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Das Olympische Bildungsmagazin

Live aus Tokio: „Vakzine gegen virale IOC-Narrative“

URAYASU. Eingeweihte werden bei dieser Ortsmarke aufhorchen. Von wegen Tokyo, was erzählt der Typ? Urayasu, ist das nicht fast Chiba?

Korrekt. Aber das ist mir im Moment so was von egal.

Adrenalin ist alles nach 32 Stunden Reise.

Und für mich ist der Großraum Tokio mit seinen mehr als 37 Millionen Einwohnern, vielleicht gar schon 40 Millionen, who knows, ohnehin meist: Tokio. Obwohl ich die Unterschiede zwischen Yokohama, Kawasaki, Saitama, Tokyo, Shinjuku oder eben Chiba schon ein bisschen kenne, von vielen Besuchen gerade in den letzten Jahren. Das erste Mal war ich 1998 in Japan, bei den Winterspielen in Nagano. Damals sind wir mit dem Bus von Narita nach Nagano kutschiert wurden, wie eine Reisegruppe, mit Pinkel-Aufenthalten auf Raststätten. Weißt Du noch, Barbara? Sechs Stunden müssten das gewesen sein. Nagano liegt ein paar Hundert Kilometer entfernt in den Bergen.

Eben habe ich vom Touchdown von QR806 in Narita bis zum Einchecken im Hotel knapp acht Stunden gebraucht. So ist das mit den COVID-19-Countermeasures.

Für alle Journalisten und sonstigen Olympiateilnehmer, die mitlesen: meine OCHA App funktioniert immer noch nicht richtig, das heißt, etwas korrekter: mein Activity Plan war bis eben nicht erschienen, also not approved.

Eigentlich ein sehr schlechtes Zeichen.

Doch die vielen Volunteers, medizinischen Kräfte, Immigration Officers und Zollbeamte, die sich in Narita intensivst mit meiner App beschäftigt hatten (habe das iPhone stets bereitwillig aus der Hand gegeben), kamen zwar allesamt nicht weiter, hatten aber auch allesamt stets andere Ideen. Vor allem hatten sie Interesse an meinen vielen Dokumenten. Für jeden war etwas dabei, und deshalb winkten mich auch jede und jeder stets eine Station weiter. Zufrieden nahmen sie die vielen Papiere entgegen, darunter waren etliche neue, die stets wunderbare japanische Stempel erhielten (Japan ist ein Land der Stempel!), einige Aufkleber und sehr viel Signalfarbe.

Habe zwar keine Ahnung, ob ich ohne funktionierende OCHA App durchs olympische Leben komme, aber das nehme ich jetzt mal olympisch gelassen. Vor allem will ich da überhaupt nichts ändern, denn schon sagt mir OCHA, meine mysteriöse App-Freundin: „By changing you could start a new immigration precedure from your ‚Schedule of Activities‘ or change domestic participation date.“

Wer kann das schon wollen.

Dass ich ohnehin nicht weiß, was damit gemeint ist, möchte ich aus Transparenzgründen aber nicht verschweigen.

Zweifellos ist dies hier mein bisheriges Lieblingsdokument, extrem wichtig!

Nun sage noch jemand, es gebe keine schönen Dokumente in einem bürokratischen Gemeinwesen.

Urayasu zählt zur Präfektur Chiba, wenn ich das richtig sehe. Urayasu ist auch Disneyland, mein Hotel, in das ich gezwungen wurde, umzuziehen, zählt zu den typischen Absteigen für Besuche im Disney Resort. Völlig wurscht, raus darf ich zwei Wochen lang ohnehin nicht, nur an jene Orte, die der Activity Plan umfasst.

Und jetzt ist drei Tage Quarantäne angesagt.

An der Rezeption sprach niemand wirklich Englisch, der Typ im Lawson (24/7), ist ein Unikat, Internet brummt, Klimaanlage nicht, Fernseher lässt sich per HDMI zum zweiten Bildschirm machen, ein erster Informant hat sich am Telefon bereits mit einer spannenden Geschichte gemeldet – als Olympiareporter kann man nicht mehr wollen.

Wer mehr will, der soll daheim bleiben.

Was habe ich bisher gelernt?

  • Wie erwartet sind unter den Olympia-Akkreditierten doch nicht alle gleich. Kirsty Coventry zum Beispiel, Zimbabwes Sportministerin und Thomas Bachs getreue Athletensprecherin (und noch IOC-Exekutivmitglied), kam mit meinem Flieger, wenn ich mich nicht getäuscht haben sollte. Und schnell war sie auf der Top-Top-Top-Priority-Lane verschwunden. Nach sechs bis acht (oder noch mehr) Stunden, als die Mehrheit aus meinem Flieger in den Herbergen eingecheckt haben dürfte, wird sich Dear Kirsty schon fast auf das Frühstück vorbereitet haben – im Luxushotel The Okura.

Anyway, niemand hat die Absicht, sich mit einem IOC-Mitglied zu vergleichen.

  • Interessant aber, was mir ein halbes Dutzend Leute aus verschiedenen Nationen erzählt haben, mit denen ich sechs Stunden Wartezeit verbrachte: Sie sind alle von der IOC-Firma OBS angeheuert, haben also Jobs bei der Produktion des olympischen TV-Signals. Und siehe: Sie gehen am Samstag, also gleich, schon an die Arbeit, während für das Fußvolk, Leute wie mich und tausende andere Journalisten, jetzt die dreitägige Quarantäne beginnt. Unter den OBS-Leuten waren auch einige Brasilianer – das sollte Warnung genug sein.

Alle sind gleich, manche sind gleicher.

  • Und im Bus zum Narita Terminal irgendwo in Tokio wurden natürlich keine Abstandsregeln eingehalten. Das war, als hätte nie jemand etwas von den gestrengen COVID-19-Countermeasures gehört.

Aber mein Gott, ich bin garantiert nicht von der Sittenpolizei. Ich nehme nur die ersten merkwürdigen Dinge zur Kenntnis.

Das waren so einige Beobachtungen, habe viel getwittert gestern und heute Nacht. Zum Bloggen und Newsletter schreiben war die Verbindung nicht gut und stabil genug – und ich zwischenzeitlich zu müde. Da muss ich jetzt mal ein paar Stunden drüber schlafen.

Alles in allem: Es geht mir blendend.

Ich bin schwer optimistisch, dass wir gemeinsam viel Spaß haben werden in diesem Theater, trotz beängstigender IOC-Propaganda. Spaß ist relativ – immer vorausgesetzt, es kommt hier nicht zum Crash und zum Schlimmsten.

Bis gleich.

Stay tuned.

Koffer wird erst morgen ausgepackt. Dieser Beitrag war wichtiger.

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Andreas Singler hat das sehr schön formuliert: Dieses olympische Bildungsangebot ist ein „Vakzine gegen virale IOC-Narrative“.


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4 Gedanken zu „Live aus Tokio: „Vakzine gegen virale IOC-Narrative““

  1. MetaloplastikaCvetković

    So, wichtigste getan, Oly-Pass besorgt, obwohl ich das erste Mal seit 1984 (just zweistellig vom Alter geworden) kein Bock auf Oly habe., also so gar keinen, obwohl ich durch das Handballendspiel zum Handball kam und ich begeisteter Anhänger des jugoslaw. Handballs wurde oder der Alabtros flog; je mehr Technik umso mehr Links und Streams und 2 Monitore, um zu gucken.
    Wie sehr ich mich entfernt habe, merke ich daran, dass ich nur staune, wie u.a. der dt. Schwimmverband, der seit 1996 immer mehr strauchelt, es geschafft hat, auf Michael Groß zu verzichten.
    Vielleicht gibts da gute Gründe für, nur so kaputt wie der Verband ist, erkenne ich sie nicht ,oder wer heutzutage den DESG als selsbternannter Mentaltrainer führt ( der Rest ist mir auch bekannt insbesondere seine Drohgebärden gegenüber kommunalen Verwaltungen etc.), dass macht mich und andere fassungslos.

    Mist alles.

    Deswegen freue ich mich um so mehr auf die Berichterstattung hier und schreibe in den Kommentaren, da ich nie auf Facebook war und nie auf Twitter schreiben werde, da lese nur mit und lache über gute Tweets von Leuten, die es eh besser wie ich oder mir interessante Infos nahe bringen.

    Viel Spass bei den schönen Momenten.

    Vergnügungssteuerpflichtig geht aber insgesamt anders in der Zeit.

  2. Danke. Freut mich.
    Nur: Die Heimniederlage im Europapokal der Landesmeister 1985/86 verzeihe ich Dir deshalb nicht!
    Wenn ich mich recht erinnere, wer weiß das schon nach so vielen Jahren, war es die erste Heimniederlage für den ruhmreichen SCM in der Gieselerhalle seit mehr als einem Jahrzehnt damals. Das tat weh.
    Damals noch mit Ingolf Wiegert, doch sein Sohn Bennet war schon geboren.
    Und ja: das Tokio-Abenteuer ist nicht vergnügungssteuerpflichtig. Es wird journalistisch wahrscheinlich sogar sehr unbefriedigend. Dazu habe ich einiges gesagt und werde noch etliche Psalme dichten.
    Dennoch bin ich ziemlich aufgedreht momentan und sehr froh, das angegangen zu sein. Gleichzeitig auch sehr relaxt. Je komplizierter, desto spannender, desto ruhiger werde ich – immer wieder interessant zu beobachten.
    Anyway, hoffen wir, dass nicht das Schlimmste passiert und alle Teilnehmer das gut überstehen, wenn sie das schon durchziehen.

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