Peking, Tag 10
02.12: Die Nachrichtenagenturen melden, Georgien wolle sein Team zurückziehen. Bei Reuters habe ich zuvor gelesen:
The Georgian Olympic team urged the international community to help end the violence. „This deliberate strategy of aggression has grown into a full-scale military intervention involving all regions of Georgia,“ the athletes said in a statement. „Georgia calls upon the international community to make it clear (to Russia) that intrusion into and bombing of the territory of a sovereign state is unacceptable in the 21st century and that such acts cannot and will not be tolerated.“
Und bei Paul Kelso vom Guardian fand ich diese Passage, die vom russischen Olympic Spirit zeugt:
Russian Olympic Committee spokesman Gennady Shvets said that the team had been upset by reports of up to 1,500 deaths, and were following developments closely. He insisted that preparation would not be interrupted, but attacked the Georgian president. „Our athletes are doing what they’ve prepared for years. There’s no politics.“ Describing Georgian president Mikheil Saakashvili, who is backed by Washington, he said: „He’s stupid, a criminal, mentally ill, he should go to a clinic. Normally during the Olympics countries try to calm down any conflicts they have.“
03.30: Offenbar bleiben Sie doch, meldet dpa unter Berufung auf AP.
09.02: Im Water Cube. Noch 58 Minuten bis Michael Phelps seinen 23. Weltrekord schwimmen und seine siebente olympische Goldmedaille gewinnen wird (hoffentlich habe ich richtig mitgezählt). Man sieht nicht viel, die Presse sitzt unterm Himmel, dort unten bewegen sich kleine Menschen. Aber es gibt Bildschirme auf den Presseplätzen. Und das Internet funktioniert, aber mit Schrittgeschwindigkeit. Man kann nicht alles haben.
09.11: Noch nicht richtig geschwitzt heute. Morgens ist es kühl, nur so 28 Grad. Dafür begann ein gefühlter Monsunregen, als ich auf dem Weg zum Water Cube war. Doch wieder durchfeuchtet.
09.25: Mein belgischer Freund Hans amüsiert sich über meinen USB-Propeller, der mir etwas Luft zuführt. Er macht gleich mal ein Foto für sein Blog. So sieht das also aus: Reporter mit Propeller im Schwimmstadion – in der Mitte, drei rosa Rotorblätter, über dem Kaffeebecher, den ich entgegen der Anweisungen des BOCOGs auf die Tribüne verschleppt habe. Ein Volunteer hat mich mehrfach nachdrücklich auf das Vergehen aufmerksam gemacht. Ich habe ihn mit freundlichem Nachdruck darauf hingewiesen, dass ich gedenke, meinen Kaffee zu trinken, und zwar hier. Darauf hin meinte er: „Okay, sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie fertig sind. Ich bringe den Becher weg.“ Ich denke, das war übertrieben, den Abfallbehälter werde ich schon finden.
09.37: Da wir gerade beim Thema Getränke und Speisen sind. Bei der Gelegenheit erzählt Hans, dass sich in der Nähe vom Poly Plaza, wo wir nächtigen, ein sensationeller Entenbrater befinden soll. Die beste Peking-Ente von Peking macht offenbar Meisterkoch Da Dong. Das hat er in einem belgischen Gourmet-Führer gelesen. Hans, ein passionierter Marathonläufer, gertenschlank, hat sich bei Da Dong deshalb gleich eine ganze Ente bestellt, die hier gerade zugeschnitten wird – und hat offenbar immer noch Bauchweh.
09.54: Noch sechs Minuten bis Phelps Weltrekord schwimmt. Um die Zeit sinnvoll zu nutzen, empfehle ich diese Lektüre: Iranian Swimmer Pulls Out of Heat That Includes Israeli.
09.58: Phelps betritt das nur halb gefüllte Schwimmstadion …
10.03: … liegt nach 100 Meter Schmetterling 46 Hundertstel unter WR …
10.04: … nach Rücken 83 Hundertstel drunter, aber Lochte bleibt dran …
10.05: … nach Brust 1,40 Sekunden drunter, halbe Länge vor Lochte, eine vor Cseh …
10.06: … nach 330 Metern ist es entschieden: 4:03,84 – Weltrekord. 7. Olympiasieg. Drei Goldene fehlen noch zum ewigen Rekord.
