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Jens Weinreich

Zwanziger/DFB ./. Weinreich: Spenden und Mitleidsbekundungen

Es folgt ein Text, gegen den ich mich seit drei Monaten sträube. Ich weiß, dass ich Ende November, als ich großspurig das Dreinull verkündete, darum bat, von Spenden und anderen Mitleidsbekundungen abzusehen. Inzwischen sehe ich das anders. Zwar sind seither ein weiterer Gerichtsbeschluss und ein Urteil zu meinen Gunsten ergangen. Doch meine Kosten sind beträchtlich gestiegen. Längst hat sich eine fünfstellige Summe an Anwalts- und Gerichtskosten angehäuft, nur ein Teil davon muss die Gegenseite erstatten. Für alle Nichtjuristen: Es ist keinesfalls so, dass ich keine Rechnungen begleichen muss, nur weil ich bislang vor Gericht gut abgeschnitten habe. Denn die Kostenfestsetzungen der Gerichte bemessen sich u. a. an den gesetzlichen Anwaltsgebühren. Ich nehme allerdings mit Hogan & Hartson Raue LLP die Dienste einer International Law Firm in Anspruch, mit der ich außerordentlich zufrieden bin – vor allem, natürlich, mit meinem Anwalt Ulrich Amelung.

Anfang Januar wollte ich aussteigen, die Auseinandersetzungen komplett beenden, als mir klar wurde, dass ich juristisch schon auf drei Hochzeiten tanze (s. u.) und es mir finanziell zu riskant wurde. Nach langen Gesprächen mit Freunden habe ich davon Abstand genommen. Das Hauptargument: Ich würde mich lächerlich machen, der ganze Kampf sei für die Katz gewesen, der DFB würde meinen Ausstieg gnadenlos in einen kolossalen Sieg umdeuten und über seine PR-Kanäle ausschlachten. Ich weiß nicht, ob ich nicht doch irgendwann aussteige. Es schlaucht; was ich trotz gelegentlicher Großmäuligkeit mehr als einmal deutlich gemacht habe. Vor allem aber: Im Wochenrhythmus steigen die Kosten, sie könnten leicht explodieren und sich verdoppeln, sollte ich einmal vor Gericht unterliegen, was ja denkbar ist, dann kämen die gegnerischen Anwalts- und weitere Verfahrenskosten hinzu. Der Umstand, dass ich im Spätherbst 2008 rund vier Wochen keine Einnahmen hatte, weil ich mich um diese Auseinandersetzung kümmern musste, macht es nicht einfacher. Jemand hat mir mal überschlagen, dass es 70.000 Euro sein könnten, würde ich in einigen Jahren in der letzten Instanz unterliegen. Nur so, als grob geschätzte Hausmarke.

Die Strategie der Gegenseite, wenn ich das so bezeichnen darf, zeichnet sich relativ klar ab, was mir auch durch Personen, die dem DFB nahe stehen (ich hoffe, mich auf den Quellenschutz berufen zu dürfen), vermittelt wird. Achtung, dies ist eine weitere Meinungsäußerung, mein Eindruck: Die Gegenseite versucht alles, um die drei juristischen Handlungsstränge auszuweiten, die Sache in die Länge zu ziehen und das finanzielle Risiko für mich zu erhöhen, nebst nervlicher Belastung. Da passieren abstruse Dinge. Da wird dann eben auch, nicht nur einmal, über die Rechtmäßigkeit der Zustellung eines Gerichtsbeschlusses per Fax gestritten, nachzulesen etwa in diesem Urteil

Die drei Handlungsstränge habe ich schon einmal skizziert. Von einem Laien für Laien, für Juristen ist das nichts Neues:

