Zum Inhalt springen

Jens Weinreich

Was vom Tage übrig bleibt (67): Euro 2012, Spielverlagerung Ebook, EM- und Olympiaberichterstattung

Hier etwas Lesestoff für zwischendurch und überhaupt für die kommenden Wochen am Fernseher. Ich lasse die Euro 2012 als Berichterstatter aus und konzentriere mich stattdessen auf die Olympischen Spiele in London, wo drei Wochen lang auch eine Dauerberichterstattung im Blog garantiert ist – dazu werden noch Sponsoren für das Blog gesucht, hat jemand eine Idee?

Reichlich unsortiert, aber hochklassig (oder zumindest unterhaltsam), einige Empfehlungen:

(1) Mein Lieblingsblog, mein Favorit und Blogger-Gott wird gewiss auch während der EM zur Hochform auflaufen. Es ist nicht nur mir unheimlich, wie Kai Pahl das macht. Scharfzüngig, analytisch, belesen, ganz offensichtlich mit zehn TV-Monitoren gleichzeitig versorgt – sämtliche Print- und Onlinemedien aus Deutschland, Frankreich und England (um nur einige Länder zu erwähnen) hat er täglich schon studiert und ausgewertet, wenn normale Menschen noch schlafen.

So ungefähr.

Beim Pensum dieses Arbeitstieres bleibt mitunter keine Zeit mehr, ein passables Rechtschreib-Plugin laufen zu lassen, aber das gehört längst zur Folklore dieses Blogs. Ich freue mich auf die Euro auf …

ISL-Korruption, Havelange, Teixeira, FIFA: Spielverzögerung durch das Schweizer Bundesgericht

Die juristische Aufarbeitung des ISL-Korruptionssystems, in das vorrangig hohe FIFA-Funktionäre verstrickt waren, erfährt eine weitere bizarre Wendung. Heute hat das Schweizer Bundesgericht in Lausanne der Entscheidung des Obergerichts Zug vom 22. Dezember 2011, die Einstellungsverfügung vom Juni 2010 zu veröffentlichen, eine aufschiebende Wirkung zugesprochen, wie Jean François Tanda in der Handelszeitung berichtet.

Was bedeutet das?

Als-Nichtjuristen dröhnen mir die Ohren. Mein Freund Jean François Tanda, selbst Jurist, hat eine Weile versucht, mir das zu erklären. Ich habe ihn gebeten, mit mir wie mit einem Kinde zu reden, damit ich es verstehe.

Er schreibt:

Es geht um die frage, ob ich das dokument einsehen darf oder nicht.

Die sind dagegen.

Das obergericht in zug war dafür.

Weil die dagegen sind, sind sie ans bundesgericht gelangt.

Normalerweise, wenn man an das bundesgericht gelangt, hat dies keine aufschiebene wirkung. Das heisst der letzte entscheid wird umgesetzt, das bundesgericht sagt dann später ob zu recht oder nicht.

Der letzte entscheid war, dass ich das dokument sehen darf.

Ohne aufschiebende wirkung hätte ich das dokument jetzt sehen gehen können.

Dann hätte ich alles gewusst, bevor das bundesgericht über die beschwerde der anderen entschieden hätte.

Dann wären ihre beschwerden hinfällig.

Dann hätte es ihnen nichts gebracht, falls das bundesericht ihnen – wider erwarten – recht gegeben hätte.

Darum hat das bundesgericht aufschiebende wirkung gewährt.

Nun muss ich warten, bis das bundesgericht die beschwerden abgelehnt hat, um das dokument zu sehen.

Alles klar?

Es geht um das Dokument, dessen Veröffentlichung FIFA-Präsident Joseph Blatter mehrfach versprochen hatte – aber sein Versprechen nicht hält. Nicht nur ich bin der Meinung, Blatter könnte das Papier problemlos veröffentlichen und betreibt bloß eine Verzögerungstaktik.

In der Berichterstattung zum Fall werden übrigens eine Menge Fehler fabriziert. Ständig muss ich irgendwo lesen, Havelange und Teixeirasollen“ Millionen Schmiergeld kassiert haben. Oft steht dann da meist noch: Sie würden das bestreiten.

Diese Berichterstattung ist falsch.

Richtig ist, der FIFA-Ehrenpräsident Havelange, derzeit im Krankenhaus, und sein ehemaliger Schwiegersohn Teixeira, derzeit im Exil in Miami, haben kassiert. Für Havelange stehen 1,5 Mio CHF in den Akten, dazu wohl ein Anteil über die Tarnfirma Renford Investments, die er gemeinsam mit Teixeira unterhielt (wir reden hier nicht von Havelanges sonstigen dreckigen Geschäften). Für Teixeira stehen zwölf Millionen in den Akten [wenn ich mich jetzt nicht verrechnet habe, ich rechne gleich nochmal nach], über Renford und Sanud (wir reden hier nicht von Teixeiras sonstigen dreckigen Geschäften).

Sie bestreiten allein eine strafrechtliche Verantwortung.

Sie sind, ich habe das hundertmal versucht zu erklären – in Beiträgen hier im Blog und in zahlreichen Medien -, hochkorrupt. Sie sind moralisch korrupt. Sie haben ewig lange Schmiergeld kassiert und machen bis heute dreckige Geschäfte. Aber sie sind in der ISL-Causa eben nicht im strafrechtlichen Sinne korrupt. Nur nicht im strafrechtlichen Sinne. Denn es gab und gibt für derlei Korruption in Sportkonzernen keine strafrechtliche Handhabe. Gemäß Gerichtsaussage des ehemaligen ISL/ISMM-Chefs Christoph Malms war das System der Bestechungszahlungen („Provisionen“) von der eidgenössischen Steuerbehörde, der KPMG und renommierten Zürcher Kanzleien (Niederer Kraft & Frey, Prager Dreifuss) „abgesegnet und gut geheißen“ worden.

