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Das Olympische Bildungsmagazin

Projekt Hawk und das große olympische Erdbeben

TOKIO. Moin, moin. Beginnen wir mit einem Schachtelsatz, der verworrenen Lage angemessen: Vielleicht sollte ich eher schweigen und die Nacht durcharbeiten, die sowieso gleich vorbei ist, denn ich muss noch flink eine Titelgeschichte neu schreiben und 25 andere Seiten rausschmeißen, und ich mache das wie meistens live … hier gerade nah am Scheich und seinem ehemaligen Kumpel Thommy. So könnte es dann aussehen, und zwar noch lange bevor hier die ANOC-Vollversammlung tagt:

Habe nach meiner Ankunft hier in Tokio eine Lagebeschreibung für den SPIEGEL gedichtet. Wie gewohnt anbei der erweiterte Text. Diesmal allerdings vor allem mit Tweets versehen, denn die echte extended version, long read oder wie das im Neudeutsch heißt, gibt es NUR im Magazin. Und die Fortsetzung dann schon in der zweiten Ausgabe im Dezember. Stay tuned, liebe Leute, schaut im Shop vorbei, es lohnt sich.

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Und am Ende dieses Textes folgt mein Twitter-Thread zu den neuesten #FootballLeaks-Geschichten, die auch unseren Lieblings-Olympiascheich betreffen. Endlich geht es den Lügnern des ICSS an den Kragen. Mehr Hintergründe und Analyse und erste Eindrücke hier aus Tokio in meinem Herzensprojekt …

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Er war einer der mächtigsten Strippenzieher des olympischen Sports. Er kontrollierte mehrere Weltverbände, viele Stimmen im Internationalen Olympischen Komitee (IOC), die asiatische Dachorganisation OCA, Teile der FIFA und das mit einer halben Milliarden Dollar gefüllte IOC-Entwicklungsprogramm. Doch die Herrschaft des kuwaitischen Scheichs Ahmad Al-Fahad Al-Sabah ist gebrochen. Dem Scheich droht wegen schwerer Urkundenfälschung in der Schweiz eine mehrjährige Haftstrafe. In Kuwait wird wegen gigantischer olympischer Geldwäsche ermittelt. In den USA ist er in einem der FIFA-Strafverfahren seit April 2017 als Schmiergeldzahler und Mitverschwörer geführt.

Weiteres Unheil bahnt sich an.

Die Büchse der Pandora scheint geöffnet und die olympische Welt wartet in einer Mischung aus Panik, Angst und Schadenfreude darauf, was noch zum Vorschein kommt. Ein Kartenhaus der Macht bricht zusammen und könnte viele Top-Funktionäre, darunter mehrere Präsidenten von Weltverbänden und IOC-Mitglieder, mit in den Abgrund ziehen.

Seine Mitgliedschaft im IOC hat Scheich Al-Sabah vor einer Woche ruhen lassen. Im vergangenen Jahr gab er bereits seinen Job im FIFA-Council auf. An andere Funktionen klammert er sich noch. So an die Präsidentschaft im Dachverband aller 206 nationalen Olympiakomitees (ANOC). Kommende Woche trifft sich die ANOC-Vollversammlung in Tokio, Gastgeber der Olympischen Sommerspiele 2020. Scheich Ahmad steht zur Wiederwahl und ist einziger Präsidentschaftskandidat. Doch nach Informationen des SPIEGEL wird er nicht antreten und soll im Pamir-Kongresszentrum von Shinagawa mindestens ad interim von Robin Mitchell ersetzt werden.

Mitchell stammt von den Fidschi-Inseln und hat es mit Unterstützung des Scheichs bis ins Exekutivkomitee des IOC geschafft, das sich ab kommenden Freitag ebenfalls in Shinagawa trifft. Mitchell ist ein treuer Diener Scheich Ahmads und des IOC-Präsidenten Bach. Das ist wichtig, natürlich kann niemand Nachfolger werden, der nicht zu deren Günstlingen gehört.

Thomas Bach, der mit Hilfe des Scheichs den IOC-Thron bestieg, traf bereits am Freitag in Japan ein. Bach besuchte am Samstag gemeinsam mit Premierminister Shinzō Abe die 2011 von einem Tsunami mit anschließendem Reaktorunglück verwüstete Region Fukushima. Dort finden 2020 Spiele der Wettbewerbe im Softball und Baseball statt. Normalerweise wäre Scheich Ahmad auf dem Kurztrip in Fukushima dabei gewesen, doch nichts ist mehr normal in diesen Tagen. Es hielt sich sogar das Gerücht, Scheich Ahmad könne im letzten Moment seine Reise nach Tokio absagen – oder werde vom IOC dazu gedrängt.

Er traf dann doch ein im Grand Prince Hotel New Shinagawa und wurde von den japanischen Olympia-Organisatoren, von der Hotelbelegschaft und herbei geschafften jungen Sportlern mit Standing Ovations empfangen. Ekligster Personenkult für den ‚visionären Führer‘ wie es gerade einer ANOC-Mitteilung hieß, der Sportkamerad Kim in Nordkorea hätte das nicht besser hinbekommen.

Offiziell heißt es, die sogenannte Ethik-Kommission des IOC „ermittele“ gegen Scheich Ahmad. Wie diese „Ermittlungen“ aussehen, ob eines oder mehrere Verfahren gegen ihn geführt werden, weiß man nicht. Die Kommission teilte auf eine lange Liste von Fragen lediglich mit, man sei im „laufenden Verfahren“ zur Verschwiegenheit verpflichtet. Hinweise auf „laufende Verfahren“ sind im IOC traditionell Teil einer Hinhaltetaktik. Der Fall hat in vielerlei Hinsicht Brisanz: Denn nach Informationen des SPIEGEL sollen nicht nur Bestechungsgelder von Konten des Olympic Council of Asia (OCA) gezahlt worden (dies wurde bereits im Juli 2017 exklusiv berichtet), sondern auch von ANOC-Konten. Zudem steht die Frage im Raum, ob Scheich Ahmad dem IOC und seiner Ethikkommission gefälschte Unterlagen und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erlangte juristische Schriftstücke vorgelegt hat. Das IOC verweigerte auch dazu Auskünfte.

Ermittlungsbefugnisse hat die Ethikkommission nicht. Der frühere UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon fungiert als Kommissionschef und darf eher als eine Art IOC-Maskottchen betrachtet werden. Zu den Mitgliedern zählt der ehemalige Schweizer Bundesrat Samuel Schmid, ebenfalls ein Mann für alle Fälle, der passende Berichte deichselt, wie er vor einem Jahr am Beispiel des russischen Staatsdopings gezeigt hat.

Aus dem Umfeld der Ethikkommission hieß es im Oktober in vertraulichen Gesprächen, der Scheich habe eine Armada von Anwälten engagiert, sei dennoch nicht mehr zu halten, sollte in der Schweiz Anklage erhoben werden. Dies ist vor zwei Wochen geschehen – nach dreieinhalb Jahre währender Voruntersuchung. Im Frühjahr 2019 kommt es zum Prozess vor einem Strafgericht in Genf. Scheich Ahmad weist in diesem und anderen Fällen jegliche Schuld von sich und behauptet stets, er sei Opfer politischer Intrigen und krimineller Vergehen.

Seit mehr als einem Jahr verdichten sich Hinweise, dass in mindestens einem Fall Computerdaten aus dem Präsidialbüros des Scheichs gestohlen worden sind. Wahrscheinlich existieren also nicht nur Unterlagen darüber, wie der Scheich und seine Helfer einen Hinterbänkler der FIFA geschmiert haben, wie seit 2017 der US-Anklageschrift zu entnehmen ist. In den USA konzentrierte sich das Justizministerium bislang nur auf die FIFA. Ein Austausch mit den ebenfalls in spektakulären olympischen Fällen ermittelnden Staatsanwälten in Brasilien, Frankreich und der Schweiz existiert – über die FIFA hinaus – bestenfalls in Ansätzen.

Die Anklage gegen Scheich Ahmad in der Schweiz bezieht sich auf Vorgänge in Kuwait, wo Al-Sabah vor einigen Jahren seinem Onkel, dem Emir und Staatsoberhaupt, Unterlagen über einen vermeintlichen Komplott übergab und öffentlich die angeblichen Verschwörer bloßstellte. Der Emir ließ damals mehrere internationale Wirtschaftsdetekteien verpflichten, die allesamt zum Ergebnis kamen, die angeblichen Belege, darunter Videoaufnahmen, seine gefälscht. Einer dieser Berichte, verfasst von der Firma Kroll, liegt dem SPIEGEL vor.

Im Zusammenhang mit der erfundenen Verschwörung hat der IOC-Scheich gemäß Aktenlage in der Schweiz ein Schiedsverfahren fälschen lassen. Damit gingen seine Anwälte zum Londoner High Court, um international einen Titel zu erwirken und den Eindruck zu verbreiten, seine Standpunkte seien von Gerichtsentscheidungen gedeckt. Dabei hat der High Court die Dokumente der Schweizer Justiz lediglich zur Kenntnis genommen und ohne weitere Prüfung beglaubigt. Möglicherweise droht Scheich Ahmad deshalb in London, wo er ebenfalls einen Wohnsitz hat, ein weiteres Betrugsverfahren.

Einer der vermeintlichen kuwaitischen Verschwörer, der frühere Parlamentschef Jassem Al-Kharafi, ist inzwischen verstorben. Dessen Familie gibt Scheich Ahmad Schuld am Tod und erwirkte das Strafverfahren in der Schweiz. Vor wenigen Tagen listete die Al-Kharafi-Familie in einem Statement die strafrechtlich relevanten Vergehen des IOC-Scheichs noch einmal auf. Bis heute täusche Ahmad Al-Sabah die Öffentlichkeit, heißt es.

Zu den Kernthesen des Scheichs gehört die Behauptung, die Vorgänge in Kuwait und der Strafprozess in der Schweiz hätten nichts mit seinen vielfältigen Olympia-Olympia-Ämtern zu tun. Auch dies dürfte eher eine Wahrheitsbeugung sein. Es liegt umfangreiches Aktenmaterial, auch aus dem IOC und zahlreichen Weltverbänden vor, das darauf schließt: Unmittelbar nachdem Scheich Ahmad sich im Frühjahr 2015 im kuwaitischen Fernsehen öffentlich für seine erfundenen Umsturzanschuldigungen entschuldigen musste …

… begann offenbar sein Rachefeldzug gegen das eigene Land. Wenig später wurde Kuwait von zahlreichen olympischen Weltverbänden und vom IOC suspendiert. Mit dabei, die üblichen Verdächtigen um Patrick Hickey …

… der wiederum von ANOC-Konten mehr als 400.000 Euro Kaution für seine Freilassung aus brasilianischer Untersuchungshaft (zuletzt Hausarrest) erhielt. Dieses Geld, das den Sportlern und der Sportförderung zugute kommen sollte, wird nie zurückgezahlt, wie ANOC auf der letzten Vollversammlung im November 2017 in Prag zugeben musste.

Damals in Prag bastelte Ahmads ANOC-Führung noch eine peinliche Resolution, um ihn trotz erdrückender Beweislage des DOJ im FIFA-Fall reinzuwaschen.

Dazu wird es in Tokio nicht noch einmal kommen.

Und hier ergänzend der Thread zu den #FootballLeaks-Geschichten, die dokumentieren, dass das ICSS, angeblich weltweites Kompetenzzentrum für Integrity und Good Governance, kriminelle Machenschaften nicht scheut. Etliche sich daraus ergebende Fragen habe ich im Thread schon mal zur Diskussion gestellt. Mehr dazu im Magazin.

Diese Art Journalismus finanzieren und das Projekt Magazin gedeihen lassen? Nur zu, ab in den Shop!

Und nun auch das:

ICSS Statement

The ICSS rejects outright the distortions, misrepresentations and falsehoods reported by some media today about our organisation and some of the key people who work for and who have worked with us.We can only conclude that these media outlets are either misguided or incompetent, or even worse driven by a deliberate agenda to create a false and harmful narrative.

We say categorically that no crimes have been committed by any person working with, or for the ICSS undertaking sport integrity investigations. This is an absolute falsehood.

When contacted by the relevant media with long lists of questions, the ICSS acknowledged receipt of their correspondence, and pointed out that the questions contained considerable factual and assumptive errors.

A surprising lack of neutrality, the significant misinformation, the obvious bias and preconception was dominant throughout what seemed to be a random series of points that comprised factually incorrect material inclusive of inaccurate timings, names and references.

The ICSS then clearly advised these journalists that they should clarify the so-called information with their sources. We understand this material to be a combination of purchased or hacked documents and/or emails, which at the very least, needed to be reviewed again by them for authenticity.

Our organisation is extremely concerned regarding these stories attacking the ICSS. These stories are highly defamatory and include many false assertions.

The ICSS will consider its legal position and review any breaches conducted against the ICSS and its employees’ global data protection rights.

Und es geht weiter. Wie angekündigt:

Ein Gedanke zu „Projekt Hawk und das große olympische Erdbeben“

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