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Das Olympische Bildungsmagazin

live aus PyeongChang (24): … und es sprach Schamil Tarpischtschew

Der aktuelle Stand zur möglichen Aufhebung der elfeinhalb-Wochen-Suspendierung des russischen NOK, live aus dem IOC-Hotel in Alpensia, wo Putins Vertrauter Igor Levitin, der gestern Thomas Bach traf, gerade mit Schamil Tarpischtschew speist und ihn einweist. Mit Stimmen von OARIG-Chefin Nicole Hoevertsz, Baron Pierre-Olivier Beckers-Vieujant, Gian Franco Kasper, Schamil Tarpischtschew, John Coates und Ausflüchten von Levitin – ach, und Dick Pound natürlich.

Der alte Herr ist gestrandet. Gian Franco Kasper saß zu lange in einem Meeting mit den Organisatoren der kommenden Olympischen Winterspiele 2022 in Peking. Nun schafft er es nicht mehr rechtzeitig zur Entscheidung im Männer-Slalom im Yongpyong Alpine Centre. Also studiert Kasper, Präsident des Ski-Weltverbandes FIS und Exekutivmitglied des IOC, in der Lobby des Hotels Intercontinental seine nächsten Termine und sondiert die Meldungen des Tages. Die Russen. Natürlich, die Russen.

„Bei uns haben sind sie gut aufgetreten, viele junge Leute“, sagt Kasper, „das muss nun endlich ein Ende haben.“

Soll das Nationale Olympische Komitee Russlands (ROK), erst seit 5. Dezember 2017 von der IOC-Führung wegen des Staatsdopingsystems suspendiert, zur Schlussfeier am Sonntag schon wieder zugelassen werden?

Kaper sagt: „Das ist Sache dieser Kommission von, wie heißt sie nochmal: Nicole Hoevertsz? Ein Dopingfall allein sollte das nicht verhindern.“

Es sei ja nur Curling. Doping im Curling, irgendwie komisch.

So hört man es dieser Tage von vielen im IOC-Umfeld. Und es klang stets danach, als sollte nichts, aber auch gar nichts die Vorgabe des IOC-Präsidenten Thomas Bach verhindern, der im Dezember in Lausanne von einem Schlussstrich unter die Russland-Diskussion gesprochen hatte.

Der Dopingfall ist nun amtlich.

Bei zwei Wettkampftests, nach dem Halbfinale (12. Februar) und dem kleinen Finale (13. Februar) im Mixed Curling, wurde dem Russen Alexander Kruschelnizkij der Gebrauch des Herzmittels Meldonium nachgewiesen. Nachdem die Ad-hoc-Kammer des Welt-Sportgerichtshofes CAS seine Anhörung um mehrere Tage verschoben hatte – gewöhnlich sollen während Olympischer Spiele Entscheidungen binnen 24 Stunden fallen -, sagte Kruschelnizkij am Mittwochabend urplötzlich ab. Er akzeptiert die Folgen der positiven Proben: Die Bronzemedaillen, die er mit seiner Ehefrau Anastassija Brysgalowa bekommen hatte, gehen an die beiden Norweger Magnus Nedregotten und Kristin Sasklien.

Die sind längst wieder daheim in Oslo und setzen sich vielleicht auf IOC-Kosten sofort wieder in ein Flugzeug nach Südkorea. Nedregotten hat sich eine Medaillenübergabe in angemessenem Rahmen gewünscht, um für die Siegerehrung entschädigt zu werden – wunderbare Momente, die ihm die Russen gestohlen haben.

Von kriminalistischen Ermittlungen, um einen angeblichen Meldonium-Anschlag auf Kruschelnizkij nachzuweisen, ist in Russland auch nicht mehr die Rede. Tagelang wurde behauptet, ein Teamkollege habe Kruschelnizkij während des vorolympischen Trainingslager Meldonium ins Getränk gemischt. Von einem sportlichen und privaten Nebenbuhler war die Rede, von einem Liebesdrama. Derlei Geschichten wurden auch von IOC-Spindoktoren gestreut. Gern wiesen Russen daraufhin, dass im Curlingteam ausländische Trainer und Ärzte tätig seien – irgendwie sei das alles verdächtig.

Von solchen Verschwörungstheorien ist seit Mittwochabend kaum noch die Rede. Zufall oder nicht, dass es einige Stunden zuvor, am Nachmittag, zu einem Treffen des IOC-Präsidenten Thomas Bach mit Igor Levitin gekommen war. Levitin zählt zu den Vertrauten von Russlands Präsident Wladimir Putin. Kurz darauf diskutierte Howard Stupp, der juristische Direktor des IOC, in der Hotellobby recht angeregt und lautstark mit dem IOC-Exekutivmitglied Nicole Hoevertsz. Es ging auch um Geld. Um jene 15 Millionen Strafzoll, die das IOC den Russen am 5. Dezember 2017 auferlegt hatte?

Es vergingen nur wenige weitere Stunden, da meldete die erste Nachrichtenagentur unter Berufung auf IOC-Kreise, das Geld sei angeblich auf einem IOC-Konto eingetroffen. Das IOC weigert sich übrigens mitzuteilen, wie viel Geld das ROK von 2014 bis 2017 aus dem olympischen Vermarktungsprogramm des IOC erhalten hat. Nach Schätzungen könnten diese Tantiemen weit höher gewesen sein als 15 Millionen. Die Russen haben eventuell sogar ein Plus gemacht im Binnengeschäft mit dem IOC.

Ob der Betrag angemessen sei oder nicht, dazu wollte sich IOC-Exekutivmitglied Kasper nicht äußern. Es gehe mehr ums Symbolische für das IOC. In seinem Skiverband habe die juristische Auseinandersetzung mit russischen Dopern einige Kosten verursacht, erzählt Kasper. Eine sechsstellige Summe, die man kurzerhand von jenem Konto einfriert, vom dem die FIS ihren Nationalverbänden finanzielle Unterstützung gewährt.

„Wir streiten uns da nicht lange herum“, sagt Kasper, „wir reduzieren einfach unsere Zuschüsse.“

Das russische IOC-Mitglied Schamil Tarpischtschew sagte mir soeben: „Wir haben schon vor den Spielen hier in PyeongChang mit dem IOC über die 15 Millionen gesprochen. Das Geld wird gezahlt.“ Ob es bereits überwiesen wurde, wisse er nicht. Er gehe davon aus, dass die Sache ein gutes Ende nehme – bei der Schlussfeier am Sonntag. Dieser eine „verrückte Dopingfall“ könne nicht ernst genommen werden. „Da muss etwas anderes dahinter stecken. So blöd kann niemand sein, jetzt noch mit Meldonium zu dopen.“

Sprach’s und wurde von einem Mitarbeiter abgeholt, um Putins Vertrauten Idor Levitin zu sprechen. Auf dem Weg zum Lunch ins Restaurant versuchten drei Journalisten, mit Levitin zu sprechen. Er tat, als würde er kein Englisch verstehen, verwies auf Tarpischtschew, sein Mitarbeiter wimmelte uns ab – und das Trüppchen verschwandb zum Speisen.

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Dieses Magazinprojekt, in das ich Monate investiert habe, wird in PyeongChang durchgezogen:

Ich wünsche Ihnen und Euch viel Vergnügen in diesem Theater in den nächsten Wochen (und darüber hinaus) und hoffentlich viele erhellende Momente.

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So fügte sich unmittelbar nach dem Treffen von Bach mit Putins Mittelsmann ein Mosaiksteinchen ans andere. Dabei habe das Gespräch nur winzige vier Minuten gedauert, behauptete Bachs Sprecher Mark Adams bei seiner täglichen Pressekonferenz am Donnerstag. Der CAS teilte zweieinhalb Stunden später mit, alle Parteien – die Russen, das IOC und der Curling-Weltverband WCF – hätten darum ersucht, das Hearing abzusagen.

Klingt nach einer Art Deal. Im Verlaufe des Tages will der CAS sein Urteil bekannt geben, das klar sein sollte: Disqualifikation. Medaillenentzug. Vom Curlingverband dürfte Kruschelnizkij dann eine zweijährige Sperre erhalten.

IOC-Leute hatten in den Tagen zuvor, ähnlich wie nun das Exekutivmitglied Gian Franco Kasper, ständig erklärt, es gebe viele Parameter, die für die Aufhebung der kurzzeitigen Suspendierung des ROC wichtig seien. Der sogenannten „Olympic Athletes of Russia Implementation Group“ (OARIG), eine der vielen bizarren Arbeitsgruppen und Wortschöpfungen im IOC, gehören drei Personen an: Die Chefin Nicole Hoevertsz (Aruba), eine stramme Gefolgsfrau von Thomas Bach, die Slowakin Danka Barteková, als Athletenvertreterin im IOC, und IOC-Generaldirektor Christophe de Kepper. Während alle Welt über die Empfehlungen der Kommission spekuliert und IOC-Sprecher so tun, als würde das Gremium rund um die Uhr konferieren und hart arbeiten, machte Barteková gerade einen Tagesausflug nach Incheon, wo sie, Olympia-Dritte im Skeet-Schießen, im Zentrum des südkoreanischen Verbandes einige Wurftauben erlegte.

„Wir haben alles unter Kontrolle, vertrauen sie uns“, sagt eben Nicole Hoevertsz. „Wir schließen keine Optionen aus.“ Nicht nur die drei Mitglieder ihrer Kommission würden hart arbeiten, ein umfangreiches Team des IOC sei damit befasst. Die Frage, ob die 15 Millionen Strafzoll aus Russland auf IOC-Konten angekommen seien, wollte sie nicht beantworten. „Wir arbeiten an einer Lösung im Interesse des IOC und aller involvierten Parteien.“

Der belgische Baron Pierre-Olivier Beckers-Vieujant rät, das Thema entspannt zu betrachten. „Die Russen müssen sich nicht vierteilen, die OAR-Sportler haben sich mit dieser einen Ausnahme gut benommen“, sagt Beckers, einer der Aufsteiger im IOC, einer mit erstklassigem Ruf. Beckers reist am Freitag ab und befürchtet, der zweite Teil der IOC-Session werde das Quorum nicht erfüllen. Andererseits werde an der Russland-Entscheidung des Exekutivkomitees, die am Samstag fallen soll, ohnehin nicht gerüttelt. Für die Aufnahme der Athletensprecher müsse man sich bei künftigen Winter-Sessionen halt etwas anderes einfallen lassen. Beckers meint, der Auftritt Tarpischtschews am ersten Tag der Session sei ein guter Anfang der Versöhnung mit den Russen gewesen.

Einige ihrer IOC-Kollegen gingen unterdessen auch auf die Pirsch auf Kritiker in den eigenen Reihen. John Coates aus Australien, Bach-Vertrauter und ehemals IOC-Vizepräsident, attackierte den Kanadier Richard Pound in einem Brief an alle IOC-Mitglieder. Pound, der aus Protest gegen eine Aufhebung der ROK-Suspendierung der Schlussfeier fernbleiben will, hatte in seinem jüngsten Interview von „alten Fürzen im IOC“ gesprochen und erneut Bachs Russland-Politik demaskiert. Coates erklärte schriftlich, Pound verdiene als dienstältestes IOC-Mitglied keinen Respekt.

Baron Beckers formuliert es diplomatischer: „Dick Pound hat sich gewiss nicht mehr Freunde gemacht im IOC. Die Mitglieder sehen es gern, wenn man zuerst mit ihnen redet.“

IOC-Sprecher Adams hatte Pound öffentlich indirekt sogar nahegelegt, das IOC zu verlassen, als er formulierte: Wenn man in ein Café gehe, einem der Kaffee aber nicht schmecke und das Interieur nicht gefalle, müsse man sich halt ein anderes Café suchen.

Brisant daran oder vielmehr typisch für die Interessenverquickungen im IOC: John Coates ist gleichzeitig Präsident des angeblich so unabhängigen Welt-Sportgerichtshofes CAS. Zu den aktuellen Russland-Entwicklungen wollte Coates sich nicht äußern.

„Sie werden das gewiss verstehen, ich muss mich zurückhalten. Aber vielen Dank für die Frage.“

17.20 Uhr: Inzwischen hat sich die CAS-Kammer geäußert.

19.24 Uhr: Typisch IOC. Viereinhalb Stunden nach Verkündung des Ergebnisses der Athleten-Wahlen wird eine Pressemeldung dazu veröffentlicht. Unfassbar. Viereinhalb Stunden danach.

PyeongChang Olympians elect two new members to IOC Athletes’ Commission

Emma Terho from Finland (ice hockey) and Kikkan Randall from USA (cross-country skiing) have been elected to the International Olympic Committee (IOC)’s Athletes’ Commission by their fellow Olympians at the Olympic Winter Games PyeongChang 2018.

With a record participation rate of 83.86 per cent, athletes at the Olympic Winter Games made their way to the voting booths in the Athlete365 Space in both the PyeongChang and Gangneung Olympic Villages to cast their votes. Terho was elected with 1,045 votes, followed by Randall with 831 votes.

The announcement was made today at the Olympic Village by IOC Executive Board Member and Chair of the Election Committee Nicole Hoevertsz, Swedish IOC Athletes’ Commission member Stefan Holm and IOC Sports Director Kit McConnell.

Terho represented Finland at five Olympic Winter Games, winning bronze at Nagano 1998 and Vancouver 2010. Randall, meanwhile, is currently competing in her fifth Winter Games in PyeongChang. Earlier this week, she won the USA’s first-ever Olympic gold medal in cross-country skiing, after topping the podium in the team sprint event alongside Jessica Diggins.

Following approval by the IOC Session, to take place on the last day of the Games, Terho and Randall will become Commission and IOC Members for an eight-year term, representing their fellow Olympians on the IOC Athletes’ Commission, which serves as a link between the athletes and the IOC.

They will replace current IOC Athletes’ Commission Chair Angela Ruggiero and Adam Pengilly, whose terms are finishing following their election at the Olympic Winter Games Vancouver 2010.

All 2,930 athletes competing in PyeongChang were eligible to vote and had six candidates to choose from representing three continents and five different sports. They were asked to cast votes for two different athletes from two different sports.

Prior to the start of the Olympic Winter Games PyeongChang 2018, Kirsty Coventry was appointed as the incoming Chair of the Athletes’ Commission following a vote of confidence from her fellow members.

Coventry has been a member of the IOC Athletes’ Commission since 2012, and has played a significant role in developing the Commission’s new strategy, which was presented by the current Chair, Angela Ruggiero, at the International Athletes’ Forum last November.

Also confirmed recently was the appointment of Danka Bartekova as the Vice Chair of the Commission. Bartekova has been instrumental in the delivery of Athlete365, a new overarching brand that brings together all the IOC athlete-focused communication strands.

TBC

5 Gedanken zu „live aus PyeongChang (24): … und es sprach Schamil Tarpischtschew“

  1. Schade, dass ich nicht hinter die Paywall komme, obwohl ich schon vor Wochen den Olympiapass gekauft habe, nur halt per „klassischer“ Überweisung und nicht via Laterpay.
    Also, was tun?

  2. … den Hinweisen aus der Bestätigungs-Email folgen. Da stand alles drin inklusive eines Gutschein-Codes. Neue Email mit kurzer Handlungsanweisung ist unterwegs. LG

  3. Pingback: live aus PyeongChang (26): Russland, Gold und Dopingfall Nummer zwei • SPORT & POLITICS

  4. Pingback: live aus PyeongChang (28): ‘individual and isolated’ Russian doping cases • SPORT & POLITICS

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