ISL Schmiergeldbilanz

ISL-Schmiergeldbilanz. Diese Summen an Funktionäre in FIFA, IOC, IAAF, FIBA, FINA etc pp sind gerichtsfest dokumentiert. Die Dunkelziffer ist gewiss ungleich höher.

Erinnern wir uns an den ISL-Strafprozess im Frühjahr 2008 in Zug:Der Richter:

Das hat etwas Verschwörerisches an sich!“

Ein ehemaliger ISL-Manager:

Alle diese Zahlungen waren notwendig, um überhaupt Verträge zu bekommen und dass die (gemeint sind die Sportfunktionäre/d. A.) sich dran halten.“

Schmiergeld an Sportfunktionäre zu zahlen ist:

Als wenn man Lohn bezahlen muss. Sonst wird nicht mehr gearbeitet. Ansonsten wären diese Verträge von der anderen Seite nicht unterschrieben worden. Diese Zahlungen sind betriebswirtschaftlich notwendig, sind echte Aufwandspositionen. Nur die andere Seite möchte nicht genannt werden, das ist das Sensitive.“

Ein anderer ISL-Manager:

Diese Praxis war unerlässlich, sie war branchenüblich, sie gehörte zum Stil des Geschäfts.“

So lief’s Business:

Chart ISMM bribery system, basierend auf Gerichtsakten und Zeugenaussagen

Unfassbar herrlich ist natürlich die Argumentation von FIFA-Anwälten, bei diesen Vorgängen (strukturelle Korruption im FIFA-Exekutivkomitee = Millionen kassieren) handele es sich um …

  • vereinsinterne Sachverhalte, die dem Geschäftsgeheimnis unterstünden.

Hier mit etwas Verspätung noch das Urteil des Obergerichts Zug vom Dezember 2011, das die Offenlegung anordnet. Wie im Herbst bereits dargelegt, handelt es sich bei B 2 um Ricardo Teixeira, damals vertreten von Schweiger Advokatur, und bei B 3 um Joao Havelange, damals vertreten von RA Niedermann.

Es lohnt sich, das Dokument zu studieren.

Kanton Zug, Obergericht, I. Beschwerdeabteilung

Urteil vom 22. Dezember 2011

In Sachen

  • B1, Federation Internationale de Football Association (FIFA), FIFA-Strasse 20, 8030 Zürich, vertreten durch RA Dr. Dieter Gessler, Nobel & Hug Rechtsanwälte, Dufourstrasse 29 / Postfach 1372, 8032 Zürich
  • B2, [Ricardo Teixeira, JW] vertreten durch RA lic.jur. Hans-Rudolf Wild, Schweiger Advokatur / Notariat, Dammstrasse 19, 6300 Zug
  • B3, [Joao Havelange, JW] vertreten durch RA Dr. Marco Niedermann, Niedermann Rechtsanwälte, Utoquai 37, 8008 Türich,

Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, An der Aa 4, Postfach 6301 Zug, vertreten durch OSTA lic.jur. Christian Aebi, Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, An der Aa 4, Postfach, 6301 Zug,

und Jean Francois Tanda, Redaktion Handelszeitung, Förrlibuckstrasse 70, 8021 Zürich,

Beschwerdegegner,

betreffend Akteneinsicht.

Sachverhalt

1. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führte eine Strafuntersuchung gegen B1 (FIFA), B2 und B3 wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung, ev. Veruntreuung. Mit Verfügung vom 11. Mai 2010 wurde die Strafuntersuchung gestützt auf Art. 53 StGB (Wiedergutmachung) eingestellt. Die Einstellungsverfügung ist rechtskräftig (Verfahren 2 A 2005 31601).

2.1 Mit Eingabe vom 30. Juni 2010 stellte der Journalist Jean Francois Tanda bei der Staatsanwaltschaft des Kantons ein Gesuch um Akteneinsicht in die Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010 in Sachen FIFA. Nachdem die Gesuchsgegner B1, B2 und B3 ihre Stellungnahmen eingereicht hatten, bewilligte die Staatsanwaltschaft dem Gesuchsteller mit Verfügung vom 17. Januar 2011 Einsicht in die Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010, und zwar wie folgt:

*1.1 Der Name des Gesuchsgegners B1 (FIFA) wird offengelegt und in der Einstellungsverfügung nicht anonymisiert.

1.2 Der Name und das Geburtsdatum des Gesuchsgegners B2, der Name seines Rechtsvertreters, seine Funktion innerhalb der FIFA sowie seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse (nicht jedoch seine Wohnadresse) werden offengelegt und in der Einstellungsverfügung nicht anonymisiert.

1.3 Der Name und das Geburtsdatum des Gesuchsgegners B3, der Name seines Rechtsvertreters, seine Funktion innerhalb der FIFA sowie seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse (nicht jedoch seine Wohnadresse) werden offengelegt und in der Einstellungsverfügung nicht anonymisiert.

1.4 Der Name sämtlicher nicht beschuldigter Dritter, natürliche und juristische Personen, werden nicht offengelegt und in der Einstellungsverfügung anonymisiert, Davon ausgenommen sind die Namen ISMM/ISL.*

Dagegen erhoben B1, B2 und B3 mit Eingaben vom 28. Januar 2011 bzw. 4. Februar 2011 Einsprache. Mit Entscheid vom 3. Mai 2011 wies die Staatsanwaltschaft die Einsprachen ab (Verfahren VAR 2010 53).

