Notizen vom Sportausschuss (6): Profifußball vs Amateurfußball
Hoppla: Eine äußerst muntere Diskussion heute im Sportausschuss. Hauptthema: Die TV-Vermarktung der Fußball-Bundesliga und der Aufstand des Amateurfußballs im DFB. Später…
Hoppla: Eine äußerst muntere Diskussion heute im Sportausschuss. Hauptthema: Die TV-Vermarktung der Fußball-Bundesliga und der Aufstand des Amateurfußballs im DFB. Später…
Knallharte und totaltransparente Aufarbeitung sieht im Sport eigentlich immer so aus, wie es der Handballfunktionär Dieter Matheis praktiziert. Matheis, ehemals…
Eigentlich wollte Mohamed Bin Hammam am 8. Mai 2009 gemeinsam mit der asiatischen Fußballfamilie Geburtstag feiern. 60 wird er an diesem Tag, an dem der Kongress der Asian Football Confederation (AFC) tagt, als deren Präsident der Katari fungiert.
Doch so schnell kann’s gehen in Sepps Welt: Offenbar wird Bin Hammam an der Fifa-Spitze nicht mehr gebraucht. Er hat genug Stimmen besorgt für Joseph Blatter, in den schmutzigen Wahlkämpfen 1998 und 2002, als es nötig war, um den rüstigen Rentner auf den Fifa-Thron zu hieven bzw. darauf zu belassen. Danach hat Bin Hammam mir gesagt (Video), dass es keinen Sinn macht, gegen Blatter anzutreten:
I don’t think myself about contesting to Fifa. And I don’t advise anybody to think about it. Nobody can compete with him.
„Nobody can compete with him.“ Bin Hammam, seit 1996 Exekutivmitglied der Fifa, galt eine Zeitlang als potenzieller Nachfolger des Fifa-Präsidenten und merkt nun, dass dies ein Traum bleiben wird. Ich meine, er hat Blatter sogar beeindruckt. Der Fifa-Vorsteher sagte mir mal an einem Abend in Bin Hammams Residenz in Doha: „Ich muss Ihnen ehrlich sagen, meine Wohnung in Zürich ist kleiner als das Vorzimmer in diesem Gästehaus.“ Ja, aber Quadratmeter haben noch nie über eine Fifa-Präsidentschaft entschieden.
Bin Hammam hat so viel Geld in das Fußballgeschäft gesteckt, sein Verein heuerte ja einst auch Basler („Verschwitzt ins Ritz“) und Hierro an, Bin Hammam lancierte die vielen Millionen katarischer Petro-Dollars und ungezählte Deals mit afrikanischen und asiatischen Nationalverbänden, die Projekte des Fifa-Goal-Programms, die einzigartige Fußball-Akademie Aspire und etliches mehr wie kleinere Zuarbeiten zu den Asienspielen 2006 und zur Olympiabewerbung von Doha für 2016 – und nicht zu vergessen: die Bewerbung um die Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022.
Trotz des Einsatzes wird Bin Hammams internationale Karriere wohl bald enden, sie wird jedenfalls nicht nach ganz oben führen. Schade eigentlich, denn ich habe ihn gemocht, Bin Hammam ist im privaten Umgang ein höflicher, netter Kerl, hat oft zwei seiner Töchter mit auf Fifa-Terminen, die Kataris sehen das nicht so verbissen. Doch gerade läuft in Asien ein Aufstand gegen Bin Hammam, den Präsidenten der asiatischen Konföderation AFC.
Ausgerechnet ein Kollege aus dem benachbarten Königreich Bahrain sagt ihm den Kampf an. Einerseits klingt das schräg, wenn hier Vertreter aus winzigen Fürstentümern um die Macht ringen, andererseits liegt darin eine Logik: Die Petro-Milliarden sprudeln immer noch, und die Kameraden dort unten haben den Sport längst als Spielzeug für sich entdeckt. Nur mal zur Sicherheit: Wer glaubt, dies sei ein exotischer Machtkampf, der irrt sich und sollte nur mal die Perspektive ändern: Dafür interessiert sich die halbe Welt.
(Achtung, gua: Am Ende dieses Beitrags ist ein Voting-Tool eingebaut. Die Abstimmung ist diesmal nur 24 Stunden möglich.)
Wo treibt sich eigentlich der Friedensnobelpreisanwärter herum?
Der Fifa-Präsident war gerade in Nigeria auf dem Kongress der Confédération Africaine de Football (Caf). In Afrika liegen die sportpolitischen Wurzeln des Joseph Blatter. Dort hat er seit 1975, als er als Direktor für Entwicklungsprogramme bei der Fifa begann (und damals zeitweise von Adidas, der Firma seines Kumpels und ISL-Gründers Horst Dassler, bezahlt wurde), stets nur das Beste bewirkt. Er hat zum Beispiel jene Stimmen generiert, die ihn 1998 in Paris nach legendären Wahlnächten im Meridien Montparnasse Hotel zum Fifa-Präsidenten aufsteigen ließen.
Der Titel ist ein Traum: „Sport bez korupcji“, heißt ein Handbuch, das im Rahmen eines EU-Twinningprojektes (Improvement of the anticorruption activities in Poland) herausgegeben wurde.
Sport ohne Korruption? Das ist nicht nur in Polen und seinem kolossal verseuchten Fußballbusiness eine Wunschvorstellung.
In dem Büchlein findet sich auch ein Kapitel von mir: „Globalna demokracja specjalna“ (Globale Spezialdemokratie), eine Kurzfassung aus „Korruption im Sport“ (2006). Das polnische Korruptionsbekämpfungshandbuch hat eine Auflage von 1200 Exemplaren. Es wird über das Sportministerium in Warschau kostenlos an die wichtigsten Funktionäre und Mitarbeiter in polnischen Sportverbänden verteilt.
Ansonsten, eine Leseprobe, mal wieder eine dieser ultralangen:
Es war der 11. Dezember 1998, als der Schweizer Marc Hodler, damals Präsident des Ski-Weltverbandes und einst auch IOC-Vizepräsident, diese Treppe herunter und anschließend ins Plaudern kam. Mit seinen Erzählungen im Glaspalast von Lausanne löste er ein sportpolitisches Erdbeben aus: Den so genannten IOC-Bestechungsskandal, die größte Krise in der Geschichte des IOC.
[caption id="attachment_2281" align="aligncenter" width="292"] Die ‚Marc-Hodler-Treppe‘ zu Lausanne[/caption]Die offizielle IOC-Geschichtsschreibung sieht das so (pdf). Zum Jubiläum biete ich eine ultralange Lektüre (wer’s nicht in einem Ritt schafft: nochmal versuchen am Wochenende), die ersten Seiten des Buches „Der olympische Sumpf“, dass ich vor den Olympischen Spielen in Sydney gemeinsam mit Thomas Kistner geschrieben habe. Verlinkt und optisch aufgehübscht wird später, wenn ich wieder meinen Arbeitsplatz im IOC-Glaspalast eingenommen habe.
Nur soviel vorab: Wer hier im Blog die Geschichten über Jean-Marie Weber, den ich gestern in der IOC-Zentrale traf, und die 138 (+18) ISL-Bestechungsmillionen verfolgt, weiß, dass damals, im aufregenden Winter 1998/99, wirklich nur Sünderlein geopfert wurden. Voilà:
Ein Freund meinte: „Mensch, stell doch mal was anderes rein in Dein Blog, damit der Kommentar von Jürgen Roth nach unten rutscht.“
Okay, wird sonst vielleicht monothematisch. Andererseits, mir ist nicht nach Schreiben. Doch er ist ein Freund. Was tun? Zum Glück gibt es mein Archiv. Ich habe im Sommer eine Geschichte über einen neunzehnjährigen Anhaltiner geschrieben, der in der zweiten Mannschaft von Real Madrid spielt. Vergangene Woche gab es nun etliche (deutsche) Agenturmeldungen, wonach Reals Trainer Bernd Schuster, der nun doch nicht entlassen wurde, angeblich plant, diesen Christopher Schorch demnächst in der ersten Mannschaft einzusetzen. Ein anderer Freund allerdings, der in Madrid lebt und schon ein Buch über die Primera División geschrieben hat, klärte mich auf: „Schorch ist hier kein Thema, Schuster ist noch nicht einmal beim B-Team aufgetaucht, auch das werfen sie ihm vor.“
Okay, sagen wir es so, mit einem Spruch aus der Praxis: Wenn es deutsche Nachrichtenagenturen melden, wird es schon ein Thema sein. Schließlich haben viele deutsche Medien die Meldungen übernommen. Hier also das Geschichtlein über Christopher Schorch. Nur eins noch, blöderweise: Auch zwischen ihm und dem DFB bzw. den DFB-Trainern gab es die eine oder andere Reiberei. Er gehört in jene Truppe, die im Sommer die Europameisterschaft gewann, fehlte aber bei dem Turnier. Er sagt: Ordnungsgemäß abgemeldet beim DFB und beim Coach Hrubesch wegen Krankheit. Ich habe auch anderes gehört, das aber nicht bis ins letzte Detail überprüft, es schien mir nicht entscheidend für diesen Beitrag zu sein. Seine Auseinandersetzung mit Hertha BSC habe ich allerdings so gut es ging überprüft, zumindest kommen alle Beteiligten zu Wort.
Okay, hier also, … etwas anderes. Und vielleicht habe ich irgendwann mal Muße, Links zu setzen:
McCain? Da war doch mal was … Ja, Senator John McCain (R-AZ) war einst ein ganz garstiger Beobachter des olympischen Treibens. Er hat dem IOC sogar mal mit dem Entzug der Steuerbefreiung für die US-Geschäfte und dem Entzug der Sponsoren-Milliarden aus den USA gedroht (was u.a. die NBC-TV-Verträge betroffen hätte). Im April 1999, als es für Politiker opportun war, das von Korruptionsenthüllungen erschütterte IOC zu ärgern, veranstaltete McCains Senatsausschuss (Senate Committee on Commerce, Science and Transportation) in Washington ein erstes Hearing zum IOC-Bestechungsskandal. IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch aber mochte nicht dabei sein (er erschien erst bei einer zweiten Anhörung im Dezember, als das Schlimmste überstanden war). McCain wetterte:
I am deeply saddened that Mr. Samaranch has declined our offer to testify before the Commerce Committee. It would have been extremely informative for the Committee, in seeking to understand the IOC’s reform efforts, to hear from Mr. Samaranch who placed himself in charge of the reform and ethics initiatives of the organization. Apparently, Mr. Samaranch doesn’t understand the gravity of the situation for the future of the Olympic movement. The lack of transparency and accountability within the IOC, that fostered a culture based on gifts and lavish travel, has brought a dark cloud over the integrity of the Olympics. We must now move forward, unfortunately without Mr. Samaranch’s direct input, to ensure that urgently needed reforms are implemented.
Es wurde dennoch eine lustige Veranstaltung. Dafür sorgten IOC-Vizepräsidentin Anita DeFrantz mit ihrer Ahnungslosigkeit – und natürlich Andrew Jennings, seit seinem 1992 erschienenen Buch „The Lords of the Rings“ der gefährlichste Feind, den das IOC je hatte. Jennings wurde ebenfalls vorgeladen und durfte nun ungestraft all das ausplaudern, wofür er einige Jahre zuvor vor einem dubiosen Polizeigericht in Lausanne, am Sitz des IOC, noch zu einer absurden Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Mit anderen Worten: Jennings durfte die Wahrheit laut verkünden.
Unmittelbar nach dem Hearing erklärte McCain:
Ich habe hier an verschiedenen Stellen immer mal erschrocken festgestellt, wie viele Jahre man nun schon dieselben Geschichten schreibt und…
Vielleicht ganz gut, dass der Abend etwas leichter ausklingt. Hier im Blog wurde, woran ich nicht ganz unschuldig bin, doch…
Angestachelt von der Frage, ob das Uefa-Pokalspiel Zenit gegen Bayern verschoben worden sein könnte, habe ich mich ein wenig umgesehen. Und da sind mir diese Fotos aufgefallen, die sicher überhaupt nicht in einem Zusammenhang stehen zu den Meldungen dieser Tage, die aber verwirren. Vier Fußballfreunde: Joseph Blatter, der tadellose Fifa-Präsident; Wjatscheslaw Koloskow, Exekutivmitglied des Fußball-Weltverbandes Fifa; und Alimsan Tochtachunow, ein – tut mir echt leid, das so formulieren zu müssen – mutmaßlicher Schwerverbrecher. Ebenfalls zugegen: Michel Platini, Fifa-Exekutivler und seit 2007 Präsident der Europäischen Fußball-Union (Uefa). Ein Screenshot der Fotos der Zeitung Kommersant:
Ich weiß nicht, ob Joseph Blatter genau wusste, mit wem er da das Glas erhob. Ich werde ihn mal fragen. Es muss ein spaßiger Abend gewesen sein, im Januar 2005 im China Club an der Uliza Krasina 21 in Moskau. Der China Club wirbt übrigens so:
The restaurant, decorated in Truggelmann style instantly became a symbol of classic luxury. And a place with a high concentration of enormous wealth and unlimited power. Deals worth millions were concluded there and destinies were ruled. The restaurant’s story would suffice for a novel, historical or culinary.