  1. Das Landgericht und das Kammergericht Berlin sind nicht der Meinung, dass der DFB/der DFB-Präsident mir die Kommentierung „uD“ aus dem Juli 2008 untersagen dürfen und meinen, dass diese Kommentierung vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt ist. Ob der DFB/sein Präsident ins Hauptsacheverfahren einsteigen, ist unklar. Dazu gab es etliche widersprüchliche Aussagen.
  2. Am Landgericht Berlin habe ich eine einstweilige Verfügung gegen eine DFB-Pressemitteilung erwirkt. Gegen zwei Unterpunkte dieser Verfügung hat der DFB Widerspruch eingereicht, das Landgericht bestätigt im Urteil vom 20. Januar 2009, das nach mündlicher Verhandlung erging, diese Verfügung. Dagegen hat der DFB Berufung eingelegt. Schon vorher hatte die Gegenseite mich aufgefordert, ins Hauptsacheverfahren zu gehen. Diese Hauptsacheklage haben wir fristgemäß am 23. Januar eingereicht, sonst wäre – so ist mein Verständnis – die Verfügung nicht mehr gültig gewesen.
  3. Am Landgericht Frankfurt am Main habe ich eine Gegendarstellung gegen einige Punkte der o. g. DFB-Pressemitteilung erwirkt. Wir haben später auch beantragt, den DFB durch Verhängung eines empfindlichen Zwangsgeldes zur Verbreitung der Gegendarstellung anzuhalten. Der DFB hat Widerspruch eingereicht, wollte den Streitwert des Verfahrens erhöhen (was das Gericht ablehnte) und bestritt die Rechtmäßigkeit der Zustellung der Verfügung per Telefax.

Zur mündlichen Verhandlung über den Widerspruch zu Punkt 3 kommt es am 5. März 2009, 11.30 Uhr, am Landgericht Frankfurt am Main: Raum 391, Geb. B, im Justizgebäude, Gerichtsstr. 2. Ich werde dort sein.

Wenn mich jetzt jemand als Prozesshansel bezeichnen möchte. Nur zu. Das ist meine geringste Sorge.

  • a) Ich hätte natürlich einfach im August die Unterlassungsverpflichtungserklärung abzeichnen und dem DFB-Anwalt seine Kosten erstatten können. Dann wäre die Sache erledigt gewesen.
  • b) Ich hätte auch, weil ich mich schon nicht zu a) durchringen konnte und in diesem Nichtdurchringen vom Landgericht und Kammergericht Berlin bestätigt wurde, einfach die wahrheitsbeugende „Pressemitteilung“ des DFB vom 14. November akzeptieren können. Dann wäre die Sache erledigt gewesen.

Hätte ich das?

Oder gab es nicht doch gute Gründe, so zu entscheiden, wie ich entschieden habe? 

Der ganze Spaß kann drei Jahre dauern, sagen mir Juristen, die sich auskennen. Bis zur letzten Instanz in allen drei Handlungssträngen. Wobei ich hoffentlich ungestraft erwähnen darf, dass nahezu jeder richterliche Beschluss, jedes Urteil angefochten wird. Gern auch Kostenbescheide. Gern mit einer Zeile des Widerspruchs. Begründungen kommen später, müssen mitunter angemahnt werden. Versucht wird auch, den Streitwert bestimmter Verfahren heraufsetzen zu lassen. So hat vergangene Woche das Landgericht Frankfurt am Main einen Beschluss gefasst, den Streitwert im Gegendarstellungssache bei 10.000 Euro zu belassen – und nicht „auf ca. 20.000 Euro“ zu erhöhen, wie die Gegenseite beantragt hatte. 

Ich glaube also, das Vorgehen derjenigen, die die Kommunikationsherrschaft anstreben, zu erkennen. Und ich finde, der DFB-Präsident wurde erstmals gut beraten, als er kürzlich seinen Rücktritt vom angekündigten Rücktritt ankündigte und erklärte, über die Klageerhebung gegen mich sei noch nicht entschieden, man wolle erst „ein Gutachten“ abwarten. Dadurch wird der Eindruck erweckt, man bestimme die Handlung; was in gewisser Weise sogar stimmt, denn es handelt sich um ein Diktat des Geldes. Dadurch wurde der juristischen Auseinandersetzung Brisanz genommen, hatten sich doch gerade deutsche Leitmedien für das Thema interessiert, was plötzlich hinfällig wurde. Das mediale Interesse am Streitfall DFB/Zwanziger vs. Weinreich sank also wieder. Der deutsche PR-Rat hat offenbar auch kein Interesse mehr daran, die von Gerichten gerügte zweifelhafte Qualität der DFB-Pressemitteilung vom 14. November zu würdigen. Deutsche Journalistenverbände hatten sich ohnehin nur zögerlich dazu geäußert, Hilfe darf ich nicht erwarten.

So kann sich also der DFB-Präsident darauf konzentrieren, demokratische Tugenden zu predigen, die Internetpräsenz seines Verbandes zu verbessern und im März in Kopenhagen in den Vorstand der Europäischen Fußball-Union (Uefa) einzuziehen, was nicht sonderlich schwer ist und in den vergangenen Jahrzehnten nur seinem Vorgänger einmal kolossal misslang, 1998 in Dublin. In dieser relativen Ruhe lassen sich die juristischen Angelegenheiten, die sich – Achtung, eine weitere Meinungsäußerung – im Prinzip in Widerspruchsschreiben erschöpfen, unauffälliger voran treiben.

Voting für Sepp Blatter: Wer soll die Fifa-Ethikkommission leiten?

Ich habe mir echt Sorgen gemacht, als ich vorhin den Beitrag über Lord Coe gepostet habe. Immerhin ist die Fifa-Ethikkommission derzeit ohne Boss. Was soll nur werden? Übernimmt jetzt Petrus Damaseb aus Namibia den Vorsitz, der nominelle Stellvertreter? Oder jemand anderes aus dem ehrwürdigen Gremium?

Ich denke, wir/Sie/also die Leser dieses Blogs sollten Joseph Blatter Hilfestellung leisten. Am Freitag, 10 Uhr, tagt die Ethik-Kommission im Fifa-Hauptquartier in Zürich. Ich habe aus den Mitgliedern der Ethik-Kommission und einigen illustren Vertretern aus dem Fifa- und Fußballbusiness, die mir auf die Schnelle einfielen, mal eine Liste gebastelt, über die abgestimmt werden kann. Das Voting endet am Freitag, 20. Februar, 8 Uhr, so dass ich noch vor der Sitzung eine Email mit unserem/Ihrem Favoriten nach Zürich schicken kann. Geht das in Ordnung?

Sotschi 2014: PR vs Journalismus

„Dear friend“, eine kleine aber nicht unwichtige Korrektur zu meinem gestrigen Beitrag „Putin zu Sotschi: We must cut construction costs“. Ich weiß zwar nicht, was ich missverstanden habe, entschuldige mich dafür dennoch bei Dmitri Kosak, Wladimir Putin, Dmitri Medwedjew und den Olympia-Organisatoren. Aus Sotschi bzw. vom Server der Schönfärber PR-Agentur Weber Shandwick, einer jener Giganten, die im Olympiabewerber-Business Geschäfte machen, kommt gerade diese Email, die alles richtig stellt. Es stimmt schon, dass die Regierungszusagen für Sotschi um 15 Prozent gekürzt wurden. Aber nur, weil man die Ausgaben optimiert und billigeres Baumaterial gefunden hat. Ach so, klar, das musste noch einmal gesagt werden. Hier der Beweis für die laut RIA Novosti sehr erfreuliche Nachricht:

Von: Sochi2014 Media [mailto:sochi2014media@webershandwick.com]
Gesendet: Mittwoch, 18. Februar 2009 13:59
An: Sochi2014 Media
Betreff: Statement on Sochi 2014’s budget

Dear Friend,

The press office of the Deputy Prime Minister of Russia today made the following statement in relation to positive cost savings made associated with the development of Sochi as a mountain-climate resort:

Putin zu Sotschi: “We must cut construction costs”

Ich sage ja immer, dass es sich lohnt, schräge Webseiten aufzusuchen. Dazu zähle ich die der russischen Regierung. Die Meldung, dass Russland den Etat für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi um 1,4 Milliarden auf äußerst bescheidene 8 Milliarden Euro kürzt, ist ja inzwischen auf dem Markt. Das kommt aber überraschend, nicht wahr? Es werden 15 Prozent Kosten für die Wettkampfstätten eingespart, erklärte Vize-Premier und Olympiaminister Dmitri Kosak nach einem Gespräch beim Premierminister, Olympia-Akquisiteur und Ehrenpräsidenten des Europäischen Judoverbandes Wladimir Putin. Den Blicken nach zu urteilen, muss das heute ein sehr ernster Talk gewesen sein, der Lage angemessen:

