstellen und so tun als wäre das rückwirkend unwirksam, der Werbeeffekt war doch da.

  51. @ha: Warum sollte Betrug im Sport nicht justiziabel sein?

    Dies steht in § 263 des Strafgesetzbuches zum Thema Betrug:
    (1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
    (2) Der Versuch ist strafbar.

    Wäre eigentlich nur noch über den Begriff „rechtswidriger Vermögensvorteil“ im Sportkontext zu diskutieren. Teil eins: Wenn ich durch bessere Resultate mehr Geld (Erfolgsprämien, Werbung etc.) verdiene und dabei Leute schlage, die aufgrund meiner Platzierung weniger verdienen, erringe ich einen Vermögensvorteil. Teil zwei: Wenn ich dabei gegen das Arzneimittelgesetz verstoße, ist das rechtswidrig.

    Wenn ich Substanzen einnehme, die nicht vom Arzneimittelgesetz erfasst werden, aber auf der Liste der verbotenen Stoffe der WADA stehen (welche sind das eigentlich?), bleiben da immer noch die Sportethik und die Dopingbestimmungen. Die kann man verschärfen. Athleten müssen in diesem Zusammenhang übrigens Erklärungen unterschreiben (damit man sie sperren kann, wenn sie erwischt werden).

  52. Martin Sommerfeld

    @Smeik:
    Ich gehe durchaus auch erstmal davon aus, dass im 100m und 200m Finale niemand sauber war. Da kann es dann einige Ursachen geben, was mir so auf Anhieb einfällt:
    1. Sie nehmen das gleiche, aber einige werden im Vorfeld nicht wirklich getestet – wurde ja in Richtund Jamaika jetzt mehrfach von Jens Weinreich angedeutet.
    2. Oder man erfährt von den Trainingskontrollen vorzeitig und kann insofern bei z.B. Urinproben verfälschend tätig werden (Fremdurin, vertuschende Mittel, usw.), was die Konkurrenten bei wirklich überraschenden Tests nicht in dem Maße können.
    3. Man geht dermaßen über Grenzen des gesundheitsschädlichen, dass sich die anderen das vielleicht einfach nicht trauen. Siehe (wahrscheinlich) Flo-Jo und völlig vermännlichte Ostblock-Sportlerinnen oder Richard Virenque, der seinen Pfleger nach mehr Epo anbettelte.
    4. Man hat wirklich ein nicht nachweisbares neues Mittel, wie das bei den Balco-Kunden der Fall war.

  53. Das mit dem „Betrug“ scheint aus zwei Richtungen nicht zu funktionieren. Im Fall von Jan Ullrich hat die Staatsanwaltschaft gegen Zahlung eines „hohen“ Geldbetrages durch Ullrich die Ermittlungen eingestellt. U.a. mit der sinngemäßen Begründung „im Radsport dopen alle, also wird keiner betrogen“.

    Dann stellt sich die Frage inwieweit Sponsor „Telekom“ betrogen worden ist. Es gibt ja immer wieder die Gerüchte, dass die Telekom-Spitze wie z.B. Kindervater Bescheid wussten oder nach dem Motto „don’t ask, don’t tell“ die Realität nicht wissen wollten. Wenn die Telekom es gewusst hat, kann sie auch nicht betrogen worden sein…

  54. @dogfood: Das mit den Zahnspangen bei Mittzwanzigern scheint einfach ein neuer Modetrend zu sein, der bei uns nur noch nicht angekommen ist…
    Auch die an dieser Stelle bereits erwähnte Vanessa Fernandes, fast 23 Jahre alt und Olympiazweite im Triathlon, trägt anscheinend erst seit einigen Jahren Metall im Mund. Zumindest zeigen ältere Bilder auf ihrer Website eine unverbaute, optisch tadellose Kauleiste.

  55. Kerner ist jetzt schon wieder beim Fußballfreundschaftsspiel. Fliegt der wieder zurück nach Peking wegen 1-2 Tagen, oder bleibt der hier? Alles von unsern Gebühren…

  56. @Stefan: von den 2.000 EUR Flugkosten wird die Welt nicht untergehen. „Verschwendung“ ist bei den milliardenschweren Öffentlich-Rechtlichen etwas anderes…

  57. Das stimmt, trotzdem entsteht der Eindruck, ohne Kerner geht nichts. Diese Arroganz spürt man dann halt auch.

  58. Mal eine ganz andere Frage, stelle ich mir in diesen Tagen häufiger, vor allem, wenn ich den Unger spurten sehe:

    War Armin Hary (10,0 handgestoppt auf einer Aschenbahn) sauber?