10.12: Don’t mix sport with politics:
Nach Angaben der Menschenrechtsgruppe Chinese Human Rights Defenders ist Zeng Jinyan, die Frau des Bürgerrechtlers Hu Jia, seit Donnerstag verschwunden. Die Behörden hätten offenbar verhindern wollen, dass sie während der Spiele mit Journalisten spreche. Es sei zu befürchten, dass Zeng in Polizeigewahrsam sei und misshandelt werde. Zengs Mann wurde im April wegen „Aufrufs zum Umsturz der Staatsmacht“ zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. (AP)
10.48: Dieses Bild wird man noch oft sehen im Water Cube. Vielleicht sogar sieben Mal, nur die Burschen rechts und links neben Phelps werden andere sein. Vielleicht klappt’s beim nächsten Mal auch mit der Hymne. Diesmal fiel der Ton vor den Schlusstakten aus.

PK mit dem Fahnenträger in spe[/caption]
09.04: Die 120. IOC-Session hat bereits begonnen, doch im kleinen Medienraum in der 14. Etage des Beijing Hotels funktioniert der Fernseher noch nicht (Panasonic/IOC-Sponsorenprodukt). Es dauert eine Weile, dann kann man wenigstens die Sitzung beobachten, allerdings ohne Übersetzung, was ich noch nie erlebt habe, seit die wir die Sessionen verfolgen dürfen. Akzeptable Arbeitsbedingungen sind das natürlich nicht. Ein Fernseher, 36 Arbeitsplätze. Das ist alles. Das IOC hat auch nur rund 30 Journalisten, allesamt olympische Dauerberichterstatter, für diese Session zugelassen. Insofern bin ich ein privilegierter Reporter, obgleich der Kollaboration mit dem IOC unverdächtig. Kollegen, die sich hier ausnahmsweise für das IOC interessieren, 
11.32: Wieder im Pressezentrum, im MPC. Noch ziemlich leer, aber in Kürze wird es überfüllt sein. Die meisten Journalisten reisen erst kurz vorher an. Was die Chinesen organsiert haben, ist sehr clever, ich weiß nicht, wer ihnen den Tipp gegeben hat, aber es wird die Journalisten durchaus bezirzen: Denn die Wartezeiten an Sicherheitscheck sind bislang sehr kurz. Das liegt nicht nur daran, dass noch viele Akkreditierte fehlen. Normalerweise läuft das so: Die Reporter werden von Bussen zum MPC (oder zum IBC, dem International Broadcasting Centre) gekarrt, dann stehen dort eben mitunter Hunderte Menschen Schlange vor der Security. Hier läuft das so: Der Check wird gleich im Hotel gemacht. Wer an einem der offiziellen Medienhotels, dazu gehört mein Poly Plaza, in den Bus will, der wird gleich dort überprüft. Bei 200 Medienvertretern im Poly Plaza und Bussen, die alle halbe Stunde fahren, lässt sich ausrechnen, dass das nicht sehr lange dauern kann. Am MPC springt man raus und kann sofort an den Schreibtisch. Sehr gut. Denn ist ist ja so: Journalisten sind total gelassen und absolut uneitel, sie murren nie über ihre Arbeitsbedingungen und wollen überhaupt nicht zuvorkommend behandelt werden – das wissen auch die Chinesen, die zwar das Internet zensieren, sonst aber darauf achten, dass sie diese komischen langnasigen Reporter nicht sehr vergraulen. Der Herr Li vom Poly Plaza, der für Sicherheit und solche Dinge zuständig ist, dieser Herr Li also, kennt die meisten Reporter beim Namen. Wahrscheinlich kennt er auch meine Biografie. Einem belgischen Kollegen jedenfalls hat er Li schon einen Kommentar ins Blog geschrieben. Er liest mit. Besser so, als heimlich auf der Festplatte. Aber auch das soll vorkommen.