© Russian Government

Faszinierend finde ich, dass ein Protokoll des Gesprächs zwischen Putin und Kosak bereits auf Putins Webseite steht. In Russisch. In Englisch. Lustig sich vorzustellen, der Rapport sei so verlaufen.

AFC: Revolution gegen Bin Hammam

Eigentlich wollte Mohamed Bin Hammam am 8. Mai 2009 gemeinsam mit der asiatischen Fußballfamilie Geburtstag feiern. 60 wird er an diesem Tag, an dem der Kongress der Asian Football Confederation (AFC) tagt, als deren Präsident der Katari fungiert.

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Doch so schnell kann’s gehen in Sepps Welt: Offenbar wird Bin Hammam an der Fifa-Spitze nicht mehr gebraucht. Er hat genug Stimmen besorgt für Joseph Blatter, in den schmutzigen Wahlkämpfen 1998 und 2002, als es nötig war, um den rüstigen Rentner auf den Fifa-Thron zu hieven bzw. darauf zu belassen. Danach hat Bin Hammam mir gesagt (Video), dass es keinen Sinn macht, gegen Blatter anzutreten:

I don’t think myself about contesting to Fifa. And I don’t advise anybody to think about it. Nobody can compete with him.

„Nobody can compete with him.“ Bin Hammam, seit 1996 Exekutivmitglied der Fifa, galt eine Zeitlang als potenzieller Nachfolger des Fifa-Präsidenten und merkt nun, dass dies ein Traum bleiben wird. Ich meine, er hat Blatter sogar beeindruckt. Der Fifa-Vorsteher sagte mir mal an einem Abend in Bin Hammams Residenz in Doha: „Ich muss Ihnen ehrlich sagen, meine Wohnung in Zürich ist kleiner als das Vorzimmer in diesem Gästehaus.“ Ja, aber Quadratmeter haben noch nie über eine Fifa-Präsidentschaft entschieden.

Bin Hammam hat so viel Geld in das Fußballgeschäft gesteckt, sein Verein heuerte ja einst auch Basler („Verschwitzt ins Ritz“) und Hierro an, Bin Hammam lancierte die vielen Millionen katarischer Petro-Dollars und ungezählte Deals mit afrikanischen und asiatischen Nationalverbänden, die Projekte des Fifa-Goal-Programms, die einzigartige Fußball-Akademie Aspire und etliches mehr wie kleinere Zuarbeiten zu den Asienspielen 2006 und zur Olympiabewerbung von Doha für 2016 – und nicht zu vergessen: die Bewerbung um die Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022.

Trotz des Einsatzes wird Bin Hammams internationale Karriere wohl bald enden, sie wird jedenfalls nicht nach ganz oben führen. Schade eigentlich, denn ich habe ihn gemocht, Bin Hammam ist im privaten Umgang ein höflicher, netter Kerl, hat oft zwei seiner Töchter mit auf Fifa-Terminen, die Kataris sehen das nicht so verbissen. Doch gerade läuft in Asien ein Aufstand gegen Bin Hammam, den Präsidenten der asiatischen Konföderation AFC.

Ausgerechnet ein Kollege aus dem benachbarten Königreich Bahrain sagt ihm den Kampf an. Einerseits klingt das schräg, wenn hier Vertreter aus winzigen Fürstentümern um die Macht ringen, andererseits liegt darin eine Logik: Die Petro-Milliarden sprudeln immer noch, und die Kameraden dort unten haben den Sport längst als Spielzeug für sich entdeckt. Nur mal zur Sicherheit: Wer glaubt, dies sei ein exotischer Machtkampf, der irrt sich und sollte nur mal die Perspektive ändern: Dafür interessiert sich die halbe Welt.