  59. @jürgen kalwa Ja, Du hast natürlich recht: Wenn Sanktionen vereinbart sind in Verträgen mit Sponsoren oder Arbeitgebern, dann kann es u. U. Betrug sein. Normalerweise müssen dann aber nur Gelder zurückgezahlt werden. Bisher hat noch kein Sponsor einen Athleten angezeigt. Bei Ullrich war es die Bielefelder Professorin Britta Bannenberg. Mit dem bekannten Ausgang.
    Dazu: In der Debatte um das geänderte AMG gab es den Vorschlag, einen neuen Straftatbestand zu schaffen. Denn: Ob Doping entsprechend § 263 im Strafgesetzbuch als Vermögensdelikt anerkannt würde, ist umstritten, wenn, würde so Verurteilung gegenüber Veranstaltern/Sponsoren ermöglicht, aber kein Schutz betrogener Konkurrenten. Bannenberg / Roessner hatten deshalb für einen neuen § namens „Wettbewerbsverfälschungen im Sport“ plädiert. Er würde Doping im Profisport generell unter Strafe stellen, bis zu drei Jahre Gefängnis. Siehe: JW u.a. „Korruption im Sport“

    Und die Wada Liste gibt’s hier, sie enthält nicht nur einzelne Substanzen, sondern auch Substanzgruppen: http://www.nada-bonn.de/fileadmin/user_upload/nada/Downloads/Listen/080403_Verbotsliste-WADA-2008-deutsch.pdf

  60. @ Jürgen Kalwa, Jens Weinreich
    Grundsätzlich gilt, dass Strafe nicht vor Betrug schützt und wenn jemand davon ausgeht, das perfekte Verbrechen, die perfekte Dopingsubstanz zu haben, dann hilft zwei Jahre Sperre oder vier Jahre Knast rein gar nichts. Ich würde mit Emile Dürkheim argumentieren, dass Strafe nur ein Ausdruck von Erhaltung/Ausdruck von Herrschaft ist, aber Soziologie und Juristerei sind nicht mein Fachgebiet.

    Ganz abgesehen davon, dass weder die Funktionäre noch die Politiker ein ernsthaftes Interesse an einer Bestrafung von gedopten Sportlern haben…

  61. @James Tobin
    Yo. Diese ganze legalistische Debatte ist im Grunde etwas für Spezialisten oder, bestenfalls, ein Vorführeffekt: Möglichkeiten gäbe es, zuerst übers Geld: Sportförderung entziehen, mehr Geld für Dopinganalytik, mindestens Abschreckung durch Strafen, mehr Prävention – aber gibt da ein paar andere Interessen. In dieser Hinsicht Meldung des Tages: IOC rechnet mit neuen Rekordeinnahmen für die Fernsehrechte innerhalb der nächsten Olympiade. Dabei hatten sie befürchtet, es gäbe keine Steigerung mehr.
    Gute Nacht!

  62. Ich glaube ja daran, dass es helfen würde, wenn man ein Gesetz verabschieden würde, das besagt, dass wer des Dopings überführt wird, ein lebenslanges Berufsverbot erhält. Was bringen zwei Jahre Sperre, außer der Möglichkeit, zwei Jahre lang auf ein Ereignis hin zu dopen? Das ist lächerlich. So ein Gesetz würde – denke ich – auch abschreckende Wirkung für Jungsportler haben. Wer mit 20 erwischt wird, muss einen „richtigen“ Job machen. Da hilft dann nur noch Kaffee als Aufputschmittel…

  63. @Daniel: geht nicht.

    Die vierjährige Dopingsperre von Katrin Krabbe ist damals von einem deutschen (zivilen) Gericht kassiert worden, weil es einem verfassungsrechtlich nicht erlaubten Berufsverbot gleich käme.

    In Reaktion auf das Krabbe-Urteil haben diverse internationale Verbände danach die Doping-Sperre auf 2 Jahre runtergesetzt.

    Inzwischen wird zwar verstärkt über vier Jahre nachgedacht, oder lebenslang bei wiederholten Vergehen. ich bin mir aber nicht sicher ob sich die Einschätzung der Gericht verändert hat.

  64. Zunächst gibts mal den „Kalauer der Woche“ für Jens, wegen der Spiegel-Überschrift „Ein Bolt für alle Fälle“. :-D

  65. @James Tobin: Bitte nicht das Problem zerfleddern. Das Problem im Moment ist nicht Bestrafung und nicht die Abschreckung. Das Problem besteht aus der fehlenden Transparenz, der fehlenden Aufklärungsarbeit, der Verschleierung und der Lüge. Das ergibt den falschen Eindruck: man könne angesichts der vielen (negativen) Dopingtests davon ausgehen, dass allenfalls eine unbelehrbare Minderheit gedopt ist.