Blatter, Platini und Koloskow sind als Fifa-Funktionäre gewissermaßen Stammgäste in diesem Blog. Alimsan Tochtachunow, ehemals Kicker bei Pachtakor Taschkent und heute Präsident der Russian Soccer Foundation, habe ich bislang noch nicht erwähnt, obwohl er doch, nun ja, zu meinen Lieblingsmafiosi zählt. Er sieht gut erholt aus auf den Fotos der russischen Zeitung Kommersant. Auf dem Fahndungsfoto von Interpol, das ist eine jener blöden Behörden, mit denen Fußballfunktionäre nichts zu tun haben möchten, ist er nicht so gut getroffen. Aber das liegt vielleicht in der Natur der Sache:
Das FBI brachte Alik, wie Tochtachunow von seinen Freunden genannt wird, mit zahlreichen Verbechen in Verbindung – und mit strammen Syndikaten der Russenmafia. Nur ein kleiner Ausschnitt von mehreren Seiten Fahndungsmaterial:
Wenn wir Probleme haben in der Familie, dann lösen wir die Probleme in der Familie und gehen nicht zu einer fremden Familie. Alles, was im Fußball passiert, und alle Schwierigkeiten, die im Fußball sind, sollen innerhalb der fußballerischen Gerichtsbarkeit oder Rechtsprechung gelöst werden und nicht vor ordentliche Gerichte gebracht werden.
Das ist nicht mehr unsere Familie.— Joseph Blatter, unter anderem:
Träger des Olympischen Ordens
Ehrenmitglied des Schweizerischen Fussballverbandes SFV
Ritter („Dato'“) und „First Class Grand Commander“ („Dato‘ Sri“) der Ehrenlegion des Sri Sultan Ahmad Shah Pahang (Malaysia)
„Order of Good Hope“ der Republik Südafrika
„Medalla al Mérito Deportivo“ von Bolivien
Jordanischer Unabhängigkeitsorden 1. Klasse
„Grand Cordon du Ouissam Alaouite“ und Großoffizier des Thron-Ordens („Ouissam Al Arch“) von Marokko
„Grand Cordon de l’Ordre de la République Tunisienne“ (Tunesien)
„International Humanitarian of the Year“
„American Global Award for Peace“
UEFA-Verdienstorden in Diamant
Ritter der französischen Ehrenlegion
„Orden der Zwei Nile“ des Sudans
„Commandeur de L’Ordre National du 27 Juin 1977“ von Djibouti
Ehrendoktor (Geisteswissenschaften) der Universität Leicester
Ehrendoktor (Philosophie) der Nelson-Mandela-Universität, Port Elizabeth
Ehrenbürger seiner Heimatstadt Visp
Ehrenmitglied von Real Madrid
„Diamond of Asia Award“ der AFC
Orden des Fürsten Jaroslaw des Weisen (Ukraine)
Freundschafts-Orden („Dustlik“) von Usbekistan
Diamantener Verdienstorden des usbekischen Fussballverbandes
„Danaker“-Orden von Kirgisistan
Ehrendoktor der International Univerity Genf
„Francisco de Miranda“-Orden 1. Klasse (Venezuela), erhalten von Präsident Hugo Chavez
Ehrendoktor der aserbaidschanischen Staatsakademie für Körperkultur und Sport
Ehrendiplom von Ilham Aliyev, Präsident Aserbaidschans
Ehrendoktor (BA Sportmanagement) an der Chandrakasem-Rajabhat-Universität Bangkok
Ehrenbürger von Bangkok
Ehrenbürger von Guatemala City
Medaille 1. Klasse von Bahrain
Ehrenmitglied der Swiss Olympic Association
Orden des Nationalen Olympischen Komitees von Belarus
„Dostik“-Orden vom Präsidenten der Republik Kasachstan, Nursultan Nazarbayev
Bundesverdienstkreuz
„Crown of Peace“ (Indien)
Und Amen. Das Zitat ist selbstverständlich nicht erfunden. So hat er es mir mal in einem Interview gesagt. Er meint das ganz ernst. Familienbande sind wichtiger als die Abseitsregel. Er schützt seine Familienmitglieder. Was auch passiert, und es passiert im Fußball ja einiges. Um mal nur das K-Wort zu nennen: Korruption. Selbstverständlich dürfen auch die Versager im polnischen Fußballverband um Michal Listkiewicz auf Blatters Milde setzen. Wann immer sich eine fremde Instanz, oder um mit Sepp dem Großen zu sprechen: eine „fremde Familie“, einmischt, wird ein pawlowscher Reflex ausgelöst in Zürich und Nyon. Am Tag, nachdem Polens Sportminister die Verbandsführung entmachtet hat, meldet sich die Fifa erwartungsgemäß:
FIFA and UEFA do not recognise appointment of „administrator“ of Polish FA
FIFA and UEFA have been informed of the events on 29 September that have affected the Polish football association (PZPN). In this regard, FIFA and UEFA would like to state the following: