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A rare act of resistance: Harald Vervaecke’s furious letter to all sports world federations

A rare act of resistance: Harald Vervaecke’s furious letter to all sports world federations

Read the English version below.

Der Belgier Harald Vervaecke, Secretary General of the International Life Saving Federation (ILS) hat heute einen Brief an alle Mitglieder der Global Association of International Sports Federation (GAISF) geschrieben. Es ist ein seltener Akt des Widerstands in der vom IOC mit harter Hand geführten olympischen (und auch nicht-olympischen) Welt.

Die GAISF-Mitglieder treffen gerade in Lausanne ein, wo am Montag das sogenannte IF Forum und am Dienstag die GAISF-Generalversammlung stattfinden. Auf dem GAISF-Treffen soll die Auflösung des einst so stolzen und wichtigen Gremiums und die Angliederung an SportAccord beschlossen werden, den bisherigen Business-Arm von GAISF.

Absurd. Wahnsinn. Dubios.

Harald Vervaecke kämpft dagegen – und damit automatisch auch gegen die IOC-Gottheit Thomas Bach. Denn so wird es in Lausanne gelesen.

Es gibt etliche außerordentliche bemerkenswerte Details im Brief von Vervaecke. Zum Beispiel diese Feststellung:

The IOC is not the official organ that represent the Sports.

The IOC is a Global Multi-Sport Games Organiser. The Olympic Games are the largest multi-sport event in the world in terms of worldwide interest and importance (though not in participation).

Das ist auch deshalb so bemerkenswert, weil das IOC und seine Verbündeten es ja zum Beispiel gerade bei der Lobby-Arbeit zum „europäischen Sportmodell“ es so dargestellt haben, als würde Breitensport ohne Olympische Spiele und die IOC-Vermarktung nicht existieren.

Versionen der großen Geschichte. Recherchen vieler Leben.

Vorsicht, es sind knapp vier Stunden (inklusive Pipi-Pause) zur FIFA und zur WM in Katar. Stammgäste in diesem Theater können leichter folgen als die normale Zuseherschaft des wunderbaren politischen Talkformats Jung & Naiv:

Keine Angst, Tilo und ich streiten uns nicht, wir spielen nur. Es hat Spaß gemacht. Man kann es immer besser machen. (Immerhin hat das Video mehr als 1,1 Millionen Aufrufe inzwischen, im Sommer 2023.)

Es ist verrückt, auf dem Weg ins Studio befürchtete ich, kaum etwas rauszubekommen. Habe in den vergangenen Wochen nur gelesen und geschaut, all die Dokumentationen und Dokumente und Bücher. So viele Erinnerungen aus einem Vierteljahrhundert FIFA-Recherche, mittlerweile sind auch schon 19 Jahre seit meiner ersten Reise nach Katar vergangenen, als ich gemeinsam mit dem damaligen FIFA-Exekutivkomitee bei Mohamed Bin Hammam zu Gast war – mit Franz, mit Don Julio, mit Michel, Mit Sepp, Chuck, Jack the Ripper, mit Tricky Ricki und all den anderen Kameraden und Ganoven. Jedenfalls: So vieles schon vergessen. So viele wunderbare Episoden und Zitate, so viele Sachverhalte, manche Namen. Gleichzeitig kamen so viele Erinnerungen hoch, irre.

Es wurden knapp vier Stunden. Und als ich nach Hause fuhr, wurde mir klar, ich hätte acht weitere Stunden erzählen können, dabei aber ganz andere Geschichten bzw die große Geschichte in anderen Worten.

Gleichzeitig wurde mir einmal mehr klar in den vergangenen Wochen beim Graben im Archiv und im Gedächtnis, beim Trainieren der Synapsen: Die ganz große Geschichte ist zu viel für einen einzelnen.

WM-Programmvorschau: @JungNaiv am 21. November

Katar, die Sklaven-WM, die FIFA-Kriminalität und Staatskorruption … all das Themen, die hier seit Ewigkeiten verhandelt werden. Am kommenden Montag, 21. November 2022, live im Youtube-Theater bei Tilo Jung & Co. Fragen könnt Ihr gern auch schon hier hinterlassen.

Es wird hier in den nächsten Wochen einiges passieren. Stay tuned. Meldet Euch bitte für den Newsletter an, denn auch die Newsletter werden zur WM reaktiviert.

Lasst mich noch ein paar Tage dafür schuften.

Die WM lasse ich aus – nach Katar fliege ich nicht. Habe meine Akkreditierung zurückgegeben und das kürzlich auf Twitter kurz begründet …

Herbert Fischer-Solms †

Kopenhagen, 2003, 2. Welt-Anti-Doping-Konferenz

„Ich möchte davon ausgehen, dass diejenigen, die mir die Ehrung mit dem Heidi-Krieger-Preis für Anti-Dopingkampf zugedacht haben, mich soweit kennen, dass sie gewusst haben: Fischer-Solms war ein unabhängiger unbestechlicher Mensch, und er wird es auch danach bleiben.“

Herbert Fischer-Solms, 2012

Der Journalismus, der deutsche politische Sportjournalismus, hat einen Großen verloren, den besten Kenner deutsch-deutscher Sportpolitik. In der Nacht zum Sonntag ist Herbert Fischer-Solms gestorben. Im Dezember wäre er 76 geworden. Er hat Generationen von Journalisten geprägt, auch mich. Er war Mentor, Kritiker, väterlicher Freund, klug, hartnäckig, kämpferisch und stets optimistisch. Danke für alles, Herbert.

Deutschland und seine Olympiabewerbungen …

… es bleibt ein Jammer. Es tut weh, das weitgehend embryonale Niveau der medialen Diskussion zu verfolgen.

Deshalb ein bisschen Bildung. Fakten, so wichtig.

Fast alles, was ich vor 17 Monaten in meiner Stellungnahme für den Sportausschuss des Bundestages zusammengetragen habe, ist noch brandaktuell.

Das Papier vermittelt ein Mindestmaß an Wissen, bestens belegt übrigens, das man sich für eine angemessene Diskussion über deutsche Olympiabewerbungen aneignen sollte – ob als Sportpolitiker (BMI, SMK, Parteien), Sportfunktionär (DOSB et al) oder Journalist.

Allianz von FIFA und Schurkenstaaten: Wer nicht aufsteht und handelt, macht sich mitschuldig. 

DOHA. Wer in den vergangenen Wochen über eine angebliche Zeitenwende im Weltsport orakelt hat, sollte sich nochmal die Aufzeichnung des 72. FIFA-Kongresses anschauen. Im Doha Exhibition and Convention Center, wo am vergangenen Freitagabend die Gruppen der Fußball-WM 2022 ausgelost werden, gab es am Donnerstag auf der Vollversammlung des Weltverbandes einen Vorgeschmack darauf, wie die FIFA und Katar im nächsten Dreiviertel Jahr argumentieren werden. In Kurzfassung:

Die WM in Katar ist ein Segen für die Menschheit.

Kritik an den Zuständen an den WM-Baustellen, den vielen tausend Toten, an der Beschneidung der Pressefreiheit, an der Menschenrechtslage, an Korruption – all das mit dieser Männer-WM in Katar seit mehr als einem Jahrzehnt verbunden – oder gar Boykottforderungen? Alles bösartige und verlogene Voreingenommenheit des Westens, basierend auf Unkenntnis der wirklichen Lage. Darauf lassen sich die Botschaften reduzieren, die FIFA-Präsident Gianni Infantino, Mitglieder der feudalistischen Herrscherfamilie Al-Thani und Hassan Al-Thawadi, weltgewandter CEO des Organisationskomitees, in Doha verbreiteten.

„Meine Tür ist offen für alle, die die Themen verstehen“, sagte Al-Thawadi. Er unterstellte der norwegischen Verbandspräsidentin Lise Klaverness, die eine bemerkenswert kritische Rede gehalten hatte, sie habe zuvor nicht den Kontakt gesucht. Was Lise Klaverness umgehend zurückweisen musste.

The coalition of Olympic perpetrators

The IOC and the Olympic federations are obliged to do much more to punish Russia and its warmonger, Vladimir Putin, argues investigative reporter Jens Weinreich and provides a long list of examples. He calls for a comprehensive independent criminal investigation of the longstanding deep connection of the Olympic institutions with the Kremlin within the framework of the EU. (Comment first published by Play the Game)

A week after the Russian invasion in the Ukraine, world sport led by the International Olympic Committee (IOC) has largely cut ties with the aggressors Russia and Belarus.

Under great public pressure, the IOC gave direction in a statement on 28 February. A few hours later, the two federations with the highest turnover in the Olympic business besides the IOC acted: the International Federation of Association Football (FIFA) and the Union of European Football Associations (UEFA). Both excluded Russian teams from their competitions.

At the same time, in the middle of a war, UEFA terminated the sponsorship agreement with its long-time partner Gazprom. While the IOC decisions affect Russia and Belarus, FIFA and UEFA exempt Belarus from the sanctions.

This came a week after the first of so far five sanctions packages by the European Union – and two days after the Norwegian Olympic and Paralympic Committee and Confederation of Sports and the The National Olympic Committee and Sports Confederation of Denmark called for Russia and Belarus to be completely excluded from sports. Two days feel like two months in times of war, when events are overlapping. Two days are half an eternity. 

Child athletes are too valuable for the Olympic system to set age limits

The Olympic Games thrive on high-performing children – some of them so young that they are not even allowed to compete in the Youth Olympic Games. Jens Weinreich discusses why it is so hard for Olympic sports federations to set age limits and shows how it leaves child athletes vulnerable to authoritarian states chasing medals and sport glory. (First published by Play the Game)

The doping case of Kamila Valieva has raised questions about a minimum age for Olympic athletes. Again. The age rules are defined very differently in the seven Olympic winter sports federations. It is no different among the summer sports federations. Age regulations sometimes differ even within these federations, depending on the sport, discipline, or gender. In the International Skating Union (ISU), a proposal to raise the minimum age in figure skating from fifteen to seventeen years failed most recently in June 2018. Of course, at the ISU congress at the time, the Russians also voted against this proposal.

The International Olympic Committee (IOC) introduced the Youth Olympic Games (YOG) at its 2007 Session in Guatemala. Why are there these global competitions called YOG, when at the same time children participate in – how shall we say: real – Olympic Games? Why is there so little coordination? Why has not even the IOC, as the sole owner of these circus events, reminded us of these Youth Games in the bitter discussions of the past weeks?

Auch in Peking 2022: Relativ schwache Medaillenausbeute der SportsoldatInnen

Siegerehrung Viererbob. (Foto: Imago)

Das Abschneiden der deutschen Athleten1 in Peking in 2022 ist insgesamt mit 27 Medaillengewinnen und dem zweiten Platz im Nationen-Ranking erfreulich. Die folgenden Ausführungen sollen dies nicht in Abrede stellen, sondern einen Beitrag leisten, dass die AthletInnen aus denjenigen deutschen Sportverbänden mit relativ wenig Medaillen in Zukunft bessere Bedingungen vorfinden.2

Vor zehn Jahren wurde für London 2012 erstmals anhand von Statistiken darauf hingewiesen, dass SportsoldatInnen – entgegen einer allgemeinen Wahrnehmung – weniger erfolgreich bei Olympischen Spielen abschließen als andere Berufsgruppen.3

Geändert hat sich (zu) wenig: 55 SportsoldatInnen konnten sich für Peking 2022 qualifizieren; damit stellten die SportsoldatInnen 37% der insgesamt 150 AthletInnen starken deutschen Olympiamannschaft (Bundeswehr 2022).4 Die Berufsgruppe der SportsoldatInnen ist am stärksten vertreten, gefolgt von den 30 PolizistInnen und 26 VollzeitsportlerInnen.

Allerdings erwiesen sich die SportsoldatInnen auch in Peking 2022 im Vergleich mit anderen Berufsgruppen erneut als weniger erfolgreich.

Compromat. KGB. FSB. GRU. A brief intelligence overview of Vladimir Putin’s relationship with the IOC

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KGB officer and former FSB boss Vladimir Putin and Vitaly Smirnov, honorary member of the IOC, honorary president of the ROC, organizer of the 1980 Games in Moscow – head of the so-called investigation committee on doping in Russia, and, of course, a former KGB spy. (Photo: Imago/Evgeny Biyatov)

Once again, a dubious institution, the Court of Arbitration for Sport (CAS), has ruled in favour of the Russian doping system. Why is that? Why are the rules repeatedly bent in favour of the Russians? Why is Russian influence still so great after all the doping and corruption scandals?

The most important answer is, of course: Vladimir Putin and the oligarchs and Russian corporations in his thrall. You will find dozens, maybe even hundreds of articles on this in this theatre here. Two multi-billionaires, Alisher Usmanov and Vladimir Lissin, run the world Olympic federations in fencing (FIE) and shooting (ISSF). The millionaire Umar Kremlev is president of the World Boxing Federation (now IBA) and a member of the Putin-affiliated, nationalist motorbike rocker club Night Wolves. Russian corporations like Gazprom are also active and influential as the main sponsors of some international sports federations.

(You may know that it is risky just to mention the man of honour Alisher Usmanov. His lawyers are quite aggressive about it. Anyway, many other non-Russian current/former IOC members and IF presidents, always very close to Putin: René Fasel, Jean-Claude Killy, Sheikh Ahmad Al-Fahad Al-Sabah, Julio Maglione, Gianni Infantino, Lamine Diack and many more, most of them very dubious figures.)

Not to forget Roman Abramovich, who played a co-decisive role in the successful bid for the 2018 World Cup on Putin’s instructions. Of course, as in other nations (Qatar in particular, but also England, the USA and the Netherlands), this bid involved numerous intelligence agencies and some of the best-known spy firms on the planet (Kroll, for example).

So, another answer to the questions about Russia’s special Olympic role is: Compromat.

Compromised, possibly incriminating material. The classic, not only in Russia.

Putin and the IOC – a short intelligence review:

Von Olympia-Verlierern, Schein und Sein, West-Paketen und Corona-Toten

Die ersten Medaillen sind vergeben. Nun also zum Sport! Mal schauen, ob es mir gelingt, diesen Text halbwegs akzeptabel ins Englische zu übersetzen. To my English-speaking readers: Below you will find an attempt at a translation. Only this time I am not sure if it will be reasonably comprehensible. Perhaps you need to know a little more about German history and East-West German sensitivities.

Mit Olympischen Spielen ist es wie mit der Musik oder mit dem Geruch von West-Paketen: Die Erfahrungen der Jugend prägen. Psychologen haben das Feld der Erinnerungsfilter recht gut erforscht. Sollte es Ihnen gelegentlich ähnlich ergehen wie mir, können Sie sich beruhigen. Sinnlos, sich dagegen wehren zu wollen. Es wird mit dem Alter immer schlimmer.

Ich muss mich also nicht schämen, wenn ich manchmal tagelang peinliche 1980-er Jahre Songs im Kopf habe und einfach nicht abstellen kann. Oder wenn ich im Supermarkt stehen bleibe und schnüffele, weil mich diese Duftmischung an etwas erinnert. Als Schüler habe ich sechs Jahre lang zu Weihnachten Pakete ausgeliefert und mir gute Trinkgelder verdient. Die Leute waren glücklich, wenn ihre gelben Westpakete komplett ankamen. In der Garage der Deutschen Post in Wolmirstedt, wo ich damals wohnte, wurde die kostbare Fracht allerdings von den Lastkraftwagen gekippt. Manche Pakete platzten auf, viele waren von der Stasi geöffnet worden. Es roch wie im Intershop. 

Surreale Erinnerungen. Wer kennt sie nicht? Einfach geschehen lassen. Sie verschwinden so plötzlich, wie sie gekommen sind, um demnächst garantiert wieder aufzutauchen.

So ähnlich ist es mit Olympia. Und deshalb ging mir in den vergangenen Wochen der Name Anatoli Aljabjew nicht aus dem Sinn, wann immer ich an Frank Ullrich denken musste.

Komisch, nicht? Aber erklärbar.

Der Maaßen-Besieger

Frank Ullrich aus Trusethal wurde 1980 in Lake Placid Olympiasieger im Biathlon über die 10-Kilometer-Distanz. Der Russe Aljabjew gewann damals über 20 Kilometer und mit der Staffel. Ullrich war gewissermaßen einer der Helden meiner Kindheit, ein Botschafter im Trainingsanzug, wie es damals hieß. Major der Nationalen Volksarmee, später Bundestrainer, seit Herbst 2021 mit einem neuen Parteibuch (SPD) im Bundestag. Dort wurde er auf den Posten des Vorsitzenden im Sportausschuss gehievt, weil er seinen Wahlkreis gegen den Ober-Schwurbler Hans-Georg Maaßen gewonnen hatte. (Habe ich unten mit right-wing liar and hate preacher übersetzt. Korrekt? Oder soll ich noch nazi dazuschreiben?)

Wenn ich also an Ullrich denke, was beruflich zu meinen Routinen und Pflichten gehört, fällt mir automatisch Aljabjew ein, und zwar seit jenen Februartagen des Jahres 1980, seit 42 Jahren. Da kann man nichts machen.

Ullrich holte neben seiner Goldmedaille zweimal Silber – jeweils hinter Aljabjew. Ein zweiter Platz bei Olympia war im DDR-Sport mitunter wie eine Niederlage.

Lake Placid, 1980, Siegerehrung 20 km: Frank Ullrich, Anatoli Aljabjew, Eberhard Rösch (von links). Foto: IMAGO/Werek

Während sich für viele im Westen sozialisierte Deutsche mit den Winterspielen in Lake Placid der Ruf des Fernsehreporters Bruno Moravetz verbindet („Wo ist Behle?“), blieb mir bis heute die Frage hängen:

Wo ist Siebert?