    Natürlich interessieren sich die Funktionäre nicht für die Aufklärung, aber die wenigen sauberen Sportler sollten es schon. Denn sie werden benachteiligt und geschädigt. Und die Öffentlichkeit, die durch Fernsehgebühren und Steuergelder das Spektakel finanziert, müsste sogar noch ein größeres Interesse an der Aufklärung haben. Die Strafprozessordnung und die bestehenden Gesetze können nur ein Teil des Katalogs sein. Aber niemand soll so tun, als handele es sich dabei um stumpfe Waffen. Der Balco-Fall hat klar gezeigt, was man braucht, um ein System auszuheben: einen einzigen Ermittler, der nicht locker lässt und die Gesezte anwendet, die es gibt. Das ist der einzige Grund, weshalb so viele Amerikaner aufgeflogen sind. Es war an der Zeit.

  66. @ James Tobin: Wir beide schon wieder. Jedenfalls, beim Begriff „das perfekte Verbrechen“ bin ich allergisch. Das ist für mich die Korruption, das diskutieren wir vielleicht demnächst mal. Hey, nicht ernst gemeint. Keine Kritik.

  67. Pingback: Peking, Tag 21 : jens weinreich

  68. „Sitze heute wieder Aisle 211, Row 8, Seat 08, diesmal sekundiert von Kollegen L. Aber mir winkt ja eh niemand zu.“

    Das stimmt so aber nicht. Als nach dem 200m-Lauf der Zuschauerblock abgeschwenkt wurde, habe ich vor dem Fernseher gesessen und gewunken. Feedback war aber eher nicht auszumachen ,(

  69. @ jürgen kalwa
    Der Balco-Fall hat gezeigt, dass man zuerst einmal einen Insider braucht, der auspackt. Ähnlich sah es mit dem Telekom-Skandal letztes Jahr und jetzt mit Herrn Hereria aus.

    Erst wenn einer der Beteiligten sich nicht mehr ausreichend belohnt findet bewegt sich was. Stichwort „mafiöse Struktuen“.

  70. so lange die Hauptbeteiligten ( IOC, Sponsoren, Athleten ) so sehr vom Doping profitieren, wie es aktuell der Fall zu sein scheint, wird sich an der Doping-Problematik kaum was ändern.

    So wie ich das sehe, sieht die Masse der zahlenden Zuschauer die Olympischen Spiele mittlerweile sowieso eher als „Event“, als Teil der Unterhaltungsindustrie an, nicht mehr als sportlichen Wettkampf. Es geht um Spektakel, um Rekorde, um Medaillen, die gestählten Olympioniken um die muskulösen Hälse gehängt werden, während das Publikum ergriffen die Hymne mitsingt.

    Wenn der Entertainment-Faktor hoch genug ist, wird die Masse der Zuschauer nicht abschalten, so lange das IOC zumindest die Illusion von einem funktionierenden Anti-Doping Programm aufrechterhalten kann.

    Im Endeffekt ist es wie überall in der Entertainment-Branche. Die Leute wollen die Illusion, und wenn die Show nur gut genug ist, wird der Zuschauer zum zufriedenen Klatschvieh, der alles bejubelt, was man ihm vorsetzt.

    Seh ich ja bei mir. Obwohl ich die Diskussionen zum Thema Doping sowohl hier als auch bei aas aufmerksam verfolge, ertappe ich mich immer wieder dabei, wie ich einigermaßen gut unterhalten vor dem Fernseher sitze, und die Show geniesse.
    Ist wie im Kino. Man weiss im Grunde, dass es eine Illusion ist, aber so lange man nicht zuviel darüber nachdenkt, ist es trotzdem unterhaltsam.

    Doping wäre in den Griff zu bekommen, wenn die Beteiligten den Willen dazu hätten. Aber den haben sie nicht. Die Illusion ist wichtiger.

    „panem et circensens“, wie der Römer schon sagte…^^

  71. @JW: wenn es erlaubt ist, eine Frage zu deiner täglichen Arbeit. Du schreibst ja nun für verschiedene Zeitungen. Wenn du die Texte fertig hast, schickst du der jeweiligen Redaktion einfach eine mail, mit einem Word-Anhang, und die basteln daraus einen Artikel ? Oder funktioniert das mittlerweile über browser-basierte Systeme, mit upload auf den Redaktionsserver ?
    Hast du Einfluss auf die Fotos, die zu manchen deiner Artikel erscheinen ?
    Wer wählt aus, über was du schreibst ? Gibts da Mindestvorgaben, nach dem Motto, so und so viele Artikel mit so und so vielen Wörtern pro Woche ?
    Wäre echt interessant, mal diesen Teil der Olympia-Berichterstattung zu beleuchten.
    Hardware ist ja nicht alles. ^^

  72. Ich lese jetzt seit Anfang der Olympischen Spiele hier beinahe komplett mit – doch eines ist mir bislang irgendwie durchgegangen: Weshalb seid ihr alle so „scharf“ auf die Zahnspangen? Gibt es da irgendwelche wissenschaftlichen Anhaltspunkte, dass Zahnfehlstellungen durch Doping verursacht werden können? Oder geht es einfach um die auffällige Häufung von Zahnspangenträgern unter den Top-Athleten?
    Wäre dankbar, wenn mich da mal jemand von meinem Schlauch runterholen könnte.

  73. wachstumshormone verursachen als „nebenwirkung“ häufiger auch ein wachsen des kiefers, weshalb die entsprechenden athleten auch mit mitte 20 unter zahnfehlstellungen leiden und eine zahnspange brauchen.

  74. Menschliche Wachstumshormone (HGH) sind eine Form des Dopings, das dazu führt dass plötzlich so einiges im Körper wieder anfängt zu wachsen (u.a. Muskeln & Knochen).

    Neben überproportional großen Händen oder Füßen, wachsen auch Teile des Kopfes. Die entsprechenden Doper zeigen manchmal auffällig großes Kinn, Nase, Stirn oder Wangen. Eine andere Form dieses Wachstums ist das Auseinanderwachsen der Kiefer, dass dann z.B. mit Zahnspangen bekämpft wird.

    Andere mögliche Nebenwirkungen: Diabetes (Upps? Hat nicht erst ein Diabetiker Gold gewonnen?), Tumore, Bluthochdruck.

  75. Ich muss ja mal eines sagen: ich habe mich noch nie so intensiv mit Doping etc beschäftigt wie bei diesen Spielen, ich war bisher so eine ganz naive Hobby-Sportguckerin. Nicht zuletzt dank dieses Blogs und dank dieser Olympiade bin ich nun vollkommen desillisioniert und verliere langsam den Spaß am (Passiv)Sport… Wenn schon im Schießen und Reiten gedopt wird…

    Gibt es denn überhaupt noch Sportarten, in den es wirklich keinen Sinn macht zu dopen? Oder bin ich weiterhin naiv, wenn ich davon ausgehe, dass in einigen Sportarten, die ich gerne schaue, wie Fußball und Turnen, Doping eine marginale Rolle spielt, weil’s dann doch eher die Technik macht?

  76. Okay, wunderbar, das klingt logisch!
    Danke, Linkaussen & dogfood.

    Ich hatte sowas ähnliches ja schon vermutet, aber war mir eben nicht so ganz sicher. Hätte natürlich auch mal selbst recherchieren können, aber hier ist ja immer massenhaft Expertise versammelt. =)

  77. @Ina: Es hat beim Fußball u.a. 2001 eine Reihe von derart hochkarätigen Dopingfällen gegeben (Edgar Davids, Stam, De Boer), dazu eine Verurteilung des Mannnschaftsarztes von Juventus der Mitte der 90er Jahre der Mannschaft EPO verabreicht hat plus die Spekulationen um spanische Fußball-Mannschaften die auch Fuentes-Kunden gewesen sein sollen … und und und

    … nimmt man all das zusammen, würde ich eher sagen dass der Fußball davon profitiert das sehr wenig entdeckt wird, als dass er wirklich ein sauberer Sport ist.

    Ob Doping im Fußball die gleiche Verbreitung hat wie beim Radsport… wahrscheinlich nicht. Da wäre vermutlich angesichts der Mengen an involvierten Personen mehr durchgesickern. Aber keine Ahnung wie weit verbreitet es dort ist.

  78. @Ina: Mir fällt gerade keine Sportart ein, in der Doping nicht hilfreich wäre. Sogar im Schach hat es Dopingfälle gegeben (zur Konzentrationssteigerung oder gegen Müdigkeit). Mann muss wohl über die Kette „Je weniger Geld damit verdient werden kann, desto geringer die Dopingwahrscheinlichkeit“ gehen. Nur wird das bei Olympia übers Prestige/Medaillenspiegel ausgehebelt.

  79. Pingback: Leichtathletik-WM, Tag 2 : jens weinreich

  80. Pingback: From Russia with love (II): Bolts Hebel … : sport and politics

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

What they say
"I give a shit on you!
I shit on German media!"
Husain Al-Musallam
President World Aquatics
and Co-Conspirator #3
coming soon
fund journalism
FIFA Watch
best of