Willy Bogner, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bewerber GmbH für die Olympischen Winterspiele 2018, verbreitet beständig wiederholt Unwahrheiten über die Olympiafinanzierung. Er sagte, zum Beispiel, gestern im Tagesgespräch im Radiosender Bayern 2 („Sollen die Winterspiele nach Bayern?“) auf die Frage „Also, was kost‘ die Gaudi denn?“:
Diese Kosten, also das so genannte Organisationskomitee-Budget, das den Löwenanteil der Kosten ausmacht, wird uns vom IOC erstattet. Das heißt, das müssen die Gemeinden und die Bürger nicht bezahlen, sondern das bekommt man bezahlt durch die Fernsehrechte, die das IOC weltweit einnimmt.
Das einzige, was übrig bleibt, sind Infrastrukturmaßnahmen, sagen wir Verkehrsprojekte, die wir aber sowieso bezahlen müssten und die durch die Olympischen Spiele beschleunigt werden. (…) Also, es ist wirklich kein großes finanzielles Risiko für die Gemeinden und die Bürger des Staates, diese Olympischen Spiele durchzuführen.
Dazu in aller Kürze einige Richtigstellungen, nur einige. (Ich hole gar nicht die große Keule raus und erinnere daran, dass in Brasilien gerade die Austragung der Fußball-WM 2014 und der Olympischen Sommerspiele 2016 akut gefährdet sind, weil natürlich zu viel versprochen und vielleicht auch kolossal gelogen wurde. Wenn Willy Bogner mag, kann ich ihm die Zusammenhänge gern mal erklären.)
- Das so genannte Organisationskomitee-Budget (OCOG-Budget) macht nie den Löwenanteil aller Kosten aus, schon deshalb nicht, weil das so genannte Infrastruktur-Budget (Non-OCOG-Budget) stets größer ist, als das Organisations-Budget.
- Die Gemeinden und Bürger zahlen indirekt über etliche Kanäle natürlich auch Teile des OCOG-Budgets. (Das war selbst bei der Fußball-WM 2006 so, als das Organisations-Budget nur gedeckt werden konnte, weil staatliche und halbstaatliche Sponsoren sich auf höchste politische Order hin engagierten.)
- Das OCOG-Budget wurde, wird und wird auch künftig niemandem, auch nicht potenziellen Olympia-Ausrichtern in Bayern, „vom IOC erstattet“. Einmal mehr verweise ich – zum Vergleich – auf das aktuelle Budget der Winterspiele 2010 in Vancouver.
- Nicht alle Infrastrukturmaßnahmen, die Teil von Olympiaplanungen sind, sind a) unbedingt nötig für das Gemeinwesen und müssten deshalb b) auch nicht „sowieso“ bezahlt werden. Das ist in München nicht anders als etwa vor sechs Jahren bei der Olympiabewerbung von Leipzig (da war es nur extremer).
Willy Bogner erzählt diesen Nonsens ja nicht zum ersten Mal. Weshalb ich frage:
- Lügt Willy Bogner oder weiß er es einfach nicht besser?
Wenn er es nicht besser weiß, dann würde – wie ich finde – dieses Nichtwissen nicht davor schützen,
- a) Kritik einzustecken,
- b) Kritik anzunehmen,
- c) sich an der Wahrheit zu orientieren und also
- d) die Angaben zu korrigieren, um
- e) dem Bürger und Steuerzahler reinen Wein einzuschenken, oder gar
- f) seinen Hut als Vorsitzender der Geschäftsführung zu nehmen. Wegen Inkompetenz und Lernunfähigkeit.
Tut mir leid, dass ich so resolut argumentiere. Es ist halt keine Gaudi, sondern ein Grundproblem dieser deutschen Demokratie, ja, soweit gehe ich, denn im Prinzip wird Bogners Argumentation doch vom sportpolitischen Komplex übernommen.
Die Mär lautet: Olympia trägt sich quasi selbst.
Ich wiederhole: Es liegt weiterhin keine Kosten-Nutzen-Analyse auf dem Tisch.
Die Steuerzahler werden – darf man das sagen? – verarscht.
Und es ist natürlich ärgerlich, wenn Bogner seinen Unsinn auf allen Kanälen landesweit immer wieder verbreiten kann. Ich stelle diese Frage ja auch vor dem Hintergrund, dass ich Bogner selbst auf seine inhaltlich falsche Argumentation hingewiesen habe. Der Mann ist aber ganz offensichtlich lernunfähig, lernunwillig – oder beides. Vor einigen Wochen habe ich aus Vancouver, nach einem halbstündigen Gespräch mit Bogner und eigenen Recherchen, u.a. geschrieben:
Olympiagegner unterteilt Bogner in „konstruktive Kritiker, die man überzeugen kann“ und „Fundamental-Oppositionelle, mit denen man nicht vernünftig reden kann“. Im IOC sei man es gewohnt, „dass es nicht nur hundertprozentige Zustimmung gibt und dass sich viele auf dieses weltweite Medienereignis setzen, um ihre eigenen Interessen zu vertreten“.
Ich will nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, nicht jeden Satz bewerten, den Bogner in unserem Gespräch formuliert hat. Eines jedoch lasse ich ihm nicht durchgehen, da sollte er argumentativ nacharbeiten und sich an der Realität orientieren.
Er behauptet, der Steuerzahler stehe hinter der Bewerbung, weil die Politik geschlossen hinter der Bewerbung stehe.
Ich sagte ihm, der Bundestag habe abgestimmt, ohne einen Finanzplan zu kennen. Der Öffentlichkeit, dem Steuerzahler, wurde bis heute kein belastbarer Plan (OCOG, Non-OCOG etc.) vorgelegt.
(Hintergrund zur Finanzierung Olympischer Spiele)
Er sagte, natürlich habe man die Zahlen gekannt. Das OCOG-Budget werde vom IOC finanziert, da komme mehr heraus, als das den Steuerzahler koste. Das Organisationsbudget werde durch die Fernseheinnahmen des IOC gedeckt.
Ich sagte: Stimmt nicht. Nur etwa zur Hälfte. Und es ist Verhandlungssache zwischen OK und IOC. Derzeit weiß niemand, was aus Lausanne überwiesen werden könnte.
So ging das hin und her.
Entschuldigung, wenn ich das so weitschweifig wiederhole.
Hier übrigens der BR2-Pocast mit der Bogner-Sendung. Interessant ist in der Tat, wie Ralf gestern schon anmerkte, dass die meisten Anrufer teilweise Fundamental-Kritik an der Bewerbung äußerten. Aber das nur am Rande.
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Interessant auch, wie Bogner reagierte, als ihn der Salzburger Grüne und Olympia-Kritiker Willi Rehberg auf seine Falschaussagen aufmerksam machte (ab etwa Time Code -10:40):
Nein. Selbstverständlich kriegt man einen bestimmten Betrag erstattet. und den kann man aufteilen dann auf die Projekte, wie man selber will. (…) Insofern können wir eigentlich sehr, ja, mit gutem Vertrauen in die Zahlen und in die Finanzierungsmöglichkeiten des IOC an das heran gehen.
Der Moderator wollte dann wissen: „Also, wo kommt die Milliarde her?“
Bogner:
Also das ist jetzt, das geht sehr in die Details. Man muss da wirklich drin sein, wo was her kommt, und die Ausgaben sind dieselben wie sie jetzt begriffen werden, sei es vom Staat oder eben woanders her, ist ja auch von Land zu Land verschieden, also das kann man nicht so ganz vergleichen. Aber wir sind absolut der Meinung, dass wir alles, oder fast alles, das kann man jetzt noch nicht so genau sagen, eben durch die Leistungen des IOC abdecken werden, was wirklich Organisationskomitees-Kosten sind. (…) Es gibt da tausend Einflussfaktoren, da muss man wirklich ins Detail gehen.
Der Moderator fragt anschließend allen Ernstes, ob es „ein gutes Zeichen“ sei, wenn ein Drittel der Bewerbungskosten noch nicht abgedeckt sind. Bogner antwortet, er sei „erst einige Wochen dabei„, sei aber „zuversichtlich, dass wir das Geld auftreiben können“.
Die Details, ja, die Details, von Land zu Land verschieden, ob nun vom Staat oder eben woanders her oder eben vom IOC. Man steckt eben nicht … drin!
Es ist erschreckend.
- Es gibt nach wie vor keinen Finanzplan für die Bewerbung, der öffentlich nachvollziehbar und somit überprüfbar wäre.
- Es gibt nach wie vor, außer einigen dürren Angaben im so genannten Mini-Bidbook (Auszug unten), keine öffentlich überprüfbaren Angaben (detaillierte Angaben, nicht nur ein halbes Dutzend dürre Zahlen!) über das OCOG-Budget.
- Es gibt nach wie vor (außer Zahlen zu wenigen Einzelprojekten, die sich ganz hinten im Mini-Bidbook verstecken, zum Beispiel S. 83, 85, 107) keinen öffentlich nachvollziehbaren Plan für den Non-OCOG-Etat.
Ich bemühe mich, dies nur erneut als Transparenzbeweis meiner Dauer-Recherche, seit Ewigkeiten um derlei Angaben. Vergeblich. Nicht einmal die verantwortlichen Lokalpolitiker erhalten derartige Angaben in Gänze, nicht einmal die gewählten „Volksvertreter“ werden eingeweiht, ganz im Gegenteil, sie fühlen sich oft genug hintergangen.
Flink noch einige aktuelle Dokumente zum Thema: