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Das Olympische Bildungsmagazin

Tokio, was vom Tage übrig bleibt (27. Juli)

URAYASU. Olympia werde jünger, hieß es in den vergangenen Tagen bei den Auftritten der Skateboard-Teenies und der zwölfjährigen Tischtennisspielerin Hend Zaza aus Syrien. Die New York Times bemühte den Taschenrechner: 42 Jahre alt waren die drei Medaillengewinnerinnen beim Skateboard demnach.

Nun, die Beobachter dürfen sich wieder beruhigen: Die Olympischen Spiele sind und werden keine Veranstaltung für Kinder, so wie eine Mitgliedschaft im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) längst nicht mehr an das Rentenalter und/oder blaublütige Abstammung gebunden ist – die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.

So gewann ja schon am ersten Tag der Iraner Javad Foroughi, Mitglied der mörderischen Iranischen Revolutionsgarde (IRGC) die Goldmedaille mit der Luftpistole. Foroughi feiert bald seinen 42. Geburtstag, dann ist er so alt wie die drei besten Skateboarderinnen zusammen. Und am Dienstag hat nun eine deutsche Reitersfrau bewiesen, dass man auch im sechsten Lebensjahrzehnt olympische Hochleistungen vollbringen kann. Okay, es war nur Dressurreiten, und es gibt tausend gute Gründe, darüber zu diskutieren, warum diese Art Sport nicht längst aus dem Olympiaprogramm verbannt wurde. Doch es ist, wie es ist, was wären die Deutschen ohne ihre Reiterinnen und Reiter und ohne deren Rekorde:

Isabell Werth, geboren am 21. Juli 1969, gewann mit dem Team heute Gold. Es ist bereits der siebente Olympiasieg für die Frau, die behauptet, nicht auf die Statistik zu schauen. Vier Silbermedaillen hat sie ebenfalls, und am Mittwochmorgen (Ortszeit) könnte sie in der Einzelkonkurrenz ihre achte Goldmedaille holen. Sie würde mit der Kanutin Birgit Fischer gleichziehen als erfolgreichste deutsche Olympiateilnehmerin aller Zeiten.

Reitersfrauen reiten naturgemäß nicht alleine, deshalb sollte man auch ihre Gäule zeigen. Hier also: Dorothee Schneider, Showtime, Isabell Werth, Bella Rose, Jessica Bredow-Werndl und Dalera. (Foto: IMAGO/Stefan Lafrentz)

Birgit Fischer wird am Mittwoch aufgeregt und womöglich auch etwas traurig sein, sollte sie ihren deutschen Rekord teilen müssen. Ich werde es live erfahren, denn unmittelbar vor der Einzelkonkurrenz im Dressurreiten diskutiere ich mit ihr und Gunter Gebauer und Thomas Ihm eine Stunde im Radiosender SWR2. Vielleicht möchten Sie mal reinhören, Mittwoch ab 17.05 Uhr MESZ.

Auf der Webseite stand eben noch, ich sei Sportjournalist, das wird hoffentlich geändert, da neige ich zur Zickigkeit. Wer meine Elaborate etwas länger verfolgt, sollte wissen, dass ich mich schwer tue mit dieser Berufsbezeichnung – aus Prinzip und aus vielerlei Gründen, auch ein bisschen als Marotte, obwohl ich so viele wunderbare Kollegen schätze, die kein Problem damit haben, Sportjournalist genannt zu werden. Anyway, das möchte ich jetzt nicht vertiefen, habe mich oft genug dazu geäußert. Während ich das schreibe, bin ich ohnehin vollends damit ausgelastet, mit der Zeitdifferenz zwischen Europa und Japan zurechtzukommen und meine Benachrichtigungen einzustellen, um den Radiotermin nicht zu verpassen. Sie kennen das gewiss von ihren Reisen, ob Urlaub oder Dienstverrichtung, manchmal stellt einen so etwas vor unlösbare Probleme, erst recht, wenn Tag und Nacht verschwimmen. Alles fließt. In den vergangenen Tagen (und Nächten) hatte ich zweitweise einen schrägen Rhythmus: drei Stunden Arbeit, eine Stunde Ruhen, so etwa. Vorhin bin ich am Computer eingeschnurrt und habe fast ein Gespräch verpasst. Es ließ sich regeln.

Doppelmärchen des Tages

Erinnern Sie sich an meine fiktiven Geschichten von gestern, als ich ihnen zwei Märchen über das IOC und den DOSB erzählte?

Dazu erreichten mich zahlreiche interessante Nachrichten. Aus dem DOSB, aus Spitzenverbänden, aus dem IOC, aus Weltverbänden, von Kollegen und Beobachtern. Tendenz:

  • Das Märchen vom IOC und einer dritten Amtszeit des amtierenden Präsidenten könnte wahr werden.
  • Das Märchen vom DOSB und seinem Präsidenten, der vielleicht vom angekündigten Rückzug zurücktritt, könnte eher im Reich der Fabeln verbleiben.

Nichts Genaues weiß man natürlich nicht, alle beobachten nur und ziehen ihre unvollkommenen Schlussfolgerungen. Der DOSB-Präsident Alfons Hörmann (CSU) tauchte am Dienstag wohl beim Kanuslalom auf, wo er auf ein kleines Rudel anderer deutscher Funktionäre getroffen sein soll, darunter auch der in Tokio so ziemlich unentbehrliche Senior Advisor (Bündnis 90/Grüne) des IOC, der doch einigermaßen kräftig die Strippen zieht im Hintergrund. Man hatte sich kaum etwas zu sagen, wurde berichtet, Hörmann soll sich etwas separiert haben.

Ehre wem Ehre gebührt, so viele Olympiasiegerinnen aus Deutschland wird es ja auch in Tokio nicht geben. Hier also der Grund, warum Hörmann und einige andere Würdenträger sich am Dienstag im Kasai Canoe Slalom Centre verlustierten: Ricarda Funk, die Olympiasiegerin. Besuchen Sie zur Feier des Tages gern mal ihre Webseite, da erfahren Sie vieles.

Einen Moment einsam, aber gerade die glücklichste Frau auf Erden: Ricarda Funk. (Foto: IMAGO/Xinhua)

Die Verteidigungsministerin lässt auch grüßen.

Ich habe mich heute als Jäger und Sammler betätigt. Telefonate, Gespräche, Treffen, Themen ordnen, bisschen Recherche. Läuft. Davon werden wir gemeinsam in den kommenden Tagen profitieren. Eine Kostprobe, gibt es bald ausführlicher:

Corona-Zahl des Tages

Tokio meldete am Dienstag die höchste bisherige Anzahl an positiv auf COVID-19 getesteten Personen: 2.848. Der bisherige Höchststand von 2.520 bestätigten Fällen vom 7. Januar 2021 wurde deutlich übertroffen. Tokio gilt noch bis (mindestens) 22. August als state of emergency. Die weiter steigende Zahl der Infektionen während der Spiele dürfte jegliche Diskussionen darüber ersticken, ob in der zweiten Woche doch noch Zuschauer zugelassen werden könnten. Das soll in den vergangenen Tagen auf höchster Ebene debattiert worden sein.

Am Mittwoch, auf der obligatorischen 11-Uhr-Pressekonferenz von TOCOG und IOC, wurde die aktuelle Zahl der Corona-positiven akkreditierten Personen bekannt gegeben. TOCOG bestätigte 16 neue Fälle, darunter niemand, der im Olympischen Dorf untergebracht ist. Insgesamt beträgt die Infektionszahl seit 1. Juli 2021 nun 174.

Was bleibt?

Mindestens eine Träne über das Ausscheiden von Naomi Ōsaka.

Sie hat seither noch nicht wieder getwittert/getweetet.


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