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Das Olympische Bildungsmagazin

Tokio, was vom Tage übrig bleibt (19. Juli 21) – weitere Einschränkungen für Pressevertreter

URAYASU. Einige Anmerkungen zur Nachtruhe. Doch zunächst: einen täglichen Olympia-Newsletter gibt es jetzt auch: Hier zu buchen.

Da ich noch mit anderen Themen beschäftigt bin, bin ich noch nicht im Nachrichtenflow. Aber dafür gibt es ja Twitter – und weltumspannende Agenturen. Bei Olympia ist es unmöglich, alles zu überblicken. Kein Genie schafft das. Jeder, der sich auf dem Raumschiff Olympia herumtreibt, muss aufpassen, dass er nicht nur mitgetrieben wird, sondern etwas mehr als nur das mitbekommt, was ihm im Mikrokosmos zwischen Hotel, Medienzentrum, Venue widerfährt. Mag sein, dass in der Corona-Blase von Tokio die Ablenkung viel geringer ist als sonst, wenn man sich halbwegs frei bewegen kann. Dafür geht viel Zeit mit anderen Dingen drauf.

Dass einige Arbeitswochen für die Vorbereitung verloren gingen, habe ich mehrfach skizziert. Bei gewöhnlichen Olympischen Spielen akkreditiert man sich mit einem Einzeiler beim DOSB, als Firma (ob großes Medienunternehmen oder Freelancer), irgendwann kommt die Bestätigung oder die Ablehnung, danach sind im Grunde nur noch zwei oder drei Termine wichtig: Unterkunft buchen, meist geht das nur über die Organisationskomitees, dann die namentliche Meldung der Akkreditierten – manchmal gibt es Nachfragen. Das war’s dann schon. Normalerweise kostet das vielleicht 1-2 Arbeitstage über einen Zeitraum von 1,5 Jahren gestreckt. Diesmal waren es viele Tage bis mehrere Wochen in der heißen Phase seit Ende Mai. Verlorene Zeit. Aber an diesem Punkt war ich bereits.

Es zeichnet sich ab, auch das hatte ich bereits angedeutet, dass so wenige Pressevertreter in Tokio sein werden, wie seit Jahrzehnten nicht. Das Gros derjenigen, die unter dem Label „Medien“ akkreditiert sind, gehört ja zum Fernsehen, inklusive der IOC-Firmen unter dem Dach OBS.

Die Quote, also die Obergrenze, für die E-Akkreditierungen (Press) liegt bei 6.000 für Tokio. Die Zahl der TV-Akkreditierungen (größtenteils Techniker, Produktion) beträgt ein Mehrfaches. Die Fotografen will ich nicht unterschlagen, kommen auch dazu. Bin gern bereit das zu korrigieren und mir an dieser Stelle wirklich nicht sicher, ich glaube aber, insgesamt lag die Zahl der „Medien“-Akkreditierungen schon mal bei mehr als 30.000. Ich hole diese Angaben nach.

Ich hatte vergangene Woche bereits geschrieben, dass über den DOSB 260 Presse-Akkreditierungen verteilt wurden – bis Ende Juni gab es fast ein Viertel Rückläufer, so viel wie nie. Inzwischen sollte sich die Zahl der Absagen weiter erhöht haben. Auch das wird aktualisiert.

Nun mal der internationale Aspekt, und hier wird es richtig spannend:

IOC und TOCOG rechneten noch mit 5.000 Pressevertretern in Tokio (von ursprünglich 6.000).

Am Montagmorgen waren lediglich 1.700-1.800 Pressevertreter eingereist.

Ich hatte es beschrieben: Die Abschreckungstaktik wirkt.

Traditionell ist es aber so, dass sehr viele Pressevertreter erst unmittelbar vor den Spielen anreisen. Da kann also noch einiges passieren. Es kann aber auch sein, dass es bei weniger als 4.000 Pressemenschen in Tokio bleibt – von 6.000.

Gut für das Joint Venture von IOC und TOCOG.

Dann schauen halt weniger Journalisten genauer hin.

Genau das ist der Punkt.

Und noch etwas, extrem wichtig: TOCOG will die ohnehin reduzierten Plätze in den olympischen Arenen über die sogenannten Venue Media Manager verteilen – in Absprache mit IOC und TOCOG, dazu wurde wohl am Montag eine Arbeitsgruppe gebildet.

Natürlich sind Tickets auf den Pressetribünen immer Goldstaub, aber gewöhnlich kann man problemlos viele Events besuchen. Es ist meistens Platz. Nur ein Teil der Wettbewerbe trägt das High Demand Label (Eröffnungsfeier, Schlussfeier, Schwimmen meistens, Leichtathletik immer öfter, weil die Arenen weniger großzügig gebaut werden, hat ja auch gute Gründe, dann wie üblich Basketball mit US-Beteiligung, Turnen und einiges mehr). In Tokio gibt es so viele High Demand Events wie nie zuvor.

Und nun sollen über Leute aus der Organisation, die Venue Media Manager, denen die Detailkenntnis fehlt, die Pressetickets verteilt werden. Das funktioniert nicht und wird ein Chaos anrichten. Die Leute werden auf die Barrikaden gehen. Und schließlich dieser grundsätzliche Aspekt: Die Organisatoren können extremer als je zuvor darüber befinden, welche Journalisten/Medien sie warum auf die Tribünen lassen – und wer draußen bleiben muss.

Eine Person, die sich auskennt, schrieb mir dazu:

„Ich unterstelle keine Pressefeindlichkeit. Aber sie kriegen die Bürokratie, die sie aufgebaut haben, nicht in den Griff. Ausländische und japanische Zuschauer konnten sie ausschließen, bei den Medien haben sie sich nicht getraut. Jetzt müsse sie mit uns umgehen. Und die, mit denen wir zu tun haben, kriegen Druck nicht nur von uns, sondern auch von denen, die an den Spielen festgehalten haben und Kritik ganz schlecht aushalten können.“

Das wird spannend.

Für mich endete heute die dreitägige Quarantäne. Vielleicht aber auch nicht, denn am ersten Tag konnte ich kein Testkit bestellen. Die damit beauftragte Firma macht um 19 Uhr Dienstschluss, wenn ich die Dame am Telefon richtig verstanden habe. Ich habe meine Speichelprobe also nur an Tag 2 und Tag 3 abgegeben. Ein Ergebnis kenne ich noch nicht, eine Ermittlung wegen des verpassten ersten Test wurde auch noch nicht eingeleitet. Mal schauen, welche Wendungen das noch nimmt. Mit Tipps halte ich mich zurück, so wie ich mich fein an die Regeln halte. Von den wenigen Menschen, die ich bislang gesehen und gesprochen habe, halten sich alle an die Regeln. Wie schon bei den sechs Stunden Wartezeit in Narita am Freitagabend: Jeder sieht das ein, auch wenn es teilweise extrem nervt und es inhaltlich chaotisch abläuft. Alles gut.

In viereinhalb Stündchen (9.00 Ortszeit, 2.00 MESZ) beginnt der erste Teil der 138. IOC-Session. Ich werde den Beginn aus meinem Büro verfolgen, im Main Press Centre verliere ich nur Zeit und wäre abgelenkt. Bin mit meinem Büro hier sehr zufrieden. Es ist alles gerichtet …

… nur das Internet wird immer langsamer, je mehr Menschen einchecken. Könnte sein, dass ich manche Datenpakete zu Fuß schneller nach Deutschland transportieren würde. Hoffen wir das Beste.

Ich werde live bloggen und nebenher andere Arbeiten verrichten, so muss das sein bei Olympischen Spielen. So macht das Spaß. Und dann werde ich irgendwann zum ersten Mal das Hotel verlassen – für die nächsten 11 Tage aber muss ich wie alle anderen den vorgeschrieben Routen folgen.

Zu den vielen Absurditäten in Tokio zählt es übrigens, dass die dreitägige Quarantäne für viele Akkreditierte nicht gilt. Mir hatte man gesagt, dass man eine Ausnahme nicht zulassen werde und ich Gefahr liefe, nicht ins Land gelassen zu werden. Bei vielen anderen Journalisten war das kein Problem. Und ein halbes Dutzend Leute aus verschiedenen Nationen, die für die IOC-Firma OBS TV-Bilder produzieren, haben mir schon im Freitag in Narita gesagt, dass sie am Samstag mit der Arbeit beginnen. Ohne Quarantäne. Gleiches soll für viele oder gar alle Reporter gelten, die spät anreisen, etwa am Tag der Eröffnungsfeier. Keine Quarantäne.

Keine Sorge, ich schreibe das nicht, weil ich Verschwörungstheorien anhänge, sondern nur, um einmal mehr deutlich zu machen, dass hier wenig einer Logik folgt. Zu jeder Beschränkung gibt es Ausnahmen und Menschen, die keine Beschränkungen kennen, oder weniger.

Nachtrag am Dienstag, gerade erwischt es einen Kollegen der Webseite Insidethegames:

Screenshot Insidethegames

Ich glaube, das sollten einige der wichtigsten und interessantesten Meldungen des Tages gewesen sein:

Dazu u.a. CNN: American gymnast Kara Eaker and basketball player Katie Lou Samuelson test positive for Covid-19 ahead of Olympics

Es ist schon längst wieder hell. 4.55 Uhr Ortszeit. Zeit für ein zweieinhalbstündiges ausgiebiges Schläfchen bis zur IOC-Session.

Bis gleich.


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4 Gedanken zu „Tokio, was vom Tage übrig bleibt (19. Juli 21) – weitere Einschränkungen für Pressevertreter“

  1. Pingback: live von der 138. IOC-Session (Tag 1) – SPORT & POLITICS

  2. Interessant. Und spannend … so langsam kommt wieder das Interesse am Sport (haha) auf bei mir. Danke.
    PS: Kann das Gewicht des TGIOCLOAT stimmen, laut Wikipedia 65 Kilogramm? Macht mich etwas neidisch, auch wenn er nur nur 1,71 m ist.

  3. Er hat sichtlich abgenommen, schon im vergangenen Jahr. Er ist zwar nicht der Größte ist, nur TGIOCLOAT, aber ich weiß nicht. Weiß auch nicht, warum in Wikipedia so etwas steht, anyway, halte eh nichts von W.

  4. Pingback: Tokio, das war der Tag (20. Juli 21) – SPORT & POLITICS

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