3.1 Gegen diesen Enscheid liessen B1, B2 und B3 (nachfolgend: Beschwerdeführer) mit Eingaben vom 23. bzw. 24. Mai 2011 Beschwerde bei der I. Beschwerdeabteilung des Obergerichts des Kantons Zug einreichen.

3.1.1 B1 liess in ihrer Beschwerde folgende Anträge stellen (Verfahren BS 2011 43):

*Der Einspracheentscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 3. Mai 2011 (Verfahrens- Nr. VAR 2010 53) sei aufzuheben und die Einsicht in die Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010 in Sachen FIFA (Verfahren 2A 2005 31601) sei zu verweigern; unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des Beschwerdegegners.

B2 lies in seiner Beschwerde folgende Anträge stellen /Verfahren BS 2011 44):

„Der Einspracheentscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 3. Mai 2011 (Verfahrens-Nr. VAR 2010 53) sei aufzuheben und die Einsicht in die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 11. Mai 2010 in Sachen FIFA /Verfahren 2A 2005 31601) sei zu verweigern;

Eventualiter:

Der Einspracheentscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 3. Mai 2011 (Verfahrens-Nr. VAR 2010 53) sei aufzuheben;

Die Einsicht in die Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010 in Sachen FIFA (Verfahren 2 A 2005 31606) sei nur unter vollständiger Anonymisierung bezüglich B2 zu gewähren. Dazu seien der Name der von B2, seine Vermögensverhältnisse sowie sämtliche Informationen, die die Identifikation von B2 ermöglichen, insbesondere auch Hinweise auf dessen Stellung bei der FIFA, Personalangaben und Wohnort abzudecken. Ausserdem seien die folgenden Passagen der Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010 vollständig abzudecken:

Rubrum S. 1: Personalien von B2

Sachverhalt Ziffer 2 S. 6: letzter Absatz

Sachverhalt Ziffer 3.2 S. 7: 2. Satz

Sachverhalt Ziffer 3.4 Seite 8: 1. Satz

Sachverhalt Ziffer 3.4 Seite 8: 2. Absatz

Sachverhalt Ziffer 3.6 S. 10: Namen der Auftraggeber der Überweisungen in der Tabelle, der gesamte 2. Abschnitt sowie Namen der Kontoinhaber in der Tabelle

Erwägung Ziffer 1 S. 14: 3. und 5. Satz

Erwägung Ziffer 4.1 Seite 17: Hinweise auf Gesellschaft 1 und Gesellschaft 2

Erwägung Ziffer 6.3.^S. 24: letzte 8 Zeilen

Erwägung Ziffer 6.3.2 S. 25: 7. und 8. Satz

Erwägung Ziffer 6.3.2 S. 27: 3. Absatz

Erwägung Ziffer 6.4 Seite 32: 2., 6. und 7. Satz

Erwägung Ziffer 8.1 Seite 34 f.: Hinweise auf Gesellschaft 1 und Gesellschaft 2

Dem Unterzeichneten sei vor deren Weitergabe an den Gesuchsteller ein Exemplar der anonymisierten Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010 zuzustellen und Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen.

Subeventualiter:

Der Einspruchsentscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 3. Mai 2011 (Verfahrens-Nr. VAR 2010 53) sei aufzuheben und zur Neuentscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen; Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Staatskasse.“

B3 liess in seiner Beschwerde folgende Anträge stellen (Verfahren BS 2011 42):

„Der Einspracheentscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 3. Mai 2011 (Verfahrens-Nr. VAR 2010 53) sei aufzuheben und die Einsicht in die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 11. Mai 2010 in Sachen FIFA (Verfahren 2 A 2005 31601) sei zu verweigern:

Eventualiter:

Der Einspracheentscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 3. Mai 2011 (Verfahrens-Nr. VAR 2010 53) sei aufzuheben;

Die Einsicht in die Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010 in Sachen FIFA (Verfahren 2 A 2005 31601) sei nur unter vollständiger Anonymisierung bezüglich B3 zu gewähren. Dazu seien der Name von B3, seine Vermögensverhältnisse sowie sämtliche Informationen, welche die Identifikation von B3 ermöglichen, insbesondere auch Hinweise auf dessen Stellung bei der FIFA, sein genaues Alter und Y. abzudecken. Außerdem seien die folgenden Passagen der Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010 vollständig abzudecken:

Rubrum S. 1: Personalien von B3

Sachverhalt Ziffer 3.2 S. 7: 1. Satz

Sachverhalt Ziffer 3.6 S. 10: Namen der Auftraggeber der Überweisungen in der Tabelle, der gesamte 2. Abschnitt sowie Namen der Kontoinhaber in der Tabelle

Erwägung Ziffer 1 S. 14: 3. und 5. Satz

Erwägung Ziffer 6.3.1 S. 24: 1. und 2. Satz

Erwägung Ziffer 6.3.2 S. 25: 7. und 8. Satz

Erwägung Ziffer 6.3.2 S. 27: 3. Absatz

Erwägung Ziffer 6.3.2 S. 29: 3. Absatz

Dem Unterzeichneten sei vor deren Weitergabe an den Gesuchsteller ein Exemplar der anonymisierten Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010 zuzustellen und Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen.

Subeventualiter:

Der Einspracheentscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 3. Mai 2011 (Verfahrens-Nr. VAR 2010 53) sei aufzuheben und zur Neuentscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen; unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des Beschwerdegegners.“

Während die Staatsanwaltschaft auf eine Vernehmlassung verzichtete, beantragte Jean Francois Tanda (nachfolgend: Beschwerdegegner) in seiner Vernehmlassung vom 7. Juni 2011, es seien alle drei Beschwerden vollumfänglich abzuweisen und die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 17. Januar 2011 sowie deren Einspracheentscheid vom 3. Mai 2011 zu bestätigen und ihm somit vollumfänglich und ohne weitere Verzögerung Einsicht zu gewähren in die Einstellungsverfügung 2 A 2005 31601 vom 11. Mai 2010, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdeführer.

In den (unaufgefordert eingereichten) Stellungnahmen vom 15. bzw. 17. Juni 2011 hielten die Beschwerdeführer an ihren Anträgen fest.

Auf die Begründung der gestellten Anträge wird, soweit von Belang, im Rahmen der nachstehenden Erwägungen Bezug genommen.

Erwägungen

Gemäß § 79 Abs. 1 lit. BGOG entscheidet die Beschwerdeabteilung des Obergerichts über Beschwerden gegen Justizverwaltungsakte, insbesondere über Verfügungen betreffend die Akteneinsicht bei abgeschlossenen Verfahren. Für dieses Verfahren gelten die Bestimmungen des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (§ 79 Abs. 2 GOG). Zur Erhebung der Beschwerde ist (u.a.) berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat (vgl. § 41 Abs. 1 lit. A VRG). Die Beschwerdeführer haben als Partei am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und sind damit ohne weiteres zur Beschwerde legitimiert. Mithin ist auf die Beschwerden einzutreten.

Mit der Beschwerde können alle Mängel des Verfahrens und des angefochtenen Entscheides gerügt werden (§ 42 Abs. 1 VRG). Neue Begehren, neue tatsächliche Behauptungen und die Bezeichnung neuer Beweismittel sind zulässig (§ 42 Abs. 2 VRG).

2.1.1 Die Beschwerdeführer bringen im Wesentlichen vor, es bestehe kein pauschaler und unbeschränkter Anspruch von nicht verfahrensbeteiligten Dritten, in Straferkenntnisse bzw. Einstellungs- und Nichtanhandnahmeverfügungen Einsicht zu nehmen. Ein allfälliges Informationsinteresse des Gesuchstellers sei im Einzelfall nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gegen die öffentlichen und privaten Geheimhaltungsinteressen abzuwägen.

2.1.2 Die Behauptung des Beschwerdegegners, dass er als Journalist „das öffentliche Interesse vertrete“, weshalb im Akteineinsicht zu gewähren sei, könne so nicht akzeptiert werden. Die Presse und die einzelnen Journalisten hätten zwar durchaus einen bestimmten Stellenwert im demokratischen Staatsgefüge, nämlich den eines Bindegliedes zwischen Behörden und Bevölkerung. Sie hätten aber auch ein ganz konkretes kommerzielles Eigeninteresse, nämlich den Absatz ihres Produkts und die Erhöhung ihres eigen Marktwertes. Die Tatsache, dass die Einstellung der Untersuchung im Ermessen der Staatsanwaltschaft liege, vermöge ein Akteneinsichtsrecht keinesfalls zu rechtfertigen. Die Fälle, in denen die Rechtsordnung die Ausübung der staatlichen Tätigkeit in das Ermessen der Behörden stellen, seien nämlich unabsehbar. Zu Recht verlange daher das Bundesgericht zusätzliche Umstände, die darauf hindeuten, dass ein irreguläres Verhalten vorliegen könnte, wie „systematische bzw. häufige Verfahrenserledigungen dieser Art“, die ein Informationsbedürfnis im konkreten Fall geradezu aufdrängten. Komme hinzu, dass sich die vorgefasste Meinung des Beschwerdegegners in dieser Angelegenheit aus seiner bisherigen tendenziösen Berichterstattung mehr als deutlich ergebe. Die Offenlegung der Einstellungsverfügung gegenüber dem Beschwerdegegner sei deshalb kaum geeignet, der angeblichen „besondere(n) Gefahr, dass der Einstellungsentscheid in der Öffentlichkeit nicht transparent und nachvollziehbar erschein(e)“. zu begegnen. Die in der Medienmitteilung der Staatsanwaltschaft enthaltenen Angaben reichten vollauf aus. Vollends unbehelflich sei das Argument, dass Einstellungsverfügungen nach Art. 53 StGB „der Geruch einer gewissen Geheimjustiz“ anhafte. Dies sei in keiner Weise dargetan. Die Staatsanwaltschaft habe schliesslich in einem Entwurf der Medienmitteilung „zur Verfahrenseinstellung FIFA“ ausgeführt, sie erachte mit dieser Medienmitteilung jene Fragen als beantwortet, die unter Berücksichtigung des Amtsgeheimnisses aber auch der Persönlichkeitssphäre der durch das Verfahren Betroffenen beantwortet werden könnten. In der tatsächlich herausgegebenen und im Übrigen textlich übereinstimmenden Medienmitteilung vom 24. Juni 2010 fehle dann dieser Passus. Es könne deshalb nicht angehen, dass die Staatsanwaltschaft als Reaktion auf in den Medien erhobene reisserische Vorwürfe klein beigebe und ihren Standpunkt ändere. Von einer Veröffentlichung sein im Rahmen der Vergleichsverhandlungen über eine Verfahrenseinstellung nach Art. 53 StGB nie die Rede gewesen. Die Beteiligten hätten darauf vertrauen drüfen, dass mit der vorgesehenen und realisierten ausführlichen Medienmitteilung das Bedürfnis der Öffentlichkeit auf Information voll abgedeckt sei.

2.1.3 Der Beschwerdegegner begründe das behauptete schutzwürdige Interesse mit demjenigen „der Steuerzahler“ an Wiedergutmachungsleistungen einer angeblich weitgehend steuerbefreiten Organisation sowie mit dem Interesse der „indirekten (Zwangs-)Mitglieder der FIFA“ an der Verwendung angeblich von ihr bezahlter „Lizenzgebühren“. Ganz abgesehen davon, dass beide Gründe nicht zu überzeugen vermöchten, hätten sie nicht das Geringste mit dem vorliegend von der Staatsanwaltschaft und auch der FIFA zu beachtende Schutz der Privatsphäre der Beschwerdeführer B1, B2 und B3 zu tun. Die FIFA sei nicht vom Staat subventioniert und auch nicht steuerbefreit. Sie zahle regelmäßig Ertragssteuern. Auch die Fussballer dieser Welt hätten keinen Anspruch auf Information über die FIFA. Die FIFA lege vereinsintern jeweils Rechenschaft über ihre Einnahmen und Ausgaben nach den anerkannten Standards der IFRS ab und veröffentliche jeweils ihre Zahlen. Auch bei den Fragen, ob, wann und was die Organe der FIFA über die von der Staatsanwaltschaft untersuchten Sachverhalte gewusst hätten, handle es sich um vereinsinterne Sachverhalte, die dem Geschäftsgeheimnis unterstünden. Vollends an der Sache vorbei gingen die Ausführungen der Staatsanwaltschaft, wonach die Presse ihrer „aus verfassungsrechtlicher Sicht wichtigen Aufgabe der kritischen Durchleuchtung der Arbeit der Justiz“ nachzukommen habe. Das Bundesgericht anerkenne ein schützenswertes Interesse nur „in begründeten Fällen“. Auch die Tatsache, dass der Beschwerdegegner im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren reisserische Berichte ins Netz gestellt habe, vermöge da von ihm zu begründende öffentliche Interesse nicht begründen. Ansonsten hätte es jeder Journalist in der Hand, das Verfahren über die Freigabe geschützter Daten selber zu steuern. Das Gleich gelte auch für die von der Staatsanwaltschaft aufgereihten Schlagwörter wie „Abzocker“, „Korruption“, „Sepp Blatter“ und „Vergabe der Weltmeisterschaft 2018/2022 an Russland und Qatar“. Die Geschichten zu den „Schmiergeldern“ würden Jahre zurückliegen, weshalb die Staatsanwaltschaft sie bei der Einstellung der Strafuntersuchung zu Recht als von geringem öffentlichen Interesse qualifiziert habe.

2.1.4 Die privaten Interessen von B1, B2 und B3 seien nicht etwa bloss „nicht von der Hand zu weisen“, vielmehr stünden sie als „besonders schützenswert“ im Vordergrund. Ebenso sei die Gefahr, dass „die entsprechenden Ergebnisse in den Medien in falschem Licht dargestellt wurden“, nicht „grundsätzlich nicht auszuschließen“, sondern unmittelbar absehbar. Diese unverhältnismässige Prangerwirkung zum Nachteil der Beschwerdeführer werde von der Vorinstanz schlicht in Kauf genommen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass in der Strafuntersuchung nicht abschließend geklärt worden sei, ob eine strafbare Handlung überhaupt vorliege. Die Staatsanwaltschaft habe in ihrer Verfügung ausdrücklich festgehalten, dass die Einstellung nach Art. 53 StGB keine Schuldfeststellung vorraussetze und dass auch keiner der Beschuldigten irgendeine Schuld eingestanden habe. Die Veröffentlichung der Einstellungsverfügung würde aber zu einer Bekanntgabe von zahlreichen nicht näher abgeklärten Verdächtigungen über Vorgänge führen, die größtenteils schon mehr als zehn Jahre zurücklägen. Mit der Veröffentlichung eines ungerechtfertigten Artikels sei der Schaden bereits angerichtet und das Ergreifen von Rechtsbehelfen wirke sich oft kontraproduktiv aus. Die Beschwerdeführer B2 und B3 seien in unserem Land keine Personen, der aktuellen Zeitgeschichte, die eine besondere Medienpräsenz und damit einhergehende Eingriffe in Kauf zu nehmen bräuchten. Sodann seien die der Vorinstanz bekannten Umstände des Beschwerdeführers B3 dergestalt, dass die psychische Belastung negativer medialer Berichterstattung besonders schwer ins Gewicht falle. Mehr als unangebracht sei es schliesslich, wenn die Staatsanwaltschaft ihnen rate, eine „aktive Pressepolitik“ zu betreiben. Damit löse sich die Staatsanwaltschaft vollständig vom Boden des Datenschutzgesetzes. Dieses verbiete die Weitergabe von Daten, wenn nicht zwingende Gründe es erfordern würden.

Steuermittel für Eigenblutmanipulation: Originale lesen! Pflichtlektüre zum Sportausschuss

Am Mittwoch (21. März) geheimnisst der Sportausschuss des Bundestages in gewohnt nichtöffentlicher Sitzung mal wieder zum Thema Doping in Deutschland.

Es wird verhandelt:

  • Doping an Olympiastützpunkten, Bundesleistungszentren und Bundesstützpunkten konsequent bekämpfen
    Ressortvertreter/in: Bundesministerium des Innern

… sowie …

  • Sachstand im Verfahren gegen einen Sportarzt im Zusammenhang mit Eigenblutbehandlungen am OSP Thüringen/Erfurt und Anti-Doping Verfahren gegen Athleten in diesem Kontext
    Ressortvertreter/in: Bundesministerium des Innern. Bericht: Nationale Anti Doping Agentur Olympiastützpunkt Thüringen/Erfurt, Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung, RA Dr. Engelbrecht 

Zum Themenkomplex gibt es seit 6. März einen Antrag der SPD. Ein Antrag der Grünen wird folgen, er geht etwas weiter, darin wird von der Bundesregierung gefordert:

  1. An den Olympiastützpunkten in Deutschland wird eine zuwendungsrechtliche Überprüfung der Abrechnungen sämtlicher medizinischer Behandlungsleistungen durchgeführt. Diese Tiefenprüfung erfolgt unter Beteiligung des Bundesrechnungshofes. Die Ergebnisse werden bis zum 30. Juni 2012 dem Sportausschuss und dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vorgelegt.
  2. Zuwendungswidrig verwendete Fördergelder werden konsequent von den Olympiastützpunkten sowie ggf. anderer Zuwendungsnehmer zurückgefordert. Darüber hinaus wird bei diesen betroffenen Olympiastützpunkten die noch nicht genehmigte Förderung dieses Jahres bis zur endgültigen Klärung des Sachverhaltes zurückgehalten.
  3. Die Olympiastützpunkte werden in die Berichtspflichten der jährlich vorzulegenden Anti-Doping-Berichte einbezogen.
  4. Der NADA werden Sondermittel aus dem Etat des Bundesministers des Innern für eine konsequente Dopingbekämpfung im Bereich des sportrechtlichen Ergebnismanagements zur Verfügung gestellt.
  5. Die Förderung für die Anti-Doping-Forschung wird ausgeweitet und soll auch eine verbesserte wissenschaftliche Wirkungsanalyse von Blutbestrahlungen umfassen.
  6. Es wird ein Gesetzentwurf vorgelegt, der die Verankerung eines Straftatbestandes der Verfälschung des wirtschaftlichen Wettbewerbs im Sport (Sportbetrug) vorsieht, um zukünftig auch wirksam gegen Sportlerinnen und Sportler ermitteln zu können.

Das wichtigste Dokument wie (fast) immer exklusiv vorab in diesem Blog, die dreiseitige Stellungnahme von Bernd Neudert, Chef des Olympiastützpunkts Thüringen:

Ich muss dazu einmal mehr sagen:

Es bleibt ein Skandal, dass sich der Sportausschuss Transparenz und Öffentlichkeit verschließt und auch dieses wichtige Thema hinter verschlossenen Türen verhandelt wird.

Es bleibt ein Skandal, dass diejenigen so genannten Volksvertreter, die Sportlobbyisten Riegert (CDU/Kapitän des FC Bundestag) und Günther (FDP), die in nichtöffentlichen Sitzung angeblich ungestört und intensiv Sachpolitik betreiben wollten, auch diesmal inhaltlich nichts beisteuern (wollen und können). Initiativen bleiben von ihnen wieder einmal aus. Ihre kindischen, desinformierten und politisch-ideologisch geprägten Pseudofragen wird es im Ausschuss gewiss wieder geben – aber eben unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Aus gegebenem Daueranlass: Journalisten, die sich in diesem Blog bedienen und die beiden Stellungnahmen zitieren, geben bitte die Quelle an: www.jensweinreich.de. Merkwürdig, dass diese Selbstverständlichkeit angemahnt werden muss.

* * *

Grit Hartmann, die in zahlreichen Beiträgen exklusiv über die Erfurter Affäre berichtete, hat sich Neuderts Stellungnahme angesehen und merkt dazu an:

Zur ziemlich exklusiven „Infektbehandlung“ durch einen Sportmediziner, der sich mit dem DDR-Spitzensport recht gut auskannte, da er einst in der Sportärztlichen Hauptberatungsstelle des Bezirkes Erfurt beschäftigt war, zur Tradition der Blutbestrahlung als Dopingmethode also, ist schon einiges geschrieben und gesagt worden.

OSP-Chef Bernd Neudert mag, nun ja, etwas unbedarfter sein in medizinischen Fragen, und vielleicht war das sogar auch der Gründungschef des OSP, bis 2001 im Amt: Rolf Beilschmidt, unter dem diese „Therapie“ begann, fortgesetzt wurde oder was auch immer. Beilschmidt, heute Hauptgeschäftsführer des Landessportbundes Thüringen, räumt recht freimütig ein, dass er zu DDR-Zeiten bewusst Dopingmittel einnahm. Das muss aber alles selbstverständlich gar nichts heißen. Wie auch nicht diese Zusammensetzung des OSP-Trägervereins, mit ein paar einschlägig prominenten „Aufsehern“ wie Burckhard Bremer.

Ob das die Experten im Sportausschuss interessiert?

Interessieren müssten sie sich allerdings für das, was der OSP hier zur Abrechnung mitteilt. Es ist nicht neu, dass die Blutbestrahlungen aus Steuermitteln finanziert wurden. Allerdings tun sich in diesem Punkt ein paar neue Abgründe auf: 

dapd sagt: Schadenersatzforderung gegenstandslos

ZÜRICH. Ich habe am Nachmittag zwei Emails aus dem dapd-Office erhalten. Demnach ist die Schadenersatzforderung gegen mich, über die ich heute morgen berichtet habe, gegenstandslos.

Gut so.

Es ist von einem Versehen die Rede, eine Entschuldigung gab es auch. Leider möchte der dapd-Verantwortliche, der sich am Morgen erstmals telefonisch bei mir gemeldet hatte, nicht, dass ich seine Emails veröffentliche. Er möchte auch nicht zitiert werden. Das finde ich sehr schade, weil ich seine Sätze im Grunde – in meinem Fall – als durchaus nachvollziehbar empfunden habe. Das muss ich aber, leider, respektieren.

Die Wende, mit der ich – ganz ehrlich – absolut gerechnet hatte, lässt mich aber nicht frohlocken. Denn die Probleme bleiben ja, und in den Kommentaren zu meinem Beitrag von heute morgen ist dazu vieles Interessante und Kluges gesagt worden, wie ich finde. Dort findet man nun auch viele nützliche Links.

Ein Problem besteht darin, dass nicht nur die dapd, sondern viele andere Medienunternehmen mit Kanonen auf Spatzen schießen. Sie schicken Heerscharen von Abmahn- und Inkasso-Anwälten in die Spur. Irgendwas bleibt dann schon hängen, weil manche Betroffene, selbst wenn sie sich nichts zu Schulden kommen ließen, vielleicht nicht die Laune, nicht den Mut oder was auch immer nicht hatten, um sich zur Wehr zu setzen. Das ist eine grundsätzlich sehr unbefriedigende Situation, die sich künftig, wenn dieses Leistungssschutzgesetz, für das die Verleger-Lobby seit Jahren mit vielen unsauberen und skandalösen Mitteln kämpft und munter die Wahrheit beugt, wie geplant von der Koalition verabschiedet wird, gewiss weiter zuspitzt.

Ich habe mir den Luxus geleistet, die Diskussion um Leistungsschutzgesetz und ACTA nur passiv zu verfolgen und kann dazu nur die üblichen Verdächtigen empfehlen, ohne Wertung und Anspruch auf Vollständigkeit, getreu dem Motto „mach, was Du kannst und verlinke den Rest“:

Es ist kein Trost zu wissen, dass meine Art des Zitierens und der journalistischen Verarbeitung, in diesem Fall goutiert wird. Dazu möchte ich keinen Roman schreiben, einige Bemerkungen zum inkriminierten Beitrag – es ging um die Verurteilung des korrupten ehemaligen HR-Sportchefs Jürgen Emig – habe ich im Laufe des Tages in Kommentaren notiert. Andere Kommentatoren haben sich dazu geäußert. Ich fand u.a. interessant:

Franz: 

So was Lächerliches wie diese dapd-Abmahnung hab ich noch selten gelesen. Sicherlich ist das Zitat sehr ausführlich, aber die Quelle korrekt angegeben und vor allem: Was bitteschön war denn die eigene intellektuelle Leistung von dapd (bzw. seinerzeit AP Deutschland) bei diesem Textabschnitt? Das sind bloß ein paar zusammengeschnippelte Aussagen des Richters, mal in direkter, mal in indirekter Rede. Eigenleistung: marginal. Wenn überhaupt müsste dem Richter das Urheberrecht an einem Großteil der beanstandeten Passage zustehen :-)

B.Schuss:

ich bin sicher auch kein Freund von Abmahnungen, aber nur so aus Neugier, und weil ich selbst nicht vom Fach bin: wo ist denn die Grenze zwischen dem Zitatrecht, und der unzulässigen kommerziellen Nutzung von Texten, die andere erstellt haben ( und diese “Leistung üblicherweise gegen Geld an Journalisten verkaufen ) ?

Es ist nun mal so, dass Stefan als Medienjournalist quasi berufsmäßig die Arbeit anderer Journalisten und Medienschaffender zitiert. Kommt er da nicht automatisch fast immer in diese Grauzone?

Oder ist das auf der Meta-Ebene ( Journalist, der über die Arbeit anderer Journalisten berichtet ) was anderes ?

Nandor:

@ Zitatrecht: Es kommt natürlich auf den Einzelfall an. Das mag manchmal ein schmaler Grat sein, aber hier (ohne Experte zu sein) meiner Meinung bei aller juristischen Spitzfindigkeit nach hoffentlich ja wohl nicht. Das betreffende Zitat erfüllt seinen Zweck im Rahmen der Funktion und der Bedeutung des Blogeintrags, ich hätte übrigens auch keine Probleme zu sagen: auch unter Berücksichtigung von Jens’ langjähriger journalistischer Arbeit. Es geht hier, wie bei die vielen, vielen anderen Zitaten und Verlinkungen hier, immer um einen Hinweis auf weitere Quellen und andere Darstellungen, aber eben im Rahmen journalistischer Auseinandersetzung mit sportpolitischen Themen.

Wer ein Zitat einer (eigenen trifft es ja nicht so ganz) geistigen Leistung derart bekämpft, offenbart sein Verständnis von (angeeigneten) Meinungen als geistigem Eigentum in dem Sinn, das es sie als Schatz zu hüten und zu verteidigen gilt. Und dass man sie am besten gar nicht teilt. Für jemanden, der mit Informationen sein Geld verdient (Wolfgang Zehrt würde wahrscheinlich das Wort KOMMERZIELL hier verwenden, das klingt so schön anrüchig), eine wahrlich atemberaubende Einstellung über die eigene Rolle in der Gesellschaft. Ihr Nachrichtenleute, Ihr genießt den besonderen Schutz der Pressefreiheit, weil ihr der Informationsfreiheit verpflichtet seid. Ihr genießt es genau deswegen, weil Ihr hinnehmen müsst, dass man über Euch redet, Euch kritisiert, sich mit Euch auseinandersetzt, Ihr verlinkt werdet.

Und da lass ich gar nichts gelten von “Ist uns bei 5000 anderen schlimmen Fällen leider durchgerutscht”. Das Missliche an dieser ganzen Unart des Abmahnungs-Geschäftsmodells ist doch, dass es auf die Feinheiten des Urheberrechts aus der Perspektive der Anspruchsteller gar nicht so ankommt. Die Masse machts, da verliert man halt ein paar Prozesse, wo gehobelt wird, da fallen Späne – es lohnt sich trotzdem. Irgendjemand trifft die Entscheidung, ab welchem Punkt man die angebliche Urheberrechtsverstöße verfolgen will; wie weit man da ins Risiko reingeht; wie weit man da mit der Angel fischt, dem Kescher oder dem Fangnetz. Und zwar genau deswegen, weil er es so will.

Jürgen Kalwa:

Es wäre etwas anderes, wenn sich der Hausherr die fragliche Textpassage ohne Nennung der Quelle und ohne Verlinkung des Gesamttextes angeeignet hätte. Hat er aber nicht. Er hat zitiert.

Wie sehr gerade der inkriminierte Blog-Eintrag den Charakter eines Pressespiegels hat, sieht man an den Kommentaren. Sie bestehen überwiegend auf weiteren Hinweisen auf Veröffentlichungen in Zeitungen. Natürlich müsste man einen Richter im Rahmen eines Prozesses zunächst einmal davon überzeugen, dass ein Blog heutzutage mitunter durchaus auch so etwas sein kann wie ein Pressespiegel. Aber dafür gäbe es in diesem Fall dingfeste Belege.

Davon abgesehen: Ist das hier eigentlich inzwischen Makulatur? “Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist.” (§ 51 UrhG)

Stephan:

Mal ganz abgesehen von der Reichweite des Zitatrechts: Die urheberrechtliche Schöpfungshöhe kann man bei einem Nachrichtentext durchaus mal grundsätzlich anzweifeln. Im Perlentaucher-Urteil hat der BGH sich ziemlich viel Mühe damit gegeben, in Ausgangsmaterial und Abstract besonders hübsche und kreative Formulierungen zu finden, die die Bewertung “unfreie Bearbeitung” rechtfertigen. Bei Nachrichtentexten, bei denen die zugrundeliegende Sachlage kaum eine abweichende Gestaltung zulässt und die keine wesentlichen eigenschöpferischen Elemente enthalten, kann das anders sein. Schutzgegenstand ist ja die schöpferische Qualität, nicht die wirtschaftlich-organisatorische Leistung. Und genau so ist das ja auch gewollt: Tatsachenmitteilungen sollen eben nicht schutzfähig sein, schon um den freien Meinungsaustausch und die Meinungsbildung nicht zu beeinträchtigen. Und noch gibt es ja kein Leistungsschutzrecht für Presseprodukte…

In der Tat sehe ich mich in vielen Blogbeiträgen hier als eine Art Kurator. Ich bin ein Fachidiot, kenne mich in meinen Themenfeldern (internationale Sportpolitik, Korruptionsbekämpfung, Finanzierung von Mega-Events etc) einigermaßen aus, recherchiere auch manchmal und versuche meinen Job zu machen, ich will ein bisschen Licht in Dunkelfelder und Struktur in komplizierte Sachverhalte bringen – und vor allem will ich meine Angebote und die Themenfelder öffentlich diskutieren und dazu lernen. That’s it. Das habe ich so ähnlich schon tausendmal formuliert.

Ich sehe mich als öffentlicher Bearbeiter eines Themas. Ich versuche, auf meinen Gebieten die Diskussion zu bereichern und – wenn alles gut läuft – einen Erkenntnisgewinn herbei zu führen. Mehr nicht.

Auch bei Thomas Stadler habe ich heute interessante Anregungen gefunden. Und „Mashup“ von Dirk von Gehlen werde ich jetzt endlich mal lesen.

Stadler schreibt:

Man kann und sollte sich meines Erachtens von der Vorstellung des geistigen Eigentums verabschieden und aufhören, das Urheberrecht oder gewerbliche Schutzrechte als absolute, eigentumsgleiche Rechte zu betrachten. Vielmehr sollte man übergehen zu einem Konstrukt einer zwar geschützten Rechtsposition, die sich aber der ergebnisoffenen Abwägung mit anderen legitimen Interessen und Rechtspositionen stellen muss und keinen regelmäßigen Vorrang für sich reklamieren kann.

Wenn man stattdessen den tradierten Weg fortsetzen will, so muss man doch erkennen, dass es dem Wesen des “geistigen Eigentums” entspricht, einer wesentlich stärkeren Sozialbindung zu unterliegen als das Sacheigentum. Denn Geisteswerke sind gleichzeitig auch Bestandteil des Wissens und der Kultur der gesamten Menschheit und als solches ab dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung auch Allgemeingut. Sie sollten deshalb idealerweise nicht nur ungehindert zugänglich sein, sondern auch einer möglichst ungestörten Weiterentwicklung unterliegen.

Genau an diesem Prozess der Weiterentwicklung, wenn man so will, der Themenentwicklung, des Öffentlichmachens, des Erklärens, manchmal auch des Enthüllens, versuche ich mich.