Der Überlebenskampf des olympischen Boxens
Hat das olympische Boxen eine Zukunft über die Sommerspiele 2024 hinaus? Die Frage ist nicht neu, doch sie dürfte zeitnah…
Hat das olympische Boxen eine Zukunft über die Sommerspiele 2024 hinaus? Die Frage ist nicht neu, doch sie dürfte zeitnah…
Es bleibt spannend: Heute (13.02.23) um 17.00 Uhr war Deadline für Vorschläge zum gemeinsamen Papier von drei Dutzend Regierungen in der Russland-Paris-2004-Frage. Frankreich wird angeblich nicht unterschreiben, höre ich. Mal schauen. Wundert aber nicht, denn Macron hat seinen Standpunkt mehr als deutlich gemacht. Anne Hidalgo ist allerdings die eigentliche Geschäftspartnerin des IOC – mehr dazu weiter unten im Text.
Was in den vergangenen Tagen passierte, ein erhellendes Schreiben des IOC dazu habe ich am Wochenende exklusiv veröffentlicht:
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat führende Sportfunktionäre dazu aufgerufen, die Allianz von 36 Staaten zu brechen, die sich am Freitag zur Nichtteilnahme von Russland und Belarus an den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris verständigt haben. Hier mal die Email, die am Sonnabend (11.02.23), einen Tag nach der bemerkenswerten Videokonferenz von Ministern und Staatssekretären aus drei Dutzend Ländern, von der IOC-Administration an die betreffenden Nationalen Olympischen Komitees (NOK) verschickt wurde.
Das IOC will damit eine Resolution beeinflussen, an der die Vertreter demokratischen Nationen unter Federführung von Großbritannien, Polen und den baltischen Staaten noch arbeiten.
Es ist die sportpolitische Debatte dieser Wochen: Werden Hundertschaften russischer Sportler bei den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris zugelassen? „Möglicherweise“, beschwichtigt der olympische Konzernchef Thomas Bach. Man sei im Prozess von „Konsultationen“, behauptet der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), denn schließlich gehe es im Weltsport doch total demokratisch zu. Man müsse eine „Nicht-Diskriminierung“ russischer Sportler sicherstellen, das hätten Experten der Vereinten Nationen vom IOC verlangt.
Beratungen, Arbeitsgruppen, juristische Euphemismen, neuerdings irgendwelche bestellten UN-Ratschläge, garniert mit vielfältigem Lobbyismus und Propagandabotschaften – man kennt das von Bach und seiner Sportpolitik seit Jahrzehnten.
Lüften wir den Nebelschleier der Propaganda:
Heute vor zwölf Jahren passierte es also. Zürich am 2. Dezember 2010. Wenn ich meinen eigenen Notizen in diesem Theater trauen darf, dann verkündete Joseph Blatter um 16.36 Uhr den Sieg von Russland (und Wladimir Putin flog nach Zürich, wo er abends eine unvergessene Fußball-Pressekonferenz gab, mehr dazu unten), um 16.44 Uhr gab er den Sieg von Katar bekannt, den ich richtig vorhergesagt hatte. Insofern sollte in den folgenden Texten, die ich am 2. Dezember und in der Nacht darauf produziert hatte, eigentlich nicht von einer Sensation die Rede sein. Denn für mich war es keine, ich hatte die Bewerbungsphase ab 2008, vor allem aber 2009 und 2010, bei etlichen Terminen auf einigen Kontinenten intensiv betreut wie kaum ein anderer aus Deutschland.
Also, wer nochmal nachlesen möchte, Content-Republishing ist ja bei vielen Medien sehr in Mode: Hier einige der Texte, die ich damals in Zürich mit einer fiebrigen Erkältung gebastelt habe. Für Onlinemedien, Zeitungen, Radio, alles dabei. So altes Zeug nachzulesen, ist immer erhellend, um sich selbst zu überprüfen – und weil man die meisten Details doch längst vergessen hat. Blogeinträge dazu gab es auch, die fielen aber leider extrem kurz aus, weil das Blog am Tag der Tage kaum erreichbar war, was mich in Zürich in Infarktnähe getrieben hat. Wenigstens derlei Serverprobleme, damals war der Andrang groß und die Technik rudimentär, gehören inzwischen der Vergangenheit an. Die besprochenen Themen aber bleiben fast durchweg aktuell.
Aktueller Bericht, unmittelbar nach der Bekanntgabe:
In einer kolossalen Korruptionskrise hat sich das Exekutivkomitee des Fußball-Weltverbandes FIFA für das große Geld und für die Milliarden aus dubiosen Quellen entschieden. Die Weltmeisterschaft 2018 findet in Russland statt, die WM 2022 im winzig kleinen Emirat Katar. Russland setzte sich in der zweiten Runde mit 13 von 22 Stimmen gegen Spanien und Portugal (7) sowie Belgien und Holland (2) durch. In Runde eins war England mit kläglichen zwei Stimmen ausgeschieden. Die jüngsten Korruption-Enthüllungen der Sunday Times und der BBC hatten unter den Exekutivmitgliedern Wirkung hinterlassen. Zumal der spanische Verbandspräsident, Ángel María Villar Llona, selbst Exekutivmitglied, das Thema angesprochen hatte. „Wir wurden von den Medien oft und ungerecht kritisiert“, schimpfte Villar Llona.
„Aber die FIFA ist eine saubere Institution! Alle meine Kollegen sind ehrenwerte Herren und arbeiten ehrlich und hart! Der gesamte Bewerbungsprozess ist sauber, egal was die Medien erzählen!“
Read the English version below.
Der Belgier Harald Vervaecke, Secretary General of the International Life Saving Federation (ILS) hat heute einen Brief an alle Mitglieder der Global Association of International Sports Federation (GAISF) geschrieben. Es ist ein seltener Akt des Widerstands in der vom IOC mit harter Hand geführten olympischen (und auch nicht-olympischen) Welt.
Die GAISF-Mitglieder treffen gerade in Lausanne ein, wo am Montag das sogenannte IF Forum und am Dienstag die GAISF-Generalversammlung stattfinden. Auf dem GAISF-Treffen soll die Auflösung des einst so stolzen und wichtigen Gremiums und die Angliederung an SportAccord beschlossen werden, den bisherigen Business-Arm von GAISF.
Absurd. Wahnsinn. Dubios.
Harald Vervaecke kämpft dagegen – und damit automatisch auch gegen die IOC-Gottheit Thomas Bach. Denn so wird es in Lausanne gelesen.
Es gibt etliche außerordentliche bemerkenswerte Details im Brief von Vervaecke. Zum Beispiel diese Feststellung:
The IOC is not the official organ that represent the Sports.
The IOC is a Global Multi-Sport Games Organiser. The Olympic Games are the largest multi-sport event in the world in terms of worldwide interest and importance (though not in participation).
Das ist auch deshalb so bemerkenswert, weil das IOC und seine Verbündeten es ja zum Beispiel gerade bei der Lobby-Arbeit zum „europäischen Sportmodell“ es so dargestellt haben, als würde Breitensport ohne Olympische Spiele und die IOC-Vermarktung nicht existieren.
… es bleibt ein Jammer. Es tut weh, das weitgehend embryonale Niveau der medialen Diskussion zu verfolgen.
Deshalb ein bisschen Bildung. Fakten, so wichtig.
LOL, es geht lustig weiter, was für ein jämmerliches Niveau auch im Sportausschuss des Bundestages. Denn sie wissen nicht, was sie tun.https://t.co/c8TUQ4sHA0
— SPORT & POLITICS (@JensWeinreich) August 23, 2022
Fast alles, was ich vor 17 Monaten in meiner Stellungnahme für den Sportausschuss des Bundestages zusammengetragen habe, ist noch brandaktuell.
Das Papier vermittelt ein Mindestmaß an Wissen, bestens belegt übrigens, das man sich für eine angemessene Diskussion über deutsche Olympiabewerbungen aneignen sollte – ob als Sportpolitiker (BMI, SMK, Parteien), Sportfunktionär (DOSB et al) oder Journalist.
DOHA. Wer in den vergangenen Wochen über eine angebliche Zeitenwende im Weltsport orakelt hat, sollte sich nochmal die Aufzeichnung des 72. FIFA-Kongresses anschauen. Im Doha Exhibition and Convention Center, wo am vergangenen Freitagabend die Gruppen der Fußball-WM 2022 ausgelost werden, gab es am Donnerstag auf der Vollversammlung des Weltverbandes einen Vorgeschmack darauf, wie die FIFA und Katar im nächsten Dreiviertel Jahr argumentieren werden. In Kurzfassung:
Die WM in Katar ist ein Segen für die Menschheit.
Kritik an den Zuständen an den WM-Baustellen, den vielen tausend Toten, an der Beschneidung der Pressefreiheit, an der Menschenrechtslage, an Korruption – all das mit dieser Männer-WM in Katar seit mehr als einem Jahrzehnt verbunden – oder gar Boykottforderungen? Alles bösartige und verlogene Voreingenommenheit des Westens, basierend auf Unkenntnis der wirklichen Lage. Darauf lassen sich die Botschaften reduzieren, die FIFA-Präsident Gianni Infantino, Mitglieder der feudalistischen Herrscherfamilie Al-Thani und Hassan Al-Thawadi, weltgewandter CEO des Organisationskomitees, in Doha verbreiteten.
„Meine Tür ist offen für alle, die die Themen verstehen“, sagte Al-Thawadi. Er unterstellte der norwegischen Verbandspräsidentin Lise Klaverness, die eine bemerkenswert kritische Rede gehalten hatte, sie habe zuvor nicht den Kontakt gesucht. Was Lise Klaverness umgehend zurückweisen musste.
Reden wir Klartext, es wird zu viel beschwichtigt, verfälscht und gelogen. Vergessen wir das irreführende Geschwafel vom Soft-Power-Potential des Sports und von angeblichen Segnungen von Mega-Events, die in Diktaturen ausgetragen werden. Sagen, was ist:
2022 ist ein Jahr der Schande für den olympischen Sport.
Weder sollten die Winterspiele in China, noch die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer in Katar stattfinden.
China und Katar sind Sport-Schurkenstaaten.
Beide Großereignisse hätten aus vielerlei Gründen nie dorthin vergeben werden dürfen.
In China werden unter der Diktatur der kommunistischen Partei Menschen- und Bürgerrechte mit Füßen getreten. China verübt einen Genozid an den Uiguren. Die Sommerspiele 2008 in Peking, die von den Propagandisten Olympias als Öffnung des Landes gepriesen wurden, haben nichts zum Positiven verändert. Es ist viel schlimmer geworden: in Tibet, in Hongkong, in Xinjiang und anderen Regionen.
Das kleine aber steinreiche Katar ist eine Erbmonarchie, in der die Scharia gilt. Katar hat den Weltsport in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit einem beispiellosen, engmaschigen korruptiven Netz überzogen. Katar kauft und infiltriert alles und jeden: Weltmeisterschaften, Verbände, Funktionäre, Sportler, Vereine, Staats- und Regierungschefs, Abgeordnete, Wissenschaftler und Nichtregierungsorganisationen, politische Gremien, Medien und Journalisten.
URAYASU. Knapp zehn Stunden noch, bis das Feuer verlischt. Gerade läuft der zweite Teil der 138. IOC-Session mit der Aufnahme neuer Mitglieder und der Selbstbeweihräucherung durch den Großen IOC-Führer, The Greatest IOC Leader Of All Time (TGIOCLOAT/FDP). Um es kurz zu machen:
Can you see my emotions, my goose bumps?
— SPORT & POLITICS (@JensWeinreich) August 8, 2021
Says the Great IOC Leader: „the feeling went to the Olympic venues. You could feel it, you could hear it, you could see it!“
We gave „hope and confidence not only to the Olympic community but to the entire world! Peace. Hope.“
Amen! pic.twitter.com/sSvQGyyPrs
Im Newsletter 17 habe ich mich in der vergangenen Nacht ein wenig dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) beschäftigt. Das möchte ich Ihnen in diesem Theater nicht vorenthalten.
Im aktuellen SPIEGEL, Heft 32/2021, habe ich mich gemeinsam mit Thilo Neumann in einer kleinen Bilanz dem DOSB und den nächsten Monaten gewidmet, in denen wichtige Weichen für die Zukunft des deutschen Sports gestellt werden sollen/müssen/werden. Den ganzen Text (“Ständige Lügen des Präsidenten haben das Vertrauen zerstört”) darf ich Ihnen hier nicht reinknallen. Es geht um den DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann (CSU), seine Performance, seinen Abschied und um die Zukunft. Ich darf ein bisschen zitieren, ein Anreißer …
URAYASU. Beginnen wir mit dem sportpolitisch Aktuellen: Die Finnin Emma Terho ist zur Chefin der IOC-Athletenkommission gewählt worden. Eine offizielle Bestätigung und Mitteilung der Kommission/des IOC kam gerade via Twitter, Liam Morgan hat darüber bereits berichtet.
Today the IOC Athletes‘ Commission elected their new chair Emma Terho (FIN) and vice chair Seung Min Ryu 👏congratulations👏 They will replace @KirstyCoventry and @DankaBartekova who complete their term at the #Tokyo2020 closing ceremony.
— Athlete365 (@Athlete365) August 6, 2021
Warum ist das wichtig: Der Chef/die Chefin der Athletenkommission erhält automatisch einen Sitz im IOC-Exekutivkomitee. Zuletzt waren das Frankie Fredericks, Claudia Bokel, Angela Ruggiero und Kirsty Coventry. Mal schauen, wo sich Emma Terho da einordnet.
Im Newsletter 15 hatte ich in der Nacht dazu gedichtet, denn diese Wahl heute hatte eine gewissen Brisanz.
Despoten und Politik. Hatten wir das nicht gerade? Und gab es da nicht ein Land, das irgendwie gar nicht zu sehen sein sollte bei diesen Olympischen Spielen? Hieß das Land Russland, die Staatsdopingnation, oh, Entschuldigung: man soll, ja nur ROC sagen. Jedenfalls, ein Bild aus besseren, aus noch besseren Zeiten: Der gewesene Sportminister und heutige Vize-Ministerpräsident Witali Mutko (knallhart gesperrt vom IOC), der Allmächtige Wladimir und eine seiner Lieblingssportlerinnen, Jelena Isinbajewa, Olympiasiegerin im Stabhochsprung. Das Foto entstand im Februar 2014 bei den irregulären Staatsdoping-Winterspielen in Sotschi, während derer Putin die Annexion der Krim vorbereitet hatte (ohne dass das IOC den Bruch des olympischen Friedens monierte). Isinbajewa war damals Bürgermeisterin des Olympischen Dorfes:
TOKYO. Leute, es ist ein Wahnsinn. Die wichtigste und einzig wichtige olympische Frage des Tages lautet: Wie geht es Kristina Timanowskaja? Ist sie in Sicherheit? Wie geht es jener weißrussischen Sprinterin, die am Sonntagabend japanische Sicherheitskräfte und das Internationale Olympische Komitee (IOC) in einer dramatischen Aktion um Hilfe gebeten hat?
So habe ich heute morgen den Newsletter 14 begonnen. Inzwischen hat sich alles weiter zugespitzt. Zunächst das Wichtigste: Kristina Timanowskaja ist in Sicherheit – sie erhielt Asyl von der polnischen Regierung und befindet sich in der polnischen Botschaft in Tokio. Offenbar sind ihr Mann und ihr Kind aus Weißrussland geflohen, schreibt der Journalist Tadeusz Giczan, dessen Twitter-Kanal Pflichtlektüre in dieser Sache ist:
Kristina Tsimanouskaya’s husband and child have managed to escape from Belarus to Ukraine. They are safe now. pic.twitter.com/sEmNcMujQj
— Tadeusz Giczan (@TadeuszGiczan) August 2, 2021
Vor drei Stunden berichtete Giczan unter Berufung auf Babuschka Timanowskaja, dass Häscher des Diktators Alexander Lukaschenko auf dem Weg zu den Eltern der Olympia-Sprinterin seien.
Inzwischen haben sich Polens Außenminister Marcin Przydacz und der Botschafter Polens in Japan, Paweł Milewski, zur Sache geäußert.
URAYASU. Ich weiß nicht, ob es Kameltreiber auf Fidschi gibt. Mir ist egal, welchen rassistischen Spruch ein dummer deutscher Radsportfunktionär möglicherweise für die Rugby-Olympiasieger aus dem Pazifik parat hätte. Doch diese Banknote zu Ehren der Flying Fijians wollte ich Ihnen nicht vorenthalten, vielleicht wird der Schein nach dem zweiten Olympiasieg neu aufgelegt – oder die Reserve Bank of Fiji macht gleich eine Serie draus.
Eine Sieben-Dollar-Münze wurde nach dem ersten Erfolg in Rio de Janeiro auch herausgegeben.
Und diese Nationalhymne erst!
Schweigen, lächeln, genießen.
Es wird kaum schöner werden bei diesen Olympischen Corona